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Märkisches Museum Witten

Schneelandschaft bei Kochel
Gabriele Münter

Märkisches Museum Witten

Schneelandschaft bei Kochel

Gabriele Münter

1909
70 × 53 cm
Öl auf Pappe
Erworben aus der Galerie Otto Stangl, München 1955

Das Märkische Museum Witten als ältestes Museum im Ruhrgebiet, vermittelt durch seinen Sammlungsbestand einen Überblick über die Entwicklungen deutscher Kunst seit 1900. Sein Schwerpunkt ist die deutsche Malerei und Grafik der Nachkriegsjahre mit dem Schwerpunkt des Informel. Besondere Beachtung findet seit einiger Zeit aber unser Bestandssegment des Expressionismus. Von jeher stand aber das Gemälde Schneelandschaft bei Kochel von 1909 der Künstlerin Gabriele Münter im Mittelpunkt des Interesses. Die farbenprächtige, intensive und stimmungsvolle Schilderung der subjektiven Landschaftswahrnehmung der Künstlerin bewirkt bei den Rezipient*innen fast durchweg ein positives Kunst- und Bilderlebnis.

Märkisches Museum Witten

Vibration Grün-Violett-Orange
Kuno Gonschior

Märkisches Museum Witten

Vibration Grün-Violett-Orange

Kuno Gonschior

1961/63, beendet 1969
100 × 90 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Mutzenbach, Dortmund 1970

Sonniers Werk Tunel of Tears besteht aus farbigen Neonröhren, die in zwei nebeneinander liegenden Räumen angeordnet sind und eine immersive Erfahrung für die/den Betrachtenden schaffen. Die Neonröhren sind zu tränenartigen Gebilden geformt und weisen einen Farbverlauf von Rot, Orange, hin zu Gelb und Blau auf.  Zwischen den zwei verbundenen Räumen entsteht so, ein starker kalt-warm Kontrast. Frühe Bekanntheit erlangte Kuno Gonschior in den 60er Jahren mit Leuchtfarbenbildern, deren Farbpunkte und komplementäre Nachbilder das Auge bis an die Schmerzgrenze reizen. In Auseinandersetzung mit den Konzepten der „Interaction of color“ und der Konkreten Kunst untersuchte er unter anderem mit seiner Malerei aus Farbpunkten, das Wesen und die Qualität von Farbe. Beide Werke sind unterschiedliche optische Erfahrung von Farbigkeit, die von jeder/jedem Betrachter:in individuell wahrgenommen und verarbeitet wird.


Schwarze Kräfte
Heinz Trökes

Märkisches Museum Witten


Schwarze Kräfte

Heinz Trökes

1950
50 × 60 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1966

Das Gemälde zeigt eine Felslandschaft, über die eine Gruppe Fesselballone und ein Raumschiff gleiten. Neben diesen gegenständlichen Bildelementen baut sich eine abstrakte Parallellandschaft auf, bestehend aus schwarzen Linien und Elementen, die sich ebenso schwerelos im Geschehen zu bewegen scheinen. Trökes verbindet surrealistische Inhalte mit dem Moment der Abstraktion und schafft eine eigenwillige, an einen Traum erinnernde Erzählung. Der Bildhauer Michael Sailstorfer bewirkt mit seinen oftmals auch surreal anmutenden Installationen und Objekten Denkanstöße. Verstärkt durch Bewegung und Sound werden viele Arbeiten zu einem eigenartigen sinnlichen Erlebnis.

Der Kardinal
RISSA

Märkisches Museum Witten

Der Kardinal

RISSA

1969
200 × 176 cm
Öl auf Leinwand
Erworben von der Künstlerin 1980

Das Märkische Museum hat mit Der Kardinal von RISSA auf Heiner Meyers Red Heels reagiert. In den 1960er-Jahren entwickelt RISSA einen Malstil, in dem Formen in einzelne Farbflächen/Farbsplitter aufgeteilt werden, die hart nebeneinander gesetzt erst aus entfernter Betrachtung eine zusammenhängende räumliche Wirkung ergeben. Der Kardinal sitzt in der Mitte des Bildes auf einem goldenen Thron, auf seinem Schoß ein großer Hecht, flankiert ist der Geistliche von zwei großen Hunden. Dieser Mann präsentiert sich als mächtiger und unnahbarer Mensch. Alte Symbole wie der Hund für Treue und der Fisch als Symbol für das Christentum wurden von RISSA hier modern übersetzt und ironisch dargestellt. Meiers Werk Red Heels besteht aus sieben aufeinander platzierten roten HighHeels. Der Schuh, speziell der Frauenschuh, spielt in der Pop Art von Beginn an eine zentrale Rolle. So eben auch im Werk von Heiner Meyer. Als Fetisch, Schönheitsideal und natürlich Statussymbol ist der Schuh ein unverzichtbares Detail.

Ruinendämonie
Erich Mueller-Kraus

Märkisches Museum Witten

Ruinendämonie

Erich Mueller-Kraus

1946
59 × 50 cm
Öl auf Hartfaser
Erwerb 1981

Nach 1945 entstanden viele Kunstwerke aus dem Bedürfnis, zu berichten, zu dokumentieren und zu kommentieren. Die Zerstörung von Städten war eine Tatsache, die die täglichen Lebensbedingungen der Künstler: innen maßgeblich beeinflusste. Gilles und Mueller-Kraus setzten sich beide mit der Zerstörung der Städte auseinander. Während Gilles Werk Nach der Bombenacht strahlende farbige Fragmente beinhaltet, ist Mueller-Kraus‘ Ruinendämonie in dunklen Braun- und Grüntönen gehalten. Auch hier sind Fragmente zu sehen, die an zerstörte Architektur erinnern. Zudem steigen amorphe Figuren empor, die den Betrachtenden an Geister oder tote Seelen erinnern können. Der Begriff der Ruinendämonie entstand schon im 18. Jahrhundert als Reaktion auf die Zerstörungen und Veränderungen, die durch die industrielle Revolution und die Umgestaltung der Landschaften verursacht wurden. Ruinen wurden zu einem Symbol für Vergänglichkeit, Erinnerung und die Unausweichlichkeit des Verfalls.

Werkanlage
Gustav Deppe

Märkisches Museum Witten

Werkanlage

Gustav Deppe

1949
26,5 × 47,5 cm
Öl auf Leinen
Erworben vom Künstler, Witten 1949

Ganz besonders beeindruckten Gustav Deppe die technischen Neuerungen und Errungenschaften des Wiederaufbaus nach 1945, und wie sie weithin die Landschaft des Ruhrgebietes veränderten. Brachlandschaften, Hochöfen Hochspannungsmasten, Antennenwälder und Werkgroßanlagen im Ruhrgebiet waren fortan ein Hauptthema seines künstlerischen Schaffens. Hier ging es für Deppe auch um eine besondere Hervorhebung und Ästhetisierung des Funktionalen und Alltäglichen sowie um die Veränderung des Lebensumfeldes und die Darstellung der Dominanz des Fortschritts. Der Künstler Georg Uecker hingegen schlägt Nägel in Gebrauchsgegenstände und alltägliche Objekte, um sie aus ihrer banalen Funktionalität zu befreien und ein Kunstwerk aus ihnen zu machen. In Ueckers Werk steht stets der Nagel im Fokus, der in das Objekt eindringt und es äußerlich verändert.

Sommerabend, aus: Landschaften oberhalb des Gesichtsfeldes (Ruhrstraße in Witten)
Gustav Deppe

Märkisches Museum Witten

Sommerabend, aus: Landschaften oberhalb des Gesichtsfeldes (Ruhrstraße in Witten)

Gustav Deppe

1947
42 × 55 cm
Öl auf Papier
Erworben vom Künstler, Witten 1949

Die imposante Stahlarbeit von Peter Schwickerath stellt eine Art Tor oder Rahmung zum dahinterliegenden Landschaftsbereich dar. Es ist eine zweiteilige, begehbare Arbeit; der herausgeschnittene Halbkreis liegt auf dem Boden und kann betreten werden. Von beiden Seiten der Plastik können unterschiedliche Perspektiven fragmentarisch durch den rahmenden Halbkreis auf die Landschaft wahrgenommen werden. Der Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen Gustav Deppe erschuf nach dem Krieg ein stimmungsvolles Werk, das einen Blick gen Himmel an einem sommerlichen Abend festhält. Auch hier ist es lediglich der Ausschnitt, der die Sicht auf provisorische, oberirdische Stromnetzte mit Beleuchtungen, Schornsteinen und Verkehrsschildern freigibt. Die besondere Atmosphäre eines flüchtigen Sehmoments wird hier eindringlich geschildert.

Zwei Mädchen
Karl Hofer

Märkisches Museum Witten

Zwei Mädchen

Karl Hofer

1946
100 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus dem Kunsthandel (Auktion Ketterer, Prov. Stuttgarter Kunstkabinett R.N. Ketterer 1956) 1956

Das Gemälde des westfälischen Expressionisten Wilhelm Morgner zeigt einen Mann, der von einem Hügel auf ein umgepflügtes Feld mit einem Bauernhaus schaut. Der dramatische wolkenbesetzte Himmel dominiert in starkem Gelb und Blau. Ob die dargestellte Person von der Feldarbeit ruht oder Rast während eines Spaziergangs macht, erfahren wir nicht. Der Moment des Alleinseins und Betrachtens, vielleicht auch der Zustand von Einsamkeit könnten hier Thema sein. Die Zwei Mädchen hingegen haben einander und wirken eng miteinander verbunden. Ein Mädchen sitzt mit nacktem Oberkörper auf einem Stein und wird von dem zweiten zärtlich umschlossen. Landschaft und Natur spielen hier, im Gegensatz zu Morgners Werk, eine nebensächliche Rolle. Beide Figuren wirken, als seien sie in eine künstliche Bühnenlandschaft gesetzt worden.

Nervöses in Umbra (Gelbes Bild)
Gerhard Hoehme

Märkisches Museum Witten

Nervöses in Umbra (Gelbes Bild)

Gerhard Hoehme

1958
90 × 69 cm
Öl auf Leinwand
Erworben vom Künstler, Düsseldorf 1967

Auf Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang reagiert das Märkische Museum Witten mit Gerhard Hoehmes Werk Nervöses in Umbra (Gelbes Bild). Es stammt aus dem ersten Schaffensjahrzehnt Hoehmes.  Ein wichtiges Thema seiner Kunst war schon früh die Farbe, deren Entwicklung in den Raum hinein ihn faszinierte und Fläche und Form nur von untergeordneter Bedeutung waren. Der pastose Farbauftrag ist für die*den Betrachtenden sofort erkennbar. Die daraus entstehende Struktur verleiht dem Werk einen visuellen Rhythmus, der wie ein Relief wirkt. Auch in Christian Rohlfs Gemälden ist die Struktur der Oberfläche, die durch einen Rhythmus von Linien, Formen und Texturen entsteht von zentraler Bedeutung.

Komposition Nr. 38
Peter Brüning

Märkisches Museum Witten

Komposition Nr. 38

Peter Brüning

1960
110 × 129 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Marianne Hennemann, Bonn 1979

Einem Gemälde der frühen 1990er-Jahre von Emil Schumacher steht ein Werk von Peter Brüning von 1960 gegenüber. Beide Künstler waren wichtige Vertreter des deutschen Informel. Emil Schumacher war Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen im Ruhrgebiet und Peter Brünig trat der Gruppe 53 im Rheinland bei. Schumachers Malerei ist sehr dicht und pastos, wobei die unterschiedlichsten Materialien auf die Bildoberfläche aufgebracht wurden. Die Gemälde von Peter Brüning bedurften einer besonderen Vorbereitung. So wurde der Bildinhalt mit einer aquarellhaften, zarten Untermalung festgelegt, die sich im Laufe des Malprozesses verfestigte. Die Komposition wirkt schwebend im Raum und überlässt eine mögliche Deutung den interessierten Betrachter:innen.

OE 267
Rupprecht Geiger

Märkisches Museum Witten

OE 267

Rupprecht Geiger

1957
95 × 100 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Wintersberger, Köln 1976

Beide Werke zeichnen sich durch geometrisch-abstrakte Elemente, die einen dreidimensionalen Raum öffnen aus.  László Moholy-Nagy war eine Schlüsselfigur am Bauhaus, die von 1919 bis 1933 in Deutschland bestand und eine bedeutende Rolle in der Entwicklung moderner Kunst und Design spielte. Als Lehrer am Bauhaus betonte Moholy-Nagy die Bedeutung der Verbindung von Kunst, Industrie und Technologie. Seine experimentelle und multidisziplinäre Herangehensweise an Kunst und Design hat das Bauhaus beeinflusst. Obwohl Rupprecht Geiger kein direkter Schüler des Bauhauses war, wurde er von den Ideen und Ansätzen dieser einflussreichen Kunstschule beeinflusst. Geiger entwickelte einen unverwechselbaren Stil, der sich durch klare, geometrische Formen und leuchtende Farben auszeichnete. Seine Werke zeichnen sich oft durch große, einfarbige Flächen aus, die eine starke emotionale Wirkung haben können.

Melkerin
Heinrich Campendonk

Märkisches Museum Witten

Melkerin

Heinrich Campendonk

1919
61 × 92,5 cm
Öl auf Leinwand
Erwerb aus Privatsammlung (Frau Eversberg, Hagen) 1948

Das Gemälde von August Macke zeigt eine Stadtszene, in der eine elegant gekleidete Dame mit einem Sonnenschirm in das Schaufenster eines Hutgeschäftes blickt. Das städtische Flanieren, Beschauen und Konsumieren der privilegierten urbanen Gesellschaft wird hier geschildert. Die Kuhmelkerin ist keine feine Dame, sondern eine einfache Bäuerin, die ihrer täglichen Arbeit nachgeht. Sie sitzt auf einem Melkschemel inmitten von Kühen auf einer von Holzzäunen eingefassten Wiese, hinter der sich eine Dorf- oder Stadtlandschaft farbenfroh aufbaut. Die dargestellten Frauentypen könnten nicht gegensätzlicher sein. Die inhaltliche und künstlerische Erfassung von gehobenem Stadt- und einfachem Landleben zu dieser Zeit könnte nicht deutlicher vor Augen geführt werden.

Stillleben
Ilse Hanf-Weinholt

Märkisches Museum Witten

Stillleben

Ilse Hanf-Weinholt

1937
79 × 79 cm
Öl auf Pappe
Schenkung aus Nachlass, vermittelt durch das Stadtarchiv Witten 2003

Stillleben zeigt auf einem überdimensionierten karierten Tischtuch unter anderem einen Van Gogh-Bildband und eine mit Blumen gefüllte Vase. Ihre in expressivem und größtenteils sonnigem Gelb gehaltene Malerei erinnert an Werke des niederländischen Malers, der offensichtlich auch das dominierende Bildthema darstellt. Die Vase mit Blumen als Bestandteil eines kultivierten Interieurs und Haushaltes darf in einem sinnlich angelegten Stillleben nicht fehlen. Anders verhält es sich mit der konzeptuellen Vaseninstallation von Ai Weiwei, die zwar ebenso sinnlich ist, sich aber konträr zur Aussage des Stilllebens verhält. Hier verwendet der Künstler antike chinesische Vasen, die er in Industriefarte taucht und somit das traditionelle mit dem heutigen massiv wirtschaftlich orientierten China in Verbindung bringt.

Über den Bach springen
Hann Trier

Märkisches Museum Witten

Über den Bach springen

Hann Trier

1955
62 × 126 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Rudolf Zwirner, Köln 1965

Karl Otto Görtz ist wohl der berühmteste Vertreter der deutschen Informellen und abstrakten Kunst. Mit seiner Rakeltechnik, mit der er auf dem Boden liegende Leinwände bearbeitet, erschafft er meist großformatige, sehr kraftvolle Gemälde. Eindeutigkeiten im künstlerischen Ausdruck, aber auch im Interpretationsmodus können definitiv ausgeschlossen werden. Somit geht es hier um die Freiheit der Darstellung und der Deutung. Der Dynamik der druck- und wellenartigen Malerei eines Götz wird ein ungegenständliches landschaftsartiges Querformat eines Hann Trier entgegengesetzt. Der Titel verrät hier bereits den Bildinhalt, der recht nachvollziehbar durch Form, Farbe und Malgestus geschildert wird. Fluss, Landschaft und menschliche Bewegung sind deutlich erfahrbar und wirken andererseits wie ein Farben- und Formenspiel im freien Raum.

Bäuerin mit Kind (oder „Großmutter mit Kind“)
Paula Modersohn-Becker

Märkisches Museum Witten

Bäuerin mit Kind (oder „Großmutter mit Kind“)

Paula Modersohn-Becker

1902
73,5 × 57 cm
Öl auf Pappe auf Leinwand

Erworben aus Kunsthandel (Stuttgarter Kunstkabinett Ketterer) 1952

Die Große Sinnende ist mit ihrem langen Hals und der ovalen Kopfform ein typisches Werk Wilhelm Lehmbrucks. Der künstlerisch idealisierte weibliche Körper zeigt sich nackt, ihr Kopf ist leicht nach rechts geneigt. Das Märkische Museum setzt dieser Schönheit ein nüchtern wirkendes Antlitz einer Bäuerin, oder Großmutter mit Kind entgegen. Sie beschreibt ein anderes weibliches Dasein. Mit einem Kind, das sie fest umschlungen hält, befindet sie ich in einer ländlichen Umgebung. Modersohn-Becker setzt hier die Weiblichkeit und Frausein in einen Kontext sozialer Einordnung und Identität. So befindet sich die Bäuerin in einer strukturellen Abhängigkeit und im Kern von Familie, Arbeit und Überleben. Sie wird gebraucht, um nicht zuletzt die Existenz der Nachkommen zu sichern.

Gespräch (oder: Disputation)
Christian Rohlfs

Märkisches Museum Witten

Gespräch (oder: Disputation)

Christian Rohlfs

1921
80 × 54 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus Kunsthandel (Auktion Ketterer) 1955

Das Gemälde zeigt drei Männer in langen Gewändern, die sich im Gespräch befinden. Die Körperhaltung und dargestellte Situation lassen eine lebhafte, vielleicht kontroverse Unterhaltung vermuten. Die Betrachtenden werden mit offenen Fragen zum Gesprächsinhalt zurückgelassen, aber von der Intensität der körperlichen Dynamik angezogen. Typisch für Christian Rohlfs ist der Verzicht auf klare Konturen zugunsten einer freien, vibrierend dynamischen Malerei, die seine Werke lebendig erscheinen lässt. Anatols Stahltisch steht hier im Gegensatz zur spontanen Zusammenkunft und verbalen Auseinandersetzung unter Menschen. Die Installation wartet darauf, von Protagonisten besetzt zu werden, die an den Tisch gefesselt sind und in Konsequenz unfrei agieren und kommunizieren. Die Freiheit zum Austausch steht hier dem Zwang entgegen.

Ninurta
Willi Baumeister

Märkisches Museum Witten

Ninurta

Willi Baumeister

1948
64 × 80 cm
Mischtechnik auf Hartfaser
Erworben 1951

Dem konkreten Werk von Josef Albers Oscillating (A) wird das frühe, informelle Werk von Baumeister, das wie eine Aufsprengung von verschiedenen Formen und Farben auf der Bildoberfläche anmutet, gegenübergestellt. Es scheint, als würden sich die gemalten und eingeritzten Elemente im freien Raum schwerelos bewegen. Stark inspiriert war der Künstler von steinzeitlicher Höhlenmalerei und deren Symbolik. Willi Baumeister gilt als Vater der informellen Kunst, die sich einer eindeutigen, strukturierten, bildlichen Aussage widersetzt. Die Kraft der Symbolik und das Angebot der freien Assoziation stehen bei ihm im Mittelpunkt. Insofern stellt er sich gegen die klar strukturierte und konkrete Darstellung in Form und Farbe eines Albers. Beide streben jedoch das subjektive Empfinden und die Schärfung der Wahrnehmung der Betrachtenden an.

Orthogonal-Dialog 2/87 (Form und Wahrnehmung)
Rudolf Vombek

Märkisches Museum Witten

Orthogonal-Dialog 2/87 (Form und Wahrnehmung)

Rudolf Vombek

1987
175 × 150 cm
Acryl auf Leinwand
Erworben vom Künstler 1991

Im Märkischen Museum Witten befinden sich einige großformatige Gemälde des Künstlers aus den 1980er-Jahren, die in ihrem Ausdruck an die Op-Art erinnern und offensichtlichen Bezug nehmen. Bekannt war er zunächst als Maler des deutschen Informel, dessen künstlerischer Weg immer mehr in die Farb- und Formmalerei führte. Die flirrenden, optisch irritierenden Arbeiten beanspruchen die Wahrnehmung der Betrachtenden und fordern sie heraus. Insofern widersetzen sie sich der formalen und optischen Klarheit der Werke von Robert Mangold und der Licht-Rauminstallation von Gianni Colombo.

Surrealistische Studie
Klaus Jürgen-Fischer

Märkisches Museum Witten

Surrealistische Studie

Klaus Jürgen-Fischer

1952
46 × 34 cm
Öl auf Leinwand

Das Ankerwerk von František Kupka La rếve, um 1909 des Kunstmuseums Bochum stellt beispielhaft den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens der symbolischen Abstraktion dar. Das Thema des Traumes spielt im Surrealismus nicht zuletzt aufgrund der wissenschaftlichen psychologischen Erkenntnisse seit Ende des 19. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. In Kupkas Darstellung lösen sich die Träumenden aus ihrem Körper und schweben im farbigen Raum. Klaus Jürgen Fischer hat sich als Maler stets zwischen Abstraktion, konkreten Ansätzen und Gegenständlichkeit bewegt. Besonders interessierte ihn die Analyse und Befragung des Surrealen Phantastischen. In seinem Werk Surrealistische Studie beschreibt er eine menschenlose, futuristisch anmutende Landschaft mit organisch anmutenden Pflanzenwesen.

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Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Tunnel of Tears for Unna
Keith Sonnier

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Tunnel of Tears for Unna

Keith Sonnier

2002

147 Leuchtstoffelemente (Neon & Argon)
Rauminstallation wurde als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2002 entstanden und eröffnet.

In dem Werk äußert sich eine Besonderheit des Museums: Das Zusammenspiel von lichtbasierter Kunst und industrieller Architektur. Sonniers Entscheidung, ein Geflecht von Neonröhren an die Decke des gewölbten Kellerraums zu bringen, war bewusst. Denn durch das dort regelmäßig sichtbar aufsteigende Grundwasser, stellt er nicht nur einen Verweis zu den abstrakt geformten Tränen an der Decke her, die auch im Titel beschrieben werden, auch spiegelt sich die Arbeit auf dem Boden und wird so erweitert.

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Zwischen Plus und Minus
Jan Van Munster

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Zwischen Plus und Minus

Jan Van Munster

2013
Dauerleihgabe des Künstlers seit 2014

Jan van Munster stellt das Thema Energie in den Mittelpunkt. Häufig nutzt van Munster die Gegensätzlichkeit als Stilmittel und baut ein Spannungsverhältnis zwischen zwei Kontrasten auf, um eine energetische Kraft darzustellen.

Betrachtet man die Farbmalerei Oscillating A von Josef Albers, fällt auf, dass die Essenz beider Arbeiten durch Polarität erzeugt wird. Zwei Pole bringen in ihrer Verbindung ein Spannungsverhältnis zum Vorschein. Auch bei Albers ist die Anwesenheit beider Pole notwendig, um die Wirkung zu erzeugen. Hier ist es insbesondere die Farbveränderung der Flächen, durch die bloße Anwesenheit der anderen. Durch den Blickpunktwechsel versucht man, Unterschiede ausfindig zu machen. Beim Betrachten entsteht eine räumliche Dynamik, die sich wie ein Nachbild auf der Netzhaut verhält, welches mit dem Fokus des Auges mitwandert.

Space-Speech-Speed
Mischa Kuball

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Space-Speech-Speed

Mischa Kuball

2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet

Gianni Colombos Zoom Squares und Mischa Kuballs Arbeit gleichen sich: Zwei dunkle Räume, deren einzige Lichtquellen Projektoren sind, die das Licht auf Wände und Decken bringen. Dominieren bei Kuball die runden Formen, sind es bei Colombo die Quadrate. Es gibt keinen alleinigen Fixpunkt, der zur Orientierung dienen könnte. Das Licht verteilt sich jeweils im Raum und dynamisiert ihn. Bei Kuball geschieht dies nicht so geordnet wie bei Colombo – man betritt ein Chaos aus Lichtpunkten, in das eine gedankliche Ordnung gebracht werden muss. Die Arbeit lädt dazu ein, verloren zu gehen. Verfolgt man die konträren Bewegungen der Lichtpunkte, kommt gar das Gefühl auf, in ein schwarzes Loch gesogen zu werden. Ganz gleich auf welchen Teil der Arbeit man sich konzentriert, es bleibt das Gefühl an dieser Nicht-Endlichkeit nichts ändern zu können.

Fenster
Molitor & Kuzmin

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Fenster

Molitor & Kuzmin

2017
0,85 x 1,1 x 0,3 cm
Fenster (Metall), Leuchtstoffröhre, Kabel, Wand
Seit 2020 unbefristete Leihgabe des Künstlerduos

Beide Arbeiten bestehen aus alltäglichen Elementen, die aus dem bekannten Kontext gerissen wurden. Sailstorfers Idee zum Werk Zeit ist keine Autobahn entstand im ewigen Stau von Los Angeles. Sie überträgt den Moment des Stillstands in eine künstlerische Arbeit mittels eines Materials, das wir gewöhnlich der Mobilität zuschreiben. Zwar ist der Faktor „Bewegung“ in die Arbeit integriert, jedoch ist es Bewegung ohne Vorankommen, ohne Fortschritt. Eine ähnliche Herangehensweise zeigen Molitor und Kuzmin mit ihrer Arbeit Fenster. Das Werk besteht aus zwei Elementen: Einem alten Fenster als Fundstück aus einem Kölner Keller und industriell hergestellten Leuchtstoffröhren. Das Fenster erfüllt seine ursprüngliche Funktion, es spendet Licht. Nur scheint kein natürliches Licht durch das Fenster, was den Bruch mit unseren Erwartungen umsetzt.

Theatre d' Ombres (Totentanz II)
Christian Boltanski

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Theatre d' Ombres (Totentanz II)

Christian Boltanski

2002
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet

Christian Boltanskis Kindheit ist geprägt durch den Holocaust und die Zerstörung in Frankreich. Die Auseinandersetzung mit dem Krieg durchzieht sein gesamtes Werk. In der Arbeit Theatre d`Ombres hat Boltanski Figuren aus Kupfer- und Zinkblechen ausgeschnitten und lässt sie an dünnen Fäden von Metallgestellen baumeln. Die Lichtquellen werfen die Schatten der Figuren groß an die Wände, Ventilatoren erwecken sie zum Leben und lassen uns an dem Tanz der geheimnisvollen Gestalten teilhaben. Die Auswahl als Reaktionswerk zu Werner Gilles Nach der Bombennacht erfolgte aufgrund der thematischen Überschneidung von Boltanskis Schaffen und dem Motiv einer Trümmerlandschaft bei Gilles.

Es ist die durch Krieg und Zerstörung beeinflusste Beschäftigung mit der Vergangenheit, und eine Verbindung beider Werke von materieller und immaterieller Realität.

Mond
Björn Dahlem

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Mond

Björn Dahlem

2017
Werk 2017 als Leihgabe der Galerie Guido W. Baudach in die Ausstellung „BRIGHT“ integriert. 2017 Schenkung des Werkes durch Künstler

Die Lichtskulptur Mond besteht aus einer recht grob zusammengesetzten Holzstruktur, die einem offenen platonischen Idealkörper – dem Polyeder – entspricht, in dessen Kern zahllose Rundspiegel befestigt sind. Außen wird das hölzerne Vieleck von verspiegelten Glühbirnen gesäumt, sodass der Eindruck eines Runds entsteht, das an Metallseilen wie schwebend von der Decke hängt. Die Leuchtmittel, mit denen Dahlem die Holzstruktur überzogen hat, hinterlassen ein ungewohntes Bild. Vergleichbar mit dem mit Nägeln gespickten Fernsehgerät Ueckers lösen sie Verwunderung aus. Beide Arbeiten spielen mit unserer Vorstellung und Erwartung an Objekte des alltäglichen Lebens. Während Dahlem Einzelgegenstände des Alltags nutzt und kombiniert, um etwas Neues zu schaffen, nutzt Uecker bereits Bestehendes, um es seiner eigentlichen Funktion zu entheben.

TouchMe
Blendid

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

TouchMe

Blendid

2017
Installation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2017 entstanden und eröffnet

Blendids Arbeit TouchMe erweckt den Eindruck eines überdimensionalen Scanners. Ein weißer Streifen bewegt sich von der einen zur anderen Seite der Glasscheibe und nimmt jede Interaktion zwischen Person und Glasoberfläche auf. TouchMe und auch die Große Sinnende entfernen sich von einer realitätsnahen Körperdarstellung. TouchMe lässt es zwar offen, den Körper annähernd wirklichkeitsgetreu als Fotografie darzustellen, die dann lediglich von der trennenden Glasscheibe entfremdet wird – doch ist es gerade die Möglichkeit, eben dies auch nicht zu tun, welche die Arbeit besonders macht. Denn abgelichtet werden jene Körperteile, die der weiße Balken auf der Glasscheibe einfängt. Es ist bietet sich also an, einzelne Körperteile in unterschiedlicher Haltung darzustellen oder – wie es Lehmbrucks Arbeit tut – mit den Proportionen zu spielen.

Fall of the Wall, 09.01.1989
Brigitte Kowanz

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Fall of the Wall, 09.01.1989

Brigitte Kowanz

2019
Seit 2021 unbefristete Leihgabe des Studios Brigitte Kowanz

Im Werk Fall of the Wall 09.11.1989 nutzt Kowanz den in das Aluminiumgestell eingearbeiteten Morsecode, um sich auf ein historisches Ereignis zu beziehen: den Fall der Berliner Mauer. Die auf dem gläsernen Träger montierten Neon-Systeme in schwunghafter Linienführung reflektieren sich auf dem Spiegel am Trägersystem. Die mehrfache Spiegelung erzeugt ein visuelles Echo und Tiefe selbst an den Wandstellen, wo der Raum in Wirklichkeit seine Begrenzung findet. Auch bei Junction II von K.O. Götz sorgen rhythmische Kreisstrukturen für Dynamik. Die mehrteilige Arbeitsweise mit Pinsel und Rakel lässt Positiv und Pegativ entstehen, die schließlich verknüpft werden. Hierdurch bekommt das Bild eine gewisse Plastizität und erinnert mit den überlappenden runden Strukturen an die Spiegelungen der Neon-Elemente von Kowanz (und umgekehrt).

Die Signatur des Wortes
Joseph Kosuth

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Die Signatur des Wortes

Joseph Kosuth

2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet

Das Museum zeigt in einem ehemaligen Eiskeller der Brauerei eine aus Neonröhren geformte Textpassage von Heinrich Heine. Ein leicht abfallender, im oberen Raumdrittel beginnender Steg führt die Besuchenden im Zickzack durch den Raum und ermöglicht es ihnen so, sich inmitten des Kunstwerks zu bewegen. Dabei ist es nicht möglich, den Text in seiner Gesamtheit zu erfassen. Die Betrachtenden müssen aktiv werden und das Werk so komplettieren.

Der Zickzack-Steg war vor der Installation des Werkes schon vorhanden und der Konzeptkünstler Joseph Kosuth hat sich aufgrund des Steges entschlossen, seine Arbeit in diesem Raum zu realisieren. Er ist Teil des Werkes, denn ohne den Steg ginge der konzeptuelle Gedanke Kosuths nicht auf, der die Betrachtenden aktiv in das Werk einbindet. So ist in beiden Fällen die Architektur des Hauses Teil des Kunstwerks.

Third Breath (Camera Obscura & Skyspace)
James Turrell

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Third Breath (Camera Obscura & Skyspace)

James Turrell

2009
Gebäude/Werke als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2009 fertiggestellt und eröffnet

Beide Künstler zeigen, wie Formanordnung, Farbe und räumliche Tiefe sich wechselseitig beeinflussen. Betrachtet man die Einzelelemente von Moholy-Nagys Komposition A 17, ist erkennbar, wie sich ihre Erscheinung in Abhängigkeit zueinander verändert. Die weißen, rechteckigen Strukturen wirken grau, wenn sie auf die dunkle Kreisform treffen. Transparenz und Opazität. Eine ähnliche Irritation bietet der Skyspace von James Turrell. Mit dem Sonnenuntergang trifft im zylindrisch gebauten Skyspace künstliches Licht sowohl auf Form als auch auf das natürliche Licht. Fast wirkt es, als wäre unsere Wahrnehmung neu kalibriert worden und der Himmel würde seine wahre Farbe enthüllen. Beide Künstler teilen die Faszination für räumliche Experimente mit Licht und Farbe. Moholy-Nagy bringt sie auf der Leinwand zum Ausdruck, Turrell gewohnt im Raum selbst.

d’Ecrochage, n°6
François Morellet

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

d’Ecrochage, n°6

François Morellet

2005
Seit 2020 Leihgabe von rhce – regionaal historisch centrum eindhoven.

Beim Betrachten von François Morellets  Décrochage 6 entsteht eine visuelle Irritation. Betrachtende fügen in ihrer Vorstellung die zwei aus der Ordnung gefallenen Elemente wieder in das System und vervollständigen die unvollständige Form. Auch bei dem Werk Stahlschnitt von Peter Schwickerath ist das Spiel mit Geometrie und Form offensichtlich. Wenngleich sich die Wahl des Materials bei beiden Künstlern unterscheidet, ist beiden gemein, dass sie zu einer konkret-geometrischen Formgebung einladen. Klar definierte Formen prägen das Werk Schwickeraths, jedoch fällt auf, dass in seinen Werken immer wieder auch Verformungen die formale Einfachheit und Strenge aufheben, zumindest aber stören. Diese Eigenschaft des „Störens eines Systems“ teilt er mit Francois Morellet, wenn auch nicht in gleicher Konsequenz.

Schlohweiß und Rabenschwarz
Christina Kubisch

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Schlohweiß und Rabenschwarz

Christina Kubisch

2001
Rauminstallation wurde als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet

In einem Gärkeller der ehemaligen Lindenbrauerei, der jetzt vom Zentrum für Internationale Lichtkunst als Ausstellungsfläche genutzt wird, hat die Künstlerin Christina Kubisch vier tiefe Gärbecken in Schallfelder verwandelt und dabei auf die frühere Funktion des Raumes verwiesen. Nach einer strengen Geometrie installierte sie unterschiedlich große weiße Lautsprecher auf den dunklen Böden, die von Schwarzlicht beleuchtet werden. Das Schwarzlicht legt die Strukturen der alternden Industriearchitektur frei. Die Lautsprecher scheinen zu schweben. Fluoreszierendes Licht strahlt nach oben, während fein abgestimmte Töne aus der Tiefe aufsteigen. Die Geräusche erinnern an ein Brodeln und Gluckern. Die Auswahl als Reaktion erfolgte aufgrund der sich ähnelnden streng-geometrischen Anordnung, der monochromen Erscheinung und des industriellen Bezugs.

NEVER MOVE FAR FROM COLOR
Maurizio Nannucci

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

NEVER MOVE FAR FROM COLOR

Maurizio Nannucci

2017 - 2018
Als Leihgabe der Galerie Nikolaus Ruzicska für die Ausstellung „Neon Delight“ 2020 ausgestellt, 2021 Ankauf des Werks vom Künstler

Neonschriftzüge sind leuchtende Statements – sie sind kaum zu übersehen. Außerdem ergibt sich die Chance, oft gelesene, emotional aufgeladene und vielleicht bereits entkräftete Worte neu zu lesen. Nanuccis NEVER MOVE FAR FROM COLOR zeigt, wie die Farbanordnung Strukturen sichtbar machen kann, die sich auch unabhängig vom Zeicheninhalt äußern. Auch Ai Weiweis Arbeit Coloured Vases setzt auf die Vielfarbigkeit. Durch die Farbe wird eine neue Deutungsebene eröffnet. Sie stellt jedoch – konträr zu Nannucci – keine alternative Möglichkeit der Deutung dar, vielmehr schließt sie bewusst jede andere Interpretation aus.
Ai Weiweis Coloured Vases kann zweifelsohne auch als farbenfrohes Statement identifiziert werden, wenngleich das Werk ein weitaus radikaleres und auch umstrittenes Statement ist.

Floater 99
James Turrell

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Floater 99

James Turrell

2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden. Dauerleihgabe der Firma Zumbtobel.

Vergleicht man Anatols Arbeit mit der von James Turrell, fällt es schwer, Gemeinsamkeiten zu finden: Ein Raum, eingehüllt in ein sanftes, langsames Farbspiel und ein schwarzer Stahltisch mit Handfesseln wirken konträr. Anatols Werk erzeugt Assoziationen von Folter und Unterdrückung, Turrells vermittelt Ruhe und Leichtigkeit.

In der Aktion von Beuys und Anatol, bei der dieser Tisch genutzt wurde, wurden den Partizipierenden die Hände gefesselt und die Köpfe bandagiert – sie waren in Bewegung und Sensorik eingeschränkt. Floater 99 von James Turrell spielt ebenfalls mit der Einschränkung. Turrels Idee der Lichträume zielt auf eine Orientierungslosigkeit ab, erreicht durch eine gleichmäßige, aber diffuse Beleuchtung. Die verminderte Reizaufnahme wirkt nicht nur relaxierend, sondern insbesondere als Foltermethode, auch durchaus negativ.

Lotusschatten
Rebecca Horn

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna

Lotusschatten

Rebecca Horn

2006
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2006 entstanden und eröffnet

Kupkas Werk suggeriert durch das Verschichten gleicher Bildelemente eine Dynamik, die auch Horns Arbeit auszeichnet: Nicht nur die Spiegel drehen und neigen sich, das Licht überträgt die Bewegung zusätzlich auf Decken und Wände. Diese Grenzauflösung ist wichtiger Bestandteil beider Werke. Kupka nutzt abstrakte Farbstreifen, um die konkreten Raumgrenzen aufzulösen. Die Pastelltöne in Kupkas Werk erzielen in Kombination mit den Vielschichtungen eine mystische Atmosphäre und Transzendenz. Diesem Eindruck kann man sich auch bei den Lotusschatten von Horn kaum verwehren. Hier sind es nicht nur die Assoziationen mit der Lotusblüte, oder das zentrale, lichtgebende Objekt, welches durch die sanften Bewegungen der Lichtkegel den ganzen Raum in das Werk integriert, sondern auch die Töne, die den Eindruck von Transzendenz verstärken.

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Kunsthalle Recklinghausen

Zeit ist keine Autobahn
Michael Sailstorfer

Kunsthalle Recklinghausen

Zeit ist keine Autobahn

Michael Sailstorfer

2011
80 × 95 × 65 cm
Reifen, Eisen, Elektromotor, Strom, Wand
Erworben 2011

Michael Sailstorfers Zeit ist keine Autobahn steht stellvertretend für die Sammelpraxis des Hauses: seit 1948 werden Gewinnende und Teilnehmende des Kunstpreises junger westen – dem ältesten, kommunal vergebenen Kunstpreis in Deutschland  in die Sammlung der Kunsthalle Recklinghausen aufgenommen. Sailstorfers Arbeit referiert materiell auf die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets. Die Abnutzung des wandgebundenen Reifens versinnbildlicht den fortlaufenden Strukturwandel der Region, deren kulturelles Gedächtnis in der Vergangenheit verankert bleibt. Gattungsübergreifend vereint die Installation Aspekte kinetischer, performativer und akustischer Werke, Schwerpunkte, die sich in der Sammlung wiederfinden.

Kunsthalle Recklinghausen

Hommage a Broadway
Günther Uecker

Kunsthalle Recklinghausen

Hommage a Broadway

Günther Uecker

1965
175 × 175 cm
Nägel und Holz auf Leinwand mit Elektroantrieb
Seit 1967 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Die Kunstwerke Homage à Broadway von Günther Uecker und Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 von Helmut Bettenhausen weisen in ihrer Ausgestaltung interessante Parallelen auf. Ueckers Werk aus dem Jahr 1965 ist ein Zeugnis der ZERO-Bewegung, welche mit neuen Ausdrucksformen experimentierte. Die Nägel entwerfen eine dreidimensionale Struktur, die durch den Einsatz von Licht rhythmisiert wird. Der Name des Werkes leitet sich im übertragenen Sinne aus dieser dynamischen Wirkung ab und erzeugt Assoziationen zum pulsierenden Leben am New Yorker Broadway. Auch Bettenhausen widmet sich der Harmonie von Struktur und Form, verzichtet dabei allerdings auf Dynamik, wie wir sie im Werk von Uecker antreffen

Warm Breath I, II, VI
Angelika J. Trojnarski

Kunsthalle Recklinghausen

Warm Breath I, II, VI

Angelika J. Trojnarski

2022
44 × 33 cm / 44 × 46 cm
Papier Collage, sandgestrahlte Inkjet-Prints, Tinte, Ruß, Feuer
Seit 2022 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Gabriele Münters Schneelandschaft bei Kochel und Angelika J. Trojnarskis Warm Breath haben auf den ersten Blick nicht allzu viel gemeinsam. Münters Gemälde aus dem 20. Jahrhundert zeigt eine verschneite Landschaft, die sich durch ihre   expressive Farbgebung und prägnante Pinselführung auszeichnet, dennoch aber die Ruhe und Abgeschiedenheit der Landschaft vermittelt.

Trojnarskis zeitgenössische Collagen hingegen zeigen die Kollision aus glühenden Wolken und einer eisigen Landschaft. Sie verweisen auf Naturereignisse, geprägt vom Klimawandel. Ihre intensive Farbgebung verbindet beide Arbeiten, ebenso wie die Lenkung des Blicks auf das Zusammenspiel von Natur und Mensch. Die Betrachtenden werden zur Wertschätzung der sie umgebenden Natur aufgerufen und gleichzeitig aktiviert, die eigene Co-Existenz zu hinterfragen.

A work of light and heat for a wall with light and heat
Ayse Erkmen

Kunsthalle Recklinghausen

A work of light and heat for a wall with light and heat

Ayse Erkmen

1991
Länge: 1790 cm
geschnitzte Elektrodenkohle, Leuchtstoffröhren, Heizstrahler
Seit 1991 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Tunnel of Tears von Keith Sonnier und A Work of Light and Heat for a Wall with Light and Heat von Ayşe Erkmen fokussieren die transformative Kraft von Licht im Raum. Sonnier erschafft mittels Licht eine immersive Erfahrung, die die Betrachtenden durch einen beleuchteten Tunnel führt. Die roten und blauen Lichteffekte folgen aufeinander, erzeugen verschiedene Stimmungen und laden zur Reflexion über Emotionen und Raum ein. Ähnlich nutzt Erkmens Werk Licht und Wärme, um eine emotionale Resonanz im Raum zu erzeugen. Abwechselnd installiert sie Neonröhren mit Wärmestrahlern und geschnitzter Elektrodenkohle, welche mit Worten versehen ist. Das Licht ist plötzlich nicht nur visuell erkennbar, sondern auch spürbar, in Form von ausgestrahlter Wärme, die die textuelle Nachricht auf eine weitere Ebene erhebt.

Kosmas und Damian
Unbekannte(r) Künstler:in

Kunsthalle Recklinghausen

Kosmas und Damian

Unbekannte(r) Künstler:in

16. Jhd
24,0 x 19,5 cm
Eitempera auf Holz
Seit 2019 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Anatol Herzfelds Arbeit Stahltisch aus dem Jahr 1969 suggeriert bereits durch ihre Materialität Tendenzen zu Härte und Gewalt. Diese werden durch die am Tisch angebrachten Handfesseln bekräftigt. Die Gegenüberstellung mit der Cosmas und Damian abbildenden Ikone hat rein künstlerisch zunächst keinerlei offensichtliche Bezugspunkte zu Herzfelds Stahltisch. Beide Arbeiten unterscheiden in der Wahl ihres Materials maßgeblich. Inhaltlich knüpft die Ikone allerdings an die von Anatol Herzfeld vorausgeschickten Assoziationen an. Cosmas und Damian gelten als Heilige des frühen Christentums, auch sie sind den Märtyrertod gestorben und verbinden damit ihr eigenes Schicksal mit der suggerierten Folter in Herzfelds Arbeit.

Landschaftsepiphanien
Timm Ulrichs

Kunsthalle Recklinghausen

Landschaftsepiphanien

Timm Ulrichs

1972/87
40 × 50 cm
Fotografie
Seit 1992 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Kurt Schwitters Landschaft und Hof Opherdicke entstand in einer Schlüsselperiode der Entwicklung der modernen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Die Wahl des Motivs zeigt Schwitters‘ Interesse an der Darstellung realer Orte, die er durch fragmentierte Formen und geometrische Abstraktionen verändert und damit die Betrachtenden herausfordert, ihre Perspektive auf die Landschaft zu überdenken.

Ulrichs hingegen, Vertreter der Konzeptkunst und des Neo-Dadaismus, repräsentiert mit seinem zeitgenössischen Ansatz die Verschmelzung von Kunst und Leben. Er nutzt den Begriff der Epiphanie für eine Wahrnehmungserweiterung hin zu einer neuen Bedeutung von Landschaft jenseits ihrer physischen Erscheinung. Für die Betrachtung besonders interessant ist, dass er dabei keine real existierende Landschaft, sondern Filmstreifen ablichtet, die durch ihre waagerechte Bildaufteilung wie Horizonte erscheinen.

3-er Sitz
Stefan Kern

Kunsthalle Recklinghausen

3-er Sitz

Stefan Kern

1995
45 × 199 × 58 cm
Holz, Lack
Seit 1996 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Heiner Meyers Skulptur Red Heels aus dem Jahr 2020/2021 bedient sich alltäglichen Gegenständen – High Heels – und abstrahiert sie in ihrer Anordnung zu einer überlebensgroßen Plastik. Stefan Kerns 3er Sitz aus dem Jahr 1995 verbindet nicht nur die rote Farbe mit Meyers Arbeit, sondern auch der ihr anhaftende leicht abstrahierende Charakter der Bank. Auf den ersten Blick erscheint sie wie ein eigenwilliges Designer-Stück. Schaut man genauer hin – oder setzt man sich tatsächlich darauf – fällt auf, dass sie in einer Höhe angebracht ist, die den Vorgang des Hinsetzens oder einer Ruhepause schwer bis unmöglich macht. Damit wird sie zu Teilen ihrer eigentlichen Funktion entledigt und auf gleicher Ebene als Kunstwerk begriffen.

Fallendes Rot
Fritz Winter

Kunsthalle Recklinghausen

Fallendes Rot

Fritz Winter

1953
53,3 × 63 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1955 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

In der direkten Konfrontation der Arbeit Nach der Bombennacht von Werner Gilles mit Fallendes Rot von Fritz Winter ergeben sich beide Bilder überspannende Assoziationen. Dies liegt vor allem an den Titeln, erwägen sie im Zusammenspiel Verknüpfungen zur Bombardierung während des Krieges. Auffällig ist auch die Konzentration des Sujets auf eine bestimmte Fläche, während diese jeweils von einem farbig gefassten Grund umgeben ist. Die Farbe Rot nimmt in beiden Arbeiten einen charakteristischen Anteil ein und konnotiert die durch die Titel vorgeschickten Assoziationen ebenfalls mit Begrifflichkeiten des Krieges. Im Kontext der Nachkriegsabstraktion gilt das Werk des ehemaligen Bauhaus-Schülers Fritz Winter als wegweisend – auch wenn er sich nie ganz dem Gegenstandslosen zuwandte.

Sleepwalker
Otto Piene

Kunsthalle Recklinghausen

Sleepwalker

Otto Piene

1966/67
Ø 68 cm
Aluminium, elektrisches Licht und Elektromotor
Seit 1969 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Günther Uecker und Otto Piene gehörten neben Heinz Mack zur legendären Künstlergruppe ZERO aus Düsseldorf. Bekanntheit erlangten sie zuerst durch ihren Ausruf der Stunde Null in der Kunst zu Beginn der 1960er Jahre. Damit forderten sie eine Abkehr von der bis dahin dominierenden gegenstandslosen Kunst und damit verbunden die Befreiung der Farbe. Licht, Bewegung, Rauch, Feuer, Sand und Nägel bestimmten fortan die Kunstproduktion des Kollektivs. Otto Pienes Sleepwalker steht exemplarisch für diese Zeit. Die Arbeit spielt mit der Wahrnehmung der Betrachtenden, indem sie Bewegung und Licht vereint und sphärisch anmutend den sie umgebenden Raum definiert, erschließt und filigrane Zeichnungen mit Licht an die Wände projiziert.

 

Magnifiy BWS 1224 (Woman with a Spyglass)
Morgaine Schäfer

Kunsthalle Recklinghausen

Magnifiy BWS 1224 (Woman with a Spyglass)

Morgaine Schäfer

2021
80 × 60 cm
Seit 2021 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Wilhelm Lehmbrucks Große Sinnende und Morgaine Schäfers Magnify erforschen auf unterschiedliche Weise die Abbildung der menschlichen Existenz. Die expressionistische Skulptur Lehmbrucks aus dem frühen 20. Jahrhundert vermittelt Melancholie und Reflexion. Schäfers zeitgenössische Fotografie hingegen verbindet analoge Bildträger und Motive aus der Vergangenheit mit dem digitalen Zeitalter und unterstreicht damit den individuellen Ausdruck des Menschen. Beide Künstler:innen stellen den Mensch in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Morgaine Schäfer geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter, in dem sie den Menschen in Verbindung mit seinen Möglichkeiten der Abbildung setzt und damit die Ebene der Vergänglichkeit sichtbar macht.

 

 

Zur Meditation
Karl Prantl

Kunsthalle Recklinghausen

Zur Meditation

Karl Prantl

1976
72 × 26 × 16 cm
Mühldorfer Marmor
Seit 1977 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Karl Otto Götz‘ Junction aus dem Jahr 1991 versetzt die Besuchenden mit seinem scheinbar linear ablesbaren Sujet und seinem zutiefst informellen Charakter in einen Zustand jenseits jeglicher Flüchtigkeit. Eine Art Meditation die von Prantl nicht nur im Titel seiner Arbeit aufgegriffen wird, sondern auch auf sein gesamtes Œuvre übertragbar ist. Als ausgebildeter Maler näherte er sich autodidaktisch der Bildhauerei an und fand seine Berufung in der Steinbildhauerei. Die Arbeit Zur Meditation beschreibt einen Steinquader mit abgerundeten Kanten. Die scheinbare Härte des Materials wird durch diesen kleinen Eingriff deutlich verringert und fügt sich so dem meditativen Charakter. Die natürliche Struktur des Steins lässt Bezüge zu Götz‘ Arbeit zu; wirkt auch sie ganz im Geiste des Informels intuitiv und naturgegeben.

Continuel lumière avec forme en contorsion
Julio Le Parc

Kunsthalle Recklinghausen

Continuel lumière avec forme en contorsion

Julio Le Parc

1967
152 × 122 × 20 cm
Holz, Aluminium-Folie, elektrisches Licht, Elektromotor
Seit 1968 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Das Werk Le Rêve von Frantisek Kupka ist geprägt von räumlicher Abstraktion und leuchtenden Farben, die eine Traumlandschaft erschaffen und somit Grenzen von Realität und Vorstellungskraft verwischen. So sollen vor allem Emotionen und Gedanken zum Ausdruck kommen. Continuel lumiere avec forme en contorsion von Julio Le Parc aus der Kunsthalle Recklinghausen wird der kinetischen Kunst zugeschrieben, die sich durch ihren Fokus auf Bewegung, Licht und Interaktion auszeichnet. In seinem Werk verbindet Le Parc die einzelnen Gestaltungselemente zu einer visuellen Erfahrung und lädt die Betrachtenden ein, mit dem Werk in Dialog zu treten. Trotz der zeitlichen Distanz der Arbeiten verbindet sie das Streben nach einem neuen interaktiven Verhältnis zwischen Betrachtenden und Kunstwerk.

 

Nachtkerzen
Friedrich Gerlach

Kunsthalle Recklinghausen

Nachtkerzen

Friedrich Gerlach

1963
44,5 × 60 cm
Öl auf Hartfaser
Seit 1963 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Der Mann auf dem Hügel von Wilhelm Morgner und Nachtkerzen von Friedrich Gerlach teilen auf unterschiedliche Weise eine faszinierende Verbindung zur Natur. Morgner zeigt eine isolierte Person auf einem Hügel, inmitten einer düsteren Landschaft. Die kantigen Formen spiegeln die Ausdrucksstärke des Expressionismus wider. Das Innenleben der Figur, ihre Verzweiflung und existentielle Suche stehen im Vordergrund. Gegensätzlich dazu – Gerlachs Nachtkerzen, die Detailgenauigkeit der Blumen, einer artifiziell geschaffenen Natur, die im Wechselspiel mit der industriellen Umwelt steht. Der Naiven Malerei zuzuordnen, bewegt sich Gerlach, der selbst Bergman war, in eben diesem Umfeld und beschäftigt sich mit dem Wirken des Menschen in einer von Industrie geprägten Umgebung und der selten zu findenden Einsamkeit in der Natur.

Chronos 7
Nicholas Schöffer

Kunsthalle Recklinghausen

Chronos 7

Nicholas Schöffer

1966
162 × 130 × 45 cm
Stahl, verchromt, Elektromotor
Seit 1969 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Das von László Moholy-Nagy arrangierte Bildgefüge Komposition A17 beschreibt in seiner diktierten Form eine Vorstufe der sich bereits in den 1950er-Jahren etablierenden kinetischen und kybernetischen Kunst. Die Zusammenstellung der geometrischen Formen artikuliert in ihrer Wirkweise das systematische Experimentieren mit Beleuchtung. Chronos 7 von Nicholas Schöffer aus der Kunsthalle Recklinghausen vereint diese frühen zweidimensionalen Experimente in dreidimensionaler Gestalt. Das durch Spiegel und Bewegung transportierte Licht erzeugt dabei eine ganz eigentümliche Symbiose aus Raum und Zeit und macht diese für die Besuchenden in Interaktion mit der Arbeit erfahr- und erlebbar. Die daraus entstehende dynamische Beziehung zwischen Rezipierenden und Kunstwerk ist ein zentrales Merkmal der Kinetischen Kunst.

Lichte Felder
Heinrich Siepmann

Kunsthalle Recklinghausen

Lichte Felder

Heinrich Siepmann

1954
90 × 120 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1957 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Heinrich Siepmanns Lichte Felder aus dem Jahr 1954 steht exemplarisch für eine wiederaufkeimende Beschäftigung mit der abstrakten Kunst während der Nachkriegszeit in Westdeutschland. Insbesondere gegen Ende der 1940er-Jahre und einhergehend mit der Gründung der Künstlergruppe junger westen im Jahr 1948, deren Gründungsmitglied Siepmann war, verflüchtigte sich das Bild der figurativen Malerei. Die junge Generation lenkte die Entwicklung wieder in Richtung Abstraktion und letztendlich Gegenstandlosigkeit. Die der Komposition anhaftende akribische Anordnung der geometrischen Formen, sowie ihre dezidierte Farbgebung spiegeln sich in gegenständlicher Abbildung in August Mackes Arbeit aus dem Jahr 1914 wider. Auch hier findet sich ein bedachtes Spiel mit Licht und Schatten, Perspektive und Ordnung.

Ratonneau, aus der Serie „Lapidarium“
Max Leiß

Kunsthalle Recklinghausen

Ratonneau, aus der Serie „Lapidarium“

Max Leiß

2017
200 × 175 × 40 cm
Gips, Jute, Stahl, Dämmstoff
Seit 2017 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Peter Schwickraths Stahlschnitt steht beispielhaft für sein tonnenschwere Skulpturen umfassendes Oeuvre. Zumeist aus Stahl gefertigt, wirken sie wie Landmarken im Außenraum. Max Leiß, Kunstpreisträger junger westen 2017, ausgezeichnet in der Kategorie „Skulptur, Plastik und Installation“ bewegt sich mit seinen Arbeiten ebenfalls oftmals im Außenraum und verwischt dabei die Grenzen zwischen Architektur, Landschaft und Kunst.

B 15 (Fensterbild)
Heinrich Siepmann

Kunsthalle Recklinghausen

B 15 (Fensterbild)

Heinrich Siepmann

1975
105 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1976 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Christian Rohlfs Interieur-Abbildung des frühen Museum Folkwang in Hagen dokumentiert nicht nur die Anfänge des die Region bis heute prägenden Folkwang-Gedanken, sondern ist gleichzeitig auch Belegstück der verschiedenen Ausprägungen Bildender Kunst um die Jahrhundertwende. Die neo-impressionistische, pointillistische Darstellungsweise des Innenraumes vermittelt in ihrer Farbwahl eine eigentümliche Darstellung der Lichtverhältnisse im Interieur. Heinrich Siepmanns Arbeit B15 (Fensterbild) steht dieser Darstellung zunächst absolut konträr gegenüber. Klare Kanten, klare Farbfelder. Dennoch ist es die inhaltliche Ebene, die beide Arbeiten verbindet. Der Blick durch ein Fenster – bei Siepmann bleibt das zu Betrachtende verborgen – wird in beiden Arbeiten auf verschiedene Art und Weise in den Vordergrund gerückt.

Strata Tomb
David Nash

Kunsthalle Recklinghausen

Strata Tomb

David Nash

1991
125 × 20 × 14 cm
244 gesägte und angebrannte Grubenhölzer, Eiche
Seit 1991 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Für die Kunsthalle Recklinghausen ist der Hagener Künstler Emil Schumacher aufgrund seiner Mitgliedschaft zur Künstlergruppe junger westen von großer Bedeutung. Gemeinsam mit den anderen Gründungsmitgliedern der Gruppe legten sie gemeinsam mit Franz Große-Perdekamp den Grundstein für das Bestehen der Kunsthalle. David Nashs Arbeit Strata Tomb, bestehend aus angesägten und angebrannten Grubenhölzern lässt zum einen Bezüge zur Region und damit auch zu Schumacher und vielen seiner heimatverbundenen Sujets zu, zum anderen bezieht sie sich materiell auf die von Schumacher aufgegriffene Thematik des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen. Nashs Ansammlung von Kohle kann auch als Überbleibsel dieser Naturgewalt gelesen werden – auch wenn die Arbeit in einem anderen Kontext entstanden ist.

Ohne Titel
Susanne Britz

Kunsthalle Recklinghausen

Ohne Titel

Susanne Britz

2006
80 × 120 cm
Digital Print
Seit 2009 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Ai Weiweis Coloured Vases und die Arbeit von Susanne Britz teilen eine tiefgreifende Betrachtung kultureller Transformation und Veränderung. In Ai Weiweis Arbeit werden antike chinesische Vasen aus der Han-Dynastie in industrielle Farbe getaucht, wodurch ihre ursprüngliche Identität, die kulturelle sowie die historische Bedeutung radikal verändert werden. Eine Auseinandersetzung mit kultureller Entfremdung und ihrem Umgang in Bezug auf die Vergangenheit wird angeregt. Ähnlich erforschen die Arbeiten von Susanne Britz die Beziehung zwischen Mensch und Gegenständen sowie die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Ihre farbenfrohen und dynamischen Kompositionen schaffen Raum für Interpretation, indem sie die Betrachtenden dazu anregen, Sinn, Gemeinsamkeiten und neue Beziehungen zu erkennen.

Ohne Titel (4-teilig)
Susanne Paesler

Kunsthalle Recklinghausen

Ohne Titel (4-teilig)

Susanne Paesler

1993
58 × 58 cm
Lack auf Aluminium
Seit 1993 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Das Werk Oscillating (A) von Josef Albers ist ein Beispiel für die zeitlose Faszination abstrakter Kunst. Nachdem Albers 1933 in die USA emigrierte, fand er eine neue Inspirationsquelle in der mexikanischen Kultur, welche sein folgendes Werk und vor allem seine Auseinandersetzung mit Farbe und ihre Wahrnehmbarkeit stark beeinflusste. Auch Susanne Paeslers Arbeit setzt sich mit Farbe und Form auseinander und lässt in ihrer Gestaltung Anklänge zu Albers Werk, insbesondere Hommage to the Square erkennen. Unterbrochen wird die streng geometrische Komposition allerdings von dunklen, gitterartigen Strukturen, die den ungestörten Blick auf die Farbe beeinträchtigen und ihn sogar aushebeln.

Atlantik Wall
Magdalena Jetelová

Kunsthalle Recklinghausen

Atlantik Wall

Magdalena Jetelová

1994-95/2007
124 × 185 cm
Großdia in einem Leuchtkasten
Seit 2007 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen

Die Werke Zoom Squares von Gianni Colombo und Atlantik Wall von Magdalena Jetelová verkörpern die Verschmelzung von Kunst und Raum. Colombos interaktive Installationen beziehen die Betrachtenden durch ein Spiel von Licht und Bewegung als Teil der Dynamik zwischen Kunstwerk und Raum ein. Jetelovás Atlantik Wall erzeugt eine kontemplative, düstere Atmosphäre, die sich mit der Beziehung von Geschichte, Raum und Macht auseinandersetzt. Sie zeigt die militarisierten Strukturen des Atlantikwalls – heute nichts als machtlose Überbleibsel einer anderen Zeit. Beide Werke regen neue Interpretationen des Raumes und der Wechselwirkungen zwischen Kunst und Umgebung an. Während dies bei Colombo durch Bewegung und Licht passiert, arbeitet Jetelová mit einer historischen Dimension des Raumes.

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Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Red Heels
Heiner Meyer

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Red Heels

Heiner Meyer

2021
330 × 550 × 600 cm
Stahl
Erworben 2021

Als Popart 2.0 bezeichnet der international agierende Bielefelder Künstler Heiner Meyer sein Schaffen. Auch für seine Skulptur, die im März 2021 vor der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen aufgestellt worden ist, wählt er ein in der Popart bekanntes Thema: den Schuh! In der Art eines Scherenschnitts angelegt, winden sich die High Heels zu einer 6m hohen Schuhpyramide empor. In ihrer signalroten Farbigkeit nehmen sie zum einen das rosa Schloss ins Farbkonzept mit auf und setzen sich zum anderen als Komplementärkontrast zu dem umgebenden Grün ab.

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Das lasse ich mir…
Laas Abendroth

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Das lasse ich mir…

Laas Abendroth

2008-2014
je 120 × 100 cm (als Triptychon)
Öl auf Leinwand
Erworben 2021

Laas Abendroths Triptychon hinterfragt die Künstler-Rolle in der Gesellschaft und Museumslandschaft. Seine Werke sind tief ironisch. Der Satz „Das lasse ich mir von einem Kurator nicht denken“ stellt die kuratorische Arbeit im musealen Kontext infrage. Genauso kritisch beleuchtet er seine eigene Arbeit, indem er auf den Konzeptkünstler verweist, der durch einen Bretterverschlag dem Kunstwerk selbst das Wort verbietet. Sehr passend wirkt hier das Werk von Beuys‘ Schüler Anatol. Der Stahltisch wurde im Rahmen einer Performance genutzt, bei der es um die Hinterfragung von Regeln des demokratischen Rederechts und Selbstermächtigung ging. Den drei am Stahltisch fixierten „Sprechern“ wurde immer wieder durch Lichtsignale das Wort erteilt oder verboten. Hierdurch wird auch die Steuerung von menschlicher Interaktion durch Technik reflektiert.

Mutter und Tochter
Gerhard Richter

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Mutter und Tochter

Gerhard Richter

1965
180 × 110 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1974

Richters Gemälde basiert auf einer Fotografie, die er in seinem Atlas-Konvolut, einer Sammlung von Fotografien, Zeitungsausschnitten und Skizzen, seit Mitte der 1960er-Jahre zusammentrug. Mutter und Tochter, das sind die zu dieser Zeit in den Medien omnipräsente Schauspielerin und Filmikone Brigitte Bardot und ihre Mutter, die hier Arm in Arm auf den Betrachtenden zuschreiten. Obwohl die Werke von Richter und Uecker, die zusammen an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert haben, verschiedener nicht sein könnten, setzen sie sich beide mit der Medienkultur auseinander. Mit dem Medialen, genauer gesagt mit der Allgegenwärtigkeit des TVs, beschäftigt sich nämlich auch Günther Ueckers gleichnamiges Werk von 1963. Durch die Bearbeitung des Objekts mit einer Vielzahl von Nägeln wird es seiner Funktion als nutzbarem Einrichtungsgegenstand beraubt und zu einem Kunstobjekt transformiert.

Komposition
Ernst Wilhelm Nay

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Komposition

Ernst Wilhelm Nay

1955
36 × 52,6 cm
Farblithografie
Erworben 1959

Ernst Wilhelm Nays farbenfrohe Komposition von 1955 reiht sich in seine Schaffensperiode der „Scheibenbilder“ ein. Wie an diesem Werk deutlich wird, nehmen die Scheiben, rund anmutende Formen, die allein durch das bloße Aufsetzen des Pinsels entstehen und so erweitert werden können, einen Großteil der Bildfläche ein. Freie Formen, die Größenverhältnisse der flächigen Bildelemente untereinander und auch der Einsatz von gestischen Pinselstrichen verleihen dem Werk eine innere Dynamik. Auch im Werk von Karl Otto Götz vernimmt man eine innere Spannung. In reduzierter Farbpalette wird die Eigendynamik des Farbauftrags in streichenden und schwungvollen Bewegungen deutlich. Während sich eine Vielzahl der Formen in Nays Werk in der Mitte bündeln, zeigt Götz‘ Gemälde durch Format und Formgestaltung eher eine Bewegungsabfolge von links nach rechts.

Poem print bl.u.weiß
Ferdinand Kriwet

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Poem print bl.u.weiß

Ferdinand Kriwet

um 1969
125 × 125 cm
Siebdruck auf Leinwand
Erworben 1969

Immer größer werdende Kreise aus blauen Worten schließen einander mal mehr und mal weniger durchlässig ein. Die Buchtstaben überschneiden und überlagern sich in Ferdinand Kriwets Werk, als wäre die Druckerpresse von Zeit zu Zeit ein wenig verrückt worden. Die Mitte dieser Kreise ist eine runde, weiße Fläche, die ähnlich wie das Auge eines Sturms, völlig frei von Worten ist. Das Werk stellt eine Symbiose von künstlerischer Darstellung und Poesie dar. Die Rhythmik und Ordnung der Poesie wird jedoch durch Lücken zwischen den Buchstaben und Worten immer wieder in Frage gestellt.

Um das freie und gleichsam begrenzte Spiel mit geometrischen Formen geht es auch in László Moholy-Nagys Komposition A 17. Gemeinsamkeiten sind hier die dominierende Kreisform, sowie der Bruch mit Symmetrie und Einheitlichkeit.

Apple Store 1 + 2
Gudrun Kemsa

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Apple Store 1 + 2

Gudrun Kemsa

2013
je 69 × 98,5 cm
Pigmentdruck
Erworben 2017

Die hohen Glasfronten des Apple Stores, die hier in Szene gesetzt werden, spiegeln ihre verzerrte, urbane Umgebung wider. Durch die Spiegelungen entstehen Fragen von Perspektive, Schein und Wirklichkeit. Weder das Innere des Stores noch das berühmte Logo sind zu sehen. Die Menschen der Stadt stehen vor den Scheiben oder gehen am Gebäude vorbei. Trotz ihrer Passivität treten sie durch die Spiegelungen in direkte Interaktion mit der transparenten Architektur.

Viel aufmerksamer scheint da die Betrachterin in August Mackes Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen an der präsentierten Ware interessiert. Bei beiden Werken findet ein Spiel zwischen innen und außen auch mit den Betrachtenden statt.

Das Vordringen der Quadrate
Franz Radziwill

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Das Vordringen der Quadrate

Franz Radziwill

1956
72 × 77 cm
Öl auf Sperrholz
Erworben 1963

Franz Radziwills Das Vordingen der Quadrate widmet sich dem Spiel mit Räumlichkeit und Wirklichkeit. Naturalistische Bildelemente stehen unwirklichen Architekturen und fliegenden Fantasiewesen gegenüber, während die Farbfläche über dem Horizont zur Hälfte himmelblau erscheint und zur anderen Hälfte aus roten, blauen und braunen Quadraten besteht. Die dadurch entstehenden Raster greifen in einen realistisch erscheinenden Bildraum hinein.

Der Stahlschnitt von Peter Schwickerath überträgt die Idee des Vordringens geometrischer Formen ins Dreidimensionale und nutzt damit die Möglichkeit von Kunst im öffentlichen Raum, eine Beziehung mit der Umgebung einzugehen.

Wrapping Paper
Sylvie Fleury

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Wrapping Paper

Sylvie Fleury

1993
100 × 70 cm
Offsetdruck
Erworben 2021

Das Geschenkpapier der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury zeigt kleine Darstellungen verschiedener Luxusprodukte der Marke Chanel, die sich in einer gleichsamen Reihenfolge wiederholen. Neben Parfümflakon, Handtasche und Damenschuh reiht sich auch das Logo der Luxusmarke ein: das in sich verschlungene doppelte C. Durch die gleichmäßige Wiederholung der kleinen Piktogramme, auch Rapport genannt, wird eine ordentliche, gemusterte Fläche konstruiert.

Auch bei Helmut Bettenhausen geht es um die rhythmische und sich wiederholende Struktur der gestalteten Oberfläche. Dabei ähneln sich sowohl die Formate der Werke als auch die Abstände zwischen den einzelnen repetitiven Bildelementen, die sich tapetenartig über die Bildfläche spannen.

Macht Geschenke
Christin Lahr

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Macht Geschenke

Christin Lahr

2009 - 2011
je 10,5 × 15 cm
Postkarten
Erworben 2017

Mit den sechs Postkarten belegt Christin Lahr ihre systemkritische Aktion Macht Geschenke, die am 25. Mai 2009 beginnt. Seit diesem Tag überweist die Künstlerin täglich einen Cent an das Bundeministerium für Finanzen, wobei sie in den Verwendungszweck jeweils 108 Zeichen aus Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx schreibt. Nach etwa 43 Jahren wird der gesamte Text des Werkes übermittelt sein. Die Aktion soll einen Impuls zur kritischen Refelexion der politischen Ökonomie Deutschlands geben. In Ai Weiweis Coloured Vases geht es ebenfalls um die Hinterfragung des Gesellschaftssystems. Historische chinesische Vasen wurden in einer sozialkritischen Aktion mit industriell gefertigter Farbe übermalt. Thematisiert werden die fehlende Wertschätzung historischer Handwerkskünste in China und die verheerenden Auswirkungen der Kulturrevolution.

Detlef, aus der Reihe: Männerbeine kämmen
Billie Erlenkamp

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Detlef, aus der Reihe: Männerbeine kämmen

Billie Erlenkamp


60 × 40 cm
Farbfotografie
Erworben 2014

Für eine Aktion im Frauenmuseum Bonn kämmte die Künstlerin Billie Erlenkamp die Beinbehaarung von Männern. Es entstanden feine weibliche Akte. Die sinnlichen Frauenkörper stehen im Kontrast zu dem gesellschaftlichen Konstrukt der Männlichkeit, das auch über Beinbehaarung ausgedrückt wird. Obwohl diese bei Frauen in unserer Gesellschaft momentan nicht akzeptiert wird, erobert der weibliche Körper hier ein „männliches“ Attribut für sich zurück, ein Vorgehen, das auch die Body-Positivity-Bewegung unterstützt.

Wilhelm Lehmbruck, der den weiblichen und männlichen Körper in ihrer Schönheit und Reinheit schätzte, schuf mit seiner Großen Sinnenden ebenfalls eine aufrecht stehende Figur. In skulpturaler Form arbeitete er eine eher geometrische und starre Figur aus, bei der es ihm besonders um Gleichgewicht und Körpervolumen ging.

Wie monochrom ist Monochrom?, gelb
Hartwig Kompa

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Wie monochrom ist Monochrom?, gelb

Hartwig Kompa

2012
166 × 86 × 2 cm
Aluminium, farbiges Glasmehl
Erworben 2021

Die Auseinandersetzung mit Farbe und ihrer Materialität ist der Kern des künstlerischen Werks von Hartwig Kompa. In serieller Ausführung befasst Kompa sich mit rein monochromer Farbigkeit. Die hier gezeigte Beschäftigung mit der Farbe Gelb bedient sich des geschichteten Auftrags von Glasmehl, das dem Werk eine ganz besondere Tiefe und Struktur verleiht. Es geht um den Ausdruck, die Vorstellungen und Assoziationen, die durch die Betrachtung des Darstellungsgegenstandes „Farbe“ evoziert werden können. Ebenfalls ganz der Wirkung von Farbe und Raum verschrieben war der Bottroper Künstler Josef Albers. In seinem Werk Oscillating (A) finden sich verschiedene Farben und rechteckige Formen wieder. Ihm geht es um die subjektive, kognitive und teils illusionistische Wirkung von verschiedenen Kombinationen von Formen und Farben.

18C - Erinnerung an eine verflüchtigte Landschaft (Visualisierung)
Helga Griffiths

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

18C - Erinnerung an eine verflüchtigte Landschaft (Visualisierung)

Helga Griffiths

2018
Durchmesser Flakon 11 cm
Mixed Media
Erworben 2018

Das Parfüm 18C trägt in seinem Geruch die „Essenz“ der Kohle . Die Auseinandersetzung mit dem Rohstoff betreibt Helga Griffith auch in anderen Medien. Neben dieser experimentellen Duftnote zeigt ihr mehrteiliges Werk 18C – Erinnerung an eine verflüchtigte Landschaft außerdem eine Videoarbeit zur Destillation eines Kohlestückes bis hin zur Kreation eines Diamanten. So wird die Steinkohle selbst zur „Essenz“ des Juwels. Das grundlegende Wesen von Dingen – aber auch des Menschen – versucht Griffiths immer wieder in multimedialen Installationen und Videoarbeiten herauszuarbeiten. Außerdem spielt die Künstlerin mit multisensorischen Darstellungsformen, um zu zeigen, dass Kunst ganzheitlich auf den Betrachtenden wirken kann. Wo sie mit dem Geruchssinn arbeitet, nutzt Gianni Colombo die Wirkung von Licht und Raum in Zoom Squares und fordert so den visuellen Sinn der Betrachter:innen heraus.

(Schneelandschaft bei) Gelsenkirchen
Rudolf Holtappel

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

(Schneelandschaft bei) Gelsenkirchen

Rudolf Holtappel

1962
17,4 × 23,2 cm
Silbergelatine Abzug
Erworben 2017

In Rudolf Holtappels fotografischem Werk sind Darstellungen des Ruhrgebiets stark vertreten. Sein Nachlass, der seit 2017 in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen verwahrt wird, birgt zahlreiche Fotografien von Leben und Arbeit in Großstädten. In der hier gezeigten Schneelandschaft dient Gelsenkirchen als Motiv. Am Rand der Straße gehen zwei Menschen, Schienen und Stromnetz folgend, tiefer in den Bildraum hinein, an dessen Horizont zwei große Kühltürme Rauch in den Himmel steigen lassen. Solche Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens der Menschen im Ruhrgebiet waren besonders interessant für Holtappel. Während seine städtische Ansicht in den Fotografien stark durch die Industrie geprägt wurde, deren Darstellung hier auch im Fokus steht, vermittelt Gabriele Münter ihrerseits durch dynamische Farbigkeit und Formensprache eine ländliche Winteridylle.

o. T. (Werkgruppe: Transparente Leinwandarbeiten)
Dirk Hupe

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

o. T. (Werkgruppe: Transparente Leinwandarbeiten)

Dirk Hupe

2006/2007
50 × 36,5 × 4,6 cm
Mischtechnik
Erworben 2019

Die Beschäftigung mit der Schrift ist ein zentrales Merkmal der künstlerischen Arbeit von Dirk Hupe. Die hier gezeigte Werkgruppe besteht aus drei transparenten Leinwänden, die mit schwarzer Schrift und verdünnter, blauer Farbe bearbeitet wurden. Während die Buchstaben der maschinellen Schrift einer Schreibmaschine ähneln, wurde die blaue Farbe schwungvoll aufgetragen. Hier wird der gestische und dynamische Prozess des Malens selbst betont. Ähnlich schwungvoll muten die Formen im Tunnel of Tears von Keith Sonnier an. Auf einen ersten Blick könnte man meinen, sie wären direkt mit Licht in die Luft gezeichnet worden. Die gestenhafte Gestaltung der Neon-Röhren lässt Gemeinsamkeiten zu den schriftlichen Qualitäten herstellen, die in Hupes Werk reflektiert werden.

Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof
Conrad Felixmüller

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof

Conrad Felixmüller

1921
81 × 87 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1982

Harte körperliche Arbeit und der Einfluss des Bergbaus auf den Menschen sind die Hauptthemen von Conrad Felixmüllers Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof. In der Dunkelheit des Zechenhofs schieben die Arbeiter schwere Loren auf den Gleisen, die tief in das Innere der Zeche führen. Die gequälten Gesichtszüge eines Arbeiters werden durch einen scharfen Lichteinfall von links betont. Etwa 50 Jahre nach der Kohlekrise in Deutschland beschäftigt sich Michael Sailstorfer mit einem anderen deutschen Wirtschaftsmotor, der Automobilindustrie. Ein durch Motorkraft angetriebener Reifen nutzt sich selbst an einer Museumswand ab und symbolisiert eine vergebliche und nie endende Arbeit. Das industriell gefertigte Objekt steht hier analog zum Verbrauch der Ressource Mensch.

Anti War
E. R. Nele

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Anti War

E. R. Nele

1967
60 × 41,5 × 5 cm
Porzellan
Erworben 1968

R. Neles Werk Anti War zeigt ein kreisförmiges Gebilde aus geometrischen Formen, das über den Himmel fliegt, unter dem sich figürlich bzw. gegenständlich anmutende Konfigurationen am unteren Bildrand angesammelt haben. Durch feine, hervorgehobene Linien im Porzellan entstehen Energie und Bewegung im Bild. Sie wählt ein ungewöhnliches Material für diese abstrahierende Kritik am Kriegsgeschehen.

Auch bei Werner Gilles Nach der Bombennacht geht es um die Darstellung eines Kriegsgeschehens, wobei von der direkten Visualisierung von Tod und Leid abgesehen wird. Neles feiner und reduzierter Formensprache wird die Dynamik von Form und ausdrucksstarker Farbe bei Gilles entgegengesetzt.

Ein Haushalt
Monika Lioba Lang

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Ein Haushalt

Monika Lioba Lang

1999
14 × 12 × 12 cm
Spülschwamm, 3 Wäscheklammern
Erworben 2012

Auf kreative Art und Weise bedient sich die Künstlerin Monika Lioba Lang in ihrem Werk Ein Haushalt der künstlerischen Manipulation ganz gewöhnlicher Haushaltsgegenstände. Ein Spülschwamm transformiert sich durch einen simplen Knick und drei aufgesteckte Wäscheklammern zu einem gelben Haus mit grünem Dach. So schlägt sie eine Brücke zwischen dem Konzept des „Haushalts“ und den tatsächlichen Gegenständen und Werkzeugen, die genutzt werden, damit ein solcher Haushalt überhaupt funktionieren kann. Hinzu kommt das Wortspiel, dass es nur ein Haus ist: „Ein Haus halt“. Diese intime und praktische Darstellung eines Hauses wird der Landschaft von Kurt Schwitters entgegengestellt, die eine distanzierte und wesentlich romantischere Ansicht eines Heims präsentiert. Womöglich schwingt hier neben dem Kontrast der Entstehungszeiten der Kunstwerke auch der vermeintliche Blick von Mann und Frau auf das Haus mit. 

 

Heimat
Manfred Vollmer

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Heimat

Manfred Vollmer

2012
30 × 44 cm
Farbfotografie
Erworben 2012

Worum es Manfred Vollmer in der hier gewählten Farbfotografie geht, könnte kaum deutlicher sein. Sowohl der Titel als auch das Straßenschild selbst, welches als Hauptmotiv genutzt wird, stellen das Wort Heimat an zentrale Stelle. Das Moos, das sich auf der Oberfläche des Schildes gebildet hat, weckt ein Gefühl von Melancholie, vielleicht auch Sehnsucht nach etwas Beständigem, Überdauerndem. So schafft es Manfred Vollmers Fotografie durch vertraute Formen und Materialien Erinnerungen und ein Gefühl von Heimat zu schaffen. Der Themenkomplex (neue) Heimat und Migration bildet einen Schwerpunkt in der fotografischen Arbeit von Manfred Vollmer.

Wilhelm Morgners Der Mann auf dem Hügel zeigt, auf welch unterschiedliche Weise das Gefühl von Heimat in den Betrachtenden hervorgerufen werden kann und wie individuell unser Zugang zu diesem Thema ist.

Zellentür Nr. 7
Ben Willikens

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Zellentür Nr. 7

Ben Willikens

1973
180 × 130 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1975

Ben Willikens Zellentür Nr. 7 gibt sich auf zweierlei Weise der Suggestion eines Raumes hin. Einerseits erschafft der Malstil des Leipziger Künstlers durch einen weichen Farbauftrag, raffinierte Details und starke Schlagschatten eine täuschend echte Raumillusion einer in den Bildraum hineinragenden Türversenkung. Andererseits spielt die Tür selbst durch ihre naturalistische Darstellung mit dem Gefühl eines sich hinter ihr verbergenden Raums. Der Blick wird den Betrachtenden verwehrt. Trotz der in Grisaille gehaltenen Farbwahl, wird so Spannung erzeugt.

Mit Räumlichkeit und architektonischer Rahmung befasst sich auch Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang, wenn auch in ganz anderer malerischer Manier.

Public Enemy
HA Schult

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Public Enemy

HA Schult

1979
100 × 100 × 20 cm
Mixed Media
Erworben 1980

HA Schults Werk Public Enemy zählt zu den Picture Boxes. Diese beleuchten als Mixed-Media-Schaukästen die exzessive Konsumkultur der westlichen Gesellschaft kritisch. Verdreckt, verbrannt und wie zusammengeworfen mutet der Inhalt an. Die Müllproduktion der Menschen ist ein großes Thema in der Objekt- und Aktionskunst von HA Schult. Werbebilder und -slogans in englischer Sprache, sowie die Freiheitsstatue in der Mitte, verweisen in besonderem Maße auf die USA. Diese spielt eine große Rolle in der Herstellung von Konsumgütern. Doch auch die Natur kann zerstörerische Kräfte entwickeln. So reflektiert Emil Schumacher in seinem gleichnamigen Ölgemälde den Ausbruch des Vulkans Pinatubo. Die Betrachtung beider Werke regt zu Überlegungen an, welche Auswirkungen der Umgang des Menschen mit der Erde auf das Auftreten von Naturkatastrophen hat.

Schein und sein, Andrea und Anita
Herlinde Koelbl

Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Schein und sein, Andrea und Anita

Herlinde Koelbl

2007
60 × 60 cm
Fotografie, Lamda-Print
Erworben 2015

Andrea und Anita aus der gleichnamigen Fotografie von Herlinde Koelbl schauen frontal aus dem Bild. Das intensive Paar-Porträt steht sinnbildlich für Koelbls differenzierte Auseinandersetzung mit den vielfältigen Menschen unserer Gesellschaft. Neben politischen Figuren und ethnologischen Sozialstudien widmet Koelbl sich Körperkunde und Sexualität.  Das Paar aus der Serie Schein und Sein zeigt die Verwischung der Grenzen von Weiblichkeit und Männlichkeitt. Andrea und Anita diente der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen im Jahr 2015 als Titelwerk der Ausstellung rund um das fotografische Werk Herlinde Koelbls. Auch in Frantisek Kupkas Le rêve geht es um die Darstellung eines Paares. Nebeneinander auf dem Boden liegend, erscheinen über ihnen zwei schwebende, ineinander verschlungene Körper, die einen traumartigen Zustand symbolisieren könnten.

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Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Nach der Bombennacht
Werner Gilles

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Trümmerlandschaft / Baumstumpf

Trümmerlandschaft / Baumstumpf

Von den Nationalsozialisten verfemt, gehörte Werner Gilles zu den ersten modernen Künstlern, die nach 1945 wieder ausgestellt wurden. In einem Prozess der Reflexion und Aufarbeitung setzt er sich in seinem Gemälde Nach der Bombennacht mit dem Krieg, seinen Folgen und der Situation zur sogenannten „Stunde null“ auseinander. Wir erkennen eine Trümmerlandschaft mit Architekturfragmenten und einem Baumstumpf aus geometrischen Formen und Farbflächen.

Damit bewegt sich Werner Gilles im Spannungsfeld zwischen figurativer und gegenstandsloser Kunst und steht für den Aufbruch der Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kopf

Kopf

Zentral ins Bild gesetzt schwebt der abgeschlagene Kopf des tragischen Helden Orpheus, der mit seinem Gesang verzaubern, den Tod überwinden und (irdische) Grenzen überschreiten kann. Direkt hinter dem Kopf verbirgt sich der versteckte Eingang in die Unterwelt.
Gilles setzte sich intensiv mit dem Mythos auseinander, was ihn als „Maler des Orpheus“ bekannt machte. Für ihn spielte die antike Erzählung inmitten der Felsen und Schluchten der italienischen Insel Ischia, die seine Malerei maßgeblich prägte. Orpheus wurde zu Gilles‘ Identifikationsfigur. Bereits 1930 äußerte er sich hierzu:

„Dann kommt der Wunsch, der ganz vermessene, über einen, Orpheus zu werden, das Lied alles Kreatürlichen zu singen.“

Horizont

Horizont

Auch wenn die Komposition durch über- und nebeneinander gestaffelte Flächen zusammengesetzt ist, orientiert sich Werner Gilles am klassischen Bildaufbau von Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Dieses Schema ist einer Theaterbühne nachempfunden. So markiert eine klare Horizontlinie die Bühne, auf der die Protagonisten agieren und weitere Bildelemente wie Kulissen und Requisiten verteilt sind.

Muster/Tüpfel

Muster/Tüpfel

Werner Gilles studierte in der Zeit von 1919 bis 1923 am Bauhaus in Weimar. Die Muster, Ornamente und Tüpfel in seinem Werk sind ein Hinweis auf seinen Lehrer Paul Klee.

„Klee ließ im Vorkurs […] Strukturen studieren:
Regen auf Stein (wie die Chinesen). Hartes und Weiches, das Polare der ganzen Welt. Das Licht überwindet die Materie. Durch die Farbtüpfel ist die Kraft der einzelnen Farbe gesteigert. Voraussetzung ist die impressionistische Technik. Die Impressionisten haben mehr mit der Farbmaterie gearbeitet, nicht das Durchscheinen erreicht. […] Beim Tüpfeln unterscheidet ein harter Punkt oder ein weicher Punkt aus dem Pinsel die Materie der dargestellten Objekte“,

so erinnert sich Werner Gilles an seine Bauhaus-Zeit.

Haus

Haus

Bereits in frühen Werken von Werner Gilles zeigen sich Einflüsse der Avantgardemalerei: So orientierte er sich an der Formensprache von Pablo Picasso und verwendete Elemente des Kubismus. Sicherlich gibt es einen Bezug zu dessen Anti-Kriegsbild „Guernica“ von 1937.

Hinsichtlich der kräftigen und kontrastreichen Farbigkeit ließ sich Gilles von den Fauves, einer Gruppe französischer Maler um Henri Matisse, inspirieren.

Nach der Bombennacht

Werner Gilles

1950
67 × 95 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1965 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Nachlass des Künstlers

Im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr nimmt das Werk von Werner Gilles einen besonderen Stellenwert ein. Als eines der wenigen Museen Deutschlands verfügt es über einen umfangreichen Bestand. Der Maler und Grafiker, der in Mülheim seine Kindheit und Jugend verbrachte, zählt zusammen mit Otto Pankok und Arthur Kaufmann hier zu den Künstlern der ersten Stunde: Als in den 1920er-Jahre die Professionalisierung der 1909 begründeten Mülheimer Sammlung zu einem Kunstmuseum begann, wurden bereits erste Ankäufe getätigt und Ausstellung mit den jungen regionalen Künstlern organisiert. Heute umfasst der Gilles-Bestand 90 Werke, darunter Ölbilder, Aquarelle, Tuschezeichnungen sowie das nahezu vollständige druckgrafische Œuvre des Künstlers. 2024 erfolgte eine Übernahme von weiteren rund 120 Werken als Dauerleihgaben aus dem Nachlass Werner Gilles.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

SELBSTPORTRÄT, aus der Serie „REAL INJURIES“
Julian Reiser

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

SELBSTPORTRÄT, aus der Serie „REAL INJURIES“

Julian Reiser

2019
40 × 30 cm
Acryl auf Leinwand
Schenkung des Künstlers 2020

Emil Schumacher gilt als wichtiger Vertreter des deutschen Informel. Charakteristisch für seine Werke ist der pastose, spröde Farbauftrag in erdigen, dunklen Nuancen mit kräftig-leuchtenden Farbakzenten. Das intensive Rot und die schwarzen gestischen Striche seines Gemäldes Pinatubo korrespondieren mit dem SELBSTPORTRÄT von Julian Reiser. In seinen Arbeiten experimentiert der 1988 in Hamburg geborene Künstler mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren und reflektiert mit Motiven aus der klassischen Malerei den Wandel des Kunstbegriffs und der Kunstproduktion über die Epochen. In seiner Serie Real Injuries – deren Titel ein Anagramm seines Namens ist – hat er im Siebdruckverfahren auf rotgrundierte Leinwände Szenen aufgebracht, die an Darstellungen von Hölle und Unterwelt eines Hieronymus Bosch oder Jan Brueghel d. Ä. erinnern.

Landschaft
Johannes Förster-Plauen

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landschaft

Johannes Förster-Plauen

1947
43 × 57 cm
Aquarell auf Papier
Schenkung vom Auktionshaus an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr, 2014

Der schneebedeckten Berglandschaft von Gabriele Münter ist ein Aquarell von Johannes Förster-Plauen gegenübergestellt. Es zeigt eine Landschaft mit hintereinander gestaffelten Hügeln, die sich wahrscheinlich auch im süddeutschen Raum verorten lässt. Die Konturen der Bergkämme, die Tannen im Vordergrund und der atmosphärische Himmel sind in einem dunklen Blau-Grün gehalten. Das Bild spiegelt die Melancholie der ersten Nachkriegsjahre wider. Außer seinem Namen ist über den Urheber nichts bekannt.

Feuerblume
Otto Piene

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Feuerblume

Otto Piene

1970
37,9 × 26,8 cm
Siebdruck
Erworben 1969 aus der Galerie Thomas, München

Die energetische Strahlkraft, welche die Lichtinstallation Tunnel of Tears von Keith Sonnier vermittelt, zeigt sich auch in dem Siebdruck von Otto Piene: Mit dem Ziel, Naturvorgänge und ihre Schöpfungskraft sichtbar zu machen, entstanden durch das Anbrennen und Löschen von Fixativ und Pigmenten auf dem Bildträger Rußflecken mit Blasen und Verkrustungen in Form einer Feuerblume vor einem leuchtend-roten Hintergrund. In verschiedenen Werkphasen experimentierte der ZERO-Künstler nicht nur mit Farbe und Feuer auf Papier und Leinwänden, sondern auch in multimedialen Installationen, Performances oder mit dem Medium der Druckgrafik. Mit seiner Verbindung von Kunst, Wissenschaft, Natur und Technik war der ZERO-Künstler wegweisend und befasste sich vor allem mit den Phänomenen des Lichts, der Wirkung der Elemente und der Bewegung im Raum.

Holiday
Werner Nöfer

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Holiday

Werner Nöfer

1970
83,5 × 59 cm
Serigrafie
Schenkung des Künstlers 2016

An der Essener Folkwangschule ausgebildet, zählt Werner Nöfer zu den Vertreter:innen der deutschen Pop Art. Im Sinne einer Demokratisierung der Kunst wurde er mit großflächigen Wallpaintings sowie Grafikeditionen bekannt, die preisgünstig ein breites Publikum ansprachen: Kunst für alle! Seine schematischen Darstellungen einer überformten Landschaft erinnern mit den starken Konturlinien und in ihrer plakativen Farbigkeit an Comiczeichnungen und Trickfilme, für die er ebenfalls mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Mit Motiven wie Radar-, Vermessungsgeräten, Schalttafeln, Bullaugen, Okularen, Zielscheiben oder wie hier – Parkuhr und Tacho-Anzeige – nimmt Nöfer Themen wie Technisierung, Mobilität und Verkehr in den Fokus und knüpft an den sich an der Wand abreibenden Autoreifen von Michael Sailstorfer an.

Große Rote
Hermann Richter

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Große Rote

Hermann Richter

1968
180 × 33 × 34 cm
Kunststoff, Polyester
Erworben 1969 vom Künstler

Zwischen Formanalogie und Verfremdung präsentiert sich die Große Rote von Hermann EsRichter als eine Art Stuhl, der allerdings funktionslos ist. Das verwendete weiche Polyester für die Rückenlehne hat etwas Körperhaftes, andererseits erinnert es eher an eine aufrechtgestellte Luftmatratze. Die vorderen schwarzen Plastikbeine geben der bizarren Skulptur des Oberhausener Künstlers, der typisch für die 1960er-Jahre mit synthetisch hergestellten Werkstoffen experimentierte, einen gewissen Halt.

Besonders die Studienzeichnung zu der imposanten Metallplastik von Heiner Meyer gab den Impuls für diese Paarung:

Die zugewiesene Farbigkeit in der Signalfarbe Rot, die vertikale Ausrichtung und die seitlich hinzugefügte schwarze Figur, die als Referenz Größenverhältnisse veranschaulichen soll, weisen formale Ähnlichkeiten mit Richters Kunstobjekt auf.

B.A.S.H. (Blue Grey)
Eduardo Paolozzi

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

B.A.S.H. (Blue Grey)

Eduardo Paolozzi

1971
85 × 70 cm
Siebdruck (farbig)
Schenkung aus Privatbesitz 2013

Bekannt wurde der schottische Grafiker und Bildhauer Eduardo Paolozzi vor allem mit Werken, die von industriellen Technologien, Naturwissenschaften, Populärkultur und Massenmedien inspiriert sind. Seine Serie B.A.S.H. spiegelt dieses Themenspektrum und den Zeitgeist der 1970er-Jahre collagenartig wider: Motive aus Zeitungen und Illustrierten mit prominenten Persönlichkeiten wie John F. Kennedy und Marilyn Monroe und Fernsehbilder von der ersten Mondlandung werden mit technischen Darstellungen und Farbschemata kombiniert.

Als Mitglied der Independent Group prägte Paolozzi die britische Pop Art maßgeblich. Gängige künstlerische Konventionen wurden infrage gestellt, Alltagsgegenstände und Inhalte der Medienwelt für Kunstwerke genutzt oder verfremdet – so wie auch Günther Uecker 1963 einen Fernsehapparat zum Nagelobjekt umgestaltet hat.

Landscape 2
Roy Lichtenstein

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landscape 2

Roy Lichtenstein

1967
30,5 × 46 cm
Siebdruck in Schwarz auf Karton mit transparenter Moiré-Folie (Rowlux) überdeckt
Erworben 1971 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus der Galerie Thomas, München

In beiden gegenübergestellten Werken dominiert die markante Horizontlinie: Während es sich bei Schwitters um eine impressionistische Ansicht der Umgebung um den Hof Opherdicke handelt, ist Roy Lichtensteins Landschaftsdarstellung auf zwei Flächen, die Oben (Himmel) und Unten (Erde/Meer) definieren, und einen schwarzen Trennstrich dazwischen reduziert.

Durch die Kombination von Siebdruck, Farbfotografie und der Kunststofffolie Rowlux überschreitet der Pop-Art-Künstler in seiner Serie Ten Landscapes die Grenzen des Mediums der Druckgrafik: Für seine Werke nutzte Lichtenstein industrielle Werkstoffe und die technischen Möglichkeiten von Offset- und Siebdruckverfahren. Mit Rasterpunkten, Moiré-Effekten und irisierenden Oberflächen gelingt ihm eine radikale Neuformulierung des klassischen Genres der Landschaft.

In der Industrie
Heinrich Siepmann

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

In der Industrie

Heinrich Siepmann

1957
44,3 × 61,5 cm
Gouache auf Papier
Erworben 1957 vom Künstler

Sowohl inhaltliche als auch formal-ästhetische Aspekte stellen bei diesen beiden Werken die Verbindung dar:

Peter Schwickerath hat in seiner großformatigen Plastik mit dem für das Ruhrgebiet so wichtigen Produkt Stahl gearbeitet, ein Rechteck halbkreisförmig geschnitten und die beiden Teilstücke auf dem Brachfeld vor den Flottmann-Hallen in Herne spannungsvoll im Dialog zueinander positioniert.

Auch Heinrich Siepmann nutzt in seinen abstrakten Gemälden ein geometrisch-konstruktives Formenvokabular und setzt sich mit Fragen der Bildarchitektur und Flächenteilung auseinander. Seine gitterartig angelegten Bildgefüge verweisen über Werktitel und auch in ihrer Farbwahl, die an metallhaltige Erde und oxidiertem Corten-Stahl erinnert, auf die industriell geprägte Region.

ohne Titel
Arno Fassbender

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

ohne Titel

Arno Fassbender

1989
100 × 100 cm
Collage, Acryl auf Sperrholz
Erworben 1990 vom Förderkreis für das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr e. V.

Ausgestanzte Kreissegmente, in linearen Reihen auf eine Trägerplatte aufgeleimt und mit Schultafellack übermalt, geben auf der schwarzen Fläche einen bestimmten Rhythmus wieder. In diesem seriellen Werkzyklus von Helmut Bettenhausen tauchen als Irritation verdichtete Partien, Auslassungen und malerische Spuren auf, welche die zunächst geordnete Konstruktive Struktur aufbrechen.

In der Assemblage von Arno Fassbender geht es auch um Bildarchitektur, Struktur und Ordnung, doch zeigt sich dies als ein Raster aus Quadraten. Über die collagierten Flächen, die reliefartig hervorstehen, hat der lange Jahre im Ruhrländischen Künstlerbund aktive Maler die Oberfläche ebenfalls mit einer monochromen Lasur überzogen.

Landschaft in Südfrankreich
Otto Pankok

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landschaft in Südfrankreich

Otto Pankok

undatiert
116 × 98 cm
Kohle auf Papier
Schenkung von Arthur Kaufmann, New York, 1970

Als „Schwelgen in Kohle“ bezeichnete Otto Pankok das Zeichnen in seiner bevorzugten Technik, mit der er spontan, aber präzise auf seinen Reisen in die Niederlande, Spanien oder Südfrankreich das Gesehene auf großformatigem Papier erfasste. Er ist ein bedeutender Vertreter eines Expressiven Realismus und orientierte sich in Stilfindung und Wahl seiner Sujets etwa an Rembrandt von Rijn, Jean-François Millet und Vincent van Gogh. Fasziniert von der Weite der Landschaft, suchte Pankok die Abgeschiedenheit von der Zivilisation. Besonders die bewegten Wolkenformationen sowie die einzelne Figur im Vordergrund der beiden Landschaftsdarstellungen zeigen eine ähnliche künstlerische Auseinandersetzung von Mensch und Natur bei Wilhelm Morgner und Otto Pankok. Beide sind expressiv, der eine in Anlehnung an die Lokalfarbe, der andere in Schwarz-Weiß.

Herbstsonniger Ort
Paul Klee

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Herbstsonniger Ort

Paul Klee

1921
44 × 35 cm
Öl auf Papier, mit Aquarell und Feder
Dauerleihgabe der Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Erworben 2004 von der Stiftung Sammlung Ziegler aus der Galerie Thomas, München

In Christian Rohlfs lichter Interieurszene fluchten die Linien hin zu einem geöffneten Fenster. Das Bild ist im pointillistischen Stil aus Punkten zusammengesetzt, wodurch eine flirrende Atmosphäre entsteht. Paul Klees Gemälde Herbstsonniger Ort gewährt ebenfalls einen Ausblick: Inspiriert durch die Fenster-Bilder von Robert Delaunay schlüsselt der Bauhaus-Maler die durch ein Fenster gesehene Stadtlandschaft in geometrische Formen auf, wobei Vorder- und Hintergrund verschwimmen. Rechtecke, Trapeze und Dreiecke lassen sich als gestaffelte Häuser und Bäume lesen. Die Farbpalette aus Goldgelb, Rotbraun und Dunkelgrün mutet herbstlich an. 1902 notierte Klee in seinem Tagebuch, dass er „überall nur Architektur, Linienrhythmen, Flächenrhythmen“ sehe. Fortan beschritt er den Weg hin zu einer architektonischen Gliederung des Sichtbaren.

Gegengewichte
Wassily Kandinsky

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Gegengewichte

Wassily Kandinsky

1926
49,5 × 49,5 cm
Öl auf Pappe
Erworben 1973 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und Drittmitteln aus der Galerie Wilhelm Großhennig, Düsseldorf

1922 wurde Wassily Kandinsky von Walter Gropius an das Staatliche Bauhaus nach Weimar gerufen, ein Jahr darauf folgte auch László Moholy-Nagy. Beide zählten zu den bedeutendsten Bauhaus-Meister:innen, übernahmen Vorkurse, leiteten Werkstätten und veröffentlichten Schriften: Kandinsky unterrichtete „Abstrakte Formelemente“, „Analytisches Zeichnen“ und „Freie Malerei“; Moholy-Nagy, zudem Assistent von Gropius, beschäftigte sich mit typografischen Entwürfen und Fotografie.

Wie sich in der Gegenüberstellung zeigt, loten beide in ihren abstrakten Kompositionen das Gleichgewicht der Formen und Farbflächen zueinander aus. Durch gezielte Setzungen und Zuordnungen der Bildelemente schaffen sie zugleich Spannung wie Balance. Kreise und Zirkelschläge reagieren auf Quadrate, Rechtecke und Winkel, große auf kleine Formen, helle Farbfelder auf dunkle.

Tillya ou Jeune fille à l'éventail
Marie Laurencin

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Tillya ou Jeune fille à l'éventail

Marie Laurencin

um 1925
50,1 × 43,2 cm
Öl auf Leinwand
Dauerleihgabe der Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Erworben 1960 von Karl und Maria Ziegler, Mülheim an der Ruhr, aus dem Stuttgarter Kunstkabinett, Roman Norbert Ketterer | Städtisches Museum/Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr 1981 | Stiftung Sammlung Ziegler 2002

Eine Dame mit Hut steht jeweils im Fokus dieser beiden Werke: Im Gemälde des rheinischen Expressionisten August Macke bestaunt die Frau mit Sonnenschirm vor einem Hutladen in seitlicher Perspektive die Schaufensterauslage mit elegantem Kopfschmuck. Im Gegensatz hierzu porträtierte die Malerin Marie Laurencin, die zum Künstlerkreis des Atelierhauses Bateau-Lavoir um André Derain, Raoul Dufy und Pablo Picasso gehörte, die geheimnisvolle Tillya frontal, den Betrachtenden zugewandt.

Ihre pastell-zarten Frauenbildnisse erscheinen mit blassen, konturlosen Gesichtern auf den ersten Blick ätherisch und ambivalent in der Rolle zwischen Mädchen und Dame. Die dunklen Augenhöhlen von Tillya mit Fächer und Hut aus der Sammlung Ziegler suggerieren jedoch eine Tiefgründigkeit, die sich ebenso in Marie Laurencins Lyrik zeigt.

Komposition in Rot
Ernst Wilhelm Nay

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Komposition in Rot

Ernst Wilhelm Nay

1962
41,5 × 59,7 cm
Aquarell
Erworben 1964 aus dem Kunsthaus Lempertz, Köln

Die Anordnung der Coloured Vases von Ai Weiwei erfolgte intuitiv, gewiss aber mit Systematik.

Ernst Wilhelm Nays Komposition in Rot entstand ähnlich: Seit Mitte der 1950er-Jahre entwickelte der Künstler in seinen „Scheiben-Bildern“ eine Art Choreografie der Fläche, indem er Farbkreise scheinbar willkürlich, jedoch bewusst nebeneinandersetzte.

Diesen Prozess beschreibt Nay 1958 in seinen Regesten zu Leben und Werk: „Machte ich nun einen farbigen Punkt auf eine leere Fläche, so entstanden im gleichen Augenblick eine erstaunliche Anzahl von Spannungen […] Breitete ich den Punkt aus, verstärkten sich die Spannungen. Eine zweite solche Scheibe, eine dritte, eine vierte – alle gleich groß, ergaben schon eine höchst komplizierte Formrelation. […]wenn ich jeder Scheibe eine andere Farbe gab, das konnte als chromatische Reihe angesehen werden.“

Fo'Faux Rocks 4
Katharina Grosse

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Fo'Faux Rocks 4

Katharina Grosse

2007
100 × 68 cm
Lithografie (farbig)
Erworben 2011 aus dem Kunsthaus Binhold, Köln

Seit Ende der 1990er-Jahre verwandelt Katharina Grosse mittels Sprühtechnik und Spritzpistole verschiedenste Oberflächen, Wände, Decken und Böden in (begehbare) Farblandschaften und überschreitet die Grenzen der traditionellen Malerei in den Raum. Mit diesem All-over an Farbe erzeugt sie Illusionen. Zudem erforscht die Künstlerin die psychologische Wirkung von Farbtönen und Texturen.

Neben diesen architekturgebundenen Sprayarbeiten experimentiert Grosse mit den Möglichkeiten der Grafik und erweitert durch den Einsatz von Airbrush und hochpigmentierten, fluoreszierenden Farben auch dieses Medium. Als Pendent zu dem Rakelbild von Karl Otto Götz präsentiert sich eine großformatige Lithografie ihrer Serie Fo´Faux Rocks mit ebenfalls schwungvoll auf das Blatt gesetzten, intensiv-leuchtenden Farbspuren und ihren Verläufen.

Badende im Bergbach
Ernst Ludwig Kirchner

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Badende im Bergbach

Ernst Ludwig Kirchner

1921
90 × 78,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1966 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Kunsthaus Lempertz, Köln

Das Thema Aktdarstellung war für diese Gegenüberstellung impulsgebend:

Beeinflusst von der Lebensreformbewegung, thematisiert Ernst Ludwig Kirchner in diesem, in Davos entstandenem Gemälde die Nacktheit im Freien als sinnliche Erfahrung und als Loslösung von prüden Moralvorstellungen. Zwischen hohen Tannen und zerklüfteten Felsen erfrischen sich die Badenden im Bergbach – seine Lebensgefährtin Erna Schilling, deren Schwester Gerda und die Ausdruckstänzerin Nina Hardt – ungezwungen und hüllenlos im kühlen Quellwasser. Als Kulisse erheben sich dunkle Tannen, während die Figuren im Zentrum des Bildes durch eine expressive Farbigkeit bestechen. Akzente aus Violett und Gelb treten hervor und bilden einen starken Komplementärkontrast. Die andere Seite des Gemäldes aus Kirchners Brücke-Zeit zeigt eine Atelierszene mit zwei weiblichen Akten.

Venezia Vive
HA Schult

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Venezia Vive

HA Schult

1976
je Blatt 30,5 × 40,5 cm
Kassette mit 19 Serigrafien nach Fotografien
Erworben 1977 aus der Edition Elke Koska, München

Wie in einem Versuchsfeld bedeckte HA Schult in der Nacht vom 10. auf den 11. März 1976 mit 60 Helfern den Markusplatz in Venedig mit 350.000 Exemplaren der Tageszeitung Il Gazzettino. Durch den Wind bewegten sich die Zeitungsblätter über den 15.000 m² großen Platz und blieben bis zum Morgen liegen, bevor ein Kehrwagen das Altpapier wegräumte. Stündlich dokumentierte HA Schult mit seiner Kamera die Veränderungen des Platzes bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Es entstand eine Mappe mit 19 Serigrafien.

Rückblickend formulierte der Beuys-Schüler: „In die stillstehende Zeit einer anderen Epoche wurde die Gegenwart gekippt.“ Schult verwies auf die Müllproblematik unserer Zeit und hinterfragte zudem die Aktualität und den substanziellen Gehalt der Medien, die mit ihren gedruckten Nachrichten täglich Tonnen von Abfall produzieren.

C Y 03, Hommage an Yves Klein
Heinrich Siepmann

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

C Y 03, Hommage an Yves Klein

Heinrich Siepmann

1999
70 × 50 cm
Collage auf Zeichenkarton
Erworben 1999 vom Förderkreis für das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr e. V.

Nach gegenständlichen Anfängen setzte sich der an der Folkwangschule ausgebildete Maler Heinrich Siepmann mit der Abstraktion auseinander und fand in der Nachkriegszeit zu einer klaren, konstruktivistischen Formensprache. Seine Gemälde, Zeichnungen, Collagen und Druckgrafiken folgen in ihrem strengen Bildaufbau einer „kombinatorischen Ordnung“: Durch Reduktion und Konzentration auf grundsätzliche Elemente erreicht Siepmann in seinen Kompositionen ein ausbalanciertes Spannungsverhältnis der Formen und Farben. Er orientiert sich an Künstlern wie Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian oder auch Yves Klein, dem er mit seiner Collage aus vertikalen Rechtecken eine Hommage widmete. Die Parallele zwischen Heinrich Siepmann und dem Bauhaus-Künstler Josef Albers ist ihre Auseinandersetzung mit den Grundfragen von Fläche, Proportion und Raum.

Le baiser de Chloé (Chloés Kuss), Blatt 9 aus der Serie „Daphnis und Chloé“
Marc Chagall

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Le baiser de Chloé (Chloés Kuss), Blatt 9 aus der Serie „Daphnis und Chloé“

Marc Chagall

1959/1962
42,3 × 32,5 cm
Lithografie (farbig)
Erworben 1964 aus der Galerie Dr. Luise Krohn, Badenweiler

Zu den bekanntesten druckgrafischen Werken der Kunstgeschichte zählt der Zyklus Daphnis und Chloé von Marc Chagall. Die 42 farbenprächtigen Lithografien seiner Interpretation des antiken Hirtenromans von Longus spiegeln ein paradiesisches Arkadien wider, in dem das Schicksal die beiden Protagonist:innen zueinander führt: Nach ihrer Geburt von den Eltern ausgesetzt, gelangen sie in die Obhut von Hirtenfamilien. Sie wachsen in Freundschaft auf und aus Schwärmerei entwickelt sich Liebe. Durch Intrigen voneinander getrennt, finden Daphnis und Chloé mit Hilfe der Götter und Nymphen wieder zueinander. Gleichsam wie in dem Gemälde von Frantisek Kupka, zeigt das Blatt Chloés Kuss die innige Verbundenheit des Paares. Ihre Silhouetten überlagen sich, die Köpfe sind janusartig miteinander verwachsen und sie heben in einen traumhaften Schwebezustand ab.

ohne Titel (Spiegelobjekt)
Heinz Mack

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

ohne Titel (Spiegelobjekt)

Heinz Mack

1997
50,4 × 43,5 cm
Multiple, Siebdruck (farbig), Spiegel
Schenkung von Almuth und Dr. Otto-Albrecht Neumüller, Mülheim an der Ruhr, 2014

Im Jahr 1958 gründeten Heinz Mack und Otto Piene die Künstlergruppe ZERO in Düsseldorf und bildeten ein weitreichendes internationales Netzwerk mit anderen Bewegungen, die sich etwa zeitglich formierten – wie die gruppo t um Gianni Colombo in Mailand. Auf der Suche nach neuen Gestaltungsprinzipien experimentierten sie mit industriell gefertigten Materialien und technischen Apparaturen, schufen kinetische Objekte, reflektierten Licht durch Spiegel und Metallfolien und brachten durch elektrische Motoren Bewegung in das Spiel.

Die Immaterialität des Lichts und seine Aufsplitterung in Spektralfarben war ebenso ein Thema wie die dynamische Wirkung ihrer Werke im Raum und die Interaktion mit den Betrachtenden. Macks Spiegelobjekt mit geometrischen Farbflächen sowie Colombos Projektion von Quadraten im Raum stehen hierfür exemplarisch.

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Skulpturenmuseum Marl

TV & TV-Kiss
Günther Uecker

Skulpturenmuseum Marl

TV & TV-Kiss

Günther Uecker

1963 & 2013/14
118×104×104 cm & 40×100×70 cm

Die Skulptur TV von 1963 zählt zu den markanten Nagelobjekten von Günther Uecker und befindet sich seit 1990 in der Sammlung des Skulpturenmuseums. 2014 schuf Uecker für die Werkschau Fernseh-Objekte anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Grimme-Instituts das Werk TV-Kiss aus Kindermatratzen und einem benagelten Flachbildschirm und übersetzte damit seine medienkritische Auseinandersetzung mit Unterhaltungs- und Massenmedien in die Gegenwart. Beide Werke verdeutlichen die inhaltliche Bandbreite des Ausstellungs- und Sammlungsschwerpunkts von Skulptur und Medienkunst im Skulpturenmuseum Marl.

Skulpturenmuseum Marl

Airbourne Language
Katja Davar

Skulpturenmuseum Marl

Airbourne Language

Katja Davar

2019
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl
Video 05;32

In Airbourne Language studiert Katja Davar, wie sich ein bemaltes Tuch in der Luft verhält. Die Ultra-Slow-Motion-Aufnahme macht die Bewegungsmuster des textilen Objekts nachvollziehbar und veranschaulicht das Verhältnis von Zeichnung und Film. Wenn die schwarzen Tuschelinien auf dem weißen Tuch mit dem Stoff immer wieder neue Strukturen bilden, überträgt sich der zeichnerische Gestus von der zweidimensionalen Fläche in den filmischen Raum.

Karl Otto Götz arbeitet mit Pinsel und Rakel, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. In seinem Gemälde treffen schwarz-blaue Flächen und Kreisstrukturen aufeinander. Geladenen Atomen vergleichbar, stoßen sie sich ab oder verschmelzen. Jonction II entstand im Kontext der deutschen Wiedervereinigung und lässt sich dementsprechend mit einem besonders bewegenden Moment aus der Geschichte verbinden.

STEP ON THE SUN
Janet Biggs

Skulpturenmuseum Marl

STEP ON THE SUN

Janet Biggs

2012
variabel
9:22 Loop, 4 Kanal Videoinstallation
Seit 2013 im Skulpturenmuseum Marl

Die amerikanische Künstlerin Janet Biggs ist eine Spezialistin für Extremlandschaften. In dem Video A Step on the Sun porträtiert sie den Ijen-Vulkan auf der indonesischen Insel Java. Die Berglandschaft mit dem türkisfarbenen See ist jedoch nur ein vermeintliches Idyll: Die aufsteigenden Gase und das Wasser sind schwefelhaltig – und damit schädlich für die Arbeiter:innen, die unter hoher körperlicher Anstrengung und mit wenig Schutzausrüstung Schwefel-Brocken abtragen. Die expressionistische Malerin Gabriele Münter ist ebenfalls von Gebirgen und Seen fasziniert. In ihrem Gemälde Schneelandschaft bei Kochel zeigt sie Berge in den bayrischen Voralpen bei winterlichen Temperaturen. Die kühlen Farbtöne der menschenleeren Szene lassen sich als Verweis darauf lesen, dass auch der Sehnsuchtsort Gebirge eine kalte, gefährliche Seite hat.

Larron, le maudit momifié
Horst-Egon Kalinowski

Skulpturenmuseum Marl

Larron, le maudit momifié

Horst-Egon Kalinowski

1973
92 × 162 × 77 cm
Holz, Leder, Seil u. Stock in/auf Stahlsockel

Horst-Egon Kalinowski und Emil Schumacher waren nicht nur Kollegen an der Kunstakademie Karlsruhe, sondern teilten auch das Interesse am Material. Kalinowski setzte sich in Larron, Le Maudit, Momifié mit Leder auseinander. Das organische Material diente dem Künstler zur Bespannung eines rechteckigen Kubus, bildet auf dessen Oberseite aber auch ein Relief heraus. Von einem Seil zusammengeschnürt, evozieren die braunen Lederwülste düstere Momente – eine Figur mit Strick um den Hals, Gewalt oder Mumifizierung, wie der Titel andeutet. Zugleich lassen sie sich als ein Experiment über das Zusammenspiel zweier Materialien verstehen, das die haptische Wahrnehmung der Betrachtenden anregt. Auch in Schumachers Arbeit spielt Taktilität eine wichtige Rolle. Für das Gemälde Pinatubo trug der Künstler die Farbe pastos auf, um deren Konsistenz und Wirkung sichtbar zu machen. Die vielfach bearbeitete, immer wieder neu aufgerissene Oberfläche erinnert in ihrer Struktur an das abgeschabte Leder, das Kalinowski in seiner Skulptur inszeniert.

Ginsberg
Nam June Paik

Skulpturenmuseum Marl

Ginsberg

Nam June Paik

1988
ca. 254 × 232 × 10 cm
Öl auf Leinwand, Watchman, Ventilator, bedrucktes Tuch

Mit seiner Multimedia-Collage erinnert Nam June Paik an den gleichnamigen Autor aus der US-amerikanischen Beat Generation Allen Ginsberg. Der Ventilator, der den Siebdruck mit Ginsbergs Gesicht in Bewegung setzt, deutet an, wie wichtig Prozessualität und Aktion für die Kunst und Literatur der 1960er- und 70er-Jahre waren. Der unbetitelte Stahltisch von Anatol ist ein Relikt von einer Aktion, die vom gleichen Zeitgeist geprägt war. Anatol kooperierte für die Arbeit mit Jochen Duckwitz, Ulrich Meister, Johannes Stüttgen und Joseph Beuys, Veranstaltungsort war das Düsseldorfer Szenelokal Cream Cheese. Die am Tisch festgeschnallten Personen sollten auf Anweisung sprechen oder schweigen – eine Vorgabe, die auf die Bedeutung von Klang und Stille in Performances dieser Zeit, aber auch im Werk von Literat:innen wie Ginsberg hinweist.

Miniaturrelief
Benno Werth

Skulpturenmuseum Marl

Miniaturrelief

Benno Werth

Mitte 1960er-Jahre
9,5 × 3 × 0,5 cm
Bronze, Kieselgur
Seit 2015 im Skulpturenmuseum Marl

Benno Werths und Kurt Schwitters Arbeiten teilen das kleine Format. Werth nutzte die Miniatur für eine abstrakte Komposition aus Bronze, die den Eindruck von einer Stadt- oder Dorflandschaft mit Häusern, Türmen oder Bäumen vermittelt. Schwitters zeigt mit dem Gutshof Opherdicke und dessen ländlicher Umgebung ein ähnliches Szenario. Das Gemälde gehört zu einer Reihe von Werken aus der Zeit um 1916/17, in denen der für Collagen und Installationen bekannte Dada-Künstler die westfälische Gemeinde Opherdicke festhielt. Der blau-violette Himmel taucht das aus der Ferne gesehene Häuserensemble in eine vorabendliche Stimmung. Auch Werths Relief erscheint aufgrund seiner Patina und den abgerundeten Kanten sehr atmosphärisch. Die räumliche Binnengliederung mit Wandelementen und Türmen ist typisch für die Metallarbeiten des Künstlers.

Two right feet for Sebastian
Dennis Oppenheim

Skulpturenmuseum Marl

Two right feet for Sebastian

Dennis Oppenheim

1974
variabel
Motoren, Stiefel, Metallrohre, Sound, Maße variabe
Seit 1996 im Skulpturenmuseum Marl

Die Red Heels von Heiner Meyer sind von Weitem sichtbar. Knallrot und überdimensional groß, ziehen die zum Turm gestapelten Stilettos alle Blicke auf sich. Der deutsche Pop-Art-Künstler spielt in der Skulptur mit dem Begehren, dass die extravaganten Schuhe als Modeaccessoire, Konsumgegenstand und Statussymbol auszulösen vermögen. In Two right feet for Sebastian kommt mit motorbetriebenen Stiefeln ebenfalls Schuhwerk vor. Im Fokus von Dennis Oppenheims Arbeit steht aber weniger die alltags- und populärkulturelle Bedeutung des Objekts ‚Schuh‘ als die Möglichkeit und Form der (Fort-)Bewegung. Als Grundlage für die Installation diente eine Performance, in der der Land- und Body-Art-Künstler einem Mann mit amputiertem Bein ein Bleirohr als Prothese anhaftete. Die gegen die Wand tretenden Stiefel thematisieren die Funktion von ‚Ersatzteilen‘, lassen sich aber auch als Verweis auf Affekte lesen, die mit der Einschränkung der Gehfähigkeit verbunden sind – etwa Wut, Trauer oder Frust.

ohne Titel
Chargesheimer

Skulpturenmuseum Marl

ohne Titel

Chargesheimer

1947
66 × 59 × 35 cm
Draht, Eisen, Kupfer, z.T. lackiert

Das Gemälde Nach der Bombenacht von Werner Gilles wirkt auf den ersten Blick überraschend farbenfroh. So irritieren die schwungvollen, kräftigen Linien und eine optimistisch scheinende Helligkeit im Bild des ehemaligen Bauhausschülers. Zeitgleich erscheint die abgebildete Landschaft chaotisch und wüst und der blutrote Grund sowie die ungewöhnlich diffuse, rotbräunlich eingefärbte Himmelpartie deuten den Schrecken und die Zerstörung an, auf die Gilles verweist. Ähnlich dynamisch ist auch die 1947 und somit nur wenige Jahre zuvor entstandene Skulptur o.T. des Künstlers Chargesheimer. Jener, vorrangig bekannt als Fotograf, erlebt und dokumentiert die Zerstörung und den Wiederaufbau seiner Heimatstadt Köln. Sein filigranes Objekt zeichnet bekannte Formen nach, bevor sie in ihren Umrissen nahezu fließend ineinander übergehen, etwas Neues formen oder deplatziert in der Schwebe zu verschwinden drohen. Beide Arbeiten verbindet die Abstraktion, welche das Erlebte und Gefühlte versucht zu verstehen, abzubilden und zu konservieren.

11/18
Melanie Manchot

Skulpturenmuseum Marl

11/18

Melanie Manchot

2015
18 min Loop, Maße variabel
9 Monitore, 7 Sockel, 9 Kanal Videoinstallation
Seit 2018 im Skulpturenmuseum Marl

Vom Mädchen zur jungen Frau: Für die Videoinstallation 11/18 begleitete Melanie Manchot ihre Tochter Billie beim Aufwachsen. Von ihrem elften bis zum achtzehnten Lebensjahr trat Billie einmal im Monat vor die Kamera. Entstanden sind einminütige Videoporträts. Die Aufnahmen zeigen, wie sich Identität, Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung in der Pubertät verändern. Über die Person Billies, die mal mehr, mal weniger verhalten, aber immer bewusst vor der Kamera posiert, sagt die Arbeit nicht viel aus. Die Große Sinnende von Wilhelm Lehmbruck verrät ebenfalls wenig über das Modell. Die weibliche Aktfigur trägt keine individuellen Züge, ihr Blick scheint mehr nach innen gerichtet. Macht Manchot die Entwicklung einer konkreten jungen Frau als Prozess sichtbar, so verdichtet Lehmbruck geistige Vorgänge in einem abstrakten Frauenbildnis.

Prismatischer Raum II
Ingrid Dahn

Skulpturenmuseum Marl

Prismatischer Raum II

Ingrid Dahn

2005
ca. 75 × Ø 20 cm
Acryl, Aluminium
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl

Ein schmaler Körper schwebt in der transparenten Plastik aus Acrylglas und Aluminium der deutschen Bildhauerin Ingrid Dahn. Je nach Perspektive und Lichteinfall scheint sie nahezu plastisch empor zu schweben, obgleich sie in ihrem gläsernen Umfeld gefangen wirken kann. Optische Spiegelungen und bunte Lichtreflexionen lassen das Gefühl entstehen, kleine Bewegungen der Figur mitzuerleben. Dabei scheint sie nah und gleichwohl fern zu sein. Ähnlich verhält es sich auch in dem Werk Le Rêve von František Kupka, das beinahe ein ganzes Jahrhundert vor Dahns Werk entstand. Unter dem Titel Traum steigen zwei umschlungene Körper in die Höhe, verlassen ihre Leiber und bewegen sich glühend zum Bildrand. Beide Werke vereint die Verbildlichung von Dynamik, welche zwar künstlerisch angedeutet wird, jedoch nur im Kopf der Betrachtenden tatsächlich entsteht.

Sparstrumpf (1000 D-Mark)
Victor Bonato

Skulpturenmuseum Marl

Sparstrumpf (1000 D-Mark)

Victor Bonato

ca. 1995
75 × 13 × 16 cm
Strumpfbein, geschredderte Geldsteine
Seit 2003 im Skulpturenmuseum Marl

Victor Bonatos Sparstrumpf ist mit geschredderten Tausend-DM-Scheinen gefüllt – Hinweis auf unermüdliche Arbeit und langgehegte Wünsche. Die Kultur des Sparens ist jedoch nicht ohne die Versuchung des Konsums zu denken. In das Bein einer Schaufensterpuppe gepresst, evozieren die Geldscheine Güter, wie sie in August Mackes ‚Hutladen‘ zu erwerben sind. Die Frau in dem Gemälde ruft das ‚Windowshopping‘ ins Gedächtnis. Auch Bonato stellt einen Zusammenhang zwischen Frauen, Konsum und Begehren her. Sein Sparstrumpf erinnert nicht nur an die problematische Vorstellung von der Frau als ‚Ware‘, sondern auch an das Klischee der ‚sparsamen Hausfrau‘. Wenngleich sich Ökonomie wie Konsum als selbst- und fremdbestimmt, Kunst und Schwäche denken lässt, spannen beide Künstler ein Bezugsfeld auf, das auf stereotype Geschlechterrollen befragt werden muss.

Modell Baumskulptur 1
Rudolf Wachter

Skulpturenmuseum Marl

Modell Baumskulptur 1

Rudolf Wachter

ca. 1994
32,5 × 22 × 12 cm
Holz teilweise farbig gefasst
Seit 1994 im Skulpturenmuseum Marl

Rudolf Wachter arbeitete ausschließlich mit Holz. Mit der Kettensäge schuf er zahlreiche Skulpturen, in denen die Materialität des natürlichen Werkstoffs besonders zur Geltung kommt. Für das Modell der Baumskulptur aus der Marler Innenstadt schnitt er aus dem oberen Teil eines Holzzylinders einen dreieckigen Körper aus und versetzte diesen so weit nach unten, dass er den Boden berührt. Durch dieses Vorgehen wird nicht nur die leicht geneigte Skulptur stabilisiert, sondern auch der Schaffensprozess nachvollziehbar gemacht. Dem Stahlschnitt von Peter Schwickerath liegt ein ähnliches Prinzip zugrunde. Der für seine Stahlskulpturen bekannte Bildhauer schnitt aus einer Stahlplatte ein Kreissegment aus, das lediglich an einer Stelle von einem herausragenden Viereck unterbrochen wird. Die ausgeschnittene Form liegt quer unter der aufgestellten Platte. Wie in Wachters Werk stehen sich Negativ und Positiv gegenüber; Körper, Masse und Volumen werden anhand eines spezifischen Materials räumlich erfahrbar gemacht.

Magnet-Objekt
Friedrich Gräsel

Skulpturenmuseum Marl

Magnet-Objekt

Friedrich Gräsel

1972
35,5 x 35,5 x 6,5 cm
gravierte Metallplatte auf Holz, 16 Magnetbausteine

Friedrich Gräsel und Helmut Bettenhausen kannten sich aus der Künstlergruppe B1. Die Mitglieder der informellen Vereinigung setzten sich in Skulpturen, Gemälden, Grafiken, Räumen und Projekten mit der Industrielandschaft des Ruhrgebiets auseinander. Bettenhausen ließ sich insbesondere von den Oberflächenstrukturen industriell gefertigter Objekte inspirieren. Die Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 ist eine von mehreren Arbeiten des Künstlers, die aufgrund ihrer Rasterung und grau-schwarzen Farbe an Metallplatten mit Noppenprägung erinnern. Auch Friedrich Gräsels Magnet-Objekt spielt mit der Ästhetik der Industrie. Die grauen Rohrstücke, die horizontal und vertikal an der magnetischen Platte kleben, evozieren Betonelemente aus dem Hoch- und Tiefbau. Die Zusammensetzung einzelner Objekte zu größeren Körpern lässt sich mit der in den 1960er- und 70er-Jahren beliebten Modulbauweise, aber auch dem Prinzip der Montage verbinden.

Objekt I+II
Tomitaro Nachi

Skulpturenmuseum Marl

Objekt I+II

Tomitaro Nachi

1967
Ø 58 × 2 cm + 50 × 50 × 2 cm
Aluminium
Seit 1967 im Skulpturenmuseum Marl

Im Jahr 1933 geht der in Bottrop geborene Josef Albers mit seiner Frau Anni Albers ins Exil in die Vereinigten Staaten. Hier macht sich der vorherige Bauhaus-Lehrer schnell vertraut mit den für ihn noch unbekannten Kulturen. Ein besonderer Einfluss seines malerischen Werkes, das in Deutschland durch strenge geometrische Formen und eine monochrome Farbwahl geprägt ist, kommt aus Mexiko. Albers bricht erstmals mit seinem bekannten Quadrat, was in Oscillation A aus dem Jahr 1940 besonders auffällig ist. Das für Albers Oeuvre weiterhin charakteristische Quadrat greift Tomitaro Nachi in seiner zweigeteilten Installation Objekt 1 + 2 in der Grundform deutlich auf. In der Hängung jedoch transformieren sich die kinetischen Mobiles in zwei neue Körper im Raum. Sie bewegen sich ineinander, reagieren auf leichte Bewegungen in ihrer Umgebung und scheinen so in ihrer organischen Dynamik nahezu poetisch.

2 Millionen
Alexander Basile

Skulpturenmuseum Marl

2 Millionen

Alexander Basile

2019
Video 30:11

„Was fasziniert dich eigentlich so am Licht?“ fragt eine Figur in 2 Millionen. „Es ist einfach da, will nichts von einem. Es kostet nichts, und es macht alle Dinge schön“, antwortet eine andere. In dem Schwarz-Weiß-Film von Alexander Basile dreht sich alles um Licht – um das Gesehen werden und im Dunkeln Verschwinden, um Scheinwerfer und Rampenlicht. Vor die Kamera treten Wohnblocks und Filmteams, architektonische Utopien und die Sehnsüchte derer, die in ihnen zu Hause sind. Bei der Bildgestaltung wird die Rolle des Lichts fokussiert. Auch Wilhelm Morgner arbeitet mit Leuchtkraft, um Stimmung zu erzeugen. Seine Landschaftsszene unterscheidet sich durch ihre intensive Farbigkeit von Basiles monochromem Film, zeugt aber gleichfalls davon, wie Figur und Raum durch Licht und Schatten, inneres und äußeres Strahlen geformt werden.

Rosa
Erika Hock

Skulpturenmuseum Marl

Rosa

Erika Hock

2020
ca. 320 × 100 × 60 cm
Stahl lackiert, Fadenvorhang, Glühbirne
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl

Licht, Raum, Dekor: Erika Hock interessiert sich für Phänomene, die in Christian Rohlfs Interieurbild eine zentrale Rolle spielen. Zeigt der Maler einen Iichtdurchfluteten Innenraum, so präsentiert die Künstlerin eine Skulptur, die als Lichtquelle für ihre Umgebung fungiert. Rosa besteht aus einem runden Fadenvorhang, hinter dem eine Glühbirne auf einem Gerüst strahlt. Das Licht bricht sich an den Fäden, die Erscheinung von Raum und Skulptur verändernd. Rohlfs erzeugt mit seinem pointillistischen Malstil einen ähnlichen Effekt. Die Vorhänge in seinem Bild lassen die Sonne zugleich eindringen und abprallen, dienen aber auch als dekoratives Element. Hocks Arbeit erinnert an extravagante Einrichtungsgegenstände der 1960er- und 70er-Jahre – und stellt damit ebenfalls die Frage nach nützlichen und dekorativen Objekten, Funktion und Autonomie.

Mantel Paratroopers Last Jump - Goodbye Uncle Buddy
Cork Marcheschi

Skulpturenmuseum Marl

Mantel Paratroopers Last Jump - Goodbye Uncle Buddy

Cork Marcheschi

1992
57,5 × 57,5 × 9 cm
Leuchtstoffröhren, Farbe, Draht

Weiße Quadrate wandern in Gianni Colombos Zoom Squares durch den dunklen Raum. Der starke Kontrast verstärkt die Bewegungen, die trotz der geometrischen Formen fast sanft wirken. Ähnlich auch nimmt das Werk Mantel Paratroopers Last Jump – Goodbye Uncle Buddy des amerikanischen Künstlers Cork Marcheschi den Raum ein und beeinflusst dessen Wahrnehmung. Die quadratische Form, die sich aus zwei gegenüberliegenden und in gegensätzliche Richtung leuchtenden Leuchtstoffröhren ergibt, scheint zu schweben. Je nach Blickwinkel und Lichtintensität deutet sich eine leichte Bewegung des Quadrats an – es wächst und pulsiert. Die harten Kanten der geometrischen Form verschwimmen. Die ständige Veränderung der Grundform, die sich im Kontrast zu Colombos Arbeit erst auf den zweiten Blick einstellt, wirkt dabei ebenfalls direkt auf die Wahrnehmung im Raum.

Chamber Piece
Mischa Kuball

Skulpturenmuseum Marl

Chamber Piece

Mischa Kuball

2014
200 × 50 × 50 cm
Video, Stellage, Drehteller, Sound
Seit 2014 im Skulpturenmuseum Marl

Chamber Piece ist eine Hommage an László Moholy-Nagy. Für die Video-Installation hat Mischa Kuball ein Hauptwerk des ungarischen Avantgarde-Künstlers mit dem Handy abgefilmt. Ein Beamer auf einem rotierenden Gestell projiziert die unbearbeiteten Aufnahmen in den abgedunkelten Ausstellungsraum. Während die Videoprojektion über die Wände wandert und den Raum erhellt, ertönen ratternde Geräusche. Moholy-Nagy vergleichbar, experimentiert Kuball mit neuen Technologien, um das Zusammenspiel von Licht, Bewegung und Raum zu ergründen. Komposition A 17 lässt sich als eine Versuchsanordnung verstehen, mit der im zweidimensionalen Raum Bewegung erzeugt werden soll. Moholy-Nagy kombiniert Farben und geometrische Formen, sodass Spannung entsteht – etwa durch die roten und weißen Balken, die den schwarzen Kreis in der linken Bildhälfte überlagern.

Vasen
Antonio Recalcati

Skulpturenmuseum Marl

Vasen

Antonio Recalcati

1990
ca. 30 – 50 cm hoch
Terrakotta, Glasur
Seit 1993 im Skulpturenmuseum Marl

In den frühen 1990er-Jahren stellte Antonio Recalcati in einer italienischen Keramikmanufaktur Hunderte von Vasen her. Die skulpturalen Objekte sind individuell gestaltet, gleichen sich aber in ihrer mangelnden Funktionalität und Perfektion. Dellen, Löcher und verschlossene Öffnungen machen die Vasen unbrauchbar, zeugen aber vom kreativen Potenzial der Zerstörung. Demoliert Recalcati seine Vasen im Schaffensprozess, so fokussiert sich Ai Weiweis Destruktionskraft auf existierende Gefäße. Der Künstler hat eine Reihe chinesischer Vasen aus der prähistorischen Zeit erworben und mit bunter Latexfarbe überzogen. Nicht die Funktion, sondern das historische Artefakt wird hier vernichtet – Weiwei provoziert Fragen um den Wert von Autorschaft, Authentizität und Handwerk und kommentiert den kulturellen Vandalismus der chinesischen Kulturrevolution.

Spazio Curvo
Gianni Colombo

Skulpturenmuseum Marl

Spazio Curvo

Gianni Colombo

1992
Ø ca. 500 cm
fluoreszierender Kunststoffring, Schwarzlicht, Motor

Keith Sonniers Tunnel of Tears erweckt das Gefühl, sich in einem hybriden Raum zwischen Analogem und Digitalem aufzuhalten. Sie erinnern an Kritzeleien auf Papier oder digitale Strichzeichnungen und wandern als unter der Raumdecke frei hängende „Tropfen“ förmlich durch den Tunnel. Dabei ändert sich ihre Farbigkeit von Rot über Violett zu Blau. Durch die starken Kontraste zur Dunkelheit des Raumes irritieren sie das Auge und lassen ein leichtes Flirren entstehen. So auch Gianni Colombos Spazio Curvo. Anders als bei Sonnier entsteht die optische Irritation jedoch nicht durch die starre Betrachtung durch das Publikum. Vielmehr befindet sich Colombos Werk in einer beständigen Bewegung, schwirrt förmlich auf der Stelle und zeichnet die Spuren der eigenen Dynamik im dunklen Raum nach. So eint beide Werke nicht nur die evozierte körperliche Erfahrung, sondern auch die damit in Verbindung stehende neue Wahrnehmung des umliegenden Raumes.

autovision 2/3
Martin Kaltwasser

Skulpturenmuseum Marl

autovision 2/3

Martin Kaltwasser

2017
ca. 80 × 250 × 400 cm
Fiesta Chassis und zwei daraus gebaute Fahrräder
Seit 2018 im Skulpturenmuseum Marl

Mit autovision 2/3 demontiert Martin Kaltwasser einen Mythos: das Auto. Der Künstler hat einen Ford Fiesta buchstäblich auseinandergenommen. Aus den Bestandteilen sind zwei Fahrräder entstanden – die umweltfreundliche Alternative zu dem benzinbetriebenen Fahrzeug, das mit Freiheit und Mobilität assoziiert wird. Während Kaltwasser zu Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und umweltbewusster Raumnutzung aufruft, thematisiert Michael Sailstorfer die Absurdität unendlicher Fortbewegung. Seine Installation Zeit ist keine Autobahn besteht aus einem motorbetriebenen Reifen, der sich um sich selbst dreht, die eigene Substanz an der Wand zerreibend. Den vergeblichen Mühen des Sisyphos vergleichbar, zahlt sich die Investition von Energie nicht aus. Das Reiseziel wird niemals erreicht, die Vorstellung von der zielgerichteten Autofahrt gebrochen.

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Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Ohne Titel (Landschaft und Hof Opherdicke)
Kurt Schwitters

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Ohne Titel (Landschaft und Hof Opherdicke)

Kurt Schwitters

1916
14 x 24 cm
Öl auf Holz
Kunstbesitz Kreis Unna
Erworben 2002

Das Frühwerk von Kurt Schwitters repräsentiert die Verschollene Generation – von den Nationalsozialisten verfemte Künstler*innen – mit der sich Museum Haus Opherdicke profiliert hat. Avantgardistische Kunst zu präsentieren und den historisch gesellschaftlichen Kontext zu vergegenwärtigen sind konzeptuell unser museales Anliegen, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite zeigt das kleine Gemälde des später berühmten Künstlers das Gebäude des heutigen Museums in seinem damaligen Zustand.

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Am Ammersee
Herbert Rolf Schlegel

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Am Ammersee

Herbert Rolf Schlegel

um 1950
90 x 100 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Emil Schumachers Pinatubo zeigt mit dem Vulkan im übertragenen Sinne die Kraft der Natur – das Feuer, das aus dem Berg kommt, als farbliche und nicht darstellende Komposition. Auf der Bildebene lodert auch Herbert Rolf Schlegels (1889-1972)  Wald in der neusachlichen Darstellung eines Pfades entlang eines kleinen Baches, der in den Ammersee führt. Feuer und Wasser, rote und blaue Farbigkeit steigert Schlegel mit dem Primärkontrast. Das von Gelb über Braun bis ins Rötliche verfärbte Laub hat dabei eine eigene malerische Qualität, nicht darstellend, sondern gestisch lodernd, stellt es eine Verbindung zur informellen Darstellung der Naturgewalten her.

Abend am Ammersee mit drei Mädchen am Ufer
Herbert Rolf Schlegel

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Abend am Ammersee mit drei Mädchen am Ufer

Herbert Rolf Schlegel

1925
65 x 70 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Die Schneelandschaft von Gabriele Münter leuchtet in den expressiven Farben des Abendrots. Den weißen Flächen setzt die Malerin das rötlich schimmernde Bergmassiv entgegen. Bei Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) laufen die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund wie ein Band durch das Gemälde. Rückenfiguren führen die Betrachtenden in das Bild hinein, lassen den Blick vom Ufer über die spiegelnde Fläche des Ammersees bis zu den Alpen wandern. Für die Wahrnehmung der expressiven, farblichen Romantik Münters setzt Schlegel androgyne Protagonist*innen ein, als Personifikation des Blickes. Die Anwesenheit von Menschen in der Landschaft erinnert zudem an romantische Darstellungen der Kunstgeschichte.

Figurative Komposition
Hans Schröers

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Figurative Komposition

Hans Schröers

1968
100 x 100 cm
Öl auf Leinwand

Keith Sonniers Installation setzt sich aus zwei in kontrastierenden Farben ausgeführten Neonröhren zusammen, die wie leuchtende Pinselstriche im Raum schweben. Diese gestischen Kürzel verbinden ihn mit der informellen Malerei. Hans Schröers (1903-1969) studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde 1930 Mitglied der Rheinischen Sezession. Aus seinen expressionistischen Landschaftsmalereien, Stadtansichten und Stillleben heraus entwickelte er einen eigenen abstrakten Stil. In der Figurative Komposition tauchen Personen als Chiffren auf, werden nur zeichnerisch angedeutet. Ansonsten entsteht die farbliche Spannung aus dem Kontrast von Rot und Blau, der Assoziation von Wärme und Kälte.

Stilleben
Luc Gerbier

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Stilleben

Luc Gerbier

1976
114 x 87 cm
Öl auf Leinwand

Das Werden und Vergehen wird in Gianni Colombos Zoom Squares durch das Wachsen und Schrumpfen der leuchtenden Quadrate versinnbildlicht. Diese Dynamik des Lebens greift Luc Gerbier (*1940) mit den vertrocknenden Blumen in dem momento mori als Sinnbild der Vergänglichkeit auf, indem er seine Farbpalette stark auf den Kontrast von Schwarz und Weiß reduziert. Auch ist es das Helle und Dunkle, der Gegensatz von Licht und Schatten, der auf einer existenzialistischen Ebene die italienische Arte povera mit dem französischen Nachfauvismus des Künstlers verbindet. Die Köpfe der Pflanze hängen nach unten, sogar an der Vase hinab bis auf die angedeutete dunkle, quadratische Tischplatte. Nur spärlich setzten die bläulichen Farbakzente und die Tonigkeit den kühlen Gesamteindruck der Melancholie um.

Stillleben mit Stöckelschuhen und Halskette
Herbert Rolf Schlegel

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Stillleben mit Stöckelschuhen und Halskette

Herbert Rolf Schlegel

um 1934
50,5 x 60 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Der hochhackige Pumps wird attributiv meist einem weiblichen Schönheitsideal zugesprochen. Heiner Meyers Stahlskulptur greift das modische Accessoire der Popkultur als Silhouette auf und stapelt mehrere dieser Schuhe zu einer Komposition. Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) dagegen präsentiert ein einzelnes, offenbar ausgewähltes Paar auf einem blauen Kissen. Daneben finden sich Schmuck sowie Spitze und Seide im Hintergrund der Präsentation. Diese besonderen Schuhe scheinen fast wie ein Fetisch dargestellt zu werden, allerdings wird die Doppelbödigkeit der Darstellung übersehen, denn der Maler changiert zwischen tradierten männlichen und weiblichen Rollenzuschreibungen. So wurde er zuletzt manchmal in seinem Heimatdorf am Ammersee bei einem Spaziergang in vermeintlichen Damenschuhen gesehen.

Der Paravent
Edgar Ende

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Der Paravent

Edgar Ende

1957
70,2 x 98,8 x 0,4 cm
Öl auf Hartfaserplatte
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Werner Gilles stellt die erschreckenden Ruinen nach einer Bombardierung im Zweiten Weltkrieg ein paar Jahre später in fröhlichen Farben dar, was dem Grauen eine bizarre Leichtigkeit verleiht. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs waren auch für Edgar Ende eine einschneidende Erfahrung, die seine archaische Bilderwelt beeinflusste. Ebenfalls in einer Landschaft, nicht jedoch in der Stadt mit den zusammengewürfelten Formen, sondern von einer Mauer mit verschlossenem Tor begrenzt, sind Bruchstücke von Architektur zu sehen. Von einem Paravent gegen die Umgebung abgeschirmt, steht eine Skulptur auf einem mit einer Tischdecke dekorierten Sockel. Diese wirkt jedoch durch ihre unscharfen Konturen beinahe geisterhaft verklärt und entzieht sich der Identifikation.

Unruhe
Hubert Berke

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Unruhe

Hubert Berke

1960
90 x 120 cm
Öl auf Leinwand
Sammlung Axel Hinrich Murken

Das verbindende Element der Malerei von Karl Otto Götz und Hubert Berke (1908-1979) ist der handwerklich schwungvolle Auftrag der Farbe auf die Leinwand. Götz arbeitet mit singulären Gesten, die er in chiffrenartigen Pinselschwüngen als Komposition stehen lässt. Unruhe verbreiten die kleinteiligen Farbspritzer im Vordergrund, die sich von den freien und breiten horizontalen Pinselzügen des Hintergrundes absetzen. Die Farbigkeit des lyrischen Informel des in der Nachkriegszeit hauptsächlich im Rheinland arbeitenden, letzten Schülers von Paul Klee an der Kunstakademie Düsseldorf, ist sehr zurückgenommen. Bis auf wenige blaue und rote Einsprenkelungen ist die Malerei auf Schwarz und Weiß sowie die Leinwand reduziert, ähnlich wie bei dem bekanntesten Protagonisten des Informel.

Landschaft
Rolf-Dietrich Ratzmann

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Landschaft

Rolf-Dietrich Ratzmann

1964
130.5 x 180.5 x 2.2 cm
Öl auf Leinwand

Der Name des Künstler Rolf-Dietrich Ratzmann (1944-1992) ist stark mit der Stadt Lünen verbunden, in der er nach seiner Flucht aus der DDR lebte und arbeitete. Wilhelm Morgner ist ebenso mit dem nahegelegenen Soest verbunden. Die expressiv dargestellte westfälische Landschaft verbindet die beiden Maler miteinander. Auch der breite und dynamisch gesetzte Pinselstrich sowie die aus der Umgebung resultierende Farbigkeit der Malereien bringt die mehr als ein halbes Jahrhundert auseinanderliegenden Werke zusammen. Ratzmann negierte jedoch mit dem Pinseleinsatz die „Kleinlichkeit“ zugunsten der starken Farbigkeit des Ausdrucks eines Neo-Expressionismus. So setzt sich das Gemälde aus gegeneinander gesetzten Farbflächen zusammen, die sich aus den Strukturen der Felder in der Soester Börde herleiten.

Fragmente
Edgar Ende

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Fragmente

Edgar Ende

1936
70.5 x 90.5 x 2 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Der Blick in einen Kastenraum verbindet Christian Rohlfs mit Edgar Endes (1901-1965) Fragmenten. Während der eine, pointillistisch zusammengesetzte Raum präzise in Hagen im weltweit ersten Museum für zeitgenössische Kunst verortet ist, so finden sich in dem anderen keine Fenster- und Türrahmen und vor allem keine Zimmerdecke. Die angedeuteten und durchbrochenen Wände erheben in eine Vorstellungs- und Traumwelt. Protagonist:innen blicken von oben in das Zimmer auf die frei im Raum schwebenden Büsten. Die skulpturalen Oberkörper von Frauen und Männern verkörpern nachdenkliche Posen und fragende Gesten. Der bedeutende surrealistische Maler vererbte seine Bildwelt seinem Sohn Michael Ende, der sich auf literarische Weise der fantastischen und visionären Metaphern annahm.

Blick in die Düsseldorfer Galerie Johanna Ey
Herbert Rolf Schlegel

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Blick in die Düsseldorfer Galerie Johanna Ey

Herbert Rolf Schlegel

um 1914
60 x 60 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Während bei August Macke eine Frau die Auslage eines städtischen Hutgeschäfts begutachtet, gewährt Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) Einblick in ein Ladengeschäft in Düsseldorf etwa im gleichen Jahr. Großflächige Pinselstriche setzen das Innere des Ladenlokales aus über Eck stehenden Verkaufstresen, Vitrinen und Regalen mit dem Angebot zusammen. In der spätimpressionistischen Manier seiner Studienjahre zeigt der später neusachlich arbeitende Maler den berühmten Raum, in dem ein Kapitel der Geschichte der modernen Kunst geschrieben wurde. Damals trafen sich die Künstler:innen in der Kaffeestube von Johanna Ey, und die spätere Galerie wurde zum Mittelpunkt der Künstlergruppe Das Junge Rheinland. Otto Dix schuf ein berühmtes Gemälde der befreundeten Mäzenin der jungen Kunst.

Feldarbeiten
Eberhard Viegener

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Feldarbeiten

Eberhard Viegener

1955
164 x 116 cm
Öl auf Leinwand

Die Werke Feldarbeiten von Eberhard Viegener (1890-1967) und Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 sind durch die Arbeit, die konzeptionell in unterschiedlicher Art hinter den Kunstwerken steckt sowie durch die Landschaftsdarstellung verbunden. Während bei Bettenhausen industrielle Produktion und Umgebung den thematischen Hintergrund bilden, so ist es bei Viegener das bäuerliche, vorindustrielle Milieu. Die neusachliche oder auch realistische Darstellung von Feldarbeiten beinhaltet auch die Armut auf dem Land, im Gegensatz zu den kärglichen Arbeitsverhältnissen in den großen Fabrikationsstätten in und um die Städte herum. Landschaft und rhythmische Komposition bilden in beiden Werken die räumliche Struktur.

Fahrzeug
Fern Mehring

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Fahrzeug

Fern Mehring

1984
19 x 13 cm
s/w Fotografie

Durchdrehende Reifen klingen nach Geschwindigkeit und waghalsigen Manövern, sie riechen nach Rennen auf der Autobahn. Mit seiner Installation thematisiert Michael Sailstorfer die Hektik des aktuellen Alltags. Automobile und Reisen haben allerdings auch sentimentale Erinnerungen und Bezüge. Vor allem wenn Fern Mehring (*1946) ein Fahrzeug mit der Kamera porträtiert. Der Blick durch eine geöffnete Autotür über die Straße auf die Landschaft, eine kleine ungeteerte Landstraße mit einem großen Stein. Die Fotografie aus den 1980er-Jahren greift den American Way of Life auf, sie erzählt von einem schwarzweißen Roadtrip. Fünfzehn Jahre lang war die Kamera Mehrings wichtigstes Handwerkszeug, welches er 1991 nach all den Schriftsteller:innen-Porträts, mit denen er bekannt wurde, allerdings ins Regal legte.

Stehender Rückenakt auf felsiger Küste (Bornholm)
Herbert Rolf Schlegel

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Stehender Rückenakt auf felsiger Küste (Bornholm)

Herbert Rolf Schlegel

1912
74,5 x 64,5 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Die sinnende Darstellung eines Aktes verbindet die Rundplastik Wilhelm Lehmbrucks mit dem Blick auf den Rücken einer unbekleideten Frau an der dänischen Küste. Der Blick des Stehenden Rückenaktes führt die Betrachtenden in das Bild und weiter bis zum Horizont. Die Freikörperkultur in den frühen Jahren der Bewegung spielt bei Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) eine bedeutende Rolle, denn er beschäftigt sich mit den Ideen der Lebensreform. Zur Zeit der Entstehung des Gemäldes lebt er in einer Kolonie auf Bornholm, die sich den Idealen von Vegetarismus, Naturismus und Emanzipation verschrieben hatte. Die Hinterfragung von Geschlechterrollen und Schönheitsidealen wird das Schaffen des Malers in den folgenden Jahrzehnten auszeichnen.

Die Taube
Edgar Ende

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Die Taube

Edgar Ende

1955
70 x 49,6 cm
Gouache
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Anatols Stahltisch beinhaltet performativ den physischen Schmerz der Betrachtenden. Die Wundmale auf den Flügeln der Taube bei Edgar Ende (1901-1965) hingegen symbolisieren verallgemeinert den Schmerz. Statt mit Schwingen fliegen die Tauben mit Händen, die als Körperteile auch bei Anatol eine haptische Rolle spielen. Einer der Vögel zeigt den Betrachtenden blutige Wunden – ein Motiv, das auf die christliche Ikonografie bis hin zum gekreuzigten Christus als Schmerzensmann verweist. Früh hatte Edgar Ende gelernt, sich in einen meditativen Zustand zu versetzen, um in die Wirklichkeit einer geistigen Welt hinter der Schwelle der sinnlichen Wahrnehmung zu gelangen. Diese Fähigkeit zeichnet ihn als wichtigsten deutschen Vertreter des Surrealismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus und prägte auch seinen Sohn Michael Ende (1929-1995).

Montserat
Peter Gallhaus

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Montserat

Peter Gallhaus

1955
41 x 40 cm
Öl auf Hartfaser

Peter Gallhaus` (1914-1971) Malerei setzt ein paar Jahre später als das Werk von Josef Albers auf die Wirkung der Farbe. Auch der Umgang mit den abstrakten Grundelementen von Linie und Fläche verbindet die beiden Kunstwerke, zeigt aber gleichzeitig den Unterschied zwischen monochromer und gemalter Farbfläche auf. Während Oscillating A zwischen zwei sehr ähnlichen Formen eine Spannung aufbaut, so bilden die gestisch gesetzten Pinselstriche bei der Darstellung des spanischen Berges mit seiner Felsstruktur einen Rhythmus, der einer abstrakten Partitur ähnelt. Diese Eigendynamik wird von der Umgebung der Bildfläche aufgegriffen und schwingt in der eigenen Klangfarbe mit. So wird Montserrat nicht figürlich abgebildet, sondern findet eine abstrakte sinnliche Entsprechung.

Interieur (Bewaffnete Liebe)
Edgar Ende

Museum Haus Opherdicke, Holzwickede

Interieur (Bewaffnete Liebe)

Edgar Ende

1963
120 x 89,7 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken

Eine besondere Paarbeziehung – die übernatürliche Darstellung der verschmelzenden Seelen von Frantisek Kupka und seiner Frau – findet ihre surreale Entsprechung gut ein halbes Jahrhundert später bei Edgar Ende (1901-1965). Das Interieur (Bewaffnete Liebe), zeigt ein Paar auf einer sich ablösenden Papierbahn, auf der die enthüllte Frau von dem hinter ihr stehenden Partner beschützt wird. Aus dem Papier streckt der herauskommende Arm des Adler-Menschen eine Art Speer, der an gedrechselte Pfosten erinnert, und sich parallel gegen die auf der anderen Seite des Raumes aus der Wand herausgreifende Waffe richtet. Auch das Hündchen, das auf die Treue verweist, unterstreicht die beiden Liebenden. Der moderne surrealistische Maler greift die archaische Bildwelt auf, die ihm in seinen Sitzungen in der Dunkelkammer begegnete.

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Flottmann-Hallen Herne

Stahlschnitt
Peter Schwickerath

Flottmann-Hallen Herne

Stahlschnitt

Peter Schwickerath

2004
240 × 480 × 430 cm
Stahl

Peter Schwickeraths Stahlschnitt steht exemplarisch für den SkulpturenPark Flottmann. Im Jahr 2004 war es unter anderem diese Arbeit, die den Auftakt für Ausstellungsaktivitäten unter freiem Himmel bedeutete. Unter dem Titel Stahlskulptur außen wurde erstmals nicht nur die Kunsthalle, sondern auch der Platz vor den Hallen bespielt. Die Skulptur blieb stehen und war der Anfang von dem, was im Kulturhauptstadtjahr 2010 offiziell der SkulpturenPark wurde. Mittlerweile stehen drei Werke Schwickeraths auf dem Gelände.

Flottmann-Hallen Herne

Schöpfer
Sandro Antal

Flottmann-Hallen Herne

Schöpfer

Sandro Antal

1995
140 × 90 × 63 cm
Stahl

Wie Anatol Herzfeld war der zwölf Jahre jüngere Sandro Antal Student an der Düsseldorfer Kunstakademie. Beide blieben ihrer Alma Mater als Lehrbeauftragte verbunden und auch künstlerisch stehen beide in der Tradition des Erweiterten Kunstbegriffs des damaligen Direktors Joseph Beuys. Alltägliche Gegenstände – hier in beiden Fällen ein Tisch, außerdem bei Anatol die Stühle und bei Antal die Schöpfkelle – werden in bildhauerischer Bearbeitung nachgeahmt und finden Einzug in die Material- und Formensprache künstlerischen Schaffens. Auch die besonders ausgeprägte politische Dimension ist beiden Werken ähnlich: Innerhalb einer Performance wurde am Stahltisch Anatols eine Vernehmungssituation simuliert, die für die Zensur der freien Rede steht. Mit seinem Schöpfer spielt Sandro Antal derweil auf globale Hungerkatastrophen an.

Boden-Wand-Objekt
Peter Schwickerath

Flottmann-Hallen Herne

Boden-Wand-Objekt

Peter Schwickerath

2020
150 × 45 × 30 cm
Doppel - T- Träger 12 cm rot pulverbeschichtet

Neben der Farbigkeit und der Verwendung des Materials Stahl, lassen sich auf den ersten Blick wenig Bezüge zwischen Heiner Meyers Red Heels und Peter Schwickeraths Boden-Wandobjekt herstellen. Bei Betrachtung der Herstellung der für das Schloss Oberhausen entwickelten Skulptur zeigen sich viele Gemeinsamkeiten. Die Verwendung von Stahl in der zeitgenössischen Bildhauerei ist ab einer gewissen Dimensionierung eine Teamarbeit unterschiedlicher Gewerke. Bisweilen sind Ingenieur:innen und Statiker:innen am Werk, es wird lasergeschnitten, abkantgepresst oder pulverbeschichtet, Fundamente werden gegossen und Kräne bestellt. Dass diese Prozesse jedoch für das Publikum nicht ersichtlich sind, ermöglicht den unverstellten Blick auf die ausdrucksstarken Arbeiten beider Künstler. Es ist auch die Kunst, schwierige Dinge einfach aussehen zu lassen.

 

Konturenwolke
Ulrich Möckel

Flottmann-Hallen Herne

Konturenwolke

Ulrich Möckel

2018/23
Hartschaum nach Baumkonturen, Motor, Zeitschaltung

Ulrich Möckels Werk fokussiert den Baum, für ihn ein Sinnbild des Lebens. Dabei geht es ihm seltener um das Material Holz, sondern um eine formale Auseinandersetzung: seine Konturen aus Umrisslinien verschiedener heimischer Baumarten stehen exemplarisch für sein Werk. Sie tauchen in vielen Ausführungen in seinen Arbeiten auf: in Bronze oder Beton gegossen, als Skulpturen im öffentlichen Raum sowohl in Hamm als auch in Herne und aus schwerem Corten-Stahl oder als Neon-Röhren, schwebend aufgehängt. Der Baumstamm steht dabei symbolisch als verbindendes Element zwischen Himmel und Erde, das in der schwebenden Konturenwolke eine besondere Betonung erfährt. Die Wolken, die Möckel mithilfe unzähliger Konturen aus Hartschaum erzeugt, ähneln im besonderen Maße denen, die Wilhelm Morgners expressionistische Landschaft zeigt.

Kartonobjekt
Peter Schwickerath

Flottmann-Hallen Herne

Kartonobjekt

Peter Schwickerath

2000
Doppelausschnitt konvex/konkav

Der Bildhauer Peter Schwickerath ist vor allem für seine großformatigen Stahlskulpturen bekannt, die in manchen Innenstädten zu finden sind. Die kleinformatigen Arbeiten des Düsseldorfers sind häufig Vorstudien, denn für ihn gilt: „Alles was im Kleinen funktioniert, gelingt eingeschränkt auch im Großen.“ In beiden Ausführungsformen finden sich die Aspekte Schwickeraths konkreter Kunst wieder: alltägliches Material und geometrische Formen. Auch die Methoden – hier das Ausschneiden und Falten – sind wiederkehrende Elemente. Die Arbeiten sind präzise, rational und unabhängig von Subjektivität auf die Komposition ausgelegt. Doch ähnlich wie bei Moholy-Nagys malerischen Farbkompositionen ergibt sich aus der gegenstandslosen, auf geometrische Formen reduzierten Arbeitsweise ein spielerisches Potential der unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten.

ohne Titel
Reiner Seliger

Flottmann-Hallen Herne

ohne Titel

Reiner Seliger

2016
Glas und Stahl

Ein künstlerisches Thema Reiner Seligers ist es, für sein verwendetes Material – oft nur eines pro Werk – einen ästhetischen Rhythmus zu finden. So entstehen Plastiken aus geschichtetem Ziegelstein oder Rauminstallationen aus Styropor und Wandarbeiten aus Kreide oder Glas. Gebrauchsmaterial wird in Seligers Arbeiten zum Strukturelement und eröffnet unendliche gestalterische Möglichkeiten im Abstrakten.
So wie Josef Albers‘ Gemälde Oscillating (A) in der Wechselwirkung der Farben zueinander eine räumliche Dynamik erzeugt, wird die Raumwirkung in Seligers Glasrelief durch das Material beeinflusst. Bei wechselnder Perspektive ändern sich Lichteinfall und Schatten, Reflexionen und Farbeindruck. Beide Arbeiten spielen mit der Wahrnehmung und vereinen somit gleichzeitig eine durchdachte Komposition mit nicht steuerbarer Zufälligkeit.

Pulverschnee
Reiner Seliger

Flottmann-Hallen Herne

Pulverschnee

Reiner Seliger

2023
80 × 75 cm
Kreidepulverschüttung in Acrylvitrine

Reiner Seligers Arbeiten sind häufig monochrom und spielen mit Strukturen und Rhythmen des eingesetzten Materials. Lange arbeitet er mit Schulkreideresten, die er für Reliefs stapelt und schichtet. Die Wiederverwendung oder das Recycling von Materialabfällen ist ein wichtiges Thema. Seligers Landschaften aus Kreidestaubschüttungen entstehen durch unterschiedliche Verdichtungen, die topographisch anmutende Strukturen hinterlassen. Der Kreidestaub ist dem Schnee dabei nicht ganz unähnlich, so dass die Assoziation mit verschneiten Hügeln und Tälern dem Künstler vor Augen stand. Spannend ist die Gegenüberstellung dieses leisen, fast minimalistischen Werkes mit der expressionistischen Schneelandschaft bei Kochel von Gabriele Münter. Ist die Farbe das Vehikel, mit dem Münter ihre Landschaft ausbuchstabiert, ist es bei Seliger das Material.

Wasserlauf
Ulrich Möckel

Flottmann-Hallen Herne

Wasserlauf

Ulrich Möckel

2010/2019
Ø ca. 300 cm
Zinkkontur nach Pflaumenbaum, Wasser, Umwälzpumpe, Lampen, Piezo-Elemente, Lautsprecher, Zeitschaltuhr

Der Baum ist ein zentrales Thema in Ulrich Möckels Schaffen, meist in abstrakter Form. Wiederkehrend dienen Baumkonturen, deren Umrisse er zumeist weit unten am Stamm abnimmt, als Ausgangsform für seine Arbeiten. Die vergrößerte Kontur eines Pflaumenbaums hat Möckel aus Zink zu einem Wasserlauf geformt, der sich durch Umwälzpumpen per Zeitschaltuhr in Bewegung setzt. Umgekehrt zum Tunnel of Tears von Keith Sonnier entsteht durch die Beleuchtung eine Reflexion der Wasseroberfläche an der Decke über der Installation. Der Baum steht in Möckels Werk symbolisch für das Sinnbild des Lebens und als verbindendes Element zwischen Himmel und Erde. Die immateriellen Spiegelungen, die vom Wasserlauf erzeugt werden, verleihen der Arbeit dabei eine besondere Symbolkraft und Poesie, die auch dem Tunnel of Tears innewohnt.

FREE FLOW
Max Scholz

Flottmann-Hallen Herne

FREE FLOW

Max Scholz

2019
ca. 100 × 100 cm
Wandarbeit (Edition), 3-teilig, Metall, Acrylgals, Meschanik, Elektromotor

Viele der kinetischen Arbeiten von Max Scholz sind elektrisch betrieben und beschreiben einen unentwegten Kreislauf der Bewegung. So auch die Figur, die unerlässlich eine Rolltreppe hinauffährt. Oben am Scheitelpunkt angelangt fehlt das Geschoss, auf der Unterseite geht es kopfüber wieder hinab: Free Flow.
Die Idee der ewigen, vergeblich erscheinenden Bewegung wird ebenso von Michael Sailstorfers Zeit ist keine Autobahn aufgenommen. Die Motorengeräusche und bei Sailstorfer auch der Geruch des Reifenabriebes werden zum Bestandteil der Arbeiten. Nicht nur durch die Verwendung industrieller Komponenten und den Antrieb durch Motoren wohnt beiden Werken etwas sehr Zeitgeistiges inne. Sie sind Hamsterräder innerhalb einer modernen Gesellschaft, in der das Fortkommen zur Normalität wurde, jedoch das Ziel nicht immer klar ist.

Siedlung Sehnsucht
Max Scholz

Flottmann-Hallen Herne

Siedlung Sehnsucht

Max Scholz

seit 2011
Einzelobjekt: 40 × 65 × 88 cm
Aluminium, LED-Displays

Kurt Schwitters zeigt Gut Opherdicke inmitten grüner Wiesen. Dort hatte er während der Kriegsjahre Zeit verbracht, und auch seine Hochzeitsreise führte ihn dorthin. Für ihn vermeintlich ein Ort glücklicher Erinnerungen, gar ein Sehnsuchtsort, den er idyllisch darstellt. Max Scholz‘ Siedlung Sehnsucht greift die tradierte Form eines Hauses auf, das skulptural abstrahiert und vereinheitlicht zu einem utopischen Entwurf wird. Die auf dem Dach installierten LED-Felder zeigen verpixelte Videocollagen von Flugzeugen. Ein im Netz der Informationen verwobener Ort der Ortlosigkeit wird zum Sehnsuchtsort. Bei aller formalen Strenge und technikaffinen Umsetzung: Max Scholz‘ Werk fragt immer nach dem Kern menschlichen Seins und thematisiert das tiefe Bedürfnis, in Bewegung zu bleiben, sich die Welt anzueignen und sich einen Lebensraum zu entwerfen.

Doppelobjekt
Peter Schwickerath

Flottmann-Hallen Herne

Doppelobjekt

Peter Schwickerath

2016
60 × 90 cm
lasergeschnittenes Schwarzblech

Die Variation von Gestaltungsmustern mithilfe reduzierter Ausdrucksmittel
ist sicherlich eine hervorstechende Eigenschaft der konkreten Kunst. Sie findet sich im Werk Helmut Bettenhausens wie auch Peter Schwickeraths wieder, die beide – wenn auch in unterschiedlichen Studiengängen – in den 1960er-Jahren an der Folkwang Universität studierten. Ein Thema im Werk Schwickeraths ist das Öffnen von geschlossenen Körpern durch Einschnitte, im Fall des Doppelobjekts in ein unlegiertes Stahlblech, das durch Oxidation nachdunkelt. Bettenhausens Konstruktive Struktur entstand durch das Aufbringen von Pappnoppen. Die lebendig, fast metallen anmutende Oberfläche ergibt sich aus einem Farbauftrag aus Tafellack und Talkum und sind ein Rückbezug auf seinen Lehrberuf des Metalllackierers.

Sesto
Reiner Seliger

Flottmann-Hallen Herne

Sesto

Reiner Seliger

2016
70 × 25 cm
recycelter Ziegelbruch

Recycelter Bruch von rotem Ziegel findet in Reiner Seligers Plastiken häufig Verwendung. Stein für Stein kreiert er geschlossene Körper, die der Statik zu trotzen scheinen. Sie wirken fremd und vertraut zugleich: Eine Assoziation mit architektonischen Strukturen ist durchaus beabsichtigt; Seliger selbst versteht sich als „Erbauer seiner Kunst“.
Durch die Schichtung des Materials erhalten die Plastiken eine gleichwohl unregelmäßig zerklüftete, dennoch rhythmische Außenhaut, die im Spiel von Licht und Schatten, von Räumen und Zwischenräumen, lebendig wird. Die sinnliche Erfahrung ist Bestandteil des Werkes, ähnlich wie im spätimpressionistischen Interieur des Museum Folkwang von Christian Rohlfs. Mit regelmäßigen warmen und kalten Farbtupfen, die im Auge zu einer besonderen Lichtstimmung verschmelzen, greift er die Museumsarchitektur auf.

Rumpelstilzchen
Andreas Bee

Flottmann-Hallen Herne

Rumpelstilzchen

Andreas Bee

2005
300 × 300 × 45 cm
Keramik, weiß glasiert, gebrannt

Andreas Bees Rumpelstilzchen besteht aus einer seriellen Gruppe von Keramik-Objekten auf einer Bodenplatte. Durch die bauchigen Körper und das verwendete Material könnte es sich um Vasen handeln, vielleicht sogar um Artefakte, so wie Ai Weiwei sie für Coloured Vases nutzte. In Bees Arbeit irritieren die auskragenden Öffnungen, die die „Gefäße“ für den Transport von Flüssigkeiten ungeeignet machen. Vielmehr verleihen sie die Anmutung, etwas Anderes zu sein: Technische Gerätschaften mit ihren Anschlüssen oder stilisierte Herzen mit Venen und Aorten? Wie im gleichnamigen Märchen weiß niemand, wie die Objekte heißen oder was sie sind.
Während Ai Weiwei seine Gefäße mit den Farben einer modernen Konsumwelt maskiert, ist es bei Andreas Bee die formale Ausarbeitung, die vertraut Scheinendes in eine fremde und doch sinnliche Ästhetik überführt.

drawing #1
Herbert Hofer

Flottmann-Hallen Herne

drawing #1

Herbert Hofer

2010
215 × 430 × 108 cm
16 mm Bewehrungsstahl

Herbert Hofers Skulptur drawing #1 besteht aus 370 durchgängigen Metern Bewehrungsstahl, die sich zu einer „verräumlichten Zeichnung“ winden. Die vollständige formale Abstraktion, die Karl Otto Götz für die Jonction-Serie bereits vor dem eigentlichen Malprozess planerisch erdachte, entspinnt sich bei Hofers Arbeit während der Betrachtung. Zunächst der Grundform eines Quaders von über vier Metern Tiefe folgend, verflüchtigt sich die Form der Skulptur mit wechselnder Perspektive und je mehr der Blick nach innen gezogen wird. Hofers Arbeit ist eine beabsichtigte Gegenüberstellung von sich scheinbar widersprechenden Konzepten: Abstrakte, durchdachte Formalisierung und emotional aufgeladene Deformation. Es entsteht eine Spannung zwischen Emotionalität und Rationalität, die auch vielen Arbeiten von Karl Otto Götz innewohnt.

JUVAL
Heinrich Brockmeier

Flottmann-Hallen Herne

JUVAL

Heinrich Brockmeier

2010
223 × 37 × 40 cm
Aluminium, Eisen, patiniert

Seit über 50 Jahren ist Heinrich Brockmeier als Bildhauer im Ruhrgebiet tätig. In dieser Zeit entwickelte er sein Werk stetig weiter. Immer wieder und in unterschiedlicher Ausprägung überschneidet sich dabei Brockmeiers künstlerisches Vokabular mit dem Wilhelm Lehmbrucks. Auch wenn er die Arbeit Juval in ausgesprochen expressionistischem Duktus darstellt, sodass das verarbeitete Aluminium beinahe den Anschein einer Holzskulptur erweckt, finden sich bei beiden Arbeiten Gemeinsamkeiten. Wie Lehmbrucks Sinnende zeichnet sich Brockmeiers Juval durch den besonders gestreckten Körper aus. Die Betonung des Vertikalen durch Überlebensgröße. Überdies eint beide Figuren ein in sich gekehrtes, melancholisches Moment: die Sinnende durch ihren zurückgenommenen Ausdruck, Juval durch das unvollständig formulierte Antlitz.

Ausschnittfaltung (Varianten I-III)
Peter Schwickerath

Flottmann-Hallen Herne

Ausschnittfaltung (Varianten I-III)

Peter Schwickerath

2020
je 60 × 75 cm
3 Reliefs, Stahlblech, pulverbeschichtet

Durch das Herauslösen und Umbiegen unterschiedlicher Formen aus quadratischen Stahlblechen, erschafft Peter Schwickerath Ausschnittfaltungen mit starker Raumwirkung. Der Schattenwurf der nicht plan an der Wand anliegenden Arbeiten verstärkt den Effekt der Tiefenwirkung. Die stehenbleibenden schwarzen „Rahmen“ erwecken den Eindruck einer Konstanten, die durch die variierten Ausschnitte gleichzeitig eine Dynamik erhalten.
Trotz Ähnlichkeiten im Vokabular – der quadratischen Grundform, dem Hell-Dunkel-Kontrast, der Gegenüberstellung von statischen und dynamischen Momenten – erzeugen Schwickerath und Gianni Colombo völlig unterschiedliche Werke, die auf die Wahrnehmung des Publikums abzielen. Während die Projektion Colombos besonders durch ihre Immaterialität auffällt, ist das Spiel mit dem Material Stahl dem Werk Schwickeraths eigen.

double sceptical me
Herbert Hofer

Flottmann-Hallen Herne

double sceptical me

Herbert Hofer

2013/2016
60 × 60 cm
Analoger C-Print von zwei Mittelformataufnahmen

Double sceptical me zählt zu einer fotografischen Werkgruppe, die der Wiener Herbert Hofer als Positiv-Negativ-Belichtungen bezeichnet. Der Künstler verklebt ein farbpositives Dia und ein Fotonegativ und belichtet beides gleichzeitig auf Fotopapier. Mit dieser Technik provoziert Hofer unvorhersehbare Strukturen und nicht steuerbare Effekte aus Überlagerungen und Transparenzen. Die menschliche Wahrnehmung – ein großes Thema in Hofers Arbeiten – entlarvt sich im Werk als höchst subjektives und grundsätzlich instabiles Konstrukt. Wie in František Kupkas Der Traum entsteht der Eindruck einer Zwischenwelt, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht gehorcht und wo Licht und Schatten sich in abstrakten Farbfeldern auflösen.

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Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Konstruktive Struktur, Schwarz mit Rot 2196
Helmut Bettenhausen

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Konstruktive Struktur, Schwarz mit Rot 2196

Helmut Bettenhausen

1996
185 × 110 cm
Holz, Pappe, Schultafellack, Schwarz mit Talkum und Rot
Ankauf vom Künstler über Galerie Wurm am 08.12.1999

In der Sammlung des Emschertal-Museums sind hauptsächlich Werke lokaler Künstler:innen vertreten. Für die regionale Kunstszene und darüber hinaus von Bedeutung sind die Arbeiten der Künstlergruppe B1, zu der auch Helmut Bettenhausen, einer der bedeutendsten Herner Künstler:innen, gehörte. Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 ist eine von vielen reliefhaften Bildtafeln, auf welcher Noppenformen unterschiedlich angeordnet sind. Diese wechselnden Strukturen zeigen Bezüge zur industriellen Arbeitswelt mit Nieten und Schraubenköpfen im Ruhrgebiet.

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Bauernhof Weusthoff
Gerhard Ullmann

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Bauernhof Weusthoff

Gerhard Ullmann

1945
17 × 25 cm
Aquarell auf Papier
Seit 1986 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Gerhard Ullmann hat in zahlreichen Arbeiten die Umgebung der Stadt Herne festgehalten.

Der historische Hof Weusthoff wurde im Jahr 1705 von dem Bauern Johann Hendrich Weusthoff erbaut. Er steht heute noch abgeschieden von der Zivilisation an seinem ursprünglichen Platz.

Der Hof mit dem Teich strahlt eine idyllische Ruhe ohne Großstadtlärm aus. Diese Atmosphäre greift Ullmann auf. Das Aquarell zeigt den Bauernhof mit einer Scheune, die von weiteren Gebäuden gerahmt wird. Die von Menschen erbaute Scheune in der linken Bildhälfte steht der Natur, dargestellt durch die Baumstämme auf der rechten Bildseite, entgegen. Es entsteht eine Symbiose von Mensch und Natur.

In lockerer Strichführung hält Gerhard Ullmann die idyllischen, in den späten 1940er Jahren von der Landwirtschaft geprägten Ränder einer typischen Industriestadt im Ruhrgebiet fest.

2x Multiple (konvex-konkav)
Ewerdt Hilgemann

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

2x Multiple (konvex-konkav)

Ewerdt Hilgemann

1969
je 50 × 50 cm
Plastik, Relief

Ewerdt Hilgemann gehört zu den Künstler:innen, die in den 1960er-Jahren an konstruktivistische Tendenzen des frühen 20. Jahrhunderts anknüpften, um sich von den vorherrschenden Tendenzen der informellen Malerei abzusetzen.

Beide Arbeiten bestehen aus Reihen von unterschiedlich hohen Zylindern, so angeordnet, dass sie eine Bewegung nach außen oder innen darstellen.

Die Höhen der weißen Zylinder auf dem linken Bild nehmen von den Seiten ausgehend zur Mitte hin ab. Sie treffen sich fast ebenerdig auf der mittleren Linie. Hier sind sie in Rot gehalten, sodass sie sich dem Hintergrund anpassen. In den Reihen darüber und darunter brechen einzelne rote Röhren aus der farbigen Struktur aus. Auf dem rechten Werk verläuft die Bewegung andersherum.

Die Abfolge der Zylinder vermittelt den Eindruck einer Bewegung, die einen neuen Raum erschafft.

Herner Schaufenster um 1900 im Schloss Strünkede
Matthias Beckmann

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Herner Schaufenster um 1900 im Schloss Strünkede

Matthias Beckmann

2011
29,7 × 21 cm
Zeichnung, Bleistift auf Papier, aus der 11-teiligen Serie "Gänse, Ritter, Mausefallen"
Seit 2011 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Die Serie Gänse, Ritter und Mausefallen wurde von Matthias Beckmann für das Emschertal-Museum angefertigt. Der Künstler fertigte viele solcher Serien zu Institutionen oder Gebäuden an. Seine Zeichnungen entstehen vor den jeweiligen Motiven vor Ort. Dabei geht es ihm nicht primär um die Inhalte und Situationen, sondern um den Vorgang des Sehens, mit dessen Hilfe er seine Serien erschafft.

Auf dem Werk ist eine Schaufensterinszenierung im Schloss zu sehen. Es zeigt ein Damenkleid sowie Hüte, Stiefel, Bilder und andere Alltagsgegenstände. Die Objekte sind auf ihr Wesentliches reduziert, ihre Konturen treten klar hervor. Hier wird die unmittelbare Wahrnehmung des Künstlers wiedergegeben, ohne nachträgliche Bearbeitung.

Mit einfachen, präzisen Strichen schafft es Matthias Beckmann, eine Szenerie wiederzugeben, die keinerlei Farbe benötigt.

Winterlandschaft im Sauerland
Heinrich Rudolph

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Winterlandschaft im Sauerland

Heinrich Rudolph

1961
74 × 43 cm
Ölmalerei auf Holz

Heinrich Rudolph gehört zu den regionalen Künstler:innen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Neuanfang der bildenden Kunst der Region mitbegründeten. Künstlerisch knüpfte er an die Klassische Moderne mit ihren abstrahierenden Formen an.

Seine Winterlandschaft zeigt eine bergige Szenerie mit in die Tiefe gestaffelten Bergen und Wäldern. Ein Weg führt in das Bild hinein. An ihm reihen sich stilisierte Häuser auf. Im rechten Vordergrund befinden sich Menschen, die sich scheinbar auf einer Eisfläche vergnügen. Sie sind mit eher flüchtigen Pinselstrichen dargestellt.

Heinrich Rudolph konturiert die Landschaftsformen in seinem Bild mit dunklen Linien, wobei die entstehenden Schichten eher flächig ausgemalt sind.

Ohne Titel
Günther Dohr

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Ohne Titel

Günther Dohr

1969
90 × 90 × 26 cm
Objekt, Acrylglaskasten, Leuchtstoffröhren
Seit 1986 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Günther Dohr gehörte zu den jungen Künstler:innen der 1960er-Jahre, die industrielle Materialien und Technologien neu entdeckten und in ihre Kunst einbezogen. Er begann mit Licht zu experimentieren. Zunächst entstanden unbewegte Lichtobjekte mit dem neuen Material Leuchtstoffröhre. Aus ihnen entwickelte er Leuchtkästen mit rotierenden Zylindern.

Im beleuchteten Zustand besteht der Hintergrund der Arbeit aus einem regelmäßigen Muster aus schräg angeordneten kleinen Leuchtstoffröhren, die auf der Spitze stehende Quadrate bilden. Davor sind mittig drei zylindrische Röhren gelegt, in denen sich das Licht spiegelt und bricht, sodass das regelmäße Muster aufgelöst wird.

Herner Stadtgrenzen
Ferdinand Ullrich

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Herner Stadtgrenzen

Ferdinand Ullrich

1985, 2017 neu aufgelegt
30 × 30 cm
Fotografie, Serie aus 40 Fotografien
Seit 2017 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Straßenverkehr war nach 1945 ein gängiges Kunstmotiv. Ferdinand Ullrich hat in einer Serie von Fotografien die Grenzen der Stadt Herne dokumentiert. Es sind Momentaufnahmen von Randgebieten, in denen eine Stadt fließend in die andere übergeht oder sich Reste der landwirtschaftlichen Nutzung zeigen.

Das Bild zeigt eine Kurve vor einer geschlossenen Ortschaft. Während die Straße und der Himmel jeweils einen großen Teil des Bildes einnehmen, scheinen die kahlen Bäume und menschenleeren Häuser fast bedeutungslos. Diese befinden sich genau auf der horizontalen mittleren Linie und fungieren wie eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Das Auto verlässt eine Stadt und fährt in eine andere Stadt hinein. Dieser Übergang wird von dem kleinen Ortsschild, welches zentral in der Mitte des Bildes steht und die Häuser in seiner Höhe einrahmt, markiert.

Froschkönig und Schuh
Rainer Henrichs

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Froschkönig und Schuh

Rainer Henrichs

1972/75
62,5 × 44 cm
Druckgrafik, Siebdruck auf Papier
Seit 2001 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Das Motiv des Schuhs wird vor allem in der Pop Art der 1960er-Jahre aufgegriffen.

Rainer Henrichs zeigt zwei Schuhe, die er auf Umrisslinien reduziert. Sie stehen sich im rechten Winkel horizontal und vertikal gegenüber. Bei einem sind Schattenwürfe angedeutet, die ihn plastischer erscheinen lassen. Die beiden Schuhe sind in eine konstruktive Zeichnung eingebettet, welche aus horizontalen und vertikalen sowie einer diagonal verlaufenden Linie besteht. In der Mitte des kleineren Quadrates findet sich eine Dose mit Schuhcreme einer bekannten Marke, deren Deckel diagonal geteilt ist. Die eine Seite zeigt das Logo der Marke, die andere lässt eine Holzmaserung erkennen. Während der Bildtitel und das Logo der Dose auf das Märchen vom Froschkönig hinweisen, könnte die Holzmaserung einen Hinweis auf das Material der dargestellten Schuhe liefern.

Stehender Jüngling
Gerhard Marcks

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Stehender Jüngling

Gerhard Marcks

1960
Höhe: 55 cm
Bronze

Gerhard Marcks gehörte zu den Bildhauer:innen, die in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er-Jahre trotz der vorherrschenden gegenstandslosen Tendenzen weiter an neuen Formen der figürlichen Kunst arbeiteten.

Sein Stehender Jüngling zeigt eine schlanke Figur, die ihre Arme ausgestreckt vor der Brust verschränkt hat, wobei eine Handfläche nach außen weist. Er steht fest auf beiden Beinen. Die Körperformen sind stark vereinfacht, die Muskelpartien oft nur linear angedeutet. Das wird vor allem bei dem Kopf mit seinen punktförmigen Augen und dem haubenartigen Haarschopf deutlich.

Marcks nimmt mit seiner Figur Tendenzen der expressionistischen Skulptur des frühen 20. Jahrhunderts auf.

Ohne Titel
Otto Piene

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Ohne Titel

Otto Piene

1962
52 × 79 cm
Beitze auf Papier
Seit 1993 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Wie Günther Uecker war auch Otto Piene Mitglied der Künstlergruppe Zero, die Ende der 1950er-Jahre gegründet wurde. Sie proklamierte einen Neuanfang der Künste, indem sie neue technische Mittel wie Licht und Bewegung in ihre Arbeiten miteinbezieht.

Otto Piene begann in den 1960er-Jahren mit Feuer zu experimentieren. Er verbrannte Pigmente, wobei die zufälligen Spuren des Brandes das Bild erschaffen.

Hier nimmt er die zufällig entstehenden Gebilde auf. Die blumenartige Gestalt wird aus rundlichen und geraden Formen gebildet. An und in ihr sind deutliche Spuren von Pigmenten und dem Verlauf der Farbe sichtbar, welcher sich mittig nach unten richtet.

Cube Cracks
HD Schrader

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Cube Cracks

HD Schrader

1995
je 29,7 × 21 cm
Zeichnung, Kreide und Buntstift auf Millimeterpapier, 12-teilige Serie
Seit 2005 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Die Ausstellung Cube Cracks war eine Veranstaltung der Städtischen Galerie und der Flottmann-Hallen in Herne im Jahr 1995. Der Weg zwischen beiden Kunstorten wurde zum Ausstellungsort von sechs Cube Cracks an den U-Bahn-Stationen. Die bis zu 7,50 m großen Skulpturen bilden eine Einheit, da sie aus derselben Grundform von drei Quadern gearbeitet sind. Sie blieben nach der Ausstellung dauerhaft im Herner Stadtraum stehen. Die anderen sechs Cube Cracks fanden zur Zeit der Ausstellung ihren vorübergehenden Platz in den Flottmann-Hallen selbst.

HD Schraders Zeichnungen zeigen die konstruktive Idee, die hinter den Plastiken steht. 12 verschiedene Cube Cracks entstehen aus einem Quader. Die Skulpturen sind jeweils im Raum des Quaders angeordnet. Aus den vorhandenen plastischen Kuben ließe sich schließlich die Form des Quaders wieder zusammensetzen.

Winterlandschaft
Max Schulze-Soelde

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Winterlandschaft

Max Schulze-Soelde

1952
35 × 55 cm
Ölgemälde

Max Schulze-Soelde gehörte zu den in der jungen Bundesrepublik ein wenig in Vergessenheit geratenen Künstler:innen der Klassischen Moderne aus Westfalen.

In seiner Winterlandschaft führt ein zentralperspektivisch angelegter Weg in die Bildtiefe direkt auf eine kleine Häusergruppe zu. Die Häuser werden mit flüchtig angelegten Farbflächen angedeutet, wobei ihr roter Farbton einen deutlichen Akzent setzt. Der Weg wird von einer Baumgruppe rechts sowie einem einzelnen Strauch und Baum links gerahmt. Im Hintergrund ist eine Bergkette angedeutet, die sich in hellen Blautönen auflöst.

Das Bild lebt aus dem Kontrast zwischen pastos aufgetragener heller Farbe und den eher flüchtigen linearen Baumstrukturen. In ihm verbinden sich expressive mit impressionistischen Tendenzen.

G-62/1987
Emil Schumacher

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

G-62/1987

Emil Schumacher

1987
60 × 58 cm
Gouache
Seit 1994 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Emil Schumacher gehört zu den wichtigsten Vertreter:innen der informellen Malerei in der jungen Bundesrepublik, die sich mit ihrer gestischen und spontanen Kunst von der figürlichen Kunst des Nationalsozialismus absetzten. Neben den großen Tafelbildern arbeitete Emil Schumacher auch auf kleineren Papierformaten. Auf dem dunklen Papier treffen sich gestisch gesetzte Linien und Flächen, wobei diese teilweise von dunklen Linien umrahmt und an anderer Stelle durchschnitten werden. Bei der Farbigkeit dominiert das fast pastos wirkende Weiß neben den roten und braunen Flächen

Kugel IV
Diethelm Koch

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Kugel IV

Diethelm Koch

1982
30 × 38 × 30 cm
Objekt, Spanplatte lasiert
Seit 1997 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Diethelm Koch nahm in den späten 1960er-Jahren die Ideen der Konstruktivisten des frühen 20. Jahrhunderts wieder auf. In Abgrenzung zu der Informellen Malerei der 1940/50er-Jahre mit ihrer Spontanität und malerischen Gestik, entstanden Werke, die sich auf mathematische Grundlagen beziehen.

Diethelm Koch plant seine Werke mit geometrisch exakten Skizzen.

Er setzt eine Kugel aus mehreren Schichten Spanplatte zusammen und schleift sie glatt ab, wobei die einzelnen Schichten und die Struktur der Platte sichtbar bleiben. Aus dieser Kugel wird optisch eine Form gelöst, die schräg in die entstehende Hohlform gekippt ist. Die ursprüngliche Kugelform bleibt sichtbar, erhält aber durch die herausgelöste Form eine neue Dynamik.

Ayi
Ibrahim Mahama

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Ayi

Ibrahim Mahama

2014
97,5 × 65 cm
C-Print auf Alu Dibond
Seit 2018 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Ibrahim Mahama hat im Rahmen der Ausstellungreihe der RuhrKunstMuseen Kunst & Kohle 2018 das barocke Wasserschloss Strünkede in Herne mit aneinandergenähten Jutesäcken verhüllt. Für seine Installationen verwendet er Säcke, die in seiner Heimat Ghana vielfältig genutzt werden.

Seine Fotografie zeigt einen Ausschnitt der Jutesäcke. In ihnen werden sowohl Lebensmittel als auch Kohle für den heimischen und internationalen Markt transportiert. Die sichtbaren Aufschriften verweisen auf ihre Herkunft und ihren Gebrauch. Über die fotografierte Collage der Säcke ragt ein Arm einer unbestimmten Person, auf dem unlesbare Worte stehen.

Mahama verweist mit seinen Arbeiten immer wieder auf die noch heute existenten kolonialen Strukturen des Welthandels.

Ohne Titel
Rolf Cavael

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Ohne Titel

Rolf Cavael

1964
50 × 32 cm
Zeichnung auf Papier
Seit 1988 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Rolf Cavael verkörpert, wie auch Karl Otto Götz, jene Künstlergeneration, die nach Ende des Nationalsozialismus den neuen Kunststil der Zeit prägte. In Abgrenzung zu der figürlichen Kunst der nationalsozialistischen Kunstdiktatoren wurde das Informel zum Synonym der künstlerischen wie politischen Freiheit in der jungen Bundesrepublik.

Rolf Cavael setzt Linien in unterschiedlicher Stärke mit verschiedenen Stiften und Kreiden gestisch auf sein Blatt. Teilweise verdichten sich die Linien zu farbig markierten Zentren, um sich dann wieder aufzulösen. Trotz der Spontanität der Zeichnung werden die Schräge und die Diagonalen betont.

Zeichnungen wie diese dokumentieren den Prozess ihrer Entstehung unter Einschränkung der kompositorischen Planung.

Ohne Titel (Frauenporträt)
Carl Weinhold

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Ohne Titel (Frauenporträt)

Carl Weinhold

1908
51 × 35 cm
Kohlezeichnung auf Papier
Seit 1997 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Carl Weinhold gilt als einer der führenden Gestalter des Jugendstils. Er entwarf nicht nur Möbel und Schmuck, sondern auch das gusseiserne Tor, das bis in die 1980er-Jahre die Flottmann-Werke in Herne und heute den Skulpturen-Park markiert.

Carl Weinhold zeigt eine jüngere Frau, die Haare gemäß der Jahrhundertwende frisiert. Das Gesicht besteht aus wenigen gezielten Strichen, wobei Augen, Nase und Mund detailliert hervorgehoben sind. Die Schatten am Hals sowie Teile der Haare sind eher flüchtig wiedergegeben.

Im Laufe der Jahre schuf Weinhold zahlreiche Porträts. Diese Art der Porträtaufnahme legt besonderes Augenmerk auf das Gesicht, während alles Weitere in den Hintergrund rückt.

Olympia Serie
Wolf Vostell

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Olympia Serie

Wolf Vostell

1972
49 × 69 cm
Serigraphie, Blatt aus einer 3-teiligen Serie
Seit 2006 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Wolf Vostell steht für neue Kunstformen, die sich von den informellen Tendenzen der 1950er und frühen 1960er-Jahre abheben. In Tradition von Fluxus und Happening bezieht er mit seinen Werken Stellung zu aktuellen politischen Themen.

Seine Olympia Serie kritisiert die Euphorie in der Bundesrepublik, die 1972 zunächst mit den in München stattfindenden Olympischen Spielen einsetzt. Seine Kritik bezieht sich ebenfalls auf die verbreitete Ignoranz gegenüber dem Vietnam-Krieg.

Wolf Vostell nutzt Zeitungsfotos von toten oder verwundeten Vietnamesen. Die gerasterte Struktur der ursprünglichen Vorlage bezieht er mit ein und stellt die Körper frei, indem er den Hintergrund bedeckt, sodass nichts von der Person ablenkt. Gewisse Körperteile werden mit einem gezeichneten geometrischen Körper verdeckt, möglicherweise um Verletzungen zu verbergen.

Farbraum OEK-127
Brigitte Wiegmann

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Farbraum OEK-127

Brigitte Wiegmann

2005
60 x 50 cm
Ölkreide auf Büttenpapier
Seit 2005 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Brigitte Wiegmann setzt sich immer wieder mit den Werken der Bauhaus-Künstler:innen wie Josef Albers auseinander. Ihre Farbfeldmalerei schafft Kompositionen, die auf bestimmten Farbordnungen basieren.

Ein System von Streifen zieht sich horizontal über die Bildfläche. Zwei gleich große rote Felder schließen die Komposition nach oben und unten hin ab. Zentral in der Mitte verläuft ein pinkfarbener Streifen. Die über und unter ihm liegenden rosafarbenen Streifen werden von gelben Bändern unterbrochen. Da die drei Farben Rot, Pink und Rosa der gleichen Farbfamilie angehören, rücken die großen, eigentlich dominanten Felder zugunsten der kleinen, auffallend gelben Farbflächen in den Hintergrund.

Die Künstlerin schafft einen unbestimmten Eindruck von Raum, der aus der linearen Anordnung von unterschiedlich großen Farbfeldern besteht.

ohne Titel
Kuno Gonschior

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

ohne Titel

Kuno Gonschior

1978
64 × 64 cm
Acrylgemälde
Seit 1982 in der Städtischen Kunstsammlung Herne

Kuno Gonschior gehörte in den späten 1960er-Jahren zu den jungen Künstler:innen im Ruhrgebiet, die an die Konkrete Kunst der 1920er-Jahre anknüpften. In Abgrenzung zu der Informellen Malerei der 1940/1950er-Jahre mit ihrer Spontanität und malerischen Gestik, entstanden Werke, die sich auf geometrische Grundlagen beziehen.

Auf einer quadratischen, grauen Grundfläche verteilen sich kleine graue Farbtupfer in willkürlicher Abfolge. Die optische Wirkung der monochromen Farbgebung erzeugt, besonders im Zusammenspiel der beiden Ebenen, einen illusionistischen Bildraum.

Blauer und violetter Traum
Jacques de Jong

Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie

Blauer und violetter Traum

Jacques de Jong

1975
39 × 46 cm
Pastellzeichnung auf Papier

Jacques de Jong nimmt in seinen Werken eine an den Jugendstil erinnernde Farbigkeit auf.

Er setzt einen rechteckigen Korpus in den unteren Teil, welcher im oberen Bereich in eine geschwungene Form ausläuft. Rechts und links bricht die sonst geschlossene Form auf. Innerhalb dieses formalen Rahmens sind farbige Flächen optisch vor- und hintereinander gesetzt, die im Bildhintergrund von einer hellblauen Fläche gefasst werden. Auf der vordersten befinden sich weiße Linien und Schraffuren.

Jacques de Jong erzeugt mittels seiner poetischen Farbigkeit einen illusionistischen Raum, der sich ausschließlich innerhalb seiner vorgegebenen Form bewegt.

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Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Der Mann auf dem Hügel
Wilhelm Morgner

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Wilhelm Morgner

Wilhelm Morgner

Wilhelm Morgner (1891–1917) galt als ein Ausnahmetalent. Schon mit Anfang 20 beteiligte sich der Künstler an Ausstellungen der Neuen Sezession in Berlin, des Blauen Reiter in München und des Sonderbunds in Köln. Heute gilt er als Hauptfigur des Westfälischen Expressionismus. Sein in nur wenigen Jahren entstandenes malerisches, zeichnerisches und grafisches Werk – jäh beendet durch den Ersten Weltkrieg – bewegt sich zwischen Tradition und Avantgarde sowie Figuration und Abstraktion.

Impressionismus und Expressionismus

Impressionismus und Expressionismus

Ein Hauch Impressionismus schwingt in Morgners Darstellung mit, doch die ausdruckstarken Farben und vereinfachten groben Formen sind deutliche Merkmale des Expressionismus. Morgner verwendet Komplementärfarben, setzt Grün neben Rot und Gelb neben Blau, um den Ausdruck der Farbe zu steigern. Die geschwungenen Wolken erscheinen wie impulsiv aus dem Handgelenk gemalt. Formen, Farben und Linien wirken gegen- und miteinander.

Formen und Perspektiven

Formen und Perspektiven

Die Bildmotive sind auf markante Formelemente reduziert und flächenhaft gehalten. Auf Plastizität oder die Darstellung von Details verzichtet Morgner. Statt den Regeln der perspektivischen Darstellung zu Folgen, verzerrt er das Motiv. So erscheint das Fachwerk ins Wanken geraten und der davor befindliche rot-grüne Weg in den Abgrund zu stürzen. Hiermit zeigt Morgner seine eigene Wahrnehmung von der Welt und wie er sie erlebt.

Natur und Inspiration

Natur und Inspiration

Wilhelm Morgner lebte die meiste Zeit in seiner Heimatstadt Soest. Häufig machte er sich auf den Weg in die Soester Börde, um dort unter freiem Himmel zu malen. Dabei beschäftigte sich der Künstler intensiv mit der Landschaft vor seinen Augen und verschmolz dabei mit ihr. Sie war für ihn, der sich oft unverstanden fühlte, Inspiration und persönliches Refugium zugleich.

„Die Art und Weise, wie die Farben und Linien gegeben sind, sollen ein Weiterschwingen meines Ichs sein, etwa wie Schall, der von irgendeinem Instrument erzeugt wird und dann die Luft in dieselben Schwingungen versetzt, wie sie das Instrument gegeben hat.“

Melancholie und Einsamkeit

Melancholie und Einsamkeit

Die linke Seite des Bildes wird beherrscht von einer sitzenden Männerfigur im Rechtsprofil. So sitzt kein Bauer auf dem Feld. Der Mann wirkt wie in sich versunken und erinnert an das kunsthistorische Motiv der melanchonischen Figur in der Landschaft, dass sich hier mit dem Topos des reflektierenden Künstlers verbindet. Morgners grüblerische, zu Abkapselung und Einsamkeit neigende Natur unterstützt diese Interpretation des Gemäldes. Auch hier zeigt sich die Nähe zum Expressionismus: In der von Farblinien durchzogenen Komposition drückt der Künstler sein inneres Selbst und seine Stellung in der Welt aus.

Der Mann auf dem Hügel

Wilhelm Morgner

1911
85 × 117 cm
Leimtempera auf Graupappe
Erworben 1919

Das für Wilhelm Morgner typische Gemälde wurde bereits 1929 aus dem Nachlass des Künstlers erworben. Zusammen mit zeitgleich angekauften Werken der Künstler Eberhard Viegener, Max Schulze-Sölde und Peter August Böckstiegel bildet es den historischen Kern der Sammeltätigkeit zum Westfälischen Expressionismus. Mit zahlreichen weiteren Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken nimmt Morgner eine wichtige Rolle innerhalb dieses für das Museum profilbildenden Sammlungsschwerpunkts ein.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Schwärmerei
Hans Werdehausen

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Schwärmerei

Hans Werdehausen

um 1958
101 × 80,5 cm
Öl auf Papier
Erworben 2004

Hans Werdehausen, Mitbegründer der Gruppe junger westen setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv für eine gegenstandslose Malerei ein. Hatte Werdehausen sich vor dem Zweiten Weltkrieg noch dem Figürlichen verschrieben, so löste er sich später vom Gegenstand zugunsten einer Malerei der reinen Flächen, Linien und Farben. Die mosaikartige, vibrierende Darstellung Schwärmerei aus schwerflockigen Farbpartikeln mutet wie ein dynamisches Wetterbild an. Als Vertreter des Informel steht Werdehausen in der Tradition der expressionistischen Künstlerin Gabriele Münter. Beide Werke laden die Betrachtenden ein, über die Beziehung zwischen Form, Farbe und Emotion nachzudenken und bieten jeweils einzigartige Wege, diese dynamische Wechselbeziehung zu erkunden.

Achteckige Schale
Entwurf: Werner Gothein / Ausführung: Staatliche Majolika, Karlsruhe

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Achteckige Schale

Entwurf: Werner Gothein / Ausführung: Staatliche Majolika, Karlsruhe

1928
Fayence mit Spritzdekor
Stiftung/ Spende Klubgesellschaft Hamm, 2000

Die von dem Künstler Werner Gothein entworfene achteckige Schale ist in ihrer Geometrie klar definiert. Die geometrisch strenge Form steht dem weichen Farbverlauf, der vom dunklen Rot zum dunklen Blau verläuft, entgegen. Beeinflusst von der Kunst Ernst Ludwig Kirchners begann Gothein seine künstlerische Laufbahn. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt er seinen eigenen Stil und erstellt ab 1924 Entwürfe für Haushaltskeramiken. Trotz ihrer Unterschiede teilt dieses Objekt mit der Installation von Keith Sonnier das Ziel, den Raum neu zu interpretieren und die Beziehung zwischen Objekt und Betrachtenden infrage zu stellen. Während Gotheins Schale eine gewisse statische Ruhe ausstrahlt und den Raum durch ihre Symmetrie ordnet, nutzt Sonnier den Raum, um eine emotionale Reise zu inszenieren.

 

Gespräch
Willi Geiger

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Gespräch

Willi Geiger

1920
49,0 × 62,5 cm
Radierung
Erworben 1978

Der Titel Gespräch umschreibt recht nüchtern die von Willi Geiger im Kaltnadelradierungsverfahren umgesetzte Szene. Tatsächlich erscheinen insbesondere zwei der männlichen Gesprächsteilnehmer in eine hitzige Diskussion vertieft, die von einem dritten Mann lässig und vielleicht belustigt verfolgt wird. Geigers 1920 entstandene Radierung spiegelt das gesellschaftliche Klima der frühen Weimarer Republik wider, die von politischen Auseinandersetzungen und Diskussionen geprägt war. Bei Anatol wiederum steht das Relikt einer Gesprächssituation am Tisch im Fokus. Als Überbleibsel der inszenierten Performance Die Vernehmung werden hier im Gegensatz zur Radierung von Geiger Repression, Folter und Zensur thematisiert. Freie Meinungsäußerung, die in der von Geiger dargestellten Situation zu herrschen scheint, wird bei Anatol in Frage gestellt.

Kampfpause
Heinz Siggemann

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Kampfpause

Heinz Siggemann

1943
177,5 × 230 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung 2018

In die Ruinen eines zerbombten Hauses haben sich sechs junge Männer zurückgezogen. Mit ihren geneigten Köpfen, den geschlossen Augen oder dem in die Ferne schweifenden Blick erscheinen sie melancholisch und in sich versunken. Als Kampfpause hat Heinz Siggemann dieses monumentale Bild betitelt, das vermutlich seine direkten Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg wiedergibt. Interessanterweise sind die Soldaten jedoch nicht als triumphierende Helden dargestellt, sondern menschlich und zerbrechlich. So fügt sich Siggemann nicht dem propagierten Darstellungstypus der Nationalsozialisten. Wie auch Siggemann verarbeitet Werner Gilles die Zerstörung des Zweiten Weltkrieges, allerdings verwendet Gilles, dessen Werke als entartet galten, eine abstrakte Bildsprache.

Kontur
Ulrich Möckel

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Kontur

Ulrich Möckel

2011
ca. 197 × 187 × 12 cm
Aluminium

„Meine Skulpturen wachsen im Wald. Es sind die Bäume, an denen sich meine Gedanken reiben. Ihre Wuchsformen sind mir Inspirationsquelle und Arbeitsgrundlage zugleich“, schreibt der 1949 geborene Künstler Ulrich Möckel über seine Arbeiten. Für Kontur hat er die äußere Form eines Baumes abgeformt und in Aluminium gegossen. Im Inneren der fertigen Arbeit entsteht ein Leerraum. Die Arbeit verweist auf etwas Abwesendes, etwas, das einmal dagewesen ist. Wie bei Schwickerath wird die Abwesenheit von Masse zum wesentlichen Bestandteil des Kunstwerks.

Strukturkugelung
Jupp Lückeroth

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Strukturkugelung

Jupp Lückeroth

1961
80 × 60 cm (Rahmenmaße: 82 × 61,5 cm)
Öl-Harz auf Leinen
Schenkung 2003

Lückeroth äußerte gegen Ende seines Lebens über sein Werk: „Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, mit dem Malen kein Abbild, sondern ein Inbild der Natur darzustellen. Das Wesen der Natur ist Wachstum. Wachstum hat Prozesscharakter, ist etwas dynamisches und ist eine fließende Bewegung ohne Grenzen.“ Um dies in seinen Bildern zu manifestieren, wählt Lückeroth als Motiv die Welle, die für ihn die Dimension der Zeit, Dynamik und das Prozesshafte in das statische Medium Gemälde bringt. Mit der dunklen Farbigkeit schließt Lückeroth gut an die monochrome Struktur von Bettenhausen an, doch zeigen sich anhand der Gegenüberstellung auch die unterschiedlichen Pole der gegenstandslosen Kunst: Die geometrische Anordnung der konkreten Kunst bei Bettenhausen auf der einen Seite und der gestische, impulsive Farbauftrag des Informel bei Lückeroth.

Tischlampe
Theo Hölscher

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Tischlampe

Theo Hölscher

ca. 1927
38,5 × 23,0 × 16,65 cm
Holz, Metall
Erworben 1991

Die Tischlampe ist ein untypisches Werk für Theo Hölscher, dessen Schwerpunkt auf der Landschaftsmalerei lag. Nur für eine kurze Zeit wandte er sich dem Bauhaus als Inspirationsquelle zu. Es ist ungeklärt, ob er sich der allgemeinen Popularität des Bauhauses annähern wollte oder ihn sein Umzug in eine größere Wohnung und die Bekanntschaft mit Bauhausschüler Fritz Levedag dazu inspirierte, Möbel zu gestalten. Formal greift Hölscher, wie Josef Albers in Oscillating (A), die Vertikale auf. Albers, zunächst Student und später Meister der Werkstatt für Glasmalerei am Bauhaus, trennt die Farbflächen klar voneinander ab. Hölscher wiederum bleibt sich in diesem Punkt treu und wählt erdige, ineinanderfließende Farben.

Horten Wabe
Entwurf: Egon Eiermann

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Horten Wabe

Entwurf: Egon Eiermann


50 × 50 cm

Die Horten Wabe, entworfen vom Architekten Egon Eiermann, ist ein ikonisches Beispiel für die deutsche Nachkriegsarchitektur. Die Wabenstruktur diente als Fassade für die Kaufhäuser der Horten AG und ist Ausdruck der modernistischen Ideale von Funktionalität und formaler Strenge. Sie symbolisiert den Zeitgeist eines sich erneuernden Deutschlands, das nach klaren, zukunftsorientierten Lösungen suchte. Im Gegensatz dazu ist Mackes Werk Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen Ausdruck einer komplett anderen Ära und Ästhetik. Mackes Gemälde, ein Teil des deutschen Expressionismus, spielt mit Farben und Formen, um ein idealisiertes Bild des städtischen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Während die Horten Wabe für nüchterne Modernität steht, bietet Mackes Bild Einblick in die emotionaleren Facetten des menschlichen Lebens.

ohne Titel
Brigitte Dümling

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

ohne Titel

Brigitte Dümling

2016
Maße variabel
Keramik, Holzpodeste, Pigmentfarbe, Wandinstallation
Dauerleihgabe der Künstlerin

Kleine Wandkonsolen mit handbemalten Vasen hat Dümling für diese ortsspezifische Installation über die gesamte Wand verteilt. Sie verbindet die Sammlung der Archäologie und der Angewandten Kunst des Gustav-Lübcke-Museums. Gestische Malereien strömen von einem Feuerlöscher als Zentrum über die Wand und visualisieren einen inhaltlichen Brückenschlag zwischen dem archäologischen Fund eines verbrannten Kettenhemds und den zum Teil gebrannten Objekten der Angewandten Kunst. Zudem wertet Dümling die seriell produzierten Vasen durch die individuelle Gestaltung zum Kunstwerk auf. Formal und inhaltlich lässt sich so eine Brücke zu Coloured Vases von Ai Weiwei schlagen, einem Werk, das die chinesische Kulturrevolution und die Missachtung jahrtausendalter traditioneller chinesischer Kultur im Zuge der Industrialisierung aufgreift.

Bewegung in Rot
Jupp Lückeroth

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Bewegung in Rot

Jupp Lückeroth

1957
61,5 × 81,5 cm
Öl und Sand auf Leinwand
Schenkung 2003

Lückeroth geriet als Soldat während des Zweiten Weltkrieges in russische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung wandte er sich nicht wieder dem Studium der Mathematik und Physik, sondern der Malerei zu. „Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, mit dem Malen kein Abbild, sondern ein Inbild der Natur darzustellen. Das Wesen der Natur ist Wachstum. Wachstum hat Prozesscharakter, ist etwas Dynamisches und ist eine fließende Bewegung ohne Grenzen.“, so der Künstler selbst über sein Werk. Um dies in seinen Bildern zu manifestieren, wählt Lückeroth das Motiv der Welle, die für ihn die Dimension der Zeit, Dynamik sowie das Prozesshafte in das statische Medium Gemälde bringt. Wie auch Emil Schumacher versucht Lückeroth auf diese Weise die Grenzen der Malerei auszuweiten.

ohne Titel
Otto Piene

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

ohne Titel

Otto Piene

1991
86,5 × 116 cm
Feuergouache
Schenkung 2009

Als Mitbegründer der Gruppe ZERO hatte Otto Piene einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung der Nachkriegsabstraktion und setzte sich für die Erneuerung der Kunst durch den Einsatz von Elementarkräften und neuen Materialien ein. Seine Feuergouachen sind dafür ein eindrückliches Beispiel. Durch die direkte Einwirkung von Feuer auf die Leinwand erzeugt Piene einzigartige, organische Formen und Texturen. Diese Werke sind sowohl impulsiv als auch kontrolliert. Gleichermaßen sind sie ein Spiel zwischen Zufall und Absicht, das die Spannung und Dynamik der Natur einfängt. Obwohl Pienes Feuergouachen und László Moholy-Nagys Komposition A 17 unterschiedliche künstlerische Ausdrucksformen sind, teilen sie eine Faszination für die Möglichkeiten und Grenzen des Materials und die Transformation des Alltäglichen in etwas Außergewöhnliches.

 

Sommerfest
Otmar Alt

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Sommerfest

Otmar Alt

1972
149 × 118,5 cm
Acryl auf Leinwand, Holz collagiert

Otmar Alt, bekannt für seine farbenfrohen und naiven Darstellungen, präsentiert in Sommerfest eine lebhafte Szene voller Freude und Leichtigkeit. Das Werk ist charakteristisch für Alts Stil, bei dem einfache Formen und klare Farben eine fast kindliche Welt erschaffen. Im Gegensatz dazu steht Heiner Meyers Stiletto, das den Einfluss der Pop-Art und des Glamours reflektiert. Beide Werke bilden unterschiedliche Welten ab, teilen jedoch eine gemeinsame Affinität zur Farbe und Form, um ihre jeweiligen Botschaften zu vermitteln. Während Sommerfest die Freuden der menschlichen Erfahrung feiert, hinterfragt Stiletto diese Erfahrung durch die Linse der Konsumkultur. Beide Werke bieten einen Blick in die sozialen und kulturellen Aspekte ihrer Zeit.

ohne Titel
Katharina Maderthaner

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

ohne Titel

Katharina Maderthaner

2014
167 × 100 × 100 cm
Siegburger Schnellen, Podest, Stoff, Holz
Schenkung der Künstlerin 2023

Den Ausgangspunkt für Maderthaners Intervention in der Sammlung Angewandte Kunst des Gustav-Lübcke-Museums bilden drei Siegburger Schnellen. Diese Gefäße sind für ihre hohe, konische und schlanke Form aus hellem Ton sowie ihre detailreichen Hochbeläge auf der Gewandung bekannt. Maderthaner positioniert diese auf einem von ihr gestalteten Sockel, der durch seine Höhe die Assoziation von Stehtischen wachruft. Überzogen mit aufwändigem Stoff, der auf die Renaissancekrüge anspielt, stellt die Arbeit Betrachter:innen vor die Frage, ob die Künstlerin die historischen Objekte aufwertet oder umgekehrt. Wie auch bei Uecker findet eine Ästhetisierung eines (ehemaligen) Gebrauchsobjektes statt, das seiner Funktion enthoben, als ästhetisches Anschauungsobjekt mit neuem Inhalt aufgeladen wird.

Gehöft
Hans Kaiser

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Gehöft

Hans Kaiser

ca. 1940er Jahre
71 × 96 cm
Öl auf Sperrholz
Dauerleihgabe aus Privatbesitz

Der 1914 geborene Hans Kaiser begann mit 15 Jahren eine Handwerkslehre als Maler. In dieser Zeit erkannte sein Meister Kaisers künstlerisches Talent und ermöglichte ihm dies auszubauen. Anfangs fokussierte er sein künstlerisches Schaffen auf Stillleben, Landschaftsmalerei und Porträts. Gehöft, das vermutlich in den 1940er-Jahren entstanden ist, gehört zu dieser frühen Schaffensphase. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wendet sich Kaiser dann der für ihn typischen abstrakten Formensprache zu. Wie das Werk von Kurt Schwitters gehört Gehöft zum frühen Werk eines Künstlers.

Figueretes I (Diario de Ibiza)
Hans Kaiser

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Figueretes I (Diario de Ibiza)

Hans Kaiser

1961
104 × 80 cm
Mischtechnik auf Pappe auf Holz
Schenkung 2021

Hans Kaiser gilt als eine der zentralen Figuren des deutschen Informel. Als Autodiktat wurde sein zeichnerisches Talent zwar schon früh entdeckt, jedoch fand er erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu seinem eigenen Stil. Ab den 1960er-Jahren prägten Reisen nach Ibiza seine künstlerische Entwicklung, wie auch bei Figueretes I. Inspirationsquelle hierfür ist ein gleichnamiger Strand auf Ibiza. Der kraftvolle Farbauftrag von hellen bis dunkelblauen Farbtönen vermittelt eine spannungsreiche Atmosphäre. Als „explodierte Landschaften“ bezeichnete daher der englische Kunstkritiker Anthony Thwaites diese abstrakten Werke Kaisers. Im Kontext des Werks des international renommierten informellen Künstlers K.O. Götz zeigt sich das große Spektrum der informellen Kunst.

Bildnis Fräulein B.
Eberhard Viegener

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Bildnis Fräulein B.

Eberhard Viegener

1919
84 × 68,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1991

Das Bildnis Fräulein B. von Eberhard Viegener zeigt – anders als Lehmbrucks Große Sinnende – keine Symbolfigur, sondern das Porträt von Frieda Bernstein. Maler und Modell lernten sich Ende der 1910er-Jahre über Friedas Schwester im Umfeld des Hagener Sammlers Karl Ernst Osthaus kennen. Viegener vertrat in dieser Zeit expressionistische Gestaltungsprinzipien. Ihm ging es daher um das Sichtbarmachen ihrer selbstbewussten Persönlichkeit und nicht um eine naturgetreue Darstellung der Porträtierten. Ihr in hellen Farben modelliertes Gesicht steht in einem starken Kontrast zum Schwarz des Kleides, der Augen und der Haare und rückt dadurch in den Fokus der Betrachtenden. Formal finden sich auch Anklänge an die gelängten Figuren Lehmbrucks, was besonders an ihren akzentuierten Fingern deutlich wird.

Märchen (Sindelsdorf)
August Macke

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Märchen (Sindelsdorf)

August Macke

1911
32,9 × 42,7 cm
Aquarell, Deckweiß, Goldbronze, Gummiarabicum
Erworben 1980

Voyeuristisch lauernd scheint das Gesicht eines Mannes über einer friedlich schlafenden, weiblichen Figur zu thronen. Die geheimnisvolle Szenerie stellt Betrachtende vor ein Rätsel: Ist die Frau in Gefahr oder lediglich in einem Traum gefangen? Mit wenigen kraftvollen schwarzen Linien, gezielt unterstützt durch den Komplementärkontrast von Rot und Grün, sowie weißen und goldbronzenen Akzenten entführt August Macke in eine fantastische – dem Titel folgend – märchenhafte Welt.

Wie bei František Kupka löst sich die Umgebung in abstrakte Formen auf, doch während Kupka das Spirituelle deutlich vom tatsächlichen Geschehen trennt, ist bei Macke eine Trennlinie zwischen Realität und Wirklichkeit nicht eindeutig auszumachen.

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Osthaus Museum Hagen

Interieur des Museum Folkwang Hagen
Christian Rohlfs

Osthaus Museum Hagen

Interieur des Museum Folkwang Hagen

Christian Rohlfs

Um 1903
60,3 × 49,7 cm
Öl auf Leinwand
Ankauf von Margarete Schüngeler 1964

Das Osthaus Museum Hagen besitzt rund 700 Werke des Künstlers Christian Rohlfs, der von Karl Ernst Osthaus gefördert wurde und bis zu seinem Lebensende im Hagener Museum gelebt und gearbeitet hat. Das Werk zeigt das Interieur des Ausstellungssaals des Folkwang-Museums in Hagen, das im Sommer 1902 als Privatmuseum von Karl Ernst Osthaus eröffnet wurde. Der dargestellte lichtdurchflutete Raum gewährt einen schönen Einblick in die von Henry van der Velde optimierte Architektur.

Osthaus Museum Hagen

Kühe auf der Weide
Walther Bötticher

Osthaus Museum Hagen

Kühe auf der Weide

Walther Bötticher

1912
76 × 100,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben um 1930, Rückerwerb 1953 von Otto Bötticher, Lübeck

Der Maler Walther Bötticher zählte zu den jüngsten modernen Künstler:innen in der Sammlung des Hagener Folkwang-Museums. Bereits als Schüler hatte er das Museum besucht und kam dort mit Werken der Künstlergruppen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“ in Berührung. Davon inspiriert, bildete er eine ausdrucksstarke künstlerische Handschrift aus, die in Verbindung mit leuchtender Farbigkeit seiner Erzählfreude zugutekam. Davon zeugt ebenfalls das Gemälde Kühe auf der Weide, das in expressionistischer Manier eine ähnlich energiegeladene Stimmung und Atmosphäre vermittelt wie das Gemälde Schneelandschaft bei Kochel von Gabriele Münter. Vergleichbar ist ebenfalls die starke und kontrastreiche Farbgebung der hier sommerlichen Landschaft mit Bäumen und Kühen, die nahezu skizzenhaft vor Ort erfasst zu sein scheint.

 

Tunnel Square " Down Under" Nr. 2
Hans Kotter

Osthaus Museum Hagen

Tunnel Square " Down Under" Nr. 2

Hans Kotter

2013
Schenkung der Freunde des Osthaus Museums 2014

Hans Kotter ist ein Meister des Lichts. Seine Lichtskulpturen haben nicht nur eine sehr spezifische Aura, sie vermitteln zugleich die Idee einer Verbindlichkeit. Das Thema Licht begeisterte Hans Kotter schon während seines Studiums in New York. Der ausgebildete Maler beschäftigte sich u.a. mit den »Lichtmalern« des Impressionismus und arbeitet im Bereich der Fotografie, der Konzept-, Objekt-, Licht- und Installationskunst.

In Tunnel Square beschäftigt sich Kotter mit der Illusion des Raums. In diesem filigranen spiegelnden Glaskörper wird man einer geheimnisvollen Anziehungskraft ausgesetzt. Es ist ein magischer Tunnel, der unsere Blicke in die Tiefe anzieht.

Ohne Titel
Otto Greis

Osthaus Museum Hagen

Ohne Titel

Otto Greis

1957
150,4 x 99,7 cm
Mischtechnik auf Hartfaser
Ankauf in der Galerie Winterberger, Köln 1985

Das Werk von Otto Greis fügt sich ein in die Kunst der Nachkriegsavantgarde. Sein frühes Schaffen wurde durch den engen Austausch mit Ernst Wilhelm Nay, einem wichtigen Vertreter der abstrakten Malerei in Deutschland, sowie mit der Künstlergruppe CoBrA geprägt. In der Formation „Quadriga“ trug Greis zusammen mit K. O. Götz, Bernard Schultze und Heinz Kreutz wesentlich zur Entwicklung des deutschen Informel bei.

Das 1957 entstandene Gemälde ohne Titel aus der Sammlung des Osthaus Museum Hagen ist ein Beispiel für die eigenständige Handschrift von Greis, welche er ab 1956 in der Loslösung vom informellen Stil entwickelte. Noch der Abstraktion verhaftet, begab er sich mit einem stark pastosen, mehrschichtigen und dreidimensionalen Farbauftrag in seinen Materialbildern auf die Suche nach der Form.

De Profundo
Josef Albers

Osthaus Museum Hagen

De Profundo

Josef Albers

1968
60,5 × 60,5 cm
Öl auf Hartfaser
Geschenk des Künstlers 1972

Das Gemälde De Profundo gehört zu den seriellen Bilderreihen von Josef Albers. In einer festgelegten Ordnung treffen quadratische Farbflächen ohne Kontur wiederholt aufeinander und konstruieren den Bildaufbau. Die aus dem Zentrum verlagerten Fluchtpunkte und die bildparallele Anordnung der Quadrate bewirken, dass sich das flächige Bild ins Räumliche verwandelt. Auch erweitert die Farbe die flächige zur räumlichen und die statische zur dynamischen Erfahrung. Die unterschiedlich gestaffelten Flächen verändern die Erscheinungsweise der sich einander begegnenden Farben. Albers gelang so die Verknüpfung von Konstruktion und Intuition, die in der Rauminstallation Zoom Squares von Gianni Colombo eine Erweiterung in den Raum erfährt und die Raumwahrnehmung des Betrachtenden gleichermaßen irritiert.

Ohne Titel (IV/69)
Ernst Hermanns

Osthaus Museum Hagen

Ohne Titel (IV/69)

Ernst Hermanns

1969
I: 30 x 33 x 31cm
 / II: 30 x 31 x 32cm / 
III: 20 x 31 x 26 cm / IV: 30 x 31 x 26 cm
4 Teile aus 5 Halbkugeln und einer Kugel
Erworben in der Galerie Stangl, München 1970

Die mehrteilige Skulptur von Ernst Hermanns setzt sich aus vier im Kreis gruppierten Modulen zusammen, die sich berühren und stabilisieren. Eine geschlossene Ordnung kann allerdings nicht hergestellt werden, so dass die Kreishälften – bei aller Harmonie – in Gänze eine fragmentarische Form bilden.

Ernst Hermanns war mit Gustav Deppe, Thomas Grochowiak, Emil Schumacher, Heinrich Siepmann und Hans Werdehausen Gründungsmitglied der Künstlergruppe »junger westen“. Michael Sailstorfer erhielt 2011 den Kunstpreis »junger westen«, ausgeschrieben für Plastik, Skulptur, Installation. Seine 2005 entwickelte Arbeit aus der Werkgruppe „Zeit ist keine Autobahn“, bestehend aus einem sich bewegenden und abreibenden Autoreifen, betont das Dissonante und ebenfalls Fragmentarische eines zeitgemäßen Skulptur-Ensembles.

Mann / Kleiner Beobachter
Vlassis Caniaris

Osthaus Museum Hagen

Mann / Kleiner Beobachter

Vlassis Caniaris

1983
180 x 50 x 60 cm und 120 x 30 x 30 cm
Materialassemblage, 2 Figuren
Schenkung des Künstlers 1991

Die skulpturale Arbeit Mann/Kleiner Beobachter von Vlassis Caniaris besteht aus Maschendraht, der als Träger von abgelegten Kleidungsstücken dient. Der aus Draht und zusammengeknülltem Papier bestehende Kopf lässt den Betrachter über die Identität der Person im Ungewissen. Mit den Arbeiten „Zum Wirtschaftswunder“ nutzte Caniaris die Techniken der Warenästhetik und enthüllte auf diese Weise nicht nur Funktionsweisen der Verschönerungstechniken, sondern brachte auch die Ärmlichkeit der Produkte des Wirtschaftswunders zur Anschauung. Vergleichbar motiviert wie die Aktion Die Vernehmung von Anatol und Joseph Beuys entwickelte der Künstler in den 1960er-Jahren eine eigene Sprache als Objekte-Macher, um kulturelle und soziale Ungleichmäßigkeiten in den industrialisierten Gesellschaften zu vergegenwärtigen.

Landschaft auf Ischia
Werner Gilles

Osthaus Museum Hagen

Landschaft auf Ischia

Werner Gilles

1955
34,2 × 46,1 cm
Öl auf Leinwand

Die Insel Ischia ist ein vielfach von Werner Gilles grafisch und malerisch bearbeitetes Motiv. Das Land schien eine Faszination auf den 1894 im Rheinland geborenen und im Ruhrgebiet aufgewachsenen Künstler auszuüben. In den 1920er Jahren war er als junger Mann mehrfach nach Italien gereist. Insbesondere seine Aufenthalte auf der Insel Ischia, wo der Künstler seit 1951 regelmäßig die Sommer verbrachte, wirkten sich prägend auf sein Gesamtwerk aus.

Die 1955 entstandene Landschaft auf Ischia spiegelt seinen Blick auf die Atmosphäre der Insel im Tyrrhenischen Meer mit ihrer reichen Flora und abwechslungsreichen Landschaft wider. Flächig ineinander verschachtelte abstrakte Formen in einer leuchtenden Vielfarbigkeit von Orange, über Violett, Rosa, Grün und Gelb deuten die charakteristischen Berge, Schluchten, Häuser und die felsige Küste im Spiel des Lichtes an.

Hans-Hermann
Uwe Nickel

Osthaus Museum Hagen

Hans-Hermann

Uwe Nickel

1974
121 x 101 cm
Acryl auf Leinwand
Erworben vom Künstler 1974

Das Bildnis Hans-Hermann ist eine typische Arbeit des Hagener Künstlers Uwe Nickel aus den 1970er-Jahren. Schon früh von der amerikanischen Pop Art inspiriert, schuf der Maler und Grafiker eine farbenfrohe Bilderwelt, die lebensbejahende Freude ausstrahlt. Das werbewirksame Potential seiner Kunst brachte ihm verschiedene Aufträge der Stadt und des Stadttheaters ein.

Das 1974 entstandene Kinderbildnis ist beispielhaft für die plakative Kunst des Malers. Das Konstrukt aus farbig ausgestalteten, festumrissenen Schablonen zeigt ein dunkelgekleidetes I-Männchen am Einschulungstag mit Schultüte vor einer buntfarbigen Kulisse, die einen städtischen Raum vermuten lässt. Entgegen der Namensnennung im Bildtitel bleibt die Identität des Kindes im Verborgenen, da die beige Fläche des Gesichts weder Augen, Nase noch Mund aufweist.

Gelbes Bild
Otto Piene

Osthaus Museum Hagen

Gelbes Bild

Otto Piene

1958
68 × 96,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben in der Galerie Schmela, Düsseldorf 1969

Das Entstehungsjahr des Gemäldes Gelbes Bild gilt als Gründungsjahr der Künstlergemeinschaft ZERO. In seinem Frühwerk entwickelte Piene monochrome Rasterbilder, bei denen er die Farbe mithilfe eines Siebes auf die Leinwand gedrückt hat. Die pastosen Rasterpunkte ergeben sich aus der Anordnung der Sieböffnungen und erzeugen auf der Leinwand eine dynamische Licht- und Schattenstruktur. Piene bezeichnete dieses Phänomen als »Vibration«, die eine Verbindung zwischen Bild und Betrachtenden erzeugen sollte.

Ein anderer Ansatz des künstlerischen Neuanfangs nach 1945 zeigt sich bei Werner Gilles. In seiner szenischen Darstellung Nach der Bombennacht (1950) setzt er sich thematisch mit der Kriegszerstörung auseinander. Im Unterschied zu Pienes radikaler Monochromie, bleibt Gilles in einer abstrakten Gegenständlichkeit in intensiven Farben verhaftet.

Vera
Eva Aeppli

Osthaus Museum Hagen

Vera

Eva Aeppli

1970

185 cm (stehend)
Seide, Kapok, Watte, Seidengarn, Samt, Seidenrosen, Metallstab
Erwerb von der Künstlerin 1971

Bei der 1970 entstandenen Arbeit Vera von Eva Aeppli handelt es sich um eine elegant gekleidete Dame, die auf einem antiquierten Sessel sitzt. Scheinbar mit der Außenwelt in keinem Kontakt stehend, schaut sie in den Raum hinein, sich auf ein Ereignis konzentrierend. Dies ist der Bezug zum benagelten Fernseher älterer Bauart von Günther Uecker, der auf einem runden Möbelstück aus Holz platziert ist. Das ständige Fernsehen versetzt die Menschen in eine Trance, macht sie durch ständige Werbung nutzbar für die Industrie. Eva Aepplis Dame ist – bei aller Contenance – in jener Art Trance gefangen, die Uecker bewusst zerstören möchte. Beide Werke entwickeln in einer Gegenüberstellung eine perfekte Symbiose.

Melancholie
George Minne

Osthaus Museum Hagen

Melancholie

George Minne

1899
51 × 40 × 32 cm
Marmor
Nachlass Ewald Becker 1946

George Minnes allegorische Darstellung der Melancholie fand ihren Ausdruck in einer marmornen Frauenbüste von klassisch-antikischer Schönheit. Ihr Gemütszustand verkörpert sich in der abgewandten, geneigten Kopfhaltung. Das jugendlich-zarte, ebenmäßige Gesicht wird von dem offenen Haar gerahmt. Die bewusste Sichtbarmachung der handwerklichen Machart erinnert an das „Non-finito“, das Moment des Unvollendeten, welches der Skulptur die Anmutung des Flüchtigen verleiht.

Die Kopfhaltung ist auch ein zentrales Merkmal von Wilhelm Lehmbrucks Plastik Die Sinnende. Beide Künstler zeigen den Typus einer entindividualisierten, in sich gekehrten Frau, die nicht mit dem Betrachtenden interagiert. Während Minne noch einer akademischen Formsprache verbunden ist, verschrieb sich Lehmbruck 14 Jahre später einer neuartigen Figurenauffassung.

12.4.66 16h31 – 17h12
K.R.H. Sonderborg

Osthaus Museum Hagen

12.4.66 16h31 – 17h12

K.R.H. Sonderborg

1966
108 x 70,2 cm
Eitempera auf Fotokarton über Leinwand
Erworben in der Galerie Stangl, München 1966

Der Bildtitel 12.4.66, 16h31 – 17h12 dokumentiert die Entstehung des Werkes. Es ist offensichtlich, dass Sonderborg in kürzester Zeit ein souveränes Gemälde entstehen ließ, welches er im Modus von Spontanität und Kalkül produzierte. Das unter dem Einfluss von Jazzmusik entstandene Werk zeichnet sich durch große Expression sowie einen einpeitschenden Rhythmus aus. Neben der mittig gesetzten Makroform dienen getaktete Farbstriche und andere Setzungen in konkurrierender Weise der von großer Gestik getragenen Komposition.

Das Thema Geschwindigkeit, Malen in Meditation und Rausch verbindet Sonderborg mit K.O. Götz und dessen Bild Jonction II, welches ebenfalls mit untypischen Elementen (Rakel) gemalt wurde.

Der Traum des toten Indianers
Friedensreich Hundertwasser

Osthaus Museum Hagen

Der Traum des toten Indianers

Friedensreich Hundertwasser

1964
62 x 56 cm
Mischtechnik
1965 Erworben von der Galerie Zwirner, Köln

Friedensreich Hundertwasser hatte früh erkannt, dass sich die Zivilisation von der Natur entfremdet. Als Thema für das Bild Der Traum des toten Indianers wählte er das Schicksal der indigenen Bevölkerung Nordamerikas. Einer Art Schöpfergott in unberührter Natur in der unteren Bildhälfte sind Häuserfronten in der oberen Bildhälfte entgegensetzt. Rote Lebensadern verbinden die beiden Realitäten, wobei sich eine gelbe Linie prominent über die Fassaden legt. In Zusammenspiel mit einer Vertikalen entsteht ein Kreuzsymbol mit abgewickelten Enden: eine Swastika, die im Sanskrit so viel wie das „Heilbringende“ bedeutet. In diesem visionären Gemälde verankert Hundertwasser eine seiner Kernbotschaften: „Es ist möglich, das Paradies wiederherzustellen. Der Mensch kann sich mit der Natur versöhnen.“ Thematisch dem Gemälde Der Traum von František Kupka anverwandt, finden Hoffnungen und Wünsche künstlerisch-visionären Ausdruck.

Composition 171
Friedrich Vordemberge-Gildewart

Osthaus Museum Hagen

Composition 171

Friedrich Vordemberge-Gildewart

1948
80 × 100 cm
Öl auf Leinwand
Erworben in der Galerie Müller, Köln 1973

Friedrich Vordemberge-Gildewart initiierte in den 1920er-Jahren mit Kurt Schwitters die Gründung der „abstrakten hannover“. Ihm ging es um „Gestalten! Und nicht malen, modellieren, schwätzen oder dösen“. Die Qualität der Kunst bestand für ihn – wie auch für den Bauhaus-Lehrer Moholy-Nagy – in der konzentrierten Kenntnis ihrer Mittel: Sensibilität für Form und Farbe, Raum und Material. Die Composition 171 zeigt eine in zwei unterschiedliche Flächen (weiß und grün) aufgeteilte Leinwand mit Farbbalken in den Primärfarben Rot, Gelb und Blau sowie Weiß, die hierarchielos zueinander in Spannung gehalten werden. Das Werk Komposition A 17 hingegen ist dominiert von einer schwarzen Scheibe, die besonders durch die Anordnung zweier weißer Farbbalken in die Mitte des Bildes „geschoben“ wird und so eine innerbildliche Dynamik auslöst.

Helle Frauen vor Hutladen
August Macke

Osthaus Museum Hagen

Helle Frauen vor Hutladen

August Macke

1913
110 × 76,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben von der Galerie Abels, Köln 1955,
Aus dem vormaligen Besitz von Elisabeth Erdmann-Macke

Das 1913 entstandene Gemälde Helle Frauen vor Hutladen zeigt zwei vornehm gekleidete Damen beim Betrachten eines Schaufensters. Die kaum identifizierbare Hutauslage verdeutlicht den hier erreichten Abstraktionsgrad. Die rundlich aufgefassten Figuren und eckigen Architekturelemente sind komplex ineinander verschränkt. Die geometrisierende Konstruktion zeigt kubistische und futuristische Tendenzen. Durch prismatisch aufgebrochene Formen in durchscheinenden Pastelltönen wird Mackes Versuch deutlich, die Dynamik des modernen, technischen Zeitalters einzufangen.

Das Hutladenschaufenster ist ein im Kontext von Mackes Œuvre mehrfach variiertes Thema. Das ein Jahr später entstandene Gemälde Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen ist in seiner klaren Komposition und den satten, kontrastierenden Farben deutlich dem Expressionismus verpflichtet.

 

Perpendicolare
Roberto Cordone

Osthaus Museum Hagen

Perpendicolare

Roberto Cordone

1968
Höhe: je 225, 228, 240 cm
Guss, Nickel-Legierung 3-teilig
Schenkung des Stifterverbandes 1969

Perpendicolare lautet der Titel der drei Plastiken, die das Interesse des italienischen Künstlers Roberto Cordone an geometrischen und organischen Konstrukten in vertikaler Axialität offenbaren. Ab 1966 entwickelte er aus figürlichen Darstellungen abstrakte Tendenzen: Bei der Werkgruppe der Perpendicolari, der Senkrechten, handelt es sich um lebensgroße speerartige Gebilde, die sich mittig rundlich oder oval wölben und sich an beiden Enden zu Spitzen verjüngen. Nahezu schwerelos scheinen die unsichtbar von der Decke abgehängten Objekte im Raum zu schweben, ohne Sockel über dem Boden zu balancieren. In der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Objekt und Raum zeigt sich eine Verwandtschaft zu Peter Schwickeraths Stahlschnitt. Trotz der Massivität des Materials suggerieren beide Werke eine gewisse Leichtigkeit.

Malerei Rot und Grün
Kuno Gonschior

Osthaus Museum Hagen

Malerei Rot und Grün

Kuno Gonschior

1979
185 x 150 cm
Öl auf Leinwand

Kuno Gonschior untersuchte mit seinen abstrakten Gemälden aus Farbpunkten und -flecken die Farbsubstanz als physikalisch-optisches Phänomen. In Malerei Rot und Grün liegen über einem dunklen Grund sich überlappende und mischende rote Pinselzüge, während in Zwischenräumen vereinzelt Spuren von komplementärem Grün aufscheinen. Die grobkörnige Struktur ist flächendeckend ausbalanciert, wobei am Rand die rohe Leinwand als tragender Grund sichtbar ist und Blau als weitere Farbe auftaucht. Dabei löst das dichte Gewimmel aus Farbpartikeln in der Bildwirkung eine eigene, visuell irritierende Dynamik aus. In diesem Punkt ist das Gemälde vergleichbar mit der strukturellen Arbeit Konstruktive Struktur, Schwarz mit Rot 2196  von Helmut Bettenhausen, die durch unterschiedlich angeordnete Noppenformen Bewegungsabläufe in der Wahrnehmung suggeriert.

Ateliertisch
Alexander Kanoldt

Osthaus Museum Hagen

Ateliertisch

Alexander Kanoldt

1924
65 × 87 cm
Öl auf Leinwand
Erworben in der Galerie Vömel, Düsseldorf 1964

Auf dem dunkelbraunen, ovalen Ateliertisch sind eine Kanne, eine Vase, eine Schale und zwei Orangen arrangiert. Aus dem alltäglichen Zusammenhang herausgelöst, sind die Gegenstände bei schwach von links einfallendem Licht in Szene gesetzt: Mittels subtiler Schattierung erscheinen die Farben gebrochen und gedämpft. Die Beschaffenheit der Gefäße und der Früchte tritt hinter einer gleichmäßigen Oberflächenbehandlung zurück. Dieser undifferenzierte Umgang mit Materialität erweckt eine gewisse Unwirklichkeit, die für die Malerei im neusachlichen Stil der 1920er-Jahre typisch ist.

Wie ein Stillleben in zeitgenössischer Manier erscheint die Installation Coloured Vases des Künstlers Ai Weiwei. Auch hier herrscht das Prinzip der Künstlichkeit, das durch die Verfremdung der originalen 39 neolithischen Vasen durch den malerischen Eingriff erlangt wurde.

E 76
Rupprecht Geiger

Osthaus Museum Hagen

E 76

Rupprecht Geiger

1948
100 x 72 x 22,8 cm
Eitempera auf Leinwand
Erworben in der Galerie Winterberger, Köln 1978

E 76 gehört zu einer Gruppe aus 14 Gemälden, die alle ein unübliches Format aufweisen. Auf der Suche nach einem neuen Stil löste sich Rupprecht Geiger vom rechteckigen Tafelbild, indem er mit unregelmäßigen Seitenlängen experimentierte. Das abweichende Seitenverhältnis von E76 suggeriert Dreidimensionalität. Dadurch, dass der untere rötlich-schwarz changierende Balken auf der verkürzten linken Bildseite verläuft, erscheint er wie die Vorderseite eines dreieckigen Prismas. Die Oberfläche hellt sich von der schwarzen Kante über ein heller werdendes Grau hin zu einem Weiß auf. Mittels Abstraktion erhält das Gemälde eine Art Doppelgestalt als geometrisches Konstrukt einerseits und Landschaftsbild mit Erd- und Himmelsebene andererseits. Bei Josef Albers‘ Oscillating A ist die Beziehung von Fläche, Raum und Farbe ebenfalls ein zentrales Thema.

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Emil Schumacher Museum, Hagen

Pinatubo
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Pinatubo

Emil Schumacher

1992
170 x 250 cm
Öl auf Holz
Nachlass des Künstlers

Das großformatige Gemälde „Pinatubo“ von 1992 ist ein eindrucksvolles Hauptwerk Emil Schumachers, das ganz im Zeichen gestischer Abstraktion steht. Ausgehend vom Informel der 1950er- und 60er-Jahre entwickelte Schumacher seine unverkennbare Bildsprache stetig weiter. Sie vereint expressive Farbigkeit, gestisch-dynamischen Farbauftrag, experimentellen Umgang mit dem Material sowie dem entstehenden Bild und eine schließlich wieder durch die Abstraktion brechende Figuration im Spätwerk des Malers.

Emil Schumacher Museum, Hagen

GG-10/1991
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

GG-10/1991

Emil Schumacher

1991
66 x 85 cm
Gouache (Mischtechnik) auf grauem Aquari-Bütten
Nachlass des Künstlers

Über 80 Jahre liegen zwischen der Entstehung von Gabriele Münters Schneelandschaft und der Arbeit GG-10/1991 von Emil Schumacher und doch entspringen sie der gleichen Liebe zur Landschaft, die beide geprägt hat. 1909 kaufte Gabriele Münter gemeinsam mit Wassily Kandinsky das heute als Museum existierende Münter-Haus in Murnau. In dieser Umgebung fand sie ihren künstlerischen Weg, das Bild Schneelandschaft bei Kochel aus dem Winter 1909 strahlt in seinen starken, leuchtenden Farben und Formen eine große Energie aus. Das verbindet die beiden Werke, denn auch die Gouache Emil Schumachers zeugt von der Kraft und Dynamik der Landschaft. Wenn auch ihre Formen sehr viel stärker im Ungewissen gelassen werden, so hat man doch die Assoziation von Horizont, Bergen, Schnee, Himmel, Wolken. Schumachers Rückzugsort in den Bergen war das Engadin.

GE-9/1991
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

GE-9/1991

Emil Schumacher

1991
58 × 81 cm
Gouache (Mischtechnik) auf schwarzem Bütten mit collagierter Spiegelscherbe
Nachlass des Künstlers

Zwei dunkle Räume – einmal ein Braukeller, einmal schwarzes Bütten – sind die Folien, auf denen sich zeichnerisch die Werke von Keith Sonnier und Emil Schumacher entwickeln. Keith Sonniers Tunnel of Tears von 2002 inszeniert das Licht als tanzende Neonlinien wechselnd in Rot und Blau im Gewölbe. Man kann sich der emotionalen Wirkung des Lichtes, das allein den Raum strukturiert, nicht entziehen. Tränen der Freude, Tränen der Trauer scheinen sich in der Feuchtigkeit des Bodens zu sammeln. In Emil Schumachers Gouache von 1991 durchfurchen weiße Linien das Dunkel des Blattes, wie Lichtblitze in einer dunklen Landschaft, verstärkt noch durch eine mittig eingearbeitete Spiegelscherbe, die durch die wechselnde Position des Betrachtenden das Bild permanent verändert. Beide Künstler machen bewusst, das Licht und Dunkel untrennbare Komplementäre sind.

10/1968
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

10/1968

Emil Schumacher

1968
16,5 x 12,3 cm auf 39 x 26,5 cm
Aquatinta-Radierung und Prägedruck
Nachlass des Künstlers

Während Emil Schumacher in den 1930er- und 1940er-Jahren vornehmlich mit druckgraphischen Verfahren wie Holz- und Linolschnitt arbeitete, wandte er sich ab Ende der 1950er-Jahre der Radierung zu. Zu dem umfangreichen graphischen Gesamtschaffen Schumachers zählt auch die aus dem Jahr 1968 stammende Aquatinta-Radierung. Einfaltungen an den Ecken der Druckplatte und zwei rechteckig zum Farbauftrag geätzte Flächen im Zentrum betonen die in das Papier geprägten Faltungen. Während Schumacher mit Materialität experimentierte, spielte Gianni Colombo als Vertreter der Kinetischen Kunst dagegen mit Faktoren wie Licht, Bewegung und Raum. Für ihn liegt der Reiz in der Bewegung des Betrachtenden innerhalb der von ihm geschaffenen Raumstruktur und in dem daraus resultierenden Wahrnehmungswechsel.

Subito
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Subito

Emil Schumacher

1998
169,5 x 120 cm
Öl auf Leinwand
Nachlass des Künstlers

Zwei Elemente verbinden die Arbeiten Subito von Emil Schumacher und Zeit ist keine Autobahn von Michael Sailstorfer, der zur künstlerischen Enkelgeneration von Emil Schumacher gehört: der Zeitbezug des Titels und das Rad als wichtigstes Element. Schumacher konterkariert mit dem Titel „Sofort“ den Ewigkeitsanspruch des Symbols des Rads, das für Unendlichkeit ohne Anfang und Ende steht, für Bewegung und Energie. Bewegung durch Energie setzt Sailstorfer ein. Der Reifen dreht sich an der Wand, nutzt sich ab, vergeht langsam, der Abrieb auf dem Boden macht diesen Prozess sichtbar. Erlebt man die Installation, so kommen der stechende Reifengeruch und das Motorengeräusch zum Seherlebnis hinzu, es ist also ein alle Sinne ansprechendes Kunstwerk. Beide Werke stellen die Unumkehrbarkeit der Zeit vor Augen und sind Aufforderungen zum „carpe diem“.

Illustration zu "Der grüne Tisch"
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Illustration zu "Der grüne Tisch"

Emil Schumacher

1951
29,5 × 20 cm
Tusche auf Röntgenfolie
Nachlass des Künstlers

Im Umfeld der 1948 durch Emil Schumacher mitgegründeten Künstlergruppe junger westen kam es zu künstlerischen Aufträgen für die Programmhefte der Ruhrfestspiele in Recklinghausen. So illustrierte Schumacher mitunter eine Szene aus Der Grüne Tisch, ein 1932 in Paris uraufgeführtes Ballett von Kurt Jooss, das hochpolitisch ist. Das expressionistische Ballett interpretiert den Ersten Weltkrieg als Totentanz, in welchem zehn schwarz gekleidete Herren am grünen Tisch über die politische Lage der Welt verhandeln und dort über Leben und Tod entscheiden. Der mit Tuschfeder gezeichnete Grüne Tisch Schumachers wird hier dem 1969 entstandenen Stahltisch des Bildhauers Anatol Herzfeld gegenübergestellt, dessen Kunst gleichfalls Bezug auf soziopolitische Themen der Gegenwart nimmt.

Hama X
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Hama X

Emil Schumacher

1984
30 × 40 cm
Öl auf Karton, Sisalcollage
Nachlass des Künstlers

Mitten im Ersten Weltkrieg malte Kurt Schwitters eine Landschaft mit dem Hof Opherdicke, ein Ort des Friedens. Hierhin führte seine Hochzeitsreise 1916, kurz darauf wurde sein erster Sohn geboren und starb, er selbst wurde zum Kriegsdienst eingezogen – Lebensereignisse, die ihn tief erschütterten. Seine Kunst änderte sich radikal. Schwitters suchte neue Ausdrucksformen und wurde einer der bedeutendsten Künstler:innen des 20. Jahrhunderts. Seine Collagen dadaistisch, konstruktivistisch, zuweilen surrealistisch und wortgewaltig suchten für die Absurdität des Daseins eine Form. Hier kann eine Verbindung zum Werk des jüngeren Emil Schumacher liegen , dessen Bilder, so auch Hama X, oftmals nicht übersetzbare Titel tragen, die jedoch bei den Betrachtenden Assoziationen wecken, und deren Formen – hier die Hausform – aufscheinen, ohne fassbar zu werden.

G-42/1987
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

G-42/1987

Emil Schumacher

1987
50,5 x 65 cm
Gouache (Mischtechnik) auf Bütten
Nachlass des Künstlers

Schuhe bringen den Menschen in Bewegung, tragen ihn durch die Landschaft. Das gilt für die Vorbilder der roten Stilettos des Pop-Art Künstlers Heiner Meyer wie für den nur skizzenhaft angedeuteten Bergschuh zur Erwanderung des Engadins von Emil Schumacher. Die Dimensionen der beiden Arbeiten könnten allerdings unterschiedlicher nicht sein: Schumachers monumental in der Landschaft stehender Wanderstiefel ist eine vergleichsweise kleine Gouache von 50,5 x 65 cm, Heiner Meyers Red Heels sind 7 feine, aufeinander fußende Stilettos, die als 6 Meter hohe Landmarke die Besucher vor dem Schloss Oberhausen empfangen. Damit macht Meyer gleich zwei ehemals königliche Privilegien zum stets verfügbaren Allgemeingut: die roten Sohlen und die High Heels – früher dem französischen Hof vorbehalten, heute Symbol eines Luxusobjekts.

Bombenangriff auf eine Stadt
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Bombenangriff auf eine Stadt

Emil Schumacher

1946
30 x 42,7 cm
Holzschnitt
Nachlass des Künstlers

Werner Gilles, der noch am Bauhaus bei Lyonel Feininger lernen konnte und zu Beginn der Nazi-Herrschaft und der damit einhergehenden Unterdrückung der zeitgenössischen Kunst bereits zum eigenständigen Künstler gereift war, greift nach 1945 auf sein Repertoire zurück, um die Zerstörungskraft einer Bombennacht als fast spielerisch stürzende Formen darzustellen, die ihren Schrecken erst auf den zweiten Blick offenbaren. Diese Schrecken des Bombenangriffs sind Schumachers Komposition dagegen förmlich eingeschrieben – in eine rotglühende Stadtlandschaft, ein verängstigtes Gesicht, eine isoliert ausgestreckte Hand. Während Gilles eine konstruktivistische Trümmerlandschaft gestaltet, bringt Schumacher die Situation in einem expressiven Chaos zum Ausdruck.

Tastobjekt 33/1957
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Tastobjekt 33/1957

Emil Schumacher

1957
28,5 × 25 cm
Weichfaserplatte mit Nägeln
Nachlass des Künstlers

Nur sechs Jahre liegen zwischen den Werken von Emil Schumacher und dem jüngeren Günther Uecker. Beide arbeiten mit Materialcollagen, doch wie anders ist die Zielsetzung dieser zwei Kunstwerke – wenngleich beide mit Nägeln arbeiten. Schumacher knüpft in seinen Tastobjekten der späten 1950er-Jahre an die aktuelle Entwicklung der Kunst nach 1945 an, in der Künstler:innen wie Lucio Fontana den vertrauten Rahmen der Malerei verlassen und ihre Arbeiten in den Raum erweitern. Schumacher experimentiert, sucht seinen Weg zur eigenen Bildsprache im Verhältnis von Raum und Objekt. Uecker nimmt sich den Fernseher vor, ein 1963 seltenes Luxusobjekt im Wohnzimmer – das ZDF ging als zweiter Sender erst in diesem Jahr auf Sendung. Er verwandelt ihn zum Störfaktor des Sehens. Es ist Ueckers Statement gegen das gelenkte Fernsehen und für das freie Sehen.

G-76/1986
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

G-76/1986

Emil Schumacher

1986
28 x 20,5 cm
Gouache (Mischtechnik) auf Skizzenblockpapier
Nachlass des Künstlers

Nachdem Emil Schumacher sich ab 1950 von der Gegenständlichkeit löste und fortan zunehmend der Abstraktion widmete, griff er Anfang der 1980er-Jahre wieder zunehmend auf gegenständliche Grundmotive wie Rad, Leiter, Tiere oder Figuren zurück. Es sind zumeist Motive, die bereits im Frühwerk des Künstlers angelegt sind und im Spätwerk in abstrahierter Form zurückkehren. Ein Beispiel ist diese Gouache Schumachers, die eine badende Frau zeigt und zugleich als Motiv während eines Urlaubs auf Ibiza zur Entspannung gezeichnet wurde. Anders als Schumacher, der sein Motiv in der ihm eigenen zeichnerischen Hand aus der Geste heraus visualisiert, entwickelte der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck seit 1910 eine ganz individuelle Formensprache für die menschliche Figur und die Seinszustände des Menschen.

Toldo
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Toldo

Emil Schumacher

1990
170 x 250 cm
Öl auf Holz
Nachlass des Künstlers

Karl Otto Götz und Emil Schumacher zählen in der Rückschau beide zu den wichtigsten Vertretern informeller Malerei. Auch wenn sich ihre Bilder deutlich voneinander unterscheiden, ist es doch der gestische Farbauftrag als grundlegender Bestandteil ihres künstlerischen Schaffens, der diese beiden Maler verbindet. Götz arbeitete auf einer mit Kleister vorbereiteten Leinwand, auf die er mithilfe eines Pinsels Farbe auftrug, um diese anschließend mit einer Rakel beinahe schleudernd auf der Bildfläche zu verteilen. Bewegung und Tempo in der Malerei des Einen, stehen der Arbeit mit Farbmaterie und ihren stofflichen Eigenschaften im Werk des Anderen gegenüber. In einer Interaktion von Linien und Farben, Formen und Strukturen entstand schließlich die abstrakte Komposition in Blau, Schwarz und Weiß.

Acheron
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Acheron

Emil Schumacher

1958
170 x 132 cm
Öl auf Leinwand
Erworben im Kunsthandel für das entstehende Museum 2000

Emil Schumachers Gemälde Acheron ist ein Hauptwerk des Malers aus dessen informellem Schaffen. Frei von jeder Bilderzählung experimentiert Schumacher vorrangig mit Farbe und Materialität. Vor bläulich-schwarzem Hintergrund tritt das hochoval geformte Bildzentrum in hellen Beige- und Ockertönen in den Vordergrund. Der Bildtitel eröffnet eine eigene Interpretationsebene. Der Acheron ist ein griechischer Fluss, der in der klassischen Mythologie zu den fünf Flüssen der Unterwelt zählt. Über ihn werden die Seelen der Toten zu Hades gebracht. So steht dieses abstrakte Werk Schumachers, durch seinen Titel dem Jenseits zugeordnet, im Gegensatz zu der von Kupka dargestellten Welt der Träume, in welcher der Künstler die Grenzen von Erfahrung, Wirklichkeit und Bewusstsein im Diesseits verbildlicht.

Paseo
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Paseo

Emil Schumacher

1999
170 × 250 cm
Öl auf Holz
Nachlass des Künstlers

Beinahe verschmelzen Figur und Landschaft in Wilhelm Morgners nachimpressionistischem Gemälde Der Mann auf dem Hügel. Eine übergroße männliche Figur sitzt auf einem Hügel. In der umgebenden weiten Landschaft ziehen bewegte Wolkenfelder über den Himmel. Die Bildkomponenten sind flächig zergliedert und teilweise durch schwarze Linien umgrenzt. Züngelnde Binnenzeichnungen für die Wolken kontrastieren mit gestrichelten oder schraffierten Flächen für die landschaftlichen Elemente und steigern die dramatische Dynamik der Komposition. Obwohl Emil Schumacher als abstrakter Maler Bekanntheit erlangte, finden sich in nahezu allen Schaffensphasen auch landschaftliche Strukturen. Paseo, das letzte großformatige Werk des Malers, zeigt eine bukolische Szene in abstrakt offener Landschaft.

Frau vor offenem Fenster
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Frau vor offenem Fenster

Emil Schumacher

1946
22 × 30 cm
Aquarell und Tempera
Nachlass des Künstlers

Zwar nicht in Hagen geboren, wie mehr als 60 Jahre später Emil Schumacher, arbeitete Christian Rohlfs bereits nach der Jahrhundertwende in der südwestfälischen Stadt, die ihren Aufstieg zur Großstadt einer ausgeprägten Industrialisierung verdankte. Rohlfs folgte dem Ruf des aus einer Industriellen- und Bankiersfamilie stammenden Museumsgründers Karl Ernst Osthaus und richtete 1901 sein Atelier in dem gerade in Hagen entstehenden Museum Folkwang ein. 1903 hielt der Maler ein postimpressionistisches Interieur des ein Jahr zuvor eröffneten Museums fest. Für Schumacher, dem Sohn eines Schlossers, war Rohlfs schon früh ein Vorbild, das ihm die Möglichkeit bewusst machte, später selbst einmal Künstler werden zu können. In der Atelierszene aus dem Jahr 1946 steht die Frau des Malers lesend im Zentrum.

5/1966
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

5/1966

Emil Schumacher

1966
64,5 x 49,7 cm auf 90 x 70 cm
Aquatinta und Prägedruck
Nachlass des Künstlers

László Maholy-Nagys Komposition A 17 entstand in seiner Zeit als Lehrer am Bauhaus, das für die Erneuerung der Künste steht. Komposition A 17 lässt wie eine Musikkomposition Elemente miteinander interagieren, geometrische Formen werden in Bewegung versetzt. Emil Schumachers Gouache kontrastiert 21 Jahre nach der Desillusionierung des Zweiten Weltkriegs Parallelwelten auf engem Raum: die malerische, düstere Aquatinta-Radierung umschließt die geprägte hell leuchtende Mitte des Blattes, die als Energiefeld das Blatt beherrscht und die Dunkelheit nach außen zu drängen scheint. Der rationalen Konstruktion von 1927, einer Zeit, die an den technischen Fortschritt und die menschliche Vernunft glaubte, steht das expressive Werk des Informels von 1966 gegenüber, als sich der Fortschrittsglaube der 20er-Jahre als Illusion herausgestellt hatte.

B-4/1970
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

B-4/1970

Emil Schumacher

1970
100 x 100 cm
Bleiobjekt
Nachlass des Künstlers

Nach einem genauen und für den Betrachtenden nachvollziehbaren Plan verarbeitet Peter Schwickerath den schweren Stahl zu seiner Außenskulptur Stahlschnitt, in der der ausgeschnittene Halbkreis gleichzeitig Bodenfläche des Bogens ist. Die Aussparung in der Bodenplatte für den Stand der Skulptur findet sich als Quadrat im Bogen wieder, den Betrachtenden gibt der Künstler die Möglichkeit, sich die Grundform als flache rechteckige Form wieder zu imaginieren, aus der die Skulptur durch die Hand des Künstlers entstanden ist. Ganz anders das Vorgehen bei Emil Schumacher, der dem schweren Material Blei in seiner Arbeit eine scheinbar leichte, fließende neue Struktur gibt und sie in sein Motiv des Bogens einschreibt. Nicht Festigkeit des Materials, sondern Bewegung und Veränderung sind hier das Thema.

G-21/1978
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

G-21/1978

Emil Schumacher

1978
87 x 66 cm
Gouache (Mischtechnik) mit collagierten krummen Nägeln
Nachlass des Künstlers

Gut eine Generation trennt Emil Schumacher von Helmut Bettenhausen, jedoch eine Generation, deren Erfahrungswelt unterschiedlicher nicht sein könnte – der eine bereits erwachsener Zeuge der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, der andere bei Kriegsende zehn Jahre alt und Zeuge des Auf- und Umbaus der Industrieregion Ruhr. Beiden gemein ist die tiefe Verwurzelung in ihrer Region, das Finden einer Bildsprache für ihr Erleben. Während Bettenhausen in seiner Arbeit klare Strukturen schafft, in denen das Material Thema und Aussage ist, erfahren die rostigen Nägel in Emil Schumachers Collage eine Metamorphose. Sie ordnen sich in kein System, sie bewegen sich frei über die Fläche und werden so zu einem neuen Bild fern ihrer früheren Funktion.

K-2/1978
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

K-2/1978

Emil Schumacher

1978
Höhe 59 cm
Terrakotta, von Schumacher bemalt
Nachlass des Künstlers

Der Konzeptkünstler, Bildhauer und Dissident Ai Weiwei hat für seine Arbeit Colored Vases 39 Tonvasen aus der Jungsteinzeit mit leuchtenden Industriefarben überzogen. Er verknüpft in diesem Werk Moderne und uralte chinesische Kultur, provoziert zugleich aber auch die Frage nach der Wahrung und der Bedeutung von Kulturgut für eine Gesellschaft. Emil Schumacher interessierte sich zeitlebens für andere Kulturen und verarbeitete die Eindrücke seiner Reisen. Für ihn war es jedoch wichtig, dass sein Werk keiner Ideologie verbunden ist. Im norditalienischen Cunardo arbeitete Emil Schumacher wiederholt mit den Keramikern Gianni und Giorgio Robustelli zusammen, in deren Werkstatt Ceramiche Ibis bereits Maler wie Lucio Fontana oder Alberto Burri gearbeitet hatten, die ihm künstlerisch sehr nahestanden.

Cayuna, Minnesota-Suite Nr. 9
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Cayuna, Minnesota-Suite Nr. 9

Emil Schumacher

1968
50 x 35 cm auf 58,5 x 42 cm (in Acryl-Objektrahmung)
Mischtechnik, Gouache und Acryl auf Packpapier, Collage
Nachlass des Künstlers

Die Minnesota-Suite entstand 1967/68, als Emil Schumacher an der Minneapolis School of Art in den USA lehrte. Durch einen Zufall – bei einem Spaziergang in Minneapolis flog Schumacher buchstäblich ein Bogen Packpapier entgegen – kam der Künstler dazu, mit den haptischen und plastischen Eigenschaften von Papier zu experimentieren. Eines der in Minneapolis gemalten Werke ist die aus zerknittertem Packpapier collagierte Gouache Cayuna. Trotz der geometrischen Grundfigur einer Raute betont die haptische Collagetechnik Schumachers den grundlegenden Unterschied zur analytischen Malereiauffassung von Josef Albers. Während Schumacher, inspiriert durch das Material selbst, aus der Hand heraus in einem Prozess aus Zufall und Reaktion arbeitete, steht die Malerei von Albers in Beziehung zur Konkreten Kunst.

Industriestrasse III
Emil Schumacher

Emil Schumacher Museum, Hagen

Industriestrasse III

Emil Schumacher

1946
26,8 × 35,5 cm
Aquarell
2007 im Kunsthandel für das entstehende Museum erworben

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs nach einer neuen Form suchend, arbeitete Schumacher zunächst an figürlichen Werken mit Stillleben, Landschaften und Szenen aus seinem persönlichen Lebensumfeld. Dabei orientierte der Maler sich in den Arbeiten dieser Zeit noch an expressionistischen Vorbildern. Auf im Studium Erlerntes zurückgreifend, ließ er sich nur zögerlich auf die Abstraktion ein und schuf erst 1951 das erste abstrakte Gemälde seines Œuvres. Eines der zuvor entstandenen Frühwerke ist die Industriestraße III von 1946, ein nächtlicher Straßenzug, mit zwei unbestimmten Figuren. Dieses atmosphärische Aquarell wird hier der mondänen Szene Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen des Expressionisten August Macke aus einer noch besseren Zeit unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg gegenübergestellt.

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Kunstmuseum Gelsenkirchen

Komposition A 17
Laszlo Moholy-Nagy

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Komposition A 17

Laszlo Moholy-Nagy

1927
96,5 × 117,0 × 6,5 cm
Tempera auf Leinwand
Erworben 1965

Die Komposition A 17 vereint zentrale Sammlungsschwerpunkte des Kunstmuseums Gelsenkirchen wie etwa die Konkrete Kunst und die Kinetik. Angelehnt an seine fotomechanischen Experimente stellte László Moholy-Nagy hier keine gegenständlichen Motive dar, sondern fokussierte auf die abstrakten, geometrischen Formen und deren Komposition. Durch ihre Anordnung auf der Leinwand und die Überschneidungen der Flächen suggerieren die Formen Bewegung und erinnern an Maschinenteile.

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Frugatti
Hermann Josef Kuhna

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Frugatti

Hermann Josef Kuhna

1996
130 × 150 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1997

Hermann Josef Kuhnas Werke sind der Auseinandersetzung mit Farbe gewidmet. In wechselnden koloristischen Grundkonstellationen entfaltet Kuhna eine in ihren Elementen atomisierte, funkelnde Farbfeldmalerei. Nicht auf einen Blick erfassbar, löst das Gemälde eine visuelle, pulsierende Rhythmik und Vibration aus. Frugatti besteht aus kleinteiligen Farbflecken, die wie ein Mosaik auf die Betrachter:innen wirken. Der Bezug von Kuhnas Farbfeldmalerei zu Ai Weiweis Coloured Vases stellt sich über die Farbkomposition ein. Die Installation Coloured Vases zeigt antike Vasen der Han Dynastie, die vom Künstler mit industriellen Farben verfremdet wurden. Die nun mehrheitlich pastelligen Farbtöne stellen eine Verbindung zu Kuhnas Arbeit her.

Lichtkinetisches Objekt Nr. 20
Werner Bauer

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Lichtkinetisches Objekt Nr. 20

Werner Bauer

1985
82,5 × 82,5 × 19 cm
Lichtquellen, Motor, Holz, Kunststoff, Acrylglas
Erworben 1986

Werner Bauers Lichtkinetisches Objekt Nr. 20 besteht aus 129 wabenförmig angeordneten, identischen Plexiglaskegeln in einem schwarzen Kasten. Dieser ist nach vorne durch eine Glasscheibe verschlossen. Angetrieben von einem Motor, bewegt sich im Objektkasten eine Lochplatte über einer Lichtquelle. So entsteht ein Lichtspiel, bei dem in einem ungleichmäßigen Rhythmus Lichtkreise erscheinen, sich verzerren und wieder verschwinden. Den Betrachter:innen bietet sich eine sich beständig verändernde Oberfläche bewegter Lichtkreise, deren Form sich zufällig und immer neu ergibt. Im Gegensatz dazu sind die organisch geformten Neon-Leuchtmittel in Keith Sonniers Tunnel of Tears fest installiert und erzeugen einen unveränderlichen Lichtraum.

Lichtobjekte
Ingeborg Haas

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Lichtobjekte

Ingeborg Haas

1995
je 148 × 34 × 34 cm
Holz, Glas, Spiegel, Lichtquellen, dreiteilig
Dauerleihgabe der Künstlerin seit 2011

Hinter drei Glasscheiben breiten sich kristalline Panoramen aus Lichtquellen und Spiegelglas aus. Mittels der verspiegelten Innenseiten erzeugt Ingeborg Haas in ihren Lichtobjekten nach allen Seiten endlos wirkende Räume. Der durch vielfache Spiegelungen entstehende Eindruck wird durch das kleine Format der Guck-Kästen und die physische Trennung zwischen Betrachter:innen und Spiegelraum noch verstärkt.  Es gibt keine Möglichkeit, die visuell verschwimmenden Grenzen des Raums haptisch zu begreifen. Auch Gianni Colombos Zoom Squares laden dazu ein, vollkommen in eine Lichtinstallation einzutauchen. Durch die Projektion von Lichtquadraten an Wände und Decke entsteht eine vielschichtige Rauminstallation, in der die Betrachter:innen Teil des Kunstwerks sind und von diesem vollständig umgeben werden.

Klangsäule
Peter Vogel

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Klangsäule

Peter Vogel

1980
248,5 × 45,5 × 45,5 cm
Metall, Widerstände, Fotozelle, Lautsprecher, Prozessoren
Erworben 1981

Peter Vogels Klangsäule ist eine über zwei Meter hohe kubische Metallstele, in derem Inneren Lautsprecher und andere Elektroteile verbaut wurden. Dabei ist der technische Aufbau der Skulptur offen einsehbar. Zentral ist der Klang des Objekts, der durch Interaktion ausgelöst wird: Denn das Werk reagiert auf Lichtveränderungen durch die Schatten der Betrachter:innen. Diese lösen die Elektronik aus und erzeugen Töne, die aus den Lautsprechern erklingen. Variiert die Länge des Lichteinfalls, so variiert auch die Klangfarbe und die Geschwindigkeit der Töne. Der Bezug zu den Arbeiten Studie Stiletto und Red Heels von Heiner Meyer ist rein assoziativ. Beide säulenartigen Objekte bestehen aus miteinander vernetzten Modulen.

Eigenform, Kreissegment schwarz
Anton Stankowski

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Eigenform, Kreissegment schwarz

Anton Stankowski

1988
50,3 × 49,8 × 2,5 cm
Holz, lackiert
Erworben 2002

Ab 1987 arbeitete Anton Stankowski an der Serie Eigenformen. Dabei handelt es sich um Bildobjekte aus bemalten, auf Holz aufgezogenen Leinwänden in geometrischen Formen. In Verbindung zu seinen angewandten Designs und seiner freien Malerei überträgt Stankowski das Zusammenspiel von Farbe und Form ins Plastische. Die reliefartigen Eigenformen sind nahezu von der Wand abgehoben und holen somit die Konkrete Kunst von der Bildfläche in den Raum. Als eine Weiterentwicklung dieser Bildobjekte lässt sich Peter Schwickeraths Stahlschnitt verstehen. Darin findet sich ebenfalls eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis verschiedener geometrischer Formen zueinander und zum umgebenden Raum. Durch die Kreuzung der zwei Stahlelemente wird darüber hinaus das Volumen verstärkt in den Fokus gesetzt.

Herbstlandschaft bei Davos
Ernst Ludwig Kirchner

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Herbstlandschaft bei Davos

Ernst Ludwig Kirchner

1936
100,5 × 96,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1960

Das expressionistische Gemälde Herbstlandschaft bei Davos von Ernst Ludwig Kirchner zeigt einen Ausblick auf die Stafelalp, einem häufig gewählten Motiv Kirchners, der ab 1917 in Davos lebte. Dominant ist der Orange-Grün-Kontrast der Herbstlandschaft. Übergroße Nadelbäume zur Linken stehen einer weiten Berglandschaft mit dem Kurhaus Clavadel auf der rechten Bildhälfte gegenüber. Die monumentale Wirkung der Natur wird durch die unten links dargestellten Personen verstärkt, die im Vergleich zu den massiven Bäumen und Bergketten klein wirken. Auch Gabriele Münter wählt in ihrem ebenfalls expressionistischen Gemälde Schneelandschaft bei Kochel die alpine Landschaft als Thema. Eine weite verschneite Fläche steht im Kontrast zu den rot gehaltenen Gebirgsmassiven und einem leuchtendblauen Himmel.

Électromagnétique
Takis (Vassilakis)

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Électromagnétique

Takis (Vassilakis)

1959
⌀ 16 × 55 cm
Korkkugel, Magnetstifte, Plexiglas, Elektromagnet
Erworben 1986

Bewegung ist das zentrale Thema von Takis installativer Arbeit Électromagnétique. Eine weiße Korkkugel hängt über einer schwarzen Plexiglasscheibe, auf der mittig ein Elektromagnet positioniert ist. Dieser wird in regelmäßigen Abständen ein- und ausgeschaltet. Durch die magnetische Wechselwirkung wird die Kugel, in welche acht Metallstifte eingelassen sind, in eine raumgreifende Pendelbewegung versetzt. So wird die unsichtbare Kraft des Magnetismus visuell greifbar. Der Aspekt der Bewegung verbindet Takis mit der Installation Zeit ist keine Autobahn – Basel von Michael Sailstorfer. Der an der Wand installierte Reifen dreht sich um die eigene Achse und nutzt sich durch die konstante Bewegung immer weiter ab, so dass sich über die Zeit die Form des Objektes verändert.

Umformer Nr. V
Wolfgang Liesen

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Umformer Nr. V

Wolfgang Liesen

1970
ca. 80 × 100 × 100
Holz, Blei, Stahl
Dauerleihgabe aus Privatbesitz seit 1997

Als Umformer beschreibt Wolfgang Liesen Werke, in denen ein Objekt massiv auf ein anderes einwirkt. Klingenartige Objekte durchstoßen im Umformer Nr. V eine aus vier gestaffelten Stahlquadraten bestehende Tischplatte. Die Quadrate werden durch Schnitte zu gewellten Bahnen aufgeworfen. Der zerstörerische Eingriff lässt so neue Formen und Ordnungen entstehen. Obwohl es sich um ein statisches Objekt handelt, werden im Spannungsfeld der Formen Bewegungsabläufe wahrnehmbar. Motivisch findet sich die Kombination von Tisch und Stahl auch im Aktions-Relikt Ohne Titel (Stahltisch) von Anatol Herzfeld. Hier wurde der Stahltisch mittels angebrachter Leuchten und Stahlbügel zu einem Kontrollinstrument umgestaltet, welches die Bewegung und Kommunikation der Perfomer:innen einschränkt.

Mädchen mit Strohhut im Birkenwald
Paula Modersohn-Becker

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Mädchen mit Strohhut im Birkenwald

Paula Modersohn-Becker

1903
88,5 × 68 cm
Öl auf Pappe
Erworben 1955

In gedeckten Farben malt Paula Modersohn-Becker ein Mädchen, das die Arme um einen Birkenstamm legt. Mädchen mit Strohhut im Birkenwald ist exemplarisch für das von ihr häufig gewählte Motiv der in die Natur eingebundenen Frauen und Mädchen. Hier spiegelt der Birkenwald das Umland der Künstlerkolonie Worpswede wider, wo Modersohn-Becker Überlegungen zum Farb- und Bildaufbau entwickelte: Aus dem Moment heraus wählt sie die Farben nach ihrem eigenen Empfinden. Die vereinfachten Darstellungen entsprechen nicht länger dem realen Motiv und machen Modersohn-Becker so zur Wegbereiterin des Expressionismus. In ihrer Nachfolge entsteht auch Wilhelm Morgners Gemälde Der Mann auf dem Hügel, dass sich hinsichtlich der Farben und abstrakten Formen noch deutlicher vom seinem Vorbild in der physischen Welt abgrenzt.

ohne Titel, Lichtobjekt (Hommage à Letto)
Walter Giers

Kunstmuseum Gelsenkirchen

ohne Titel, Lichtobjekt (Hommage à Letto)

Walter Giers

1975
75 × 75 × 6 cm
Acrylglas, Regler, Elektronik, Lichtquellen, Lautsprecher
Erworben 1980

Die Licht- und Klang-kinetische Arbeit o.T. Lichtobjekt (Hommage à Leto) von Walter Giers gibt seine Funktionsweise und Beschaffenheit vollumfänglich preis. In einem Acrylglaskasten befinden sich sichtbar eine Steuerelektronik, ein Lautsprecher, 15 Lichtleisten sowie zwei Regler. Durch die manuelle Bedienung der Regler kann die Lichtbewegung in den Leisten beschleunigt oder verlangsamt werden. Außerdem lässt sich die Lautstärke der erzeugten Töne verändern. Während Giers Lichtleisten an ein Testbild oder das Rauschen eines Fernsehers erinnern, arbeitet Günther Uecker mit einem tatsächlichen TV-Gerät. Dabei steht der Objektcharakter als Alltagsgegenstand mehr im Interesse des Künstlers als seine technische Beschaffenheit. Durch die Benagelung wird das Gerät seiner Funktion enthoben.

Gewächse (Komposition aus Maschinenteilen)
Hannah Höch

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Gewächse (Komposition aus Maschinenteilen)

Hannah Höch

1928
102,5 × 122 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1966

Die Arbeit Gewächse (Komposition aus Maschinenteilen) von Hannah Höch stellt in ihrem mehrheitlich von Materialcollagen geprägtem Werk eine Besonderheit dar. Höch scheint Elemente des Collagierens in das Ölgemälde zu überführen. Die Abbildung stellt unterschiedliche handwerkliche Gegenstände in einer überladen wirkenden Komposition zusammen. Das Arrangement lässt die technischen (Kleinst-)Teile wie eine farbenfrohe florale Darstellung wirken, die erst bei genauer Betrachtung ihren Inhalt verrät. Mit Kurt Schwitters und Hannah Höch begegnen sich zwei prägende Vertreter:innen des Dadaismus. Während Höchs Gemälde wesentliche Aspekte dieser Strömung einlöst, lässt sich Schwitters Ohne Titel (Landschaft und Hof Opherdicke) klar seinem expressionistischen Frühwerk zuordnen.

Jeunes femmes dans un parc
Theo van Rysselberghe

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Jeunes femmes dans un parc

Theo van Rysselberghe

1904/06
83 × 112,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1962

Aus kleinen regelmäßigen Farbtupfen setzt sich Theo van Rysselberghes Jeunes femmes dans un parc zu einem leuchtenden Gemälde zusammen. Dieser Stil entspricht dem flämischen Pointillismus, einer Ende des 19. Jahrhunderts neu entwickelten Maltechnik. Die einzelnen farbigen Punkte lassen erst mit einer gewissen Entfernung den endgültigen Farbeindruck im Auge der Betrachter:innen entstehen. Dies geschieht durch eine optische Verschmelzung der Flächen und durch additive Farbmischung. Van Rysselberghe gilt heute als einer der wichtigsten Vertreter des Pointillismus. Christian Rohlfs ist hingegen vor allem für seine expressionistischen und impressionistischen Werke bekannt. Seine pointillistischen Arbeiten wie das Interieur des Museum Folkwang werden eher als Experimente verstanden.

Vivace con brio
Thomas Grochowiak

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Vivace con brio

Thomas Grochowiak

1993
121 × 171 cm
Tusche auf Karton
Schenkung des Künstlers 2004

Leuchtende Farben und ein dynamischer Farbauftrag kennzeichnen Thomas Grochowiaks Vivace con brio. Dabei nimmt Grochowiak Bezug auf das Klavierkonzert G-Dur von Maurice Ravel und auf die darin enthaltene musikalische Notation, lebhaft und temperamentvoll zu spielen. Dies übersetzt er in eine expressive Abstraktion und überträgt das akustische Hörerlebnis in eine gestische Bildkomposition. Während Grochowiak sich malerisch mit der Musik auseinandersetzt, dient Emil Schumacher ein Naturereignis als Referenz für seine informelle Malerei. So bezieht sich Pinatubo auf den Ausbruch des gleichnamigen Vulkans auf den Philippinen. Mit Grochowiak und Schumacher treffen zwei Vertreter des Informel und Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen aufeinander.

Bruchstücke eines Traumes
Hubert Berke

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Bruchstücke eines Traumes

Hubert Berke

1946
27,2 × 37,4 cm,
Kreidezeichnung
Erworben 1952

Hubert Berkes Bruchstücke eines Traumes zeichnet sich in der unteren Bildhälfte durch abstrahierte, organische und tierhaft wirkende Formen vor einem grünlichen Hintergrund aus. Dem gegenüber heben sich im oberen Bildbereich menschlich anmutende Darstellungen vor einem bräunlichen Hintergrund ab. Die diffusen, figürlichen Formen zeigen eine Nähe zu Berkes Lehrer Paul Klee, wirken jedoch nahezu bedrohlich. Der Titel legt nahe, dass es sich um die Darstellung eines Albtraums handelt. In Werner Gilles Nach der Bombennacht begegnen den Betrachter:innen ebenfalls abstrakte Formen, wenngleich klarer strukturiert und in leuchtenden Farben. Beide Künstler verarbeiten in der ihnen eigenen Bildsprache zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs.

Kaufhausobjekt Serienschalter
Rolf Glasmeier

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Kaufhausobjekt Serienschalter

Rolf Glasmeier

1968
38,2 × 32,7 × 6,5 cm
Holz, Lichtschalter
Erworben 1968

Kaufhausobjekt Serienschalter von Rolf Glasmeier ist Teil eines frühen Werkzyklus, in dem er seriell gefertigte Konsumgüter als künstlerisches Material einsetzte. In diesem Fall handelt es sich um 50 weiße Lichtschalter, die auf eine Holzbox gesetzt sind. So entwickelt Glasmeier aus etwas Alltäglichem ein partizipatives Kunstwerk, das es den Betrachter:innen ermöglicht, aus ihrer Passivität herauszutreten. Durch die Betätigung der Schalter entstehen unterschiedliche Muster. Von Serialität, Rhythmus und Mustern ist auch die Arbeit Helmut Bettenhausens geprägt, der so wie Glasmeier Mitbegründer der Künstlergruppe b1 war. Ein Ziel der Gruppe war ab Ende der 1960er-Jahre die künstlerische Umgestaltung der industriell geprägten Landschaft des Ruhrgebiets – was in den zahlreichen künstlerischen Landmarken der Region bis heute nachhallt.

Le grand Siècle
René Magritte

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Le grand Siècle

René Magritte

1954
50 × 60 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1975 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen

Zwei gegensätzliche Bildwelten führen in René Magrittes Le grand Siécle zu Irritationen. Ein von Baumreihen gesäumter Rasen und eine dahinterstehende Hausfront bilden eine kompositorische wie inhaltliche Einheit. Entgegen der Erwartung befindet sich über der Landschaft jedoch eine Kassettendecke anstelle des Himmels. Im Vordergrund steht eine männliche Rückenfigur mit schwarzer Melone und schwarzem Mantel. Magrittes Darstellung folgt in der Kontrastierung von Gegensätzlichem – hier Innen und Außen – seiner Idee des Surrealismus. Der Bezug zu August Mackes expressionistischem Werk stellt sich nicht nur über die motivische Korrespondenz einer Rückenfigur ein. Auch Mackes weibliche Figur mit Hut verweist auf einen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit und die innere Vorstellungswelt des Künstlers.

Vache et fleurs
Karel Apell

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Vache et fleurs

Karel Apell

1954
112,5 × 143 × 4 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1965

Scheinbar willkürlich sind unterschiedlich breite Ölfarbschnüre und Farbfelder über die Leinwand verteilt. In Karel Appels Vache et fleurs manifestiert sich durch einen experimentellen, stark pastosen Farbauftrag eine abstrakte Malerei in teils leuchtenden Farben. Die aus den Tuben gedrückten Farbschnüre und erhabenen Farbfelder drängen plastisch aus der Bildfläche in den Raum. Allerdings handelt es sich bei dem Gemälde nicht um eine gänzlich gegenstandslose Abstraktion. So weist der Titel auf die Darstellung einer Kuh und Blumen hin, die sich verzerrt vor dem schwarzen Hintergrund abheben. Die abstrahierte Darstellung und die Farbexperimente verbinden Appel mit Karl Otto Götz, der Appels abstrakte Experimente in eine vollkommene gestische und gegenstandslose Malerei überführt.

Junge Frau am See (Anni in Hosen)
Carl Barth

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Junge Frau am See (Anni in Hosen)

Carl Barth

1952
190 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1956

Das zentrale Motiv von Wilhelm Lehmbrucks Große Sinnende und Carl Barths Junge Frau am See (Anni in Hosen) ist die weibliche Figur. Die lebensgroße Gestalt füllt in dem Gemälde von Carl Barth nahezu das gesamte Bildformat. Ihre Kleidung erinnert an eine Uniform und unterstreicht die androgyne, moderne Wirkung der Figur. Angelehnt an den Stil der 1920er und 30er Jahre ist sie Ausdruck eines neuen Frauentypus, der sich mit dem Wandel gängiger Geschlechterbilder und –rollen vollzieht und in der Mode sichtbar wird. Auch Lehmbrucks Aktdarstellung erscheint als Typus einer neuen Weiblichkeit. In der Reduzierung auf wesentliche Körpermerkmale und übersteigerten Proportionen konzentriert sich der Künstler jedoch eher darauf, die innere Anschauung und geistige Bewegung zu veranschaulichen.

Physichromie Nr. 418
Carlos Cruz-Diez

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Physichromie Nr. 418

Carlos Cruz-Diez

1968
61,5 × 242 × 6 cm
Kunststoff, Kunststofflamellen, Holzstreifen
Erworben 1979

Carlos Cruz-Diez‘ künstlerischer Schwerpunkt liegt in der Erforschung von Farben und ihrer Wechselwirkung mit Licht und Bewegung. Physichromie Nr. 418 besteht aus nebeneinander angeordneten, durch Kunststofflamellen getrennten Farbfeldern. Durch die Bewegung der Betrachter:innen vor dem Objekt, werden hieraus unterschiedlich farbige Kreise sichtbar, die ineinander zu greifen scheinen. Es kommt zu einer visuellen Mischung der Farbfelder. Die Farbe ist das verbindende Element zwischen Cruz-Diez und Josef Albers. Josef Albers experimentierte als Vertreter der konkreten Kunst mit Farben und Formen und deren Wirkung auf die Wahrnehmung. Diese Experimente sind ein wesentlicher Bezugspunkt für die Vertreter:innen der Op-Art, wie beispielsweise Cruz-Diez.

Kuss in Liebe
Karl Schmidt-Rottluff

Kunstmuseum Gelsenkirchen

Kuss in Liebe

Karl Schmidt-Rottluff

1918
63 × 48 cm
Holzschnitt auf Papier
Erworben 1958

Karl Schmidt-Rottluffs Kuss in Liebe ist exemplarisch für das grafische Schaffen der Brücke-Künstler. So findet der Holzschnitt als Medium bereits seit 1905 vielfach Verwendung und zeichnet sich durch kantige Formen, die Reduzierung auf Linien und Flächen sowie starke Konturen aus. Diese Formsprache und die vereinfacht dargestellten Strukturen sind Ausdruck des expressionistischen Stils und lenken hier das Augenmerk auf die innige Berührung und den Kuss eines Paars. Der unmittelbar intime Austausch und Schmidt-Rottluffs nahezu rohe Darstellungsweise stehen im Kontrast zu Frantisek Kupkas übersinnlichem Gemälde Le rêve. Bei Letzterem scheint es sich um eine Traumdarstellung zu handeln, in der die dargestellten Personen sich weniger direkt, sondern eher auf einer Meta-Ebene verbinden.

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Museum Folkwang, Essen

Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen
August Macke

Museum Folkwang, Essen

Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen

August Macke

1914
60,5 x 50,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1920 für das Kunstmuseum Essen, seit 1922 Museum Folkwang, beschlagnahmt 1937, wiedererworben 1953 mit Mitteln der Stadt Essen

Wie August Mackes Schaufensterauslage lassen sich die Kunstwerke des Museum Folkwang dank der transparenten Museumsarchitektur von der Straße aus betrachten. Expressionismus war bereits früh ein Sammlungsschwerpunkt des Museums. Sammlungsgründer Karl Ernst Osthaus förderte auch den Austausch mit französischen Künstlern, wie Robert Delaunay, dessen Fensterbildern Macke Anregungen für seine Bildsprache verdankt, und interessierte sich für die Warenwelt und Konsumkultur, wie sie in dieser städtischen Szene präsentiert werden. Auch die weitere Geschichte der Sammlung lässt sich an dem Bild ablesen: Erworben 1920 für das Kunstmuseum Essen wurde es 1937 in der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und 1953 wiedererworben.

Museum Folkwang, Essen

White Painting
Sam Francis

Museum Folkwang, Essen

White Painting

Sam Francis

1952
101,5 × 78,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1970 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Folkwang-Museumsvereins

Dynamische Pinselführung, expressive Farbigkeit und experimenteller Umgang mit Farbe charakterisieren Emil Schumachers Bildsprache. Pinatubo wurde nach dem gleichnamigen Vulkan auf den Philippinen benannt, der 1991 ausbrach. Das Werk referiert auf dieses Ereignis in kräftigen Rot- und Schwarztönen mit weißen Akzentuierungen. Sam Francis‘ White Painting von 1952 wirkt im Kontrast fast farblos. Francis reduzierte in seinen weißen Bildern zu Beginn der 1950er-Jahre die Farbe auf ein Minimum, indem er sie dünnflüssig in biomorphen Formen auf die Leinwand auftrug. Gleichzeitig verband Sam Francis mit Farbe das Feuer, also höchste Energie. So lässt das White Painting ähnliche Assoziationen zu wie Schumachers Werk: Weiß glühende Lava, die in der großen Hitze geschmolzene Steine mit sich reißt.

Drei Bäume
Peter Keetman

Museum Folkwang, Essen

Drei Bäume

Peter Keetman

1951
23,2 x 17,2 cm
Silbergelatineabzug

Die Entwicklung der westdeutschen Nachkriegsfotografie wurde maßgeblich von der 1949 gegründeten Künstlergruppe fotoform bestimmt. Vorrangiges Ziel der Gruppierung war die Etablierung einer Fotografie als Ausdruck künstlerisch-experimenteller Subjektivität. So verfolgt auch Peter Keetmanns Arbeit Drei Bäume nicht den Anspruch, die Wirklichkeit objektiv zu reproduzieren. Er verkehrt das Sujet in seiner Landschaftsaufnahme ins Negative und lässt so die kahlen Bäume am Wegesrand wie geisterhafte Erscheinungen wirken. Dieses Spiel mit der Belichtung weist Parallelen zur Lichtinstallation Zoom Squares des italienischen Künstlers Gianni Colombo auf, in der die hellen Projektionen von fünf Diaprojektoren in einem dunklen Raum zum Kunstwerk werden.

Love Wall
Robert Indiana

Museum Folkwang, Essen

Love Wall

Robert Indiana

1967
Bildmaß 50 x 50 cm, Blattmaß 65 x 50 cm
Blatt 1 eines Siebdrucks aus vier Blättern

Rote High Heels, wie sie der deutsche Pop Art-Künstler Heiner Meyer in seinem Werk zu einer monumentalen Stahl-Skulptur stapelt, werden oft als Sinnbild femininer Erotik fetischisiert. In Robert Indianas Love Wall ist die Erotik nur ein möglicher Aspekt der Liebe. Ursprünglich 1964 als private Weihnachtskarte entworfen und ein Jahr darauf vom Museum of Modern Art als Postkarte vertrieben, lässt sich mit den leuchtend roten Buchstaben ebenso göttliche Liebe assoziieren, die ein zentrales Motiv in Indianas streng christlicher Erziehung war, wie die romantische Liebe zu seinem damaligen Partner, dem Maler Ellsworth Kelly. Indiana übertrug sein ikonisches Werk vielfach in andere Techniken, wie hier in einen großformatigen Siebdruck, und realisierte es ebenso wie Meyers Stilettos auch als großformatige Skulptur im öffentlichen Raum.

University of Disaster. Air
Radenko Milak

Museum Folkwang, Essen

University of Disaster. Air

Radenko Milak

2017
Blattmaß 200 x 140 cm
Aquarell auf Papier auf Dibond
Erworben 2018 mit Mitteln der Stadt Essen

Der deutsche Maler Werner Gilles hatte zwei Weltkriege als Soldat miterlebt, bevor er 1950 die Auswirkungen eines Luftangriffs in seinem starkfarbigen Gemälde festhielt. Der bosnische Künstler Radenko Milak widmet sich in seiner vierteiligen Serie University of Disaster den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer und ihrer Gefährdung oder aber ihrem zerstörerischen Potenzial. Als Ausgangspunkt seiner großformatigen Aquarellzeichnungen nutzt Milak Pressebilder und ruft so Erinnerungen in unserem kulturellen Gedächtnis wach. In diesem Blatt kombiniert er detailgenau wiedergegebene Luftaufnahmen fliehender Menschen und tiefschwarze Flächen, Landkarten und eine handgeschriebene chemische Formel zu einer komplexen Darstellung des Atombombenabwurfs auf Hiroshima.

Silberrotor
Heinz Mack

Museum Folkwang, Essen

Silberrotor

Heinz Mack

1963
143,5 x 143 x 41 cm
Plexiglas, Aluminium und Elektromotor
Erworben 1971 mit Mitteln der Stadt Essen

Die Arbeiten von Heinz Mack und Christian Rohlfs beschäftigen sich beide mit der Darstellung von Licht und seiner Wirkung in Museumsräumen. Rohlfs nutzt in seinem Gemälde ein pointillistisches Punkteraster, um das Interieur des Museum Folkwang in Hagen von warmem Licht durchflutet erscheinen zu lassen. Macks kinetisches Objekt erzeugt ähnlich flirrende Lichtreflexe auf mechanische Weise: Er lässt mit Hilfe eines Elektromotors eine runde Aluminiumscheibe hinter einer geriffelten Plexiglasplatte rotieren. So bleibt das Spiel mit dem Licht nicht auf eine Bildfläche beschränkt, sondern bezieht den realen Ausstellungsraum mit ein. Als Mitbegründer der Künstlergruppe ZERO setzte Mack in der Nachkriegszeit auf einen Neuanfang und brachte Licht, Bewegung und Zeit als immaterielle Elemente in die Kunst ein.

Basra Gate III
Frank Stella

Museum Folkwang, Essen

Basra Gate III

Frank Stella

1969
240 x 450 cm
Acryl auf Leinwand
Erworben 1969 mit Unterstützung des Folkwang-Museumsvereins

Frank Stellas halbkreisförmige Leinwand scheint genau in die Aussparung zu passen, die Peter Schwickeraths monumentale Stahlskulptur freilässt. Beide Arbeiten greifen auf architektonische Elemente zurück: Während Schwickeraths Stahlschnitt wie ein freistehendes Tor die umgebende Landschaft rahmt und zum Bild werden lässt, bezieht sich Stellas Gemälde mit dem Titel Basra Gate auf ein antikes Stadttor der irakischen Hauptstadt Bagdad. Der US-amerikanische Maler benannte jedes der als shaped canvases angelegten Gemälde seiner nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten konstruierten Protractor-Serie nach Orten und Bauwerken, in der Türkei, Syrien und dem Iran. Die Symmetrie der fächerförmig angeordneten Farbfelder in Stellas abstrakter Komposition erinnert an Ornamente islamischer Kunst, die er auf einer Reise in den Iran 1963 schätzen lernte.

Herbstabend im Moor
Otto Modersohn

Museum Folkwang, Essen

Herbstabend im Moor

Otto Modersohn

um 1904
107,5 x 125 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1906 für das Kunstmuseum Essen, seit 1922 Museum Folkwang

Kurt Schwitters verbrachte 1915/16 einige Wochen in Westfalen und malte daraufhin diese Ansicht des Hofs Opherdicke unter rosigem Abendhimmel. Während Schwitters sich kurz nach der Entstehung dieses Gemäldes der Abstraktion zuwandte, war Otto Modersohn sein Leben lang ein Landschaftsmaler. Inspiriert von der Plein-Air-Malerei der französischen Schule von Barbizon hatte er sich von seiner Ausbildung an der Kunstakademie abgewandt, um von der Natur zu lernen. Als Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede lebte er viele Jahre dort sowie im angrenzenden Dorf Fischerhude, und die dortige Moorlandschaft war eines seiner bevorzugten Bildthemen. Hier zeigt er neben Birken und reetgedeckten Häusern unter einem trüben graublauen Himmel eine Frau mit Kind, die im Moor arbeitet.

Wolken
Gerhard Richter

Museum Folkwang, Essen

Wolken

Gerhard Richter

1969
Bildmaß 45,2 x 40 cm, Blattmaß 55 x 50cm
Offsetdruck in Schwarz nach eigenen Fotografien
Erworben 1971

Die Wolken sind nicht das Hauptmotiv in Wilhelm Morgners Gemälde. Doch ihre gekräuselten gelben und grünen Linien verbinden sich mit den dünnen bunten Pinselstrichen des Heuhaufens und den unruhigen roten Streifen der Felder zu einer spannungsgeladenen Landschaft, in der Mensch und Umwelt vor Energie zu vibrieren scheinen. Auch in Gerhard Richters Offsetdruck sorgt die Anordnung der Wetterphänomene für Orientierungslosigkeit. Der Künstler beschäftigte sich in Fotomontagen mit Wolken und Wellen, wobei er mal den Himmel durch eine zweite gespiegelte Wasseroberfläche ersetzte, mal wie hier den Boden durch eine umgedrehte Wolkendecke. Hier kombinierte er zwei Fotografien zu einer verwirrenden, surrealen Situation. Aus der fotografischen Momentaufnahme eines flüchtigen Wetterphänomens wird so eine Reflexion über die Möglichkeiten des Mediums.

You are Leaving the American Sector
Wolf Vostell

Museum Folkwang, Essen

You are Leaving the American Sector

Wolf Vostell

1964
123 x 451,5 cm
Sprühdosenfarbe auf Siebdruck auf Leinwandfoto
Erworben 1994 mit Unterstützung des Folkwang-Museumsvereins

Wolf Vostells Arbeit entstand drei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer und thematisiert die Teilung Deutschlands, Karl Otto Götz malte sein Bild ein Jahr nach der Wiedervereinigung. Vostell benennt sein Bild nach der Hinweistafel am Checkpoint Charlie. Er kombiniert Fotos von Straßenschildern, Panzern und Stacheldraht, Grenzsoldaten und Politikern zu einer gedruckten Collage, die er anschließend mit Pinsel und Sprühfarbe regelrecht attackiert. Während Vostell die Bildsprache des Kalten Krieges medienkritisch reflektiert, gestaltet Götz sein Gemälde deutlich abstrakter. In heftigen Malgesten mit Pinsel und Rakel aufgetragen, verbildlichen schwarze, weiße und blaue Farbwirbel Bewegung und Aufruhr, den Zusammenprall zweier Kräfte. Auch der französischsprachige Titel „Verbindung“ nimmt nur mittelbar auf die deutsche Wiedervereinigung Bezug.

Vorfrühling in Füssen (Füssen V)
Alexej von Jawlensky

Museum Folkwang, Essen

Vorfrühling in Füssen (Füssen V)

Alexej von Jawlensky

1905
37 x 49,6 cm
Öl auf Pappe
Schenkung 1989 als Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung

Zwischen den winterlichen Berglandschaften von Alexej von Jawlensky und Gabriele Münter liegen nur wenige Jahre. Der russischstämmige Maler Jawlensky verbrachte das Jahr 1905 in und um Füssen, wo er mehrere Bilder der umliegenden Landschaft anfertigte. Noch lassen sich Einflüsse des Neo-Impressionismus auf seine Malweise erkennen. So zeugt vor allem das die Szenerie einrahmende Blattwerk vom Vorbild Vincent van Goghs. 1908 zogen Münter und Jawlensky mit ihren jeweiligen Partner:innen Wassily Kandinsky und Marianne von Werefkin von München ins oberbayerische Murnau. Dort schufen sie zahlreiche Gemälde, die sich auf subjektive Weise der kontemplativen Wahrnehmung von Natur widmen, so auch Münters farbintensive Landschaftsdarstellung.

Lil Laughing, Swamscott, MA
Nan Goldin

Museum Folkwang, Essen

Lil Laughing, Swamscott, MA

Nan Goldin

1996
ca. 72 x 101,6 cm
Cibachrome, Vintage Print
Erworben 1999 mit Mitteln der Stadt Essen

Nan Goldin gewährt in ihren Fotografien tiefe, ungefilterte Einblicke in ihr Lebensumfeld. In diesem Bild ist es ihre Mutter Lillian, die sie in einem kleinen Zimmer auf der Bettkante sitzend porträtiert. Obwohl das Werk den Titel Lil Laughing trägt, ist der Gemütszustand der älteren Frau nicht eindeutig zu fassen. In den Händen knetet sie Stressbälle, und auch ihr Gesichtsausdruck wirkt emotional aufgewühlt, als könnte sich ihr rot geschminkter Mund jeden Moment von unbändigem Lachen in lautes Weinen oder einen Wutschrei verziehen. Ähnliche Gegensätze finden sich auch in Keith Sonniers Lichtinstallation Tunnel of Tears. Hier erzeugen rote und blaue Neonröhren eine Spannung zwischen Wärme und Kälte, positiven und negativen Emotionen, Tränen der Freude, der Trauer oder des Zorns.

Hat das / Auto eine / Zukunft?
Günther Kieser

Museum Folkwang, Essen

Hat das / Auto eine / Zukunft?

Günther Kieser

1973
119 x 84 cm
Offsetdruck
Altbestand

Michael Sailstorfers Installation Zeit ist keine Autobahn führt das Prinzip motorisierter Fortbewegung ins Absurde. An die Wand montiert legt der motorbetriebene Autoreifen keine Strecke zurück, sondern produziert lediglich einen Abrieb des Materials, der sich auf dem Fußboden ansammelt. Auch Günther Kiesers Plakat nimmt eine kritische Perspektive auf das Auto als Fortbewegungsmittel ein. In den Siebzigerjahren für eine Podiumsdiskussion der Frankfurter Rundschau mit Vertretern des Verbandes der deutschen Automobilindustrie entworfen, ersetzt es die permanente aber ziellose Bewegung in Sailstorfers Arbeit durch Stillstand. Die zu einem Fragezeichen formierten Autos lassen Assoziationen zu Stau und zugeparkten Innenstädten aufkommen und scheinen so die Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Autos vorwegzunehmen.

Laptop/Screensaver
Adrian Sauer

Museum Folkwang, Essen

Laptop/Screensaver

Adrian Sauer

2011
25:52 min Loop
HD-Video
Erworben 2011 mit Mitteln der Stadt Essen

Die Arbeiten von Günther Uecker und Adrian Sauer eint die Verwendung technischer Geräte als Gegenstände ihrer Kunst. Beide Künstler verwenden typische Medien ihrer Zeit, die sie ihrer Funktion berauben: Statt ein Bild zu zeigen, wird Ueckers Fernseher auf dem Couchtisch der Sechzigerjahre durch die für seine Kunstwerke typischen Nägel zum Kunstobjekt verfremdet. Auch Adrian Sauer verweigert den Blick auf den Bildschirm des von ihm verwendeten Laptops. Die Arbeit Laptop/Screensaver zeigt in einem etwa 26-minütigen Loop lediglich die Reflexion des Bildschirmschoners auf der Tastatur des halb zugeklappten Gerätes. Während Bildschirmschoner in den 1980er- und 1990er-Jahren das Einbrennen des angezeigten Bildes verhindern sollten, haben sie heute nur im Hinblick auf Ästhetik und Datenschutz eine Bedeutung, die Adrian Sauer sich zunutze macht.

 

Ohne Titel
Anke Röhrscheid

Museum Folkwang, Essen

Ohne Titel

Anke Röhrscheid

2019
210 x 155 cm
Aquarell auf Büttenpapier
Schenkung 2020

Formatfüllend wirken die beiden Arbeiten von Helmut Bettenhausen und Anke Röhrscheid wie Ausschnitte aus der Wirklichkeit. Vielleicht liegt es an seiner Verbindung zum Ruhrgebiet, dass Bettenhausens Kunstwerke oft an industrielle Materialien und Fertigungsweisen erinnern – so auch bei dieser Konstruktiven Struktur gleichmäßig angeordneter reliefartiger Punkte. Anke Röhrscheids Werk hingegen ist ein überaus untypisches Aquarell, und das nicht nur aufgrund seiner Größe von über zwei Mal anderthalb Metern. Statt die Farbe lasierend auf das Papier aufzutragen, bedeckt sie es mit mehreren übereinander liegenden Schichten und legt dann einzelne Partien mit Wasser wieder frei. So wirkt die Struktur in diesem monochromen Bild anders als bei Bettenhausen nicht konstruiert, sondern vorgefunden, wie ein Blick ins Weltall oder durch ein Mikroskop.

MER Fahrplan (Reklameentwurf)
Grete Stern

Museum Folkwang, Essen

MER Fahrplan (Reklameentwurf)

Grete Stern

1926
23,5 x 17 cm
Silbergelantineabzug und Offsetdruck, Unikat, Fotokollage,
Erworben 1993 mit Unterstützung der Eugen und Agnes von Waldthausen Platzhoff Museumsstiftung, Essen und des Landes Nordrhein-Westfalen

Grete Stern arbeitete vor ihrer Emigration nach Südamerika als Werbegrafikerin und besuchte Fotografieseminare am Bauhaus, wo László Moholy-Nagy einige Jahre zuvor gelehrt hatte. Doch es ist nicht nur die biografische Parallele, die Sterns Reklameentwurf MER Fahrplan mit Moholy-Nagys Komposition A 17 verbindet. Beide Arbeiten bestehen aus geometrischen Formen. Während Moholy-Nagy diese in malerischen Experimenten zu Überlagerung und Transparenz kombiniert, ordnet Stern in Form von Rechtecken und Kreisen ausgeschnittene Fahrkarten, Stadtpläne und Millimeterpapier zu einer Figur an. Diese wirkt durch die Montage einerseits technisch, durch die diagonale Anordnung der Achsen andererseits dynamisch und verweist so auf die Effizienz des modernen Verkehrsmittels.

Ksi
Morris Louis

Museum Folkwang, Essen

Ksi

Morris Louis

1960/61
264 x 438 cm
Acryl auf Leinwand
Erworben 1969 mit Unterstützung des Folkwang-Museumsvereins

Nach einem Besuch im Atelier der Malerin Helen Frankenthaler entwickelte Morris Louis Mitte der 1950er Jahre beeindruckt von ihrer Soak Stain-Technik seine eigene abstrakt-experimentelle Farbmalerei weiter. Die Arbeit Ksi gehört zu seiner Reihe der Unfurled Paintings. Sie alle sind nach Buchstaben aus dem griechischen Alphabet benannt und bestehen aus großformatigen Flächen ungrundierter Leinwand, an deren Rändern der Künstler verdünnte Acrylfarbe herunterlaufen ließ. Die Farbverläufe rahmen die leere Mitte des Bildes ein und sickern in die Oberfläche. Während Louis in seiner Arbeit künstlerische Fragestellungen beschäftigten, wird die malerische Geste bei dem chinesischen Künstler Ai Weiwei zum politischem Statement: Er taucht wertvolle antike Vasen in Industriefarbe, um gegen die Missachtung jahrtausendealter Tradition zu protestieren.

The Potential of Being
Eliza Douglas

Museum Folkwang, Essen

The Potential of Being

Eliza Douglas

2017
210 x 180,4 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 2017 mit Mitteln der Stadt Essen

Wilhelm Lehmbrucks Große Sinnende ist überlebensgroß. Mit der Verschränkung und Verlängerung der Glieder gelingt es dem Bildhauer, die Figur nachdenklich und in sich gekehrt wirken zu lassen und in der plastischen Darstellung des Körpers den Fokus auf das Geistige zu legen. Eliza Douglas steigert in ihrem Gemälde die Melancholie in Lehmbrucks Figur zu einem Ausdruck der Isolation und Entfremdung. Sie beauftragt andere Maler:innen mit der naturalistischen Darstellung von Händen und Füßen und verfremdet diese durch Überarbeitungen. Dabei zieht sie ähnlich wie Lehmbruck die Körperteile in die Länge. Die fragmentierten Füße scheinen ins Leere zu treten und heben die Abwesenheit des Körpers hervor. Douglas gibt ihrer Arbeit einen poetischen Titel und verortet ihre Bildfigur, anders als Lehmbruck, durch die Wahl der Schuhe in der Gegenwart.

Kaffeetisch
Ernst Ludwig Kirchner

Museum Folkwang, Essen

Kaffeetisch

Ernst Ludwig Kirchner

1923/24
119 x 120 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1948 mit Unterstützung der Stadt Essen

Der Stahltisch mit drei Stühlen ist ein Relikt einer Fluxus-Aktion, die der Bildhauer und Performance-Künstler Anatol Herzfeld zusammen mit Joseph Beuys inszenierte. Drei gefesselten Beuys-Schülern wurde über ein von Anatol gesteuertes Schaltpult durch rote und grüne Lampen der Befehl zum Sprechen oder Schweigen erteilt. In Ernst Ludwig Kirchners Gemälde sind allenfalls die Kinder durch soziale Konventionen an den Tisch gebunden. Das kleinere der beiden scheint sich beim Besuch bei dem Maler und seiner Frau Erna zu langweilen. Der gelernte Schmied Anatol stellte den Tisch als Requisite für Beuys‘ Aktion her. Kirchner schuf Einrichtungsgegenstände für seinen Haushalt, um so die Kunst ins Leben zu integrieren. So fertigte er auch die im Bild dargestellte Sitzbank mit geschnitztem Figurenrelief sowie den Stuhl, auf dem der Künstler sitzt.

Untitled (to Jean-Christophe)
Dan Flavin

Museum Folkwang, Essen

Untitled (to Jean-Christophe)

Dan Flavin

1970
124 x 32 cm
Leuchtstoffröhren, floureszierend
Erworben 1997 mit Unterstützung der Eugen-und-Agnes-von-Waldthausen-Platzhoff-Museums-Stiftung

Josef Albers studierte über Jahrzehnte die Wechselwirkungen von Farben. Auch in Dan Flavins Lichtskulptur gehen die Farben ein interessantes Zusammenspiel ein: Vier vertikale Leuchtstoffröhren in Pink, Grün, Blau und Rot strahlen in die leeren Zwischenräume und den Umraum aus, wo sich ihre Farben zu Orange, Gelb, Türkis und Violett mischen. Die profanen, industriell gefertigten Röhren bringen ein erhabenes Leuchten hervor. Auch Albers hatte als Gestalter von Kirchenfenstern und Werkmeister für Glasmalerei am Bauhaus bereits mit der immateriellen Farbigkeit von Licht experimentiert. Flavin widmete seine leuchtenden Wandarbeiten oft Bekannten – hier dem Sohn seines Galeristen. So stellt er der Verwendung alltäglicher Massenprodukte persönliche Bezüge gegenüber, ähnlich wie Albers seinen Farbstudien oft assoziative und poetische Titel gab.

Sueño Nº 7, Buenos Aires
Grete Stern

Museum Folkwang, Essen

Sueño Nº 7, Buenos Aires

Grete Stern

1949
20 x 25 cm
Silbergelatineabzug, Fotomontage Reprint
Erworben 1993 mit Unterstützung der Eugen und Agnes von Waldthausen Platzhoff Museumsstiftung, Essen und des Landes Nordrhein-Westfalen

Um Träume und die veränderte Wahrnehmung im Traum geht es in den beiden Bildern Le Rêve von František Kupka und Sueño No.7 von Grete Stern. Während den beiden Schlafenden in Kupkas Gemälde eine schwebende Figur erscheint, deren Konturen sich in malerischer Überlagerung verdoppeln, sieht sich die abgebildete Frau in Sterns Fotomontage einem Vielfachen ihres Spiegelbildes gegenüber. Sterns surrealistisch anmutende Arbeit entstand als Teil einer Serie für die argentinische Zeitschrift Idilio und bebilderte dort eine Kolumne über psychoanalytische Traumdeutung. Wie schon ihre vor ihrer Emigration in Deutschland entstandenen Fotoarbeiten kritisiert auch dieses Werk der Fotografin subtil das Frauenbild ihrer Zeit.

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Museum DKM, Duisburg

Coloured Vases
Ai Weiwei

Museum DKM, Duisburg

Coloured Vases

Ai Weiwei

2006
Verschiedene Größen
39 neolithische Vasen, Industriefarbe

Bereits 2006, ein Jahr vor Ai Weiweis prominenter Teilnahme an der Documenta 12, erwarb die Stiftung DKM die Arbeit Coloured Vases für das künftige Museum DKM.  Coloured Vases von Ai Weiwei ist eines der Schlüsselwerke der Sammlung DKM, da es eine vielschichtige Vermittlungsfunktion übernimmt. Werkimmanent katapultieren die 39 bemalten Gefäße die kulturelle Vergangenheit Chinas in die Gegenwart, sie schlagen eine Brücke zwischen zeitgenössischer und antiker Kunst.

Ai Weiwei verweist mit Coloured Vases auf den Vandalismus der Kulturrevolution unter Mao Zedong. Die Arbeit fügt sich in einen Sammlungsbereich ein, der sich alten Kulturnationen und ihrer Zerstörung durch politische und religiöse Unruhen widmet.

Museum DKM, Duisburg

ohne Titel
Peter Stein

Museum DKM, Duisburg

ohne Titel

Peter Stein

1964
je 76 × 107 cm
4-teilig, Kohle auf Papier

Die abstrakte Malerei von Peter Stein basiert auf einer schichtweisen Überlagerung von Farbstrukturen, Farbinseln und -flecken, die eine starke Beziehung zum Untergrund herstellen. Der Untergrund wird durch Farbe oder Zeichnung deutlicher. Stein lässt das Weiß des Papiers bewusst als schöpferisches Moment einfließen, sei es durch den unterschiedlichen Druck beim Zeichnen mit Kohle oder durch leichte Verwischungen. Die Dynamik des schöpferischen Aktes spiegelt sich bei beiden Künstlern wider und drückt sich in einer unvorhersehbaren Bewegung der Formen aus, die sich durch den Bildträger ziehen.

Present from Kyoto
Takeoka

Museum DKM, Duisburg

Present from Kyoto

Takeoka

1993
Je ca. 35 x 50 x 30 cm
Gebrannter Ton, Farbe

Der in Tokyo 1946 geborene Künstler Yuji Takeoka verknüpft in seinem Werk die Strömungen westlicher Avantgarde mit östlicher Befindlichkeit und er lotet die Positionen amerikanischer Minimal-Art auf ihre überformal transzendente Dimension hin aus. Kuben werden in seinem Werk, z. b. als Behältnisse von Geistigem“ aufgefasst. Wie bei Anatol fühlt sich der Betrachter:innen aufgerufen, durch seine Beobachtung die Kraft dieses Kunstwerks zu aktivieren. Tatsächlich ist es die Suche nach dem Inhalt der Kästen, die die Leere zur Gegenwart einer Suche macht, die von außen nach innen führt.

H.Y.
Sven Drühl

Museum DKM, Duisburg

H.Y.

Sven Drühl

2015
170 x 130 cm
Öl, Lack und Silikon auf Leinwand

In den Landschaften von Gabriele Münter und Sven Drühl schafft die Kraft des Schnees, der sie mit einer geheimnisvollen Decke bedeckt, eine idyllische Atmosphäre. Die Gegenüberstellung der Werke von Sven Drühl und Gabriele Münter ist interessant, um zu sehen, wie ein landschaftliches und ikonologisches Motiv sehr unterschiedliche ästhetische Formen einander näherbringen kann. Münters expressionistische Kraft kontrastiert auch mit der klaren Linienführung von Drühls Landschaft, der im Laufe seiner Karriere ein Interpret und Wiederverwender der unterschiedlichsten Gemälde der Kunstgeschichte war. Die dumpfe Stille des Weiß, das leicht und unerbittlich auf die Erde und die Häuser fällt, erinnert an das gleiche unerbittliche Schicksal des Zyklus von Leben und Tod.

Halogen-Objekt
Ulrich Genth

Museum DKM, Duisburg

Halogen-Objekt

Ulrich Genth

1972

Ulrich Genth untersucht, wie Keith Sonniers Werk Tunnel of Tears, die Beziehung zwischen Architektur und Lichtskulptur, indem er die Betrachter:innen zum Protagonisten einer neuen Realität macht, die nicht nur durch die Formen, sondern auch durch die möglichen Lichtreflexionen des Werks in seinem Kontext erfahrbar wird. In der Wahl der Formen und Farben offenbart das Werk eine leichte spielerische und ironische Absicht, die eine größere Faszination vermittelt.

Gastspiegelungen
Nikolaus Koliusis

Museum DKM, Duisburg

Gastspiegelungen

Nikolaus Koliusis

1990
33-teilig, je 45 cm ∅
Blaue Spiegel

Die Nikolaus Koliusis‘ Installationen aus Spiegeln heben die Vielfalt der optischen Verwandlungen hervor, die die BetrachterInnen erleben, wenn sie sich im Raum bewegen. Wie die Lichtobjekte von Gianni Colombo die 33 runde blaue Spiegel, die 1990 in einem historischen Raum des Ulmer Museums am Boden verteilt wurden, veranschaulichen die räumlichen Veränderungen im Bezug auf die BesucherInnen: die sich auf die Spiegeln schauen können oder dort Reflexe von andere Objekte im Raum wiedererkennen können.

Escape al Paraíso
Patrick Hamilton

Museum DKM, Duisburg

Escape al Paraíso

Patrick Hamilton

2004
32 × 18 × 25 cm (Dimensionen variabel)
9-teilig, Schweißermasken (Leuchtkästen)

Die Beziehung zwischen Realitätszeit und dem Bewusstsein des Hier und Jetzt sind Protagonisten in den Werken von Hamilton und Salistorfer. Wenn die Autobahn in Salistorfers Werk den Ort der Flucht aus der Realität, aber auch den Weg durch verschiedene Realitäten darstellt, greift Hamilton das Thema auf, indem er das Element der Virtualität und die Immersivität, zu der sie führen kann, einfügt. Das dreidimensionales, freistehendes Werk von Hamilton besteht nur aus neun Schweißmasken, die an der Wand hängen. Hinter jeder Maske befindet sich ein Licht, und durch die Sucher kann man Postkartenfotos verschiedener Landschaften sehen.

Von der Schule bis zur Kirche
Thomas Virnich

Museum DKM, Duisburg

Von der Schule bis zur Kirche

Thomas Virnich


Pappe, Draht, Farbe, Kunststoff

„Die plastische Konzeption von Thomas Virnich äußert sich als fortwährender Versuch, dem eigenen Leben in den Veränderungen unserer Wirklichkeit einen Ort zu geben“ ¹. Dem Werk „Von der Schule bis zur Kirche“ von 2001 gelingt es, wie Schwitters‘ Landschaft von 1916, aber mit neuen Materialien wie Pappe, Draht, Textilreste, Farbe und Leim die dörflich anmutende bauliche Umgebung seiner Wohnstatt zu schaffen. Die Gebäude werden auch offen mit ihren Kellern dargestellt, was zeigt, wie wichtig die Fantasie des Künstlers im Schaffensprozess war ².

¹ (LSS, S. 194)

² Heike Baare, Thomas Virnich, Die Welt am Kleiderhaken, Duisburg 2014.

Fußabdruck des Buddha
unbekannt

Museum DKM, Duisburg

Fußabdruck des Buddha

unbekannt

1./2. Jh.
32 x 32 x 2,5 cm
Chloritschiefer (Schist)

Zwei Fußabdrücke sind auf dieser Steinplatte dargestellt, die Buddha gehören. Auf den Sohlen von Buddha befindet sich je ein großes Chakra. Auf den Fersen sieht man ein „ω-Motiv“2, das mit einem offenen Padmā und zwei Zwischenräume bildenden Motiven verbunden ist. Rillenförmige Vertiefungen umranden das „Omega-Motiv“. Es gibt ein zweites an der Spitze der großen Zehen, das mit einem ringförmigen Chakra (Padmā-Motiv) und zwei stabförmigen Elementen, welche einen Zwischenraum bilden, verbunden ist. Die Zacken des „ω-Motivs“ richten sich den Zehenspitzen zu. Die Entscheidung, mit diesem Objekt auf den Stiletto von Henri Mayer zu reagieren, verweist auf den starken sakralen Wert, der unseren Füßen innewohnt und dazu führt, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten und auf unterschiedliche Weise zelebriert werden.

Der Lichthof
Hannes Vogel

Museum DKM, Duisburg

Der Lichthof

Hannes Vogel

1984
Kreis mit 7 TV-Geräten ohne Programm

Der Wunsch, die zerstörerische Kraft des Mediums Fernsehen rückgängig zu machen, spiegelt sich im Werk von Hannes Vogel ebenso wider wie in dem von Günther Uecker. In der Videoinstallation von Hannes Vogel aus dem Jahr 1984 taucht auch das Thema der Verflachung der Identitäten von Individuen eindringlich auf, das angesichts der überbordenden Informationsmenge, die das Medium Fernsehen produziert, die Fähigkeit zum kritischen Denken auslöscht, vorausgesetzt, die von der Fernsehbox verkündeten Botschaften zu übermitteln. Fernseher, die wie in einer therapeutischen Sitzung im Kreis aufgestellt sind, werden zum Synonym für Annullierung statt für Gemeinschaftswert, weil sie durch die Verflachung des Denkens auch das Gefühl des Andersseins eliminieren.

Ohne Titel
Bernd Minnich

Museum DKM, Duisburg

Ohne Titel

Bernd Minnich

1991
462 x 110 cm
Gouache auf Schaumstoffplatte

Die großformatige Malerei von Bernd Minnich antwortet aufgrund ihres Formats, der Tendenz, als monochrome abstrakte Malerei zu erscheinen, und des Jahres ihrer Entstehung auf die abstrakte Malerei von Karl Otto Götz. Minnichs Schaumstoffplattenmalerei zeigt aber auch den Wunsch, als eine leichte, wolkenartige Landschaftsmalerei von der Romantik beeinflusst zu erscheinen, wenn das Bild von Ferne betrachtet wird. Die abstrakte Seite zeigt sich dem Betrachter:innen erst in der Nahsicht. Die Wahl der Farbe Gelb akzentuiert die Ambivalenz zwischen landschaftlichem und abstrakt gestischer Farbmalerei.

 

Nox
Marcel Wolfers

Museum DKM, Duisburg

Nox

Marcel Wolfers

1912
72 × 52 × 23 cm
Salzglasierte Keramik

Die Nacht als Traumzeit verbindet die Skulptur des belgischen Bildhauers Marcel Wolfers mit dem Gemälde von Kupka. Wolfers‘ Nacht wird zum Ausdruck einer Beziehung zwischen verschiedenen Figuren, die dank der Verwendung von salzglasierter Keramik als flüchtige und kostbare Visionen einer heute verlorenen mythologischen Zeit erscheinen. Die Behandlung der Formen mit großer anatomischer Aufmerksamkeit, die dazu neigt, unter einer gezogenen Drapierung zu verschmelzen, akzentuiert diese Eigenschaft.

Männlicher Akt (Taormina)
Wilhelm von Gloeden

Museum DKM, Duisburg

Männlicher Akt (Taormina)

Wilhelm von Gloeden

1914
22,9 × 17,5 cm
Albuminabzug

Die Ikonographie des nachdenklichen Mannes auf einem Hügel oder einem Felsen verbindet van Gloedens Werk mit dem Werk des expressionistischen Malers Morgner. Wenn es dem expressionistischen Maler darum geht, durch Farben und Pinselstriche die innere Realität des Mannes im Vordergrund und seine Stimmungen zum Ausdruck zu bringen, zielt von Gloedens Bild auf eine vollständige Harmonisierung des nackten Körpers mit der Landschaft von Taormina im Jahr 1914 ab. Die Fotografie von Gloeden, die auch vom Geschmack des Piktorialismus umhüllt ist, hat den Geschmack einer gut vorbereiteten Szene, was wahrscheinlich auf die Verwendung von Plattenkameras zurückzuführen ist, die eine lange Belichtungszeit erforderten.

Post-Shah Jahan
Jali

Museum DKM, Duisburg

Post-Shah Jahan

Jali

Moghul Periode (spätes 17. / frühes 18. Jj.)
125,5 x 82 x 2,5 cm
Roter Sandstein mit hellbeiger Musterung

Das Wort Jali kann als Fenstergitter bzw. als durchbrochen gearbeitete Steinplatte übersetzt werden. Die perforierte Oberfläche, die eine Trennung zwischen Innen und Außen schafft und den Lichteinfall artikulierter und faszinierender macht, ist der Protagonist auch von Rohlfs‘ Gemälde.  Im Fall des Jali lässt das Fenster sowohl Luft als auch Licht durch. Letzteres wird durch eine Oberfläche gefiltert, die ebenfalls mit Blumen verziert ist, die sich mit geometrischen Linien abwechseln, die ein Netz bilden und den architektonischen Stil der Mogulzeit repräsentieren. Die Verwendung von rotem Stein hingegen ist ein Erbe der Entwicklung des moghul-islamischen Stils im 16. Jahrhundert.

Struktur 27
Gottfried Honegger

Museum DKM, Duisburg

Struktur 27

Gottfried Honegger

1970
30 × 100 × 100 cm
Chromstahl

Das ungegenständliche-konstruktivistische Gemälde von Moholy-Nagy vermählt sich mit Honeggers konstruktivistischer Plastik. In diesem Werk aus der Serie von seinen Strukturen wird die mathematische Grundlage durch Formfindungen über die Zufallsmethode zum Teil ersetzt beziehungsweise ergänzt. „Ohne den Zufall würde ich an Langeweile sterben“.

ohne Titel (WV 196)
Ernst Hermanns

Museum DKM, Duisburg

ohne Titel (WV 196)

Ernst Hermanns

1980
7 × 85 × 65 cm
Eisen

Das Verhältnis von Masse und Raum charakterisiert stark das Werk von Schwinkerath und Ernst Hermanns. In WV 196 von 1980 hat Hermanns die Distanz zwischen den materiellen Elementen der Plastik vergrößert und die Rolle der Betrachter:innen an der Plastik zunehmen lassen. Wobei die materielle Plastik sich zum Raum hin öffnet, weist sie immer noch ihre plastische Einheit.

Green Painting
Gotffried Honnegger

Museum DKM, Duisburg

Green Painting

Gotffried Honnegger

1979
Öl auf Leinwand

Die Konstruktive Struktur von Bettenhausen entspricht demselben Bedürfnis von Honegger das Bild durch das Verfahren der Collagetechnik zu bilden, wie er bis um 1980 macht. „Die lebendige Faktur sowie der zarte Reliefcharakter der Bildobjekte kommen durch manuell auf die Leinwand applizierte Kartonplättchen zustande, die in mehreren lasierenden Schichten bemalt oder mit Grafitstift behandelt werden, wodurch eine stark lichtreflektierende, ausgeprägt malerisch-sensuelle Oberfläche erzielt wird.“

Tapetenladen
Tata Ronkholz

Museum DKM, Duisburg

Tapetenladen

Tata Ronkholz

1980er
73,5 x 56 cm

Das Motiv des „Schaufenster“, sehr häufig im Werk von Tata Ronkholz, verbindet das Foto Tapetenladen mit der Leinwand von Macke. In beide Werken spürt man der Genuss des Künstlers im Alltag hingezogen zu werden. Wie die Becher-Schülerin sagte: „Mir ging es weder um einen sozialen Aspekt noch um das Design, sondern ich fühlte mich zum Alltag hingezogen. Ich wollte das Büdchen um die Ecke in seiner ganzen Liebenswürdigkeit zeigen.“

Je Meer ich See
Hugo Suter

Museum DKM, Duisburg

Je Meer ich See

Hugo Suter

2007
190 × 282 cm
Acrylfarbe, transparente Lacke und Perlglanzpigmente

Der analytische und forschende Geist, der das Werk des Schweizer Künstlers Hugo Suter kennzeichnet, wird in diesem Werk der Forschung zur visuellen Wahrnehmung gegenübergestellt, die das Werk des Künstlers Josef Albers geprägt hat. Die interdisziplinäre Einstellung von Suter zeigt sich auch in der Wahl des Titels, der den Intellekt der Betrachter:innen mit Wortspielen anregt.

Mehrförmige Plastik V
Ernst Hermanns

Museum DKM, Duisburg

Mehrförmige Plastik V

Ernst Hermanns

1960

Zusammen mit dem Gemälde von Wermer Gilles stellt die Skulptur von Ernst Hermanns eine Antwort auf die Zerstörungen des Krieges und damit auf die Schwierigkeit dar, Ordnung in die Formen des Lebens, einschließlich der künstlerischen Formen, zu bringen. Diese Skulptur von Hermanns ist auch der Beginn einer Suche nach skulpturalen Formen, dem Raum und den Beziehungen zwischen verschiedenen Formen im Raum, die sein gesamtes Schaffen bis zu seinem Tod im Jahr 2004 prägen sollte. “Die Oberfläche ist hier nicht tastbar, sie umspielt skizzenhaft die Grenze zwischen Körper und Raum. Dadurch wird die körperliche Gestalt der Vorstellung überlassen und ihr zugleich entzogen.“¹

¹Ernst Hermanns: Raum, Statik und Bewegung, Duisburg 2015, S. 25.

Eva
Otto Steinert

Museum DKM, Duisburg

Eva

Otto Steinert

1950-1959
56 × 44,4 cm
Gelatinesilberdruck

Eine neue Idee von Schönheit prägen die weiblichen Skulpturen von Lehmbruck und Rodin, dessen Eva in diesem Werk unter der Linse von Otto Steinert erscheint. Otto Steinert hat Auguste Rodins Eva um 1960 im Essener Museum Folkwang vor einem großen, dreiteiligen Fenster mit den horizontalen Lamellen einer Sonnenblende aufgenommen. Die weibliche Figur ist von der Seite ansichtig und erscheint im Gegenlicht dunkel. Neben dem plastischen Wert der Figur betont Steinert die Beziehung der Skulptur zum Licht in seiner Museumsausstellung.

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MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Jonction II
Karl Otto Götz

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Actionpainting bei Götz

Actionpainting bei Götz

Die Leinwand wurde bei Karl Otto Götz, ebenso wie bei anderen Künstlerinnen und Künstlern seiner Zeit, zu einer Aktionsfläche. Auf ihr wurde ein impulsiver, intensiver und oft schneller Malakt ausgelebt. In den 1940er-Jahren wurde das sogenannte Actionpainting in den USA durch Jackson Pollock begründet, der 1946 sein erstes Drip Painting (Tropfgemälde) malte. Pollock schleuderte und tropfte verdünnte Farbe über am Boden liegende Leinwände, so dass Farbkleckse, -schlieren und -lachen entstanden. Auf dem Bild Jonction II von Götz sehen wir an dieser Stelle ebenfalls Farbtropfen, die Götz auf das Bild sprenkelte. Sein Malprozess war im Vergleich zu Pollock jedoch immer verbunden mit meditativen Pausen. Der Körper stand nicht im Vordergrund, vielmehr sollten die Bewegungen während des Malens Götz helfen, den Formen eine Dimension zu verleihen, die über das Bekannte und Natürliche hinausgehen.

Götz' Gestische Malerei

Götz' Gestische Malerei

In diesem Teil des Bildes sehen wir eine große geschwungene Form, die Karl Otto Götz mit einem breiten Pinsel auf die Leinwand malte. Man kann sich bildlich vorstellen, welche Bewegung Götz für diese Form ausgeführt haben muss. Mit einer großen schwungvollen Armbewegung wurde der Pinsel von Götz über die Leinwand bewegt, sodass die halbrunde, nach rechts zum Bildrand zackig auslaufende Form entstanden ist.

Götz' Rakeltechnik

Götz' Rakeltechnik

Karl Otto Götz stieß 1952 eher zufällig auf die Maltechnik mit einer Rakel, die er von da an weiterentwickelte. Auf liegende, mit Kleister präparierte Malgründe wurden in drei Phasen mit Pinsel und Rakeln Farbstrukturen aufgetragen, weggeschoben und geschleudert, teils in hoher Geschwindigkeit. Götz prägte diese Technik auch für jüngere Künstlerinnen und Künstler, wie Gerhard Richter, der einige abstrakte Werke mit dem Einsatz von Rakeln schuf. An dieser Stelle des Bildes sehen wir, wie Götz in die nasse Farbe zackige Spuren zog, die von großen und kleinen Armbewegungen zeugen. Durch das Wegschleudern der Farbe mit einem Rakel entstehen bei Einsatz von schwarzer Farbe weiße Kontrastspuren, die Götz als Positiv-Negativ-Verflechtungen beschrieb. Diese Verflechtungen nennt Götz auch Fakturen, die ein sichtbares Ergebnis des bewegten Malprozesses zeigen.

Karl Otto Götz zur
Entstehung von Jonction

Karl Otto Götz zur
Entstehung von Jonction

Das Werk Jonction II bezieht sich auf das frühere Werk Jonction I, beide thematisieren die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland am 3. Oktober 1990. Den Entstehungsprozess von Jonction I beschrieb Karl Otto Götz wie folgt:

„Am Tag der Wiedervereinigung, dem 3. Oktober 1990, war ich alleine (…) Im Atelier lagen wohl zwei grundierte, geschliffene und gehärtete Leinwände im Format 200 x 260 cm. Aber malen wollte ich eigentlich nicht. Ich rannte zwischen Fernseher und Atelier hin und her; denn ich war sehr erregt über das, was sich in Berlin tat. (…) Nun da ich alleine war, dachte ich, jetzt könntest du ein Bild in einem Zug malen, ungestört, als Erinnerung an diesen Tag. Ich malte also das schwarz-weiße Bild und nannte es Jonction. Ich schrieb das Wort vorne aufs Bild, was ich sonst nie mache und dazu das Datum 3.

Einige Wochen später bat ich einen unserer Fahrer ins Atelier zu kommen, um seine Reaktion zu testen vor dem Wiedervereinigungs-Bild. Der Fahrer, etwas über 50 Jahre alt, (…) hatte keine Ahnung von moderner Kunst und interessierte sich auch nicht dafür. Als er vor meinem Bild stand sage ich ihm, dass dies auf abstrakte Weise die Wiedervereinigung darstellen soll. Der Fahrer sah sich die schwarzen Rhythmen sehr genau an, trat weiter zurück und sagte: ,Ja klar, da links ist das Volk, es will sich befreien. Daneben der Wirbel, das ist die Befreiung. Ja, und diese schwarze stürzende Form in der Mitte, ja, das ist der Sturz des Kommunismus, klar.‘ Dann schaute er auf den Teil ganz unten rechts im Bild und meinte etwas verlegen: ,Na ja, das ist das Durcheinander, was jetzt da drüben herrscht.‘“
Aus: Götz, K. O: Erinnerung IV 1985-1999, Aachen 1999, S 87-88.

Götz während seines Malprozesses

Götz während seines Malprozesses

Auf dieser Fotografie sieht man Karl Otto Götz bei der Arbeit mit großem Pinsel. Götz zieht sein Werkzeug in großen kraftvollen Zügen über die auf dem Boden liegende Leinwand. Die Farbtropfen am Boden bezeugen das ungezügelte Tempo seiner leidenschaftlichen Arbeit.

Jonction II

Karl Otto Götz

1991
200 × 520 cm, zweiteilig
Mischtechnik auf Leinwand

In der Sammlung Ströher nimmt das Werk von K. O. Götz einen besonderen Raum ein. Seine Werke strahlen Dynamik, Freiheit und undurchdringliche Tiefe aus. Ihre zeitlose Aktualität ist kennzeichnend für den Charakter der Kunst, die im Museum Küppersmühle präsentiert wird. „Abstrakt ist schöner“, lautet das Credo von K. O. Götz, und seine Malerei verkörpert das beispielhaft. Jonction II ist eines seiner Hauptwerke. Es wurde inspiriert von der gewaltfreien, revolutionären Wiedervereinigung Deutschlands.

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Palais
David Schnell

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Palais

David Schnell

2017
2-teilig, Gesamtmaß 290 × 460 cm
Öl auf Leinwand

David Schnells großformatige Leinwand ist eine abstrakte Landschaft, die sehr räumlich wirkt, ohne konkrete natürliche oder architektonische Motive zu zeigen. Im Vordergrund stehen Raum- und Farbwirkung. Im Vergleich zu dem fast 100 Jahre früher entstandenen Gemälde von Christian Rohlfs wirkt Schnells Bild wie eine überdimensionale Vergrößerung, mit der ein Teil von Rohlfs‘ Malerei verabsolutiert und radikal in unsere Zeit übertragen wird. Betrachtet man beide Werke nebeneinander, so profitieren sie beide – Schnells Gemälde wird um einen historischen Kontext bereichert, und Rohlfs Gemälde erweist sich als auch heute noch bedeutsam. Beide Gemälde sind Belege dafür, dass Kunst eigene historische und kulturelle Voraussetzungen zu formulieren und gleichzeitig zu überwinden weiß, um zu jeder Zeit eine besondere Wirkung zu entfalten.

Le Vent
Maria Helena Vieira Da Silva

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Le Vent

Maria Helena Vieira Da Silva

1953
81 × 100 cm
Öl auf Leinwand

Sehen wir uns das Gemälde Le Vent von Maria Helena Vieira Da Silva genauer an, ist nicht leicht zu erkennen, was abgebildet wird. Ist es ein Raum, eine Landschaft oder vielleicht ein verzerrtes Schachbrett? Die Linienführung erzeugt in der Betrachtung eine Räumlichkeit, die jedoch stark verzogen erscheint. Folgen wir den einzelnen Linien mit unserem Blick, können wir viele Bewegungen der Linien und Formen wahrnehmen. Betrachten wir im Vergleich Mackes Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen könnte man im ersten Moment meinen, es gäbe keine Ähnlichkeiten. Sehen wir genauer hin, fällt jedoch auf, dass die Darstellung von Raum und Raumtiefe, die Verwendung von Rechteckigen Formen und Farben spannende Parallelen aufweisen. Welche Parallelen fallen Ihnen auf?

Galgenbild
Karl Fred Dahmen

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Galgenbild

Karl Fred Dahmen

1969
131,5 × 112 × 6 cm
Polsterbild aus Leinwand und Holz, mit montiertem Metall, Leder und Seilen

Im Galgenbild von Karl Fred Dahmen sehen wir eine gepolsterte Leinwand, die in der Bildmitte durch herabhängende Seile wie ein Galgen wirkt. Seit Mitte der 1960er-Jahre integrierte Dahmen immer wieder Gegenstände in seine Werke, die als „Objektkästen“ gestaltet wurden. Durch die Verwendung von Gebrauchsgegenständen aus der Landwirtschaft strebte Dahmen eine Rückbindung der Kunst zum Leben an und thematisierte dabei die Gewalt, die Menschen vor allem Nutztieren zufügen. Auf ähnliche Weise verdeutlicht Anatol Herzfelds Stahltisch mit Handfesseln Gewalt, die Menschen angetan wird. Der abgebildete Tisch kam bei einer Performance zum Einsatz, in der tatsächlich Menschen gefesselt am Tisch saßen. Durch den Fokus auf Materialien wie Fesseln und Seile als Hilfsmittel zur Anwendung von Gewalt stehen die Kunstwerke in enger Verbindung.

Zyklus Assisi: Die Vögel
Gotthard Graubner

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Zyklus Assisi: Die Vögel

Gotthard Graubner

1986
360 × 280 × 15 cm
Acryl auf Leinwand über Sythetik auf Leinwand

Im Vergleich mit Gabriele Münters ausdrucksvollem kleinen Landschaftsgemälde ist das 360 cm hohe Bildobjekt von Gotthard Graubner lesbar als eine ins Monumentale vergrößerte Detailansicht eines Wolkenhimmels. Die Entwicklungsgeschichte der avantgardistischen Malerei des 20. Jahrhunderts ist in diesem Vergleich auf den Punkt gebracht. Von einer Tendenz zur Verselbständigung der formalen Mittel – Farbe, Linie, Fläche – zur Zeit von Gabriele Münter bis hin zu Graubner, der an einem Endpunkt angelangt ist, und diese Verselbständigung vollendet hat. Er braucht keine Landschaft mehr darzustellen. Die Farbe ist bei ihm völlig frei, sogar frei von handschriftlichen Spuren und vom Bildträger, der in seinen Werken zu einem räumlichen Träger der Farbe geworden ist, die sich nicht mehr eindeutig lokalisieren lässt.

Ohne Titel (to Barnett Newman)
Dan Flavin

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Ohne Titel (to Barnett Newman)

Dan Flavin

1973
243,8 × 64,5 cm
gelbe, blaue und rote Leuchtstoffröhren

Es scheint naheliegend, auf die Arbeit des amerikanischen Künstlers Keith Sonnier mit einem Werk zu antworten, das ebenfalls mit elektrischem Licht funktioniert. Dan Flavin war etwas älter als Sonnier und wurde zur Generation der Minimal Art gerechnet, die Mitte der 1960er-Jahre hervortrat, während Sonniers erster vielbeachteter Auftritt 1969 in der legendären Ausstellung When Attitudes Become Form erfolgte. Flavins Arbeit mit fluoreszierendem Licht ist eine Huldigung an Barnett Newman, den großen spirituellen Maler des Abstrakten Expressionismus. Flavins Werk ist mit einer Technologie gefertigt, die heute ausstirbt und nur mit großem technischen Aufwand am Leben erhalten werden kann. Die spezifische Qualität seines Lichts ist in unserer Zeit der LED-Leuchten besonders und so unverwechselbar wie ein Gemälde.

A9/A38 Autobahnkreuz Rippachtal (1)
Hans-Christian Schink

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

A9/A38 Autobahnkreuz Rippachtal (1)

Hans-Christian Schink

1998
gerahmt 182,5 × 215,5 cm
C-Print, Diasec

Das verbindende Element der Arbeiten von Michael Sailstorfer und Hans-Christian Schink ist das Motiv der Autobahn. Beide gehen kritisch mit diesem Element unserer Alltagskultur um und hinterfragen, ob die industrielle Transformation unserer Umwelt der einzig richtige Weg ist. Schinks Großfoto läßt die in Untersicht wiedergegebene Autobahnbrücke zugleich monumental und bedrohlich erscheinen. Die karge Landschaft um sie herum tut ein Übriges, um die Szenerie insgesamt eher deprimierend als romantisch erscheinen zu lassen.

Der Kommissar entdeckt seine Liebe zur Schuhcreme 2
A. R. Penck

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Der Kommissar entdeckt seine Liebe zur Schuhcreme 2

A. R. Penck

1984
250 × 300 cm
Acryl auf Leinwand

Der Kommissar entdeckt seine Liebe zur Schuhcreme. Mit seinem skurrilen Bildtitel führt uns der Maler A. R. Penck sehr unterhaltsam in die Irre. Seine zeichenhafte Bildsprache erinnert an Comics, deren Motive aus der Steinzeit stammen könnten. Penck war der Höhlenmaler des späten 20. Jahrhunderts, er hat sehr häufig und gern große Formate wie dieses 3 Meter breite Bild gemalt. Penck ist es in seinem Werk gelungen, eine archaische Formenwelt zu beschwören und damit populär zu machen. Er hat nicht im luftleeren Raum gearbeitet, wie die Vertreter:innen der Pop-Art, deren Motivwelt zwar eine andere war, die jedoch ebenso wie Penck ihre Zeit unverwechselbar kennzeichnen.

Westwall
Markus Lüpertz

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Westwall

Markus Lüpertz

1968
5-teilig, je 200 × 250 cm, Gesamtmaß 200 × 1250 cm
Leimfarbe auf Leinwand

Der Künstler Werner Gilles gehört zur Generation der Klassischen Moderne – eine Generation, die in Deutschland von der Barbarei des NS-Faschismus und den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges getroffen wurde. Sein Bild Nach der Bombennacht zeigt diese historische Prägung sehr eindrucksvoll. Der Westwall von Markus Lüpertz dagegen demonstriert, wie ein Künstler der Nachkriegsgeneration diese Traumata überwindet. Sein Großformat feiert die Malerei, das Motiv der Panzersperren ist nur noch als ausdrucksstarke Form von Interesse – im gleichen Format malte er auch ein Spargelfeld. Lüpertz hat in seiner Malerei das Motiv in den Hintergrund gerückt.

Der Lauscher (Lauscher auf die Schwingungen des Raumes)
Gerhard Hoehme

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Der Lauscher (Lauscher auf die Schwingungen des Raumes)

Gerhard Hoehme

1969
120 × 120 cm
PE-Schnüre und Acryl auf Damast, auf Hartfaserplatte aufgezogen

Sofort sind in dem Bild Der Lauscher von Gerhard Hoehme die aus dem Bild herausragenden  Schnüre zu erkennen. In Ueckers TV ragen Nägel aus dem Fernseher. Mit der Verwendung von Alltagsmaterialien wie Schläuchen, Schnüren und Nägeln reihen sich die beiden Künstler in den 1960er-Jahren in eine Tradition ein, in der Künstlerinnen und Künstler gefundene Materialien verwendeten. Schon im frühen 20. Jahrhundert wurden scheinbar belanglose Alltagsobjekte durch Auswahl und Präsentation zu Kunstobjekten gemacht. In diesen beiden Werken erzeugen die wirklichen Gegenstände, die in den Raum ragen, ganz ähnliche, surreale Wirkungen.

Rot-Rosa
Heinz Kreutz

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Rot-Rosa

Heinz Kreutz

1960-1961
85 × 95 cm
Öl auf Leinwand

Das kleine Landschaftsbild von Kurt Schwitters ist ein schönes Beispiel für „Schwitters vor Schwitters“ – ein expressives Gemälde, das noch vor der eigentlichen, dadaistischen Bildsprache entstand, die Schwitters erst während der Jahre unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte. Gegenüber steht nun ein informelles Gemälde von Heinz Kreutz aus den Jahren 1960 – 1961. Das Bindeglied ist das Thema der Landschaft – bei Schwitters noch konventionell wirkend, bei Kreutz ins Ungegenständliche zu reiner Lichtwirkung verfremdet. Bleibt man auf diesen Bildvergleich fixiert, wirkt Kreutz radikal und Schwitters traditionell. Weitet man den Blick aus das Gesamtwerk beider Künstler, so sind sie gleich radikal.

Bogenschütze
Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Bogenschütze

Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff

1978
51 × 51 × 26 cm
Messing und Zinn, auf Holzplatte montiert

Der Bogenschütze von Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff wirkt wie eine organische Zeichnung im Raum. Wir sind veranlasst, die Bewegungen nachzuverfolgen, die die einzelnen Drahtbündel dieser Skulptur zu vollziehen scheinen. Der Hinweis auf das Motiv im Titel ist eine Assoziation, mit der nicht das wesentliche Merkmal dieser abstrakten Skulptur benannt ist. Die Abstraktion ist der gemeinsame Nenner zu der Arbeit des Düsseldorfer Bildhauers Peter Schwickerath, dessen Stahlskulpturen jedoch ein geometrisches Vokabular nutzen und  keine organische Formensprache. Der Vergleich zeigt, dass innerhalb der Abstraktion durchaus gegensätzliche Aussagen getroffen werden können.

Ohne Titel / Mennige-Bild
Imi Knoebel

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Ohne Titel / Mennige-Bild

Imi Knoebel

1975/90
260 × 400 × 8,6 cm
Acryl auf Holz

Während Helmut Bettenhausens Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 in bester Tradition mit konstruktivistischer Bildentwürfe steht, in denen unmittelbare optische Wirkungen und Irritationen thematisiert werden, bietet das große Mennige-Bild von Imi Knoebel etwas ganz Anderes. Die abstrakten Bilder von Imi Knoebel sind nicht in erster Linie  auf optische Wirkungen ausgerichtet, sondern eher als Darstellungen früherer abstrakter Kunstwerke. Hier bezieht sich Knoebel auf die sogenannten suprematistischen Bilder von Kasimir Malewitsch, einem Pionier der Abstrakten Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Knoebel benutzt seine Werke als Motiv, optische Effekte stehen nicht im Vordergrund.

Sächsische Landschaft
Georg Baselitz

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Sächsische Landschaft

Georg Baselitz

1964
162 × 130,5 cm
Öl auf Leinwand

Die Sächsische Landschaft von 1964 ist ein Frühwerk des Malers Georg Baselitz. Noch hat er nicht den Weg zur Aufgabe des Gegenstands gefunden, er setzt sich hier mit seiner Heimat, der von Krieg und Zerstörung geschundenen Landschaft auseinander. Seltsame Wucherungen und eine morbid-rosa getränkte Farbigkeit machen das Gemälde sehr ausdrucksstark und lassen seine Nähe zur Tradition des Deutschen Expressionismus spüren. Hier findet sich auch der Anknüpfungspunkt zum 53 Jahre früher, am Vorabend des Ersten Weltkriegs entstandenen Gemäldes von Wilhelm Morgner – auch er ein suchender junger Maler, der noch stark vom Vorbild Van Goghs inspiriert ist.

Reliefcollage Bamberg 1964
Fred Thieler

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Reliefcollage Bamberg 1964

Fred Thieler

1965
3-teilig, Gesamtmaß 120 × 195 cm
Mischtechnik, Samt und Collage auf Holz

Wie in Schumachers Werk Pinatubo ist Rot auch die dominierende Farbe in Thielers Reliefcollage. Ein Vergleich zeigt aber auch die Unterschiede, die die Vielfalt der Ausdrucksformen informeller Kunst erkennen lassen. Beide Künstler waren seit Anfang der 1950er-Jahre Protagonisten des frühen deutschen Informel. Damals gelangte Fred Thieler im experimentellen Umgang mit seinen Malmitteln, über pastose Spachteltechnik zum späteren Schütten, Vermischen und Verwischen dünnflüssiger Farbe, mit seiner Collage- und Decollagetechnik und das Heben und Falten der am Boden liegenden Leinwände zu einer ausdrucksvollen Bildsprache. Die Genese seiner Werke wurde gleichermaßen durch den eigenen Körpereinsatz wie durch die Aktion der Farben provoziert. Zufall und Lenkung spielten ineinander. Malen war für Fred Thieler Befreiung von Zwang, Ausdruck von Freiheit und Positionsbehauptung seiner selbst. Entsprechend sind wir gehalten, seine Bilder nicht nur anzuschauen, sondern mitzuerleben. Wie die Malerei soll auch unsere Wahrnehmung prozesshaft und offen bleiben.

B 9/1991
Heinrich Siepmann

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

B 9/1991

Heinrich Siepmann

1991
80 × 80 cm
Öl auf Leinwand

Heinrich Siepmann hat sein ganzes Leben in Mülheim an der Ruhr verbracht, und er hat in seinem langen Leben ein sehr konsequentes malerisches Werk geschaffen. Das Gemälde B 9/1991 ist charakteristisch für seine gegenstandslose Malerei, die deutlich von der abstrakt-konstruktivistischen Kunst der 1920er-Jahre inspiriert wurde, wie sie in Moholy-Nagys Komposition A 17 aus dem Jahr 1927 beispielhaft verkörpert ist. Siepmann scheint 60 Jahre zu spät geboren worden zu sein, und doch ist er kein bloßer Nachahmer. Seine Bilder sind durchaus eigenständig, und gerade der Vergleich dieser beiden Gemälde zeigt das. Es lohnt sich, genau hinzusehen und die feinen Unterschiede der abstrakten Meisterwerke aufzuspüren.

Vorrat
Martin Assig

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Vorrat

Martin Assig

1992
113 Einzelteile auf Holzbrettern
Enkaustik: Wachs und Farbe auf Papier, Pappe oder Styropor

Ai Weiwei wie auch Martin Assig haben sich bei den Kunstwerken Coloured Vases und Vorrat dafür entschieden, die Oberfläche von Gefäßen zu bearbeiten. Während Ai Weiwei jungsteinzeitliche Gefäße in Industriefarbe tunkte, bearbeitete Martin Assig seine geheimnisvollen Gefäße mit der Technik der Enkaustik, durch die er seine Behälter mit einer Wachsschicht überzog. Inhaltlich beziehen sich beide Werke sowohl auf die Vergangenheit als auch die Gegenwart und zeugen von ihrer Absicht, Materialien zu bewahren. Dennoch gibt es auch einige Unterschiede. Sieht man sich die Behältnisse von Ai Weiwei und Assig genauer an, kann man sich fragen, welche kulturellen Bedeutungen den Gefäßen zukommt oder was in ihnen gelagert wurde und wird.

Ohne Titel (Herdbild)
Rosemarie Trockel

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Ohne Titel (Herdbild)

Rosemarie Trockel

1993
200 × 252 × 10 cm
Metall, 7 Herdplatten, Lackfarbe

Im Vergleich zu Lehmbrucks Große Sinnende sehen wir bei Trockel eine abstrakte, minimalistische und subtile Auseinandersetzung mit dem Thema Weiblichkeit. Betrachten wir beide Werke, so können wir uns die Frage stellen, wie Weiblichkeit dargestellt wird. Bei der Großen Sinnenden mag das auf den ersten Blick leichter erscheinen. Bei Trockel sehen wir keinen Menschen, vielmehr sind es einzelne Formen wie der Kreis, der über Jahrhunderte hinweg als Symbol für Weiblichkeit verwendet wurde. Die Herdplatten verweisen auf einen Herd und die Praxis des Kochens. Diese wurde Jahrhunderte lang Frauen zugeschrieben. Trockel beteiligte sich bereits als junge Frau bei feministischen Protesten und wurde zu einer führenden Stimme der feministischen Nachkriegsgeneration. In vielen Kunstwerken setzt sie sich mit diesem Thema auseinander.

860 Points Blancs
Pol Bury

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

860 Points Blancs

Pol Bury

ohne Jahr
50 × 50 × 11 cm
Plastikfühler auf Holz mit Motor

Pol Burys 860 Points Blancs ist ein bewegtes, abstraktes Bild. Zahlreiche dünne Plastikfühler haben eine Holzplatte durchstoßen und bewegen sich langsam und allmählich – fast wie eine natürliche Erscheinung. Bury demonstriert hier sehr eigenwillig, wie die Grenzen zwischen Kunst und Natur aufgeweicht werden können. Wir stehen einer Erscheinung gegenüber, die sich nicht unmittelbar erklären lässt – sie ist sehr real und doch unwirklich. Wie das Environment von Gianni Colombo atmet diese Arbeit den Geist der 1960er-Jahre mit ihrem optimistischen Aufbruch in neue Erfahrungswelten.

Ohne Titel
Blinky Palermo

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Ohne Titel

Blinky Palermo

1964
95,5 × 81 cm
Öl auf Leinwand

Der Einsatz von Farbe und Formen in Palermos Werk Ohne Titel eröffnet – ebenso wie Albers Arbeit Oscillating (A) – spannende Effekte in der Bildbetrachtung. Nehmen Sie sich etwas Zeit, um Palermos Kunstwerk in Ruhe zu betrachten. Lassen Sie die Farbkontraste auf sich wirken. Was fällt Ihnen auf? Das Gelb in Palermos Bild scheint eine Art Trennung der schwarzen Formen zu verdeutlichen und bildet dabei gleichzeitig eine eigene Form, die über den Bildrand hinauszureichen scheint. In ähnlicher Weise können wir Albers‘ Werk betrachten. Auch hier entsteht die Spannung bei längerer Betrachtung. Wechseln wir unseren Fokus von der blaugelben Form auf der linken Seite zu der blaugelben auf der rechten Seite, entsteht eine Art optische Täuschung – die beiden identischen Farben wirken aufgrund ihrer Platzierung verschieden.

Pyrenäen-Torso
Hans Arp

MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg

Pyrenäen-Torso

Hans Arp

1959
92,5 × 59,5 × 41 cm
Bronze (Ex. 3/3)

Betrachten wir den Pyrenäen-Torso von Hans Arp, so können wir ähnlich wie in Kupkas Le Rêve abstrakte Körperformen erkennen. Besonders spannend erscheinen die Konturen der dargestellten Körper. Während in Kupkas Bild die blauen Linien der großen Figur Gliedmaßen andeuten, sich überlagern und abstrakt wirken, sind es bei Arp die abrupt endenden Konturen, die eine Reduktion des menschlichen Körpers auf den Rumpf verdeutlichen. Beide Künstler haben sich bewusst dafür entschieden, den menschlichen Körper nicht detailgetreu abzubilden. Es geht Ihnen eher darum, Grundlagen der Wahrnehmung des Kunstwerkes aufzuwerfen, sodass wir uns in der Betrachtung fragen können, was wir hier eigentlich sehen und was den menschlichen Körper ausmacht.

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Lehmbruck Museum, Duisburg

Große Sinnende
Wilhelm Lehmbruck

Lehmbruck Museum, Duisburg

Ein neuartiger Figurenstil

Ein neuartiger Figurenstil

Mit der Großen Sinnenden entwickelte Wilhelm Lehmbruck seinen neuartigen Figurenstil weiter: Mit dieser überlebensgroßen, schlanken, weiblichen Aktfigur verabschiedete sich der Künstler endgültig von den Prinzipien klassischer Figurengröße und Maßstäblichkeit. (Die Große Sinnende ist gleichzeitig die letzte ganzfigurige Frauendarstellung Lehmbrucks.)

In die Länge gezogen

In die Länge gezogen

Die Figur ist von vertikalen Formen bestimmt. Über einem fast quadratischen Sockel positioniert, erhebt sie sich in über zwei Meter Höhe.

Unnatürliche Proportionen

Unnatürliche Proportionen

Insbesondere der lange Hals und der verhältnismäßig kleine Kopf wirken unnatürlich gelängt. Der Blick ist nicht fokussiert und evoziert keine Interaktion mit den Betrachtenden.

Ein Körper aus Einzelteilen

Ein Körper aus Einzelteilen

Die Körperpartien der Großen Sinnenden sind als Einzelformen konzipiert: Die säulenartigen Beine, das runde Becken, der konisch geformte Oberkörper und die kugelförmigen Brüste wirken wie aus Einzelteilen zusammengesetzt. Die neutrale Schlichtheit der Figur wird dadurch unterstrichen, dass ihr der Künstler keine individuellen Züge verleiht.

Die Sinnende als Symbolfigur

Die Sinnende als Symbolfigur

Auch der Titel verweist darauf: Lehmbruck ging es bei der Gestaltung nicht um eine reale Person, sondern vielmehr um die Gestaltung einer Symbolfigur: den Typus einer melancholisch-nachdenklichen, in sich gekehrten und versunkenen Frau.

Große Sinnende

Wilhelm Lehmbruck

1913
211 × 51 × 43,5 cm
Bronze (Guss posthum)
Seit 2019 Dauerleihgabe aus Privatbesitz

Das Lehmbruck Museum gehört zu den renommiertesten Museen für internationale Skulptur von der Moderne bis zur Gegenwart. Das Oeuvre Wilhelm Lehmbrucks ist das Herzstück seiner Sammlung. Die Große Sinnende zeigt exemplarisch, wie Lehmbruck dem geometrisch konstruierten Körper Innerlichkeit und Lebendigkeit verleiht. Die Überlängung der Glieder und die Größe der Figur wirken einer lebensnah proportionierten weiblichen Darstellung entgegen und lenken die Konzentration auf den seelischen Ausdruck.

Lehmbruck Museum, Duisburg

Winterlandschaft (Hülltoft-Hof bei Seebüll)
Emil Nolde

Lehmbruck Museum, Duisburg

Winterlandschaft (Hülltoft-Hof bei Seebüll)

Emil Nolde

1930/35
34,3 × 45,5 cm
Aquarell auf Japanpapier
Erworben 1964

Noldes künstlerische Vision war eng mit seiner Heimat Schleswig-Holstein verbunden. Er fühlte sich so stark mit dieser Region verbunden, dass er 1902, als Emil Hanson geboren, den Wahl-Nachnamen Nolde annahm – den Namen seines Geburtsortes. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in dieser Gegend.

Die Landschaften rund um sein Haus in Seebüll dienten ihm immer wieder als kreative Quelle, so auch in diesem Aquarell, in dem Nolde ein Bauerngehöft zeigt. Die sanften Lila-, Gelb- und Orangetöne des Himmels wirken wie ein Sonnenauf- oder Sonnenuntergang. Darunter liegt ein friesisches Gehöft, eingebettet in eine schneebedeckte Landschaft. Die Farben fließen über das Papier, die Grenzen zwischen Himmel und Erde verschwimmen. Ohne das Element des Gehöfts könnte man die Bildfläche für reines Farbenspiel auf einer abstrakten Leinwand halten.

ORThogonale
Annette Wesseling

Lehmbruck Museum, Duisburg

ORThogonale

Annette Wesseling

1997
Jeweils 32,3 × 23,5 × 14,5 cm
Serie von 7 Foto-Leuchtkästen; MDF, Leuchtstoffröhren, CIBA-Transparente
Erworben 1998

In dieser frühen Arbeit ORThogonale der Wilhelm Lehmbruck Stipendiatin Annette Wesseling stehen Spiegelungen und Gegenbilder im Mittelpunkt. Sie nutzte farbige Fotografien von Gebirgsketten, Talsenken, Gipfeln und Wolkenformationen aus den Alpen, die sie als Dias entwickeln ließ. Sie dreht jeweils zwei identische Dias um 90 Grad und präsentiert sie spiegelverkehrt in Leuchtkästen. Durch diese achsensymmetrische Spiegelung verwandeln sich schroffe horizontale Gipfelzüge in steil aufragende Schluchten, in teils amorphe Formen, deren ursprüngliche gegenständliche Grundlage nur noch schwer erkennbar ist. Vielmehr erinnern sie an das monotypische Druckverfahren der Décalcomanie (Abklatschtechnik), das im frühen 20. Jahrhundert sowohl in der Psychoanalyse als auch im Surrealismus große Beliebtheit erfuhr.

Room of One´s Own
Lynn Hershman Leeson

Lehmbruck Museum, Duisburg

Room of One´s Own

Lynn Hershman Leeson

1990-1993/2006
38 × 40,5 × 89,5 cm
Digital gesteuerte, interaktive Ton-Bild-Installation / ursprünglich computerbasierte, interaktive Videoskulptur 1992/93, schwarze Box, Periskop, Miniaturschlafzimmer, Miniaturmonitor, Videoprojektor, Videokamera, Videodiskplayer, Videodisk, Mikrocomputer, Klangsystem, Lautsprecher, Sensoren
Erworben 2000

In dieser Arbeit werden die Betrachtenden gewissermaßen in eine „Peepshow“ hineingezogen: Durch die kleine Öffnung eines Periskops blicken sie in ein Miniatur-Schlafzimmer, in dem sich ein Bett, ein Stuhl, ein Teppich, ein Telefon, Kleidung und ein Fernseher befinden. Durch das Ausrichten des Periskops werden verschiedene Videos ausgelöst, die die weibliche Bewohnerin in verschiedenen Darstellungen zeigen. Gleichzeitig sind Fragen, Forderungen oder Proteste der Figur zu hören. Die Betrachtenden werden konsequent mit ihrer Rolle als Voyeur:innen konfrontiert, indem ihre Augen in Nahaufnahme und in Echtzeit erfasst werden und auf einen kleinen Fernsehmonitor im Raum übertragen werden. Dadurch wird der Blick der Betrachtenden quasi umgekehrt, und die Grenzen zwischen aktivem Subjekt und passivem Objekt verschwimmen.

Angst – Neonstück
Ludger Gerdes

Lehmbruck Museum, Duisburg

Angst – Neonstück

Ludger Gerdes

1989
160 × 400 × 13 cm
Acryl, Metalleinfassung
Erworben 2011

Ab Ende der 1980er-Jahre entstanden aus Gerdes‘ Auseinandersetzung mit Sprache skulpturale Wortarbeiten, bestehend aus großformatigen, neongelben Buchstaben. Diese Werke erinnern in ihrer Ästhetik an Leuchtreklamen, sind jedoch vielfältig interpretierbar. Bevorzugt präsentiert er sie im öffentlichen Raum. Es geht Gerdes in seinen Wortarbeiten nicht darum, dem Publikum leicht konsumierbare Kunst anzubieten, sondern „Denkmodelle“ und „visuelle Metaphern“, die dazu anregen, eigene Überlegungen anzustellen.

Während Anatols Stahltisch ein unheimliches Bedrohungsgefühl hervorruft, konfrontiert Gerdes direkt mit diesem Gefühl in Form von Worten. Das Wort, geschrieben in Serifen, dient als direkter Schlüssel zu den eigenen Emotionen und Erfahrungen, und verwandelt auf eindrucksvolle Weise den Raum, in dem es präsentiert wird.

Kopf einer alten Dame (Madame Germain)
Wilhelm Lehmbruck

Lehmbruck Museum, Duisburg

Kopf einer alten Dame (Madame Germain)

Wilhelm Lehmbruck

1913
52,3 × 15,7 × 19,9 cm
Gipsguss, weiß, terrakottafarben gefasst
Erworben 1926

Die Portraitplastik Kopf einer alten Dame (Madame Germain) stellt eine eher untypische Arbeit in Wilhelm Lehmbrucks künstlerischer Herangehensweise dar. Die ausdrucksstarke Kopfplastik zeigt das zerfurchte und vom Leben gezeichnete Gesicht einer alten Frau. Deutlich sichtbar sind die Arbeitsspuren in dem aus einem Tonklumpen herausgearbeiteten Gesicht, das als Modell für den späteren Guss diente. Abhängig von Lichteinfall und Betrachtungswinkel verändern sich die Konturen der Dargestellten; mal sind die Gesichtszüge klar erkennbar, dann wiederum scheinen sie sich zu verflüchtigen.

Lehmbrucks Ziel ist es weniger, die Dargestellte realistisch abzubilden, sondern vielmehr die psychische Innenwelt aus dem Körperlichen aufleuchten zu lassen. Er möchte die inneren Gefühle und Gedanken der Person in ihrer äußeren Erscheinung zum Ausdruck bringen.

SA
Keith Sonnier

Lehmbruck Museum, Duisburg

SA

Keith Sonnier

1969 –1974
186 × 172 × 45 cm
Neonröhren (grün, gelb, rot), Transformator
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 1996

Werke aus farbigem Licht machten Keith Sonnier bekannt. Leuchtröhren faszinierten ihn aufgrund ihrer energetischen Qualität: die kontinuierliche Bewegung der Edelgase Neon und Argon sowie ihre Ausstrahlung in den Raum.

Lineare Beschaffenheit und Formbarkeit der Röhren ermöglichen ein Zeichnen mit Licht und Farbe. Die Lichtdiffusität erlaubt es, mit verschiedenen architektonischen Ebenen in Interaktion zu treten. Sonnier erforscht die Wirkung des Lichts auf Materialien, Raum und Betrachtende. Es geht ihm darum, „Seherfahrungen und physikalische Phänomene in ‚einer‘ Erscheinungsform wahrnehmbar zu machen und durch Positionsveränderung der Sehweise ein Abfärben zu erreichen.“ ¹

¹ Keith Sonnier zitiert nach: Sabine B. Vogel, in: Keith Sonnier: Kunst als Kommunikation, in: Artis. Das aktuelle Kunstmagazin, 42. Jahrgang, Bern 1990, S. 39.

Fügemagozó / Feigenentkerner
István Harasztÿ

Lehmbruck Museum, Duisburg

Fügemagozó / Feigenentkerner

István Harasztÿ

1970
250 × 150 × 30 cm
Kinetische Plastik aus Stahl, Messing, Acryl, elektrische Installation
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 1978

Die bis ins kleinste Detail feinsäuberlich konstruierte Maschine des ungarischen Künstlers István Harasztÿ bewegt mehrere kleine Kugeln in einem kontinuierlichen Bewegungskreislauf: Über einen kleinen Aufzug werden sie in die Höhe befördert und auf komplizierte Rutschbahnen gesetzt, die sie wieder nach unten befördern. Die dabei entstehenden Geräusche und Lichteffekte erinnern an die Schrott-Maschinen von Jean Tinguely sowie an die mechanischen Konstruktionen von Michael Sailstorfer, die den Raum mit ihren alle Sinne ansprechenden Werken erfüllen.

Harasztÿs Maschinenskulpturen waren Teil seiner Erforschung der kinetischen Kunst und der Beziehung zwischen Technologie und Kunst. Sie zielen darauf ab, traditionelle Vorstellungen von Kunst in Frage zu stellen und das Publikum in eine aktive und partizipative Erfahrung zu verwickeln.

Ohne Titel
Jürgen Klauke

Lehmbruck Museum, Duisburg

Ohne Titel

Jürgen Klauke

1977
9 × 4 × 11 cm
Bronze
Erworben 1981

Jürgen Klauke beschäftigt sich mit der Thematik multipler Identitäten und Geschlechter. Er nutzt seinen Körper als Leinwand für persönliche Geschlechtertransformationen. Seine Kunstwerke sind kraftvolle Ausdrücke seines Wunsches, soziale Normen zu destabilisieren und alternative Formen der Selbstinszenierung zu erforschen. Sie streben danach, die klare Trennung der Geschlechter als Illusion und konstruiertes Konzept zu entlarven.

Seine Kunst provoziert die Auseinandersetzung mit kulturellen Codes und Erwartungen zum Thema Erotik und Fetischismus. In diesem Werk schafft Klauke eine visuelle Verbindung zwischen einem Objekt der Begierde (Schuh) und dem Körper (Fuß). Diese Darstellung kann alles von Faszination bis hin zu Unbehagen hervorrufen, da sie Tabus und soziale Normen in Bezug auf Sexualität und Erotik herausfordert.

Softer catwalk in collapsing rooms
Aernout Mik

Lehmbruck Museum, Duisburg

Softer catwalk in collapsing rooms

Aernout Mik

1999
175,5 × 500 × 750 cm
Film auf DVD (Loop), Installation: 10 geformte Wandelemente, 1 Türsturz, 1 Tür, 1 Rückpro-Leinwand, 1 Beamer
Erworben 2004

Der niederländische Künstler Aernout Mik verbindet in seinen Arbeiten bewegte Bilder, Skulptur und Architektur zu begehbaren Rauminstallationen. Seine fiktiven Szenarien bewegen sich zwischen Dokumentation und Performance, ohne dabei einem strengen Erzählstrang zu folgen.

In dieser Installation verwendet Mik erstmals einen transparenten Bildschirm, der in eine gebogene Wand integriert ist. Die Projektion wird somit Teil der Architektur. Wir beobachten, wie Personen sich durch das Innere eines verfallenen Gebäudes bewegen. Während die Räume zusammenbrechen, schlendern sie gleichgültig und scheinbar ziellos durch die Trümmer. Es scheint, als würden sie ihre Umgebung und einander nicht wahrnehmen. Die Absurdität der Arbeit wirft die Frage auf, was als normales und abnormales Verhalten inmitten von Katastrophen betrachtet werden kann.

Transformation zweier Quadrate
Ingo Glass

Lehmbruck Museum, Duisburg

Transformation zweier Quadrate

Ingo Glass

2006
120 × 160 × 120 cm
Aluminium, pulverbeschichtet, 2 Teile
Erworben 2007

Ingo Glass‘ künstlerisches Schaffen dreht sich um die drei Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck sowie um die Grundfarben Rot, Blau und Gelb. Er weist jeder Form eine Farbe zu. Die Farbenzuordnung entnimmt er der Bauhaus-Theorie, tauscht allerdings die Farben für Kreis und Quadrat aus.

Diese Form-Farb-Elemente kombiniert Glass zu skulpturalen Installationen. Er platziert sie im Raum, fügt sie ineinander, durchbricht sie und schafft eine Öffnung. Die Grundelemente werden mithilfe von Laserschnitt aus Aluminiumplatten gefertigt und mit RAL-Farben pulverbeschichtet. Sie besitzen sowohl eine äußere Form als Kreis, Dreieck oder Quadrat als auch eine innere Form, die von der äußeren abweichen kann und Durchblick schafft. Durch eine Mischung aus Strenge und spielerischem Gestalten schafft er „konkrete“ Konstellationen von kontemplativer Kraft.

Zwölf Fass geschöpftes Rheinwasser
Klaus Rinke

Lehmbruck Museum, Duisburg

Zwölf Fass geschöpftes Rheinwasser

Klaus Rinke

1969
ca. 224 × 1060 × 70 cm
Installation: 12 verzinkte 60-Liter-Fässer mit handgeschöpftem Rheinwasser, 12 Schwarz-weiß-Fotografien, Schöpfkelle
Erworben 1997

Seit den 1960er-Jahren arbeitet Klaus Rinke immer wieder mit dem Element Wasser. Im Jahr 1969 reiste er auf Einladung der Kunsthalle Baden-Baden mit einem Schiff den Rhein herunter. Während seiner Fahrt von Düsseldorf nach Straßburg machte er an zwölf Stationen Halt, um an jedem Ort ein Fass mit Rheinwasser zu füllen. Anschließend versiegelte er die Fässer und etikettierte sie mit dem jeweiligen Ort und Datum. Zu jedem Fass gehört eine schwarz-weiße Fotografie, die an die Aktion erinnert, mit der der Künstler den Versuch unternahm, ein vergängliches Naturereignis zu konservieren.

Rinke selbst schreibt zu dieser Arbeit: „Der Versuch, die Gegenwart eines Flusses Vergangenheit werden zu lassen. Ein Stück Naturereignis konservieren. Den Rhein museumsreif machen. Ein Gruppenerlebnis inszenieren und die Reste als Andenken ausstellen.“

Please Forward, aus der Mappe: Project for Sky-Writing
Robert Filliou

Lehmbruck Museum, Duisburg

Please Forward, aus der Mappe: Project for Sky-Writing

Robert Filliou

1971
10 Drucke à 62,4 × 89,5 cm
Mehrfarbige Serigraphien auf weißem Karton
Erworben 1972

Robert Fillious Project for Sky-Writing aus dem Jahr 1971 ist ein Paradebeispiel für sein experimentelles Denken und seinen Wunsch, die Konventionen herauszufordern. Als einer der Hauptvertreter der Fluxus-Bewegung nutzt der französische Künstler in dieser Arbeit die ephemere Kunstform des Skywriting, um die traditionellen und räumlichen Grenzen der Kunst wortwörtlich in Luft aufzulösen.

Die zehn Drucke zeigen Gedanken Fillious, die er in den Himmel schreiben wollte. Ein Flugzeug sollte die Botschaften unter Verwendung von speziellem Rauch hinterlassen. Ursprünglich eine Form der Luftwerbung, wollte Filliou das Skywriting als choreografische Ausdrucksform seiner Kunst nutzen. Durch den Gebrauch des Himmels als Leinwand und Bühne wollte Filliou seine Kunst im Alltag verorten und in direkten Austausch mit den Betrachtenden treten.

Sphère trame
François Morellet

Lehmbruck Museum, Duisburg

Sphère trame

François Morellet

1969
ø 36 cm
Stahlstäbe
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 1970

François Morellet war ein prägendes Mitglied der kinetischen Kunstbewegung in den 1960er-Jahren. Besonders bekannt ist seine Serie Sphère-Trame – kugelähnliche Texturen, die aus rechtwinklig zueinander angeordneten Stahlstäben bestehen. Aufgehängt als Mobile erzeugt die Sphère-Trame sanfte Bewegungen, wodurch ein sich verändernder optischer Effekt entsteht, wenn das einfallende Licht von den Stäben reflektiert wird.

Morellet war es ein Anliegen, das Erleben von Kunst zu demokratisieren, und er schuf daher dieses Werk ohne festgelegten Standpunkt. Stattdessen können Betrachtende aus jedem Blickwinkel damit interagieren. Mit Rohlfs verbindet Morellet das Bestreben, die Wahrnehmung der Betrachtenden mittels optischer Effekte einzubeziehen.

Pigmentkubus
Erich Reusch

Lehmbruck Museum, Duisburg

Pigmentkubus

Erich Reusch

1970
40 × 40 × 44 cm
Acrylglas und Ruß
Erworben 1972

In den 1960er und 1970er-Jahren erlangte Erich Reusch Bekanntheit durch seine „elektrostatischen Objekte“: Plexiglaskästen, in die der Künstler schwarzen Ruß einbrachte. Abhängig vom Außenklima und der elektrostatischen Aufladung verändert der Kohlestoff seine Position innerhalb des Kubus. Es entsteht eine zufällige, der stetigen Veränderung unterworfene malerische Wirkung, die an die Kunst des Informel denken lässt.

Während die informelle Malerei jedoch die Spontaneität der künstlerischen Produktion nutzte, um das Unbewusste hervorzubringen, überlässt Reusch in seinen elektrostatischen Objekten die Gestaltung den Naturgesetzen und schreibt dem Zufall eine bedeutende Rolle zu. Seine Werke unterliegen einem kontinuierlichen, unaufhörlichen Wandlungsprozess, der zwar von außen beeinflusst, aber nicht gesteuert werden kann.

Space Modulator / Raumverwandler
László Moholy-Nagy

Lehmbruck Museum, Duisburg

Space Modulator / Raumverwandler

László Moholy-Nagy

1939
78,4 × 50,5 × 12,7 cm
Plexiglas auf Stahl in Holzrahmen
Erworben 1962

Bereits in jungen Jahren war Moholy-Nagy von dem Phänomen des Lichts fasziniert. Die wissenschaftliche Debatte über eine neue Auffassung von Licht und Raum, die als Konsequenz von Einsteins 1905 formulierter Relativitätstheorie entstand, verfolgte er mit großem Interesse.

Bereits während seiner Zeit am Bauhaus experimentierte er mit ungewöhnlichen Materialien und erschafft erste Plexiglas- und Drahtskulpturen und kinetische Objekte. Nach seiner Emigration nach London und später in die USA intensivieren sich seine Experimente. Ihn beschäftigte vor allem die Frage, wie Licht und Raum eine bildnerische Einheit erlangen können. Bevorzugt verwendete er Plexiglas als Werkstoff, da es leicht formbar ist und damit die Gestaltung transparenter Skulpturen ermöglicht, die mit einem traditionellen Werkstoff wie Glas unmöglich gewesen wären.

I want you to feel the way I do ... (The Dress)
Jana Sterbak

Lehmbruck Museum, Duisburg

I want you to feel the way I do ... (The Dress)

Jana Sterbak

1984-85
144,8 × 121,9 × 45,7 cm
Unisolierter Nickel-Chrom-Draht auf Drahtgeflecht, Stromkabel, Elektrizität, Text
Erworben 2019 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen

In ihrem Werk I want you to feel the way I do … formt die kanadische Künstlerin Jana Sterbak Stahlgeflecht zu einem Kleid, das bei Annäherung der Betrachter:innen zu glühen beginnt und Hitze entwickelt. Die Installation wird durch ein Gedicht von Sterbak ergänzt. Sie stellt Bezüge zur mythologischen Figur der Medea her, die ihrer Rivalin ein vergiftetes Kleid zukommen ließ, das deren Körper verbrannte.

Viele von Sterbaks Arbeiten können als Kommentare zur gesellschaftlichen Wahrnehmung und Konstruktion von Körpern, insbesondere Frauenkörpern, gesehen werden. Die Künstlerin untergräbt herkömmliche Vorstellungen von Weiblichkeit und femininer Kleidung, indem sie unkonventionelle Materialien und Formen einsetzt. Sie ist Teil einer feministischen Künstler:innengeneration, die neue Wege fand, weibliche Stereotypen und Projektionen zu thematisieren.

Things & Things
Jessica Stockholder

Lehmbruck Museum, Duisburg

Things & Things

Jessica Stockholder

2000
ca. 240 × 230 × 400 cm
8 Koffer, Trittleiter, Schnappschuss, Plastikvasen, Tische, Holz, Linoleumplatte, Duschvorhang, Vogelkäfig, Sandalen, Garn, Eisenwaren, Nylongewebe, Teppich, Kette, Velcro, Verlängerungskabel, Beleuchtungsträger, Glühbirne, Tortenplatte, Acryl- und Ölfarbe
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 2003

Jessica Stockholder verwendet in ihren installativen Arbeiten gewöhnliche Alltagsgegenstände der Konsumgesellschaft, die eine dominierende Farbigkeit aufweisen oder von ihr einen homogenisierenden Anstrich erhalten. Durch die Übermalung entsteht eine scheinbare Einheitlichkeit heterogener Objekte und Gegenstände.

Ähnlich wie Ai Weiwei nutzt Stockholder Strategien der Akkumulation und Assemblage. Ihre Assemblagen erzeugen ein Gefühl des Überflusses und der Übersteigerung und stellen die Konsumkultur in Frage. Stockholder und Ai Weiwei verwenden gefundene Gegenstände und Materialien, um diesen neue Bedeutungen zu verleihen. Sie untersuchen Themen wie Massenproduktion, Konsumverhalten und kulturelles Erbe. Durch die Veränderung des Kontexts und der Assoziationen dieser Materialien regen sie an, Wahrnehmungen kritisch zu hinterfragen.

Harriet
K.O. Götz

Lehmbruck Museum, Duisburg

Harriet

K.O. Götz

2000
79 × 155 × 11 cm
Schmiedeeisen, handgeschmiedet, schwarz lackiert
Erworben 2000

Mit der Serie der Stahlreliefs ist es Götz gelungen, seine malerische Rhythmik ins Dreidimensionale zu übertragen. Der Ursprung dieser Stahlreliefs liegt in kleinen Schnellzeichnungen auf Briefen, Faxen oder Einladungen, die Götz an Bekannte versandte.  Obwohl die Zeichnungen in Sekundenschnelle entstanden, folgen sie einer strengen Systematik und ähneln in ihrer seriellen Konzeption seiner Malerei. Bei einzelnen Reliefs, insbesondere wenn sie auf einem Wirbelschema beruhen, wird die Nähe zu seinem malerischen Werk am deutlichsten erkennbar.

Dabei tragen die hochformatigen Arbeiten als Titel Männernamen, die Querformate Frauennamen. Die gewählten Namen gehören zu Personen aus Götz persönlichem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Sammler:innen oder Bekannten.

5 Unit Wall Sculpture
Donald Judd

Lehmbruck Museum, Duisburg

5 Unit Wall Sculpture

Donald Judd

1992
50,2 × 100 × 50,2 cm (Objektmaß), 50,2 × 700 × 50,2 cm (Installationsmaß)
Cortenstahl, farbiges Plexiglas in purpur, schwarz, gelb, grün, weiß, 5 Teile
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 1992

Donald Judd begann in den 1960er-Jahren mit professionellen Blechverarbeitern zusammenzuarbeiten. Er wollte so eine industrielle Produktionslinie suggerieren. Die praktische Kunstproduktion wurde damit aus dem Atelier entfernt, eine Veränderung, die für junge Konzeptkünstler:innen von großer Bedeutung war: Ideen selbst können frei von jeglicher Materialisierung als Kunst existieren.

Die Kiste war für Judd neutral und hatte keine symbolische Bedeutung. Die fünfteilige Wandarbeit 5 Unit Wall Sculpture ist streng symmetrisch ausgerichtet und verteilt sich horizontal in einer vorgegebenen Höhe. Diese Anordnung verleiht dem Werk eine ausgewogene Präsenz im Raum und erzeugt eine klare visuelle Ordnung. Die serielle Wiederholung der Form betont Judds Vorliebe für strukturelle Klarheit und unterstreicht die Präzision der industriellen Fertigung.

Ohne Titel (Mondrian 4)
Günter Thorn

Lehmbruck Museum, Duisburg

Ohne Titel (Mondrian 4)

Günter Thorn

1981
226 × 250 × 250 cm
Zwei Moniereisen, zwei Magnete
Dauerleihgabe des Freundeskreises seit 1983

Das Spannungsfeld zwischen Fläche, Raum und Linie bildet einen prägenden Faktor in den frühen Konstruktionen des Bildhauers Günter Thorn. In seinem Werk Mondrian 4 sind es zwei Moniereisen, die zu Rechtecken gebogen wurden. Jedes Teil ist für sich alleine gesehen nicht standfest. Erst durch die präzise Ausrichtung und die Verbindung mittels zweier Magnete wird das Umkippen und somit die Zerstörung des Kunstwerks verhindert.

Thorn geht es in seinem künstlerischen Werk um den Ausgleich von Kräften, um labile Gleichgewichtsverhältnisse, die Gefährdung veranschaulichen. Die Betrachtenden sind aufgrund der abstrakten Reduktion des Werkes fast ausgeschlossen. Jedoch entsteht unmittelbar eine Beziehung durch die Angst vor einer taktilen Berührung, die durch die fragile Balance hervorgerufen wird.

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Museum Ostwall im Dortmunder U

Ohne Titel (Stahltisch)
Anatol Herzfeld

Museum Ostwall im Dortmunder U

Ohne Titel (Stahltisch)

Anatol Herzfeld

1969

Stahltisch
Erworben aus der Sammlung Feelisch

Das Relikt der Aktion „Drama Tisch“ gehört zu den zentralen Werken des MO_Sammlungsschwerpunktes „Fluxus und verwandte Kunstformen“. Es greift ein bis heute brennendes politisches Thema auf: Das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Zensur. Verbindungen zwischen Kunst und Alltag zu ziehen, zur Auseinandersetzung über gesellschaftsrelevante Fragen anzuregen und „lebende Kunst zu fördern“, wie es im Fluxus-Manifest von 1963 heißt, gehört zum Selbstverständnis des MO als Ort des Austauschs mit und über Kunst.

Museum Ostwall im Dortmunder U

Schnelle Trollies
Dieter Roth

Museum Ostwall im Dortmunder U

Schnelle Trollies

Dieter Roth

1972
31,5 x 57 cm
Offsetdruck auf perforiertem und gummiertem Papier
Erworben aus der Sammlung Cremer 1997

Auch wenn der Reifen nicht vom Fleck kommt: Sailstorfers Installation lässt uns an PS-starke Autos denken, die bei einem rasanten U-Turn oder einer Vollbremsung Reifenspuren auf dem Asphalt hinterlassen. Der Briefmarkenbogen Schnelle Zwerge von Dieter Roth zeigt scheinbar gleich ein ganzes Autorennen: Auf jeder der in unterschiedlichen Farben gestalteten Marken sitzen zwei schemenhaft zu erkennende Figuren in einem Rennwagen mit übergroßen Rädern. Die einander überschneidenden Formen, die unterschiedliche Farbgebung der einzelnen Bilder und die enge Reihung von insgesamt 60 Stück lässt den Bogen vor unseren Augen flimmern und erzeugt ein Gefühl von Dynamik und Schnelligkeit. Würde man die Marken einzeln auf Briefe kleben, könnten die Schnellen Zwerge „hinausfahren“ in die Welt.

Das DAX-Gebirge (1988 bis 2012), 2013 u. Das DAX-Gebirge (Januar bis Juni 2013)
Barbara Hlali

Museum Ostwall im Dortmunder U

Das DAX-Gebirge (1988 bis 2012), 2013 u. Das DAX-Gebirge (Januar bis Juni 2013)

Barbara Hlali

2013
52,8 x 72,6 x 2,7 cm / 52,7 x 37,7 x 2,7 cm
je Bleistift und Tinte auf Papier, in Holzrahmen, verglast
Beide erworben von Barbara Hlali am 07.03.2014

Gabriele Münters Gemälde zeigt ein natürlich entstandenes Bergmassiv. Barbara Hlalis DAX-Gebirge bilden hingegen ein menschengemachtes Phänomen ab: den Deutschen Aktienindex, der die Wertentwicklung der 40 größten deutschen Aktiengesellschaften misst. Jahresübersichten von 1988 bis 2012 und eine Halbjahresübersicht des Jahres 2013 zeigen, einigen Einbrüchen zum Trotz, stetiges Wachstum. Durch Überzeichnung entstehen aus den Grafiken unüberwindliche Berglandschaften. Wirtschaftswachstum zu fördern, galt lange als Leitlinie „guter Politik“; heutige „Degrowth“-Konzepte setzen hingegen auf Werte wie Solidarität und ökologisches Handeln. Hlali fragt: Garantiert das Festhalten am Wachstumsprinzip tatsächlich ein gutes Leben für alle – oder manövrieren wir uns in eine Sackgasse, aus der wir nur schwer herausfinden werden?

Sphärisches Objekt
Adolph Luther

Museum Ostwall im Dortmunder U

Sphärisches Objekt

Adolph Luther

1972
59,5 x 84,3 x 9,5 cm
Plexiglaskasten, Spiegelglas, Glas, Tischlerplatte
Eerworben aus der Sammlung Cremer mit einer Förderung durch das Land NRW am 08.12.1994

In Sonniers Tunnel of Tears werden die Betrachtenden Teil des Kunstwerks, indem sie hindurch gehen. 30 Jahre zuvor experimentierte der Lichtkünstler Adolph Luther mit Op Art, die ebenfalls aktive Betrachtende fordert. Um die Wirkung seines Sphärischen Objekts zu erleben, müssen wir uns vor ihm durch den Raum bewegen. Acht konkav gewölbte Spiegelflächen reflektieren uns und den umgebenden Raum, drehen ihn und uns auf den Kopf und fächern die Reflexionen wie in einem Prisma auf. Wir sehen uns vervielfacht in einem optischen Raum, der mit den realen räumlichen Gegebenheiten nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir werden nicht nur zum Teil des Werks, sondern können dieses durch Bewegungen immer wieder verändern und damit neu erschaffen. Während Sonnier auf die Wirkung der Farbe setzt, gestaltet Luther sein Werk allein mit Licht.

Ekstatische Feuerblume
Otto Piene

Museum Ostwall im Dortmunder U

Ekstatische Feuerblume

Otto Piene

1967
95,5 x 68 cm
Rauch-Gouache auf Karton
Schenkung von Otto Piene am 18.12.1967

Emil Schumachers Pinatubo zeigt die zerstörerische, alles Leben vernichtende Kraft des Feuers. Otto Piene hingegen nutzt das Feuer als Werkzeug, um eine blühende Blume zu Papier zu bringen. Piene war Mitbegründer der Künstlergruppe ZERO und experimentierte in den 1950er Jahren mit Licht: Es entstanden Lichtplastiken oder Installationen wie The Proliferation of the Sun, die mit Diaprojektoren eine Reise zur Sonne inszenierte. Die ZERO-Bewegung grenzte sich von informellen Künstlern wie Schumacher ab, deren Kunst ihnen zu sehr von den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges geprägt zu sein schien. Zero war der Zukunft zugewandt. Vom Licht gelangte Piene zum Feuer: Er zündete Farbe auf seinen Bildern an und lernte, mit Rauch und Feuer zu malen. So entstand diese mit positiver Energie geladene Ekstatische Feuerblume.

Un metro cubo di infinito (Ein Kubikmeter Unendlichkeit)
Michelangelo Pistoletto

Museum Ostwall im Dortmunder U

Un metro cubo di infinito (Ein Kubikmeter Unendlichkeit)

Michelangelo Pistoletto

1966
120 x 120 x 120 cm
sechs verschnürte, nach innen weisende Spiegel
Schenkung von Michealangelo Pistoletto am 01.04.1967

Um Gianni Colombos Zoom Squares zu erleben, muss man sich in das Kunstwerk hineinbegeben. Michelangelo Pistolettos Werk entsteht hingegen im Kopf der Betrachtenden. Un metro cubo di infinito besteht aus zu einem Würfel verbundenen Spiegeln, deren Spiegelflächen nach innen zeigen. Auch Pistoletto schafft hier einen dynamischen Raum, denn durch die sich gegenseitig reflektierenden Spiegel dehnt sich das Innere des Würfels – theoretisch – ins Unendliche aus. Allerdings bleibt dieser „Kubikmeter Unendlichkeit“ unsichtbar, denn man kann nicht in den Würfel hineinschauen. Während Colombo einen Raum mit Licht erschafft, schließt Pistoletto das Licht in diesem Raum gänzlich aus. So erschaffen wir als Betrachtenden das eigentliche Kunstwerk mit unserer Imagination: Wir müssen uns „einen Kubikmeter Unendlichkeit“ vorstellen.

Kohl Venus von Bochum
Al Hansen

Museum Ostwall im Dortmunder U

Kohl Venus von Bochum

Al Hansen

1965/71
61 x 30,5 x 1,5 cm
Erworben aus der Sammlung Cremer am 07.12.1998

Meyers Skulptur Red Heels widmet sich einem Schuh, der stark mit Bedeutung aufgeladen ist: In der westlichen Popkultur des 20. Jahrhunderts genießen High Heels den Status eines Fetischs und werden traditionell mit Weiblichkeit und Sexyness assoziiert. Auch Al Hansens Kohl Venus von Bochum zitiert traditionelle (oder besser: tradierte) Vorstellungen von Weiblichkeit und Erotik. Hansens Venus-Bilder sind oft sexuell aufgeladen oder deuten erotische Geschichten an, wie diese aus Schokoladenpapieren der Firma Hershey collagierte, die Wortfetzen wie „hey“, „her“, „he“, „she“, „cool“, „sh“, „yes, „no“ oder „smil[e]“ enthält. Die Verbindung eines Frauenkörpers mit Schokolade, einer als sinnlich geltenden Süßigkeit, erinnert an die Redewendung „jemanden vernaschen“ und offenbart einen objektivierenden „männlichen Blick“ auf Weiblichkeit.

Pieta
Ina Barfuss

Museum Ostwall im Dortmunder U

Pieta

Ina Barfuss

1983
200 x 310 cm
Kunstharz auf Leinwand
Erworben von Ina Barfuss am 05.03.1986

Werner Gilles reflektiert die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und verweist mit der Figur des Orpheus auf einen antiken Mythos. Ina Barfuss bezieht sich hingegen auf die christliche Mythologie: Als Pietà bezeichnet man Darstellungen der Heiligen Maria mit ihrem toten Sohn Jesus Christus auf dem Schoß. Ina Barfuss Pietà ist verstörend: Eine menschliche Figur wird von den Gliedmaßen einer anderen, abstrakteren durchbohrt; aus ihrem Schoß wächst, wie ein riesiger Penis, ein Säbel, der den Kopf eines nackten Jungen durchbohrt, der von einer Figur mit verbundenen Augen im Arm gehalten wird. Auch in diesem Bild tun Menschen einander Gewalt an, aber die Rollenverteilung ist unklar: Ist die linke Figur links Täter oder Opfer, die rechte Beschützende oder Wegsehende? Wer die Verantwortung für die Grausamkeiten trägt, bleibt offen.

Die Welt im Wohnzimmer 

Timm Ulrichs

Museum Ostwall im Dortmunder U

Die Welt im Wohnzimmer 


Timm Ulrichs

2008
51,7 × 51,6 cm
Serie aus 50 Farbfotografien auf Kunst-Stoff (Polystyrol), 1mm starkkaschiert in weiß lasiertem Holzrahmen
Erworben von Timm Ulrichs am 21.01.2021

Ueckers benagelte Fernsehgeräte kritisieren die Wirkungsweise eines populären Massenmediums, das den Zuschauer:innen den Platz passiver Informationsempfänger:innen zuweist. Timm Ulrichs hingegen interessiert, wie Menschen ‚die Welt da draußen‘ in ihr Privatleben integrieren. In seiner 50-teiligen Fotoserie dokumentiert er „Fernsehgerät[e] als Sockel und Hausaltar“, die er in einem slowenischen Altersheim vorfand. Seine Bilder zeigen, wie weltpolitische Ereignisse, inszenierte Geschichten oder geschönte Alltagserzählungen auf das reale Leben der Bewohner:innen treffen: Erinnerungsfotos, Familienportraits, Reisesouvenirs, religiöse Bilder und Figuren oder Blumenarrangements ermöglichen intime Einblicke in die private Welt der Fernsehzuschauer:innen.

Facing the World
Freya Hattenberger

Museum Ostwall im Dortmunder U

Facing the World

Freya Hattenberger

2009
Jeweils 53 x 41,2 x 5 cm
Zwei Lambda-Prints jeweils montiert in Plexiglas-Schaukasten
Erworben von Freya Hattenberger im Januar 2011

Lehmbrucks Große Sinnende zeigt das idealtypische Bild einer nachdenklichen, in sich gekehrten Frau. Freya Hattenbergers Fotoarbeit ist das exakte Gegenteil: In ihrem Selbstportrait schaut sie nicht nach innen, sondern bietet der Welt die Stirn. Sie schreibt: „Die Welt, die große Unbekannte, da draußen … In dieser zweiteiligen Fotoarbeit nehme ich Kontakt mit ihr auf, und zwar mit Hilfe sämtlicher ‚audio-visueller Sinnesprothesen‘, die mir in unmittelbarer Reichweite standen.“ Voller Tatendrang wird sie auf der Suche nach dem perfekten Motiv fast übermütig: „Behängt und ausgerüstet mit insgesamt 23,56 kg Technik am Leib schaffte ich es drei Stockwerke tief und kam unbeschadet bis zur Bordsteinkante. Dann wurde mir schwarz vor Augen …“ Die Erkundung der Welt ist eben auch heute noch ein Wagnis …

Meta-Matic-Zeichnung, diverse von 1959/1960
Jean Tinguely

Museum Ostwall im Dortmunder U

Meta-Matic-Zeichnung, diverse von 1959/1960

Jean Tinguely

1998
29,8 x 21 cm
Tuschestift auf Papier
Erworben aus der Sammlung Cremer am 07.12.1998

Sind K.O. Götz‘ Jonction II und Jean Tinguelys Meta-Matic-Zeichnungen miteinander verwandt? Nun, Tinguelys Meta-Matics entstanden als ironischer Kommentar zur gestischen Malerei und zum Informel der 1950er Jahre, einer Kunst-Strömung, die K.O. Götz mitbegründet hatte. Tinguely belächelte den Geniekult, der die Geste des Künstlers mit Bedeutung auflud und als Ausdruck seiner Persönlichkeit feierte. Tinguely konterte mit Maschinen, die laut, lebensnah und zuweilen lustig waren. Seine von Mal-Maschinen – „Meta-Matics“ – erstellten Zeichnungen sollten zeigen, dass die Kunst sehr gut ohne Künstlergenies auskommt. In seinen Ausstellungen durften die Maschinen sogar von Besuchenden bedient werden. So konnte – mit technischer Unterstützung von Tinguelys scheppernden Apparaten – jede:r zum Künstler, zur Künstlerin werden.

Strahlemann
Anna und Bernhard J. Blume

Museum Ostwall im Dortmunder U

Strahlemann

Anna und Bernhard J. Blume

1992
60,7 x 35,9 x 3 cm
Zweiteilige Fotosequenz
Schenkung von Anna und Bernhard Blume am 23.03.2006

Kupkas Gemälde zeigt ein spirituelles Motiv: Die Seelen der beiden Schlafenden (der Künstler und seine Frau) lösen sich von den Körpern und bilden eine geistige Einheit. Rund 80 Jahre später beschäftigten sich auch Anna und Bernhard Blume, die als Künstlerpaar oft gemeinsam in ihren Fotografien auftreten, mit spirituellen Phänomenen. Sie wählen hierfür jedoch das Medium der Schwarz-Weiß-Fotografie: In ihrer Arbeit Strahlemann scheint eine Art okkulte Energie durch eine verschlossene Tür zu dringen. Daneben wirft eine Hand Strahlen in den Raum; der zugehörige Körper ist nur schattenhaft und unvollständig zu sehen. Anna und Bernhard Blume zitieren hier die sogenannte Geisterfotografie, die um 1900 (der Zeit in der Kupkas Gemälde entstand) sehr populär war und angeblich die Geister Verstorbener sichtbar machen konnte.

Mann auf Baumstumpf
Hermann Blumenthal

Museum Ostwall im Dortmunder U

Mann auf Baumstumpf

Hermann Blumenthal

1930/31
103 x 55 x 70 cm
Bronze
Erworben von Elisabeth Osthoff in Bielefeld am 01.06.1965

Wilhelm Morgners Mann auf dem Hügel und Hermann Blumenthals zwanzig Jahre jüngerer Mann auf Baumstumpf zeigen zwei sitzende Männerfiguren in der Natur. Die jeweilige Stimmung beider Werke könnte kaum gegensätzlicher sein: Die Landschaft in Morgners Gemälde strahlt dank der starken Farbkontraste und des dynamischen Pinselstrichs Bewegung aus, die Figur in der linken Bildhälfte scheint jedoch ganz ruhig zu sein: Zurückgelehnt, einen Arm auf das angewinkelte Knie gestützt, schaut der Mann entspannt ins Tal. Blumenthals klar komponierte Bronzeskulptur hingegen strahlt eine leichte Anspannung aus. Mit durchgedrücktem Rücken, geradem Nacken und leicht erhobenem Kopf scheint dieser Mann auf etwas zu warten. Morgners Mann verweilt. Blumenthals Mann scheint bereit zum Aufbruch.

Weißes Meer
Günther Uecker

Museum Ostwall im Dortmunder U

Weißes Meer

Günther Uecker

1966
103 x 103 x 10,5 cm
Nägel, Farbe, Leinwand, Holz, Plexiglas
Erworben aus der Galerie Schmela, Düsseldorf am 25.03.1967

Die pointillistische Malweise und der präzise Einsatz von Licht und Farbe erzeugt in Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang einen leuchtenden, klar strukturierten Raum. Günther Uecker hingegen verzichtet auf Farbe und „malt“ mit dem Licht des umgebenden Raumes. Die Punkte, aus denen sich sein Weißes Meer zusammensetzt, sind weiß bemalte, in eine weiße Holzplatte geschlagene Nägel, die eine dynamische Wellenbewegung formen. Uecker nutzt das Zusammenspiel von Licht und Schatten, um eine immaterielle Ebene in sein Bild zu integrieren: Das Objekt verändert seine Form; die Struktur lichtet oder verdichtet sich, je nachdem wie stark und aus welcher Richtung das Werk beleuchtet wird. Durch die Reinheit der Farbe Weiß, die weiche, fließende Form und den Einsatz von Licht schafft Uecker so ein Objekt mit meditativer Wirkung.

Taking a shoe for a walk
Allan Kaprow

Museum Ostwall im Dortmunder U

Taking a shoe for a walk

Allan Kaprow

1989
4 Fotografien je 23,8 x 17,7 cm, 3 Fotografien je 17,7 x 23,8 cm, Handlungsanweisung 29,7 x 21 cm, Schuh ca. 11,5 x 8 x 25,5 cm
Damenlederschuh, sieben dokumentarische Schwarz-Weiß-Fotografien, Handlungsanweisung, eine Farbfotografie mit Pergaminblatt, Farbstiftzeichnung
Erworben aus der Sammlung Feelisch mit Mitteln der Stadt Dortmund und der Freunde des Museums Ostwall am 28./29.11.2011

August Macke zeigt eine Frau, die durch die Stadt flaniert und die Auslage eines Hutgeschäfts betrachtet. Auch Allan Kaprows Happening Taking A Shoe For A Walk basiert auf einem Spaziergang, allerdings steht hier statt einer Kopfbedeckung die Fußbekleidung im Mittelpunkt: Am 13. August 1989 führten er und weitere Mitwirkende in der Bonner Innenstadt Schuhe an einer Schnur spazieren. Die Aktionsanleitung zum Happening fordert dazu auf, den Schuh von Zeit zu Zeit zu untersuchen und abgenutzte Stellen mit Mullbinde und Pflastern zu „verarzten“. Dies sollte so lange fortgeführt werden, bis der Schuh vollkommen verschlissen war. Indem Kaprow einen Schuh, losgelöst vom Fuß, wie einen Hund spazieren führt, richtet er unsere Aufmerksamkeit auf die Strapazen, denen dieses Kleidungsstück tagtäglich ausgesetzt ist.

Cerchio spezzato No. 5
Guiseppe Spagnulo

Museum Ostwall im Dortmunder U

Cerchio spezzato No. 5

Guiseppe Spagnulo

1971
265 x 290 x 174 cm
lackiertes Eisenblech
Erworben in Mailand am 29.03.1975

Während Schwickeraths Werk auf exakten geometrischen Formen basiert, zeigt Giuseppe Spagnulos ebenfalls für den öffentlichen Raum entwickelter Cerchio spezzato No. 5 („Gebrochener Kreis Nr. 5“) alles andere als eine perfekte Form. Ihm geht es nicht um formale Fragen oder um das Verhältnis von Skulptur und Raum – seine Arbeiten sind politisch. Seine „gebrochenen“ Eisenskulpturen entstanden als Reaktion auf die Studierendenproteste Ende der 1960er Jahre. Spagnulo hatte sich an deren Demonstrationen beteiligt und Skulpturen in den Straßen Mailands aufgestellt. Wie viele seiner Zeitgenossen sah er Kunst als Mittel zur Veränderung der Gesellschaft. In dem er die als perfekt geltende geometrische Struktur des Kreises öffnet, verweist er auf die Möglichkeit, gewohnte Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens aufzubrechen.

Tableau-Feu
Bernard Aubertin

Museum Ostwall im Dortmunder U

Tableau-Feu

Bernard Aubertin

1961/69
50 x 50 cm
Aluminiumplatte, Holzleisten, Streichhölzer, Ruß
Erworben aus der Sammlung Cremer am 07.12.1998

Bettenhausens und Aubertins Werke ähneln sich in ihrem streng rhythmischen Aufbau und ihrer räumlichen Struktur. Bettenhausen stanzt runde Formen in den Bildträger und bringt durch teils rote Bemalung Lebendigkeit ins Bild. Aubertin hingegen schafft mit in ein Lochraster gesteckten Streichhölzern eine dynamische Struktur, die zufällige Elemente enthält: 1961 entzündete er die untere Reihe der Streichhölzer, die wiederum die darüber liegende Reihe in Brand setzte. So entstand auf dem metallenen Bildträger eine von unten nach oben sich immer mehr verdichtende Rußschicht. Tableu-Feu („Feuerbild“) entstand im Kontext der ZERO-Bewegung, deren Künstler mit Licht und Feuer experimentierten. Die nachträglich ersetzten Streichhölzer verweisen auf den Entstehungsprozess des Bildes und lassen – potenziell – weitere Überarbeitungen zu.

Heinrich Albertz
Wolf Vostell

Museum Ostwall im Dortmunder U

Heinrich Albertz

Wolf Vostell

1968
101 x 101 x 4 cm
Fotografie, verwischt, auf Leinwand aufgezogen
Erworben aus der Sammlung Cremer am 07.12.1998

Ai Weiwei kritisiert die politischen Verhältnisse in China sehr subtil: Die mit Industriefarbe bemalten kostbaren antiken Vasen verweisen auf die Zerstörung traditioneller Werte im Kontext der chinesischen Kulturrevolution. Wolf Vostells Kritik an den politischen Verhältnissen in der BRD der 1960er Jahre äußert sich hingegen explizit: In Person von Heinrich Alberts erhält der politische Apparat, der mit Gewalt gegen Studierendenproteste Ende der 1960er Jahre vorging, ein Gesicht. Alberts war als regierender Bürgermeister von Berlin verantwortlich für den Polizeieinsatz, bei dem der Student Benno Ohnesorg auf einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen wurde. Vostell bearbeitet ein vergrößertes Zeitungsfoto mit Lösungsmitteln und lenkt durch die Zerstörung des Bildes unsere Aufmerksamkeit erst recht auf das Motiv.

Doppeltes Komplementär-Thema II
Camille Graeser

Museum Ostwall im Dortmunder U

Doppeltes Komplementär-Thema II

Camille Graeser

1965
80 x 80 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung der Stadtsparkasse Dortmund, erworben von der Camille Graeser-Stiftung, Zürich am 01.12.1989

Camille Graeser und Josef Albers verbindet der Umgang mit Farbe und Form. Oscillating A ist inspiriert von Albers Mexikoreisen; Graesers Werk basiert hingegen auf der europäischen Farblehre seiner Zeit. Die Farben zweier Paare von Komplementärkontrasten – rot und grün, blau und orange – prägen das Bild. Albers setzt diese nicht direkt gegeneinander, sondern kombiniert jeweils die beiden Primärfarben und die beiden Komplementärfarben. Die dynamische Wirkung der Farbe wird durch die Strenge der Komposition gebändigt: Der quadratische Bildträger ist in der Mitte horizontal geteilt, der obere Teil nochmals senkrecht, so dass zwei gleich große Quadrate entstehen. Die untere Hälfte ist durch horizontale Balken strukturiert, deren Breite sich jeweils verdoppelt – ein Rhythmus, der lediglich durch den unteren Balken durchbrochen wird.

Ursonate
Kurt Schwitters

Museum Ostwall im Dortmunder U

Ursonate

Kurt Schwitters

1922-32
Audio-CD (zusammengefügt)
Erworben von Barbara Wien in Berlin um 2005

Als Kurt Schwitters 1916 die idyllische Landschaft um den Hof Opherdicke malt, scheint die Welt in Ordnung. Von dem Krieg, der gerade die Welt erschüttert, ist hier nichts zu sehen. Währenddessen sammeln sich in Zürich um das Cabaret Voltaire Künstler:innen, Kriegsgegner:innen aus ganz Europa. Unter dem Eindruck einer gänzlich aus den Fugen geratenen Welt entsteht DADA, eine Bewegung, die mit anarchischen Lautgedichten und Collagen aus Alltagsschnipseln alle bisherigen Vorstellungen von Kunst und Literatur in Trümmer legt. Ab 1918 entwickelt auch Schwitters erste Materialcollagen, die er „Merzkunst“ nennt. Er fühlt sich der Bewegung verbunden und gründet um 1920 DADA Hannover. Seine Ursonate, die einem klassischen Aufbau folgt, aber lediglich aus Lauten besteht, zählt heute zu den wichtigsten Werken des Dadaismus.

Die reine Empfindung
Anna Blume

Museum Ostwall im Dortmunder U

Die reine Empfindung

Anna Blume

1990/91
31,4 x 22,8 x 1,3 cm
80-teilige Serie, Druckfarbe auf Papier
Erworben von Anna Blume im Oktober 2009

Anna Blumes Serie Die reine Empfindung ist eine humorvolle Kritik an den Künstler:innen des Konstruktivismus. Deren Kompositionen aus geometrischen Formen sollten nicht Abbild der gegenständlichen Natur, sondern Ausdruck „reiner Empfindung“ sein. Dieser Kunstauffassung lag zuweilen ein bemerkenswertes Geschlechterverständnis zugrunde. Mondrian beispielsweise schrieb: „Das Feminine und Materielle lähmen den spirituellen Ausdruck in den männlichen Funktionen.“ Um zur „reinen Empfindung“ zu gelangen, musste demnach alles Weibliche überwunden werden. Anna Blume stellt Sätzen wie diesen Zeichnungen runder Frauenkörper gegenüber, die in T-Shirts mit konstruktivistischen Motiven gekleidet sind. Brüste, Bäuche und Hüftspeck dehnen und verzerren die Kompositionen und das pralle Leben triumphiert über das theoretische Konstrukt.

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Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Oscillating (A)
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Oscillating (A)

Josef Albers

1940
91,4 × 71,1 cm
Öl auf Hartfaserplatte
Erworben am 2.10.2012

Oscillating (A) repräsentiert die größte Museumssammlung der Werke von Josef Albers weltweit. Mit rund 350 Arbeiten bietet das Josef Albers Museum in Bottrop, der Geburtsstadt des Künstlers, einen Überblick über sein gesamtes Schaffen. Der Impuls Oscillating (A) steht dabei exemplarisch für Albers’ herausragendes Werk: Frühe geometrische Untersuchungen des Bildraums sind kombiniert mit den später immer wichtiger werdenden Farbverhältnisanalysen. Das Gemälde aus dem Jahr 1940 bereitet den Weg zu der heute prominentesten Werkreihe des Künstlers Homage to the Square.

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Megaron – Megaponte
Jef Verheyen

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Megaron – Megaponte

Jef Verheyen

1982
110 × 110 × 4,8 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 15.12.1996

Ein Gemälde Megaron – Megaponte und eine Lichtinstallation Tunnel of Tears: Auf den ersten Blick aufgrund ihrer Farbigkeit vergleichbar. Rot entwickelt sich aus Violett, aus Blau. Keith Sonnier verwendet außerdem Gelb. Die verwendeten Medien sind gänzlich unterschiedlich: Farbe auf Leinwand bei Jef Verheyen und gebogene, verschlungene Neonröhren bei Keith Sonnier, reflektierendes Kondenswasser auf dem Boden.

Ihre Spannung und Qualität beziehen die Werke aus einem weiteren Medium, dem Licht. Dieses immaterielle Kunstmittel verbindet Maler und Lichtkünstler. Verheyen materialisiert es im Bild, indem er in geometrischen Formen feinste Übergänge und Abstufungen zwischen den Farben schafft. Sonnier verfremdet Leuchtmittel, die richtungslos leuchten, nur in ihren Formen zur Erscheinung kommen und sich in ihren Rundungen dem Tunnel anpassen.

Nr. 23
Zdeněk Sýkora

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Nr. 23

Zdeněk Sýkora

1983
170 × 170 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung 1.9.1986

Zdeněk Sýkora wurde 1986 im Josef Albers Museum als Vertreter einer Richtung gezeigt, deren Werke konkret oder konstruktiv genannt werden. 1986 zeigte das Josef Albers Museum die Werke Zdeněk Sýkoras mit Blick auf seine konkreten und konstruktiven Elemente. Sýkoras Werke zeigen ein sich bedingendes Zusammenspiel von Geometrie und Zufall . Die Linien sind verbundene geometrische Kreissegmente, malerisch verarbeitet. Emil Schumachers Titel Pinatubo bezieht sich auf den Vulkan. Jenseits von Gegensätzen und Geometrie entdecken beide Künstler im freien Pinselstrich Existenzielles: „Ich denke dabei an nichts, ich folge den Linien und überprüfe sie mit den Augen. Ich suche keine anderen Bedeutungen. Manchmal finde ich ein Echo meiner existenziellen Empfindungen: Die Unfassbarkeit der Welt, die Unendlichkeit und die Unklarheit über das, was meine Existenz bedeutet. Keine Gewissheit! Was bleibt? Nichts anderes als Lebensfreude.“ – Zdeněk Sýkora

 

Gelsenkirchen 1982
Joachim Brohm

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Gelsenkirchen 1982

Joachim Brohm

1982
Modern Print, C-Print auf Fuji Crystal-Archive Paper
50,7 × 61 cm
Schenkung 2011

Joachim Brohms fotografische Serie Ruhr entstand um 1980. Er entwickelte einen dokumentarischen, an Walker Evans geschulten Stil, der das alltägliche Leben sichtbar macht und konserviert.

In der Serie wird die jüngere Geschichte des Ruhrgebiets so bereits historisch. Im Zentrum stehen Menschen in ihren urbanen Lebensräumen, nicht das Individuum. Von einem erhöhten Kamerastandpunkt aus betrachten wir ruhige Szenen von großer Beiläufigkeit, eingebettet in Landschaftsausschnitte künstlich angelegter Lebensräume. Die matte Farbigkeit homogenisiert und unterstreicht dies. Drei Werke sind mit Gelsenkirchen 1982 betitelt. Im hier gezeigten Bild üben Kinder in elektrobetriebenen Spielautos ihr Leben in dieser Welt – wie unter einem Dunstschleier und in deutlichem Kontrast zur kühlen Ästhetik der Einzelelemente von Zeit ist keine Autobahn.

The Blue Door
Joseph Egan

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

The Blue Door

Joseph Egan

2020
54 × 34 × 9 cm
Various paints and wood on canvas
Schenkung 1.2.2022

Joseph Egans Arbeiten gehören meist drei Werkgruppen an: Dovecotes, House and Home und Color Constructions. The Blue Door ist Element der Dovecotes.

Die Gruppe der Dovecotes verweist auf Taubenhäuser auf der griechischen Insel Tinos. Indem die Dovecotes die Harmonie architektonischer Strukturen aufgreifen und sich auf Form und Farbe konzentrieren, wobei Elemente wie Gesimse, Nischen und Rosetten spielerisch eingebunden sind, erlangen sie ästhetischen Reiz. Die Farbe ist ein konstituierendes Element – sie spricht an.

Zunächst ist es die Farbe, die Schwitters und Egans Werk verbindet. Doch auch die Landschaft als Urgrund der Wahrnehmung, deren Schönheit beide Künstler bewegt, verbindet. Die maßvolle Nutzbarmachung der Welt erscheint als fernes Ideal. Der Mensch besetzt hier nicht, sondern fügt sich ein. Er nutzt, aber zerstört nicht.

Discant A
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Discant A

Josef Albers

1934
67 × 39,5 cm
Öl auf Masonit
Schenkung 11.3.1980

Discant A ist knapp ein Jahr nach der Ankunft Albers in den USA entstanden. Formgebend sind die Umrisse eines Notenschlüssels, dessen aufstrebende Form der Künstler in schwarzen und weißen Farbflächen abbildet. Albers arbeitete bevorzugt auf Masonit, einem Holzwerkstoff, der eine raue und eine glatte Oberfläche besitzt. In frühen Werken, wie bei Discant A, verwendete er die glatte Seite. In den 1950er-Jahren nutzte er bereits überwiegend die raue Seite. Die raue Struktur des Untergrunds half ihm, seine persönliche Handschrift noch weiter zu verschleiern und der Farbe dadurch mehr Raum zu geben. Meyer wählte für seine durch die Pop Art inspirierte Kunst eine nach oben strebende Form und eine weithin strahlende Farbigkeit. Er stellt sich damit in eine künstlerische Tradition, die Albers zu Lebzeiten bei ihrer Entwicklung beobachtet hat.

Variant
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Variant

Josef Albers

1955
40 × 81 cm
Öl auf Masonit
Schenkung 11.3.1980

Wilhelm Morgner zeigt eine Landschaft. Links auf einem Hügel sitzt ein Bauer mit Holzschuhen und betrachtet das Feld, dessen Furchen sich um den Hügel winden. Dahinter liegt ein Hof in Kipplage; das Feld scheint gewölbt wie in einer Froschperspektive. Der Hof wird rechts und links gehalten von einer Baumgruppe, deren kreisende Darstellung übergeht ins gelbe Gewölk und den blauen Himmel. Der Bauer betrachtet sein Tagwerk und er sieht: Es ist gut.

Albers‘ Bild zeigt die abstrahierte Form eines Gebäudes mit Tür- und Fensteröffnung, das zentriert und unverrückbar den gesamten Bildraum bestimmt. Zugleich bringt das Querformat Dynamik in die Darstellung, einen Bewegungsimpuls von links nach rechts. Sowohl Albers als auch Morgner nutzen Farbe und Rhythmus, um Alltägliches zu inszenieren.

Biquadrat
Rolf Nolden

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Biquadrat

Rolf Nolden

1991
1 × 37 × 37 cm
Bodenskulptur, Stahl, 6 alternierend verschobene Segmente
Schenkung 5.6.2020

Peter Schwickerath entwickelt aus einer stehenden rechteckigen Form einen halbrunden Kreisausschnitt, der auf dem Boden liegt. Durch einen Stahlschnitt wurden aus einem Rechteck ein Halbkreis und ein Quadrat erschaffen, die als Möglichkeit im rechteckigen Element enthalten waren. Die Form wirkt wie ein monumentales Tor. Rolf Nolden arbeitet ebenfalls großdimensioniert. Die Auseinandersetzung mit der Mehrdimensionalität von Fläche, mit dem Raum im Raum, ist aber auch in der geringen Dimension von Zirkulierung des Quadrats komplex. Die in gerundete Segmente geschnittene quadratische Form ist nur noch scheinbar kompakt. Die Elemente sind in alle Richtungen beweglich, dehnbar bis zum Rechteck, als Umriss jedweder Form denkbar. Statt auf Monumentalität setzt Nolden auf den Reichtum des Spiels, ohne weitere Referenzen als Quadrat und Zirkel.

Variant
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Variant

Josef Albers

1956
55 × 65,6 cm
Öl auf Masonit
Schenkung 11.3.1980

Das Folkwang Museum in Hagen war für den jungen Albers eine „Schule des Sehens“. Bei seinen ersten Besuchen dort dürfte Albers ungefähr das gesehen haben, was das Interieurbild Rohlfs wiedergibt. Albers‘ Variant zeigt das abstrahierte Äußere eines Hauses, wie er sie in Mexiko kennengelernt hat. Rohlfs malt einen Innenraum im pointillistischen Stil – für beide ist die Geometrie architektonischer Elemente das Fundament, auf dem sich die Malerei entfalten kann.

Das Folkwang mit seinem neuartigen Sammlungskonzept war für den ehrgeizigen Lehrer und Künstler ein Erlebnis. Es war ein Ort, an dem man etwa Cézanne und Gauguin nicht nur in Ausstellungen, sondern auch in der Sammlung betrachten konnte. Auch Exponate anderer Kulturen waren ein wesentlicher Bestandteil von Osthaus’ Museumskonzept und finden motivisch Eingang in Albers‘ erste Gemälde.

4 Central Warm Colors Surrounded by 2 Blues
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

4 Central Warm Colors Surrounded by 2 Blues

Josef Albers

1948
63,5 × 88,9 cm
Öl auf Masonit
Erworben am 2.10.2012

August Macke und Josef Albers stehen künstlerisch an der Schwelle zu einer modernen, abstrakten Kunst, wie sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte. Macke beschritt diesen Weg früh; doch er fiel im Ersten Weltkrieg. Albers Entwicklung wandelte sich mit seinem Eintritt ins Bauhaus im Jahre 1919. Er ließ alles gegenständliche Malen hinter sich. Der Bildtypus der Variants, zu denen das abgebildete Werk gehört, ist in der Abstraktion eines realen Haustypus‘ aus Lehmziegeln, ein besonderes Beispiel. Wo August Macke die schimmernde Fassade in einen Projektionsraum mit Tiefe verwandelt, bleibt Albers auf den ersten Blick flächig. Macke akzentuiert die Betrachterin und die Auslagen rot und verschränkt sie dadurch. Albers baut die Fläche aus geometrischen Farbelementen auf und verleiht ihr in dieser Zusammenstellung Tiefe und Bewegung.

Study for Homage to the Square (Galerie Denise René)
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Study for Homage to the Square (Galerie Denise René)

Josef Albers

ca. 1964
29,5 × 30,2 cm
Öl und Graphit auf Papier
Erworben 2009

Anatols Arbeit ist politisch; eine Künstlergruppe reagiert auf gesellschaftliche Prozesse. Sie gibt denen, die sich nicht äußern können, eine Stimme, schweigt nicht zu politischer Selbstherrlichkeit.

Josef Albers hat am Bauhaus politische Repression erlebt. Schließlich wechselte er zum Black Mountain College in den USA; wurde amerikanischer Staatsbürger. Seine Werke geben seine politische Haltung nicht preis. Sein Farbfokus in den Gemälden Homage to the Square und die Konzentration auf sein Werk sind bestenfalls indirekt Ausdruck seiner Erlebnisse. Er erlebte Deutschland im Ersten Weltkrieg, die Nachkriegsnot, die künstlerische Befreiung und die erneute Bedrohung. Albers schuf – wie er sagte – die Ikonen des 20. Jahrhunderts. Seine Bilder sind einfach und komplex. Sie sind still, konzentriert und geben dem Betrachtenden Raum zum Denken.

Dobring, Winter 2010
Bernhard Fuchs

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Dobring, Winter 2010

Bernhard Fuchs

2010
48 × 35 cm
C-Print
Erworben am 16.12.2015

Im Jahr 2014 wurde im Josef Albers Museum die Ausstellung Waldungen von Bernhard Fuchs gezeigt. Der Künstler lebt heute in Düsseldorf, doch sein Werk entsteht in der Region seiner Herkunft. Diese Spannung zwischen Großstadt und ländlichem Lebensraum ist zugleich einem steten Wandel unterworfen. Hier wie dort finden Veränderungen statt und die Themen großer Reihen wechseln. Porträts, Straßen und Wege oder eben Waldungen. Im tief Vertrauten offenbart sich die Schönheit des Offensichtlichen: Die landschaftliche Formation, das Licht, der Wandel im Tages- und Jahresverlauf, die Farbigkeit der Schatten.

Fuchs wie Münter geben ein Abbild der Natur, das aber in seinen großen Formen und einer ungewöhnlichen Farbigkeit seine bildnerische Wahrheit entwickelt.


Variant: Cerul blue Facade
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop


Variant: Cerul blue Facade

Josef Albers

1960
71 × 103 cm
Öl auf Masonit
Erworben am 27.12.1985

In den 1940er-Jahren, nach ersten Reisen in den lateinamerikanischen Raum, beginnt Josef Albers eine Bilderserie, deren Einzelwerke Variants genannt werden. Die Serie ist inspiriert von Lehmziegelgebäuden, die eine ähnliche Fassadenstruktur aufweisen. Albers und Werner Gilles gehören einer Generation an und waren kurz gleichzeitig am Bauhaus. Vor dem Zweiten Weltkrieg verließ Albers Deutschland, während Gilles blieb, seine Werke aber verfemt waren. Nach der Bombennacht entstand nach dem Krieg und 10 Jahre vor Albers Variant. Die Thematik könnte unterschiedlicher nicht sein, doch formal fällt eine große Ähnlichkeit in der Komposition aus geometrischen Flächen auf. Die Werke sind querformatig, doch schon der statische Aufbau bei Albers steht einer unruhigen, zersplitterten Zone bei Gilles gegenüber, die sich aber vor einem ruhigen Hintergrund entwickelt.

Zwei Zentren
Kurt Kranz

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Zwei Zentren

Kurt Kranz

1958
76,5 × 100 cm
Kasein, Reservetechnik auf Spanplatte
Schenkung 15.4.1991

Kurt Kranz, gelernter Lithograph, studierte am Bauhaus in Dessau, vollzog dann den Umzug nach Berlin mit und wurde dort Schüler von Josef Albers.

Prinzipien der Bauhaus-Lehre fanden fließend Eingang in Kranz‘ künstlerische Entwicklung. Wie Albers verband er wissenschaftliche und künstlerische Forschungen, arbeitete seriell und innovativ. In Zwei Zentren verbindet er mehrere Techniken, die Reservetechnik zum Färben von Papier und die Collage zu einem Arrangement zentrifugal geordneter Elemente. Es sind einfache Formen und die Fülle der Nuancen von Schwarz, Weiß und Grau, die den Reiz des Werkes ausmachen. Wie bei den Nägeln Günther Ueckers geht es weniger um die Formelemente an sich, sondern eher um den Widerschein von Licht, woraus sich in Schwarz und Weiß die zwei Zentren entwickeln.

Fläche verschoben I
Hartmut Böhm

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Fläche verschoben I

Hartmut Böhm

1980
190 × 160 cm
Spanplatte, Lasur weiß
Schenkung 13.12.2001

Das Josef Albers Museum erhielt das Werk im Jahr 2001 von Hartmut Böhm. Böhm gilt als profilierterer Vertreter der konkreten Kunst, war Objektkünstler und Hochschullehrer. Die bescheidene Ästhetik des Werks Fläche verschoben verbindet verschiedene Merkmale dieser Kunst: geometrische Anordnung, Systematik, Einfachheit und Komplexität. Die cremeweiße Farbe ist eine Abkehr von den aus Farben gewonnenen Systemen und Ordnungsmustern, wie sie etwa für die Zürcher Konkreten typisch sind. Das Material ist simpel: Spanlatten, die ihre raue, unbehandelte Oberflächenerscheinung nicht verbergen. Zugleich wirkt das Werk bewegt und lebendig. Die zusammengesetzte Fläche aus Einzelelementen, die in diagonalen Anschnitten etwas Statisches in Bewegung setzen, fordert keine meditative Betrachtung, sondern den gedanklichen Nachvollzug von Gestaltung.

Study for Homage to the Square
Josef Albers

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Study for Homage to the Square

Josef Albers

1962
60 × 60 cm
Öl auf Masonit
Erworben am 11.3.1980

Josef Albers und László Moholy-Nagy verbindet eine gemeinsame Zeit am Bauhaus. Ab 1923 unterrichteten sie dort gemeinsam den Vorkurs. Der inhaltliche Ansatz beider Künstler war durch die Reformpädagogik geprägt, die Studierenden sollten demzufolge innovativ arbeiten, den herkömmlichen Umgang mit Materialien meiden und neue Einsatzmöglichkeiten finden.

Beide Künstler befanden sich auf ihrem Weg zur Abstraktion. Der schwarze Kreis in Moholy-Nagys Werk, die geometrischen Formen und die Farbtransparenz mancher Partien wirken 1927 wie ein Statement, eine konstruktive Komposition. Im Rückblick sind die Bezüge zwischen den Künstlern vielfältig, dennoch ist Albers‘ später entstandene Huldigungen an das Quadrat das Ergebnis eines lebenslangen Abstraktionsprozesses und in Verbindung mit Farbe weniger Komposition als Interaktion.

 

GIARSUN
Pia Fries

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

GIARSUN

Pia Fries

2006
100 × 170 cm
Ölfarben und Siebdruck auf Holz
Schenkung 3.12.2013

Ganz unterschiedlich verwenden Ai Weiwei und Pia Fries die Farbe. Die Schweizer Künstlerin arbeitet mit der Farbe als Material, als Werkstoff, der neben seiner Eigenschaft Farbe auch einen körperlichen Raum beansprucht. Auf eine Holzplatte bringt sie in verschiedenen Weisen Farbe auf: Siebdruck, Pinsel, Spachtel oder direkt aus dem Farbbehältnis. Dabei verwendet Pia Fries Farbe beschreibend und gegenstandslos. Beide Künstler*innen operieren mit der Farbe als gemeinsamen Nenner, Weiwei verdeckt mit ihr und Fries hebt sie in den Vordergrund. Weiwei verwendet Gefäße aus dem Neolithikum. Etwas Seltenes, Kostbares wurde unkenntlich gemacht, scheinbar degradiert, aber auch verlebendigt. Aber bleibt „Neolithikum“ nicht abstrakt? Was anschaulich wird, ist die Harmonie der Farben und Formen. Im Werk offenbaren sich Verlust und Neues. Nur ohne Kolorierung erhält sich die Originalität der Urnen, ohne Farbe verlieren wir das Werk Ai Weiweis.

Horizontaler Ablauf
Raimund Girke

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Horizontaler Ablauf

Raimund Girke

1957
70 x 125 cm

Mischtechnik auf Leinwand
Schenkung 6.8.2007

Karl Otto Götz‘ Jonction II erscheint wie ein später Widerhall zu Raimund Girkes Horizontaler Ablauf, doch ist der Fokus ein anderer. Bei Raimund Girke liegt er auf Schichtungen mit Reminiszenzen an Landschaftliches, bei Karl Otto Götz wie auf einem vergrößerten Ausschnitt davon: eine Kreuzung – Jonction II – erscheint dabei höchst dynamisch.

Bis in die 80er Jahre wurde Girke als Maler der Farbe Weiß assoziiert, später ergänzt um Blau- und Brauntöne. Neben den Farben bestimmt der Pinselduktus das Bild – streifig, gekreuzt, mit großer Geste ausgeführt.

Er war ein Beobachter seiner Umgebung und natürlicher Phänomene, Erde, Steine und deren Formationen, Licht und Schatten. So entstehen Abstraktionen, deren Licht und Bewegung auf ihren Ursprung verweisen. Beide Maler gelten in ihren frühen Jahren als bedeutende Vertreter des deutschen Informel.

Ohne Titel
Michael Wolf

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Ohne Titel

Michael Wolf

1976
39,8 x 27,7 cm
Analogprint (Singular)
Erworben am 22.7.2019

Der Fotograf Michael Wolf studierte an der Folkwangschule in Essen bei Otto Steinert. Seine Abschlussarbeit trug den Titel Die Lebensbedingungen einer Bergmannssiedlung am Beispiel von Bottrop-Ebel. Von dort stammen die beiden Frauen, deren Wesen und Lebensfreude blitzartig aufscheinen, trotz des ruhigen, gesammelten Stehens, das sie mit Wilhelm Lehmbrucks Großer Sinnenden verbindet. Die Frauen stehen wie gespiegelt im Kontrapost, der Ruhe und Bewegung gleichermaßen vermittelt.
Trotz seiner späteren Tätigkeit als Fotojournalist verstand Michael Wolf sich als autonomer Künstler, dessen Arbeit in der sozial engagierten Dokumentarfotografie wurzelt. Das Ruhrgebiet stand im Strukturwandel und Wolf interessierten die Gefühle der Menschen. Dank Wolfs Wahrnehmung und Empathie entsteht am Ende eine Analyse sozioökonomischer Umwälzungen.


Ohne Titel (Festlegung des Unbegrenzten)
Ulrich Erben

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop


Ohne Titel (Festlegung des Unbegrenzten)

Ulrich Erben

2015
150 × 220 cm
Acryl und Pigment auf Leinwand
Erworben 2020

Ulrich Erben verbindet konkrete Malerei mit der Eigenmacht der Farbe. Nach Klarheit, Ordnung und Präzision rückt die Farbwirkung in den Mittelpunkt. Sie vermittelt den Eindruck von Bewegung, die entsteht, wenn die schwarzen Rechtecke und das graue Rechteck fixiert werden. Vor dem zartfarbigen Grund bewegen sich die schwarzen Formen vor und zurück, die hellgraue Form schimmert scheinbar in leichter Vibration.

In Gianni Colombos Zoom Squares bewegen sich die 5 quadratischen Lichtfelder und erfahren eine Umrissveränderung bis zum Trapez. Raumwände fangen den Blick mit wechselnder Helligkeit. Ein Quadrat bewegt sich auf einer Diagonale, wird herangezoomt und zieht sich zurück. Drehen wir uns, entsteht ein turbulenter Reigen, obgleich die Choreografie feststeht. Alle Bewegungen bedingen einander, ohne Besucher:innen schaltet das Werk sich ab.

Caesarenpurpur
Ricardo Saro

Josef Albers Museum Quadrat Bottrop

Caesarenpurpur

Ricardo Saro

2006
110 × 210 × 6 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung 28.4.2001

Der kaiserliche Purpur erscheint wie eine direkte Antwort auf die Farbe des Traums von František Kupka. Die Gelb- und Rosétöne scheinen das vorherrschende Purpur immer wieder zu durchbrechen. Getupft und gestrichelt entsteht ein Farbraum, der sich aus der Nähe betrachtet in seine Bestandteile auflöst.  

Hier wird tatsächlich Farbe zur Erscheinung gebracht, ohne dass es noch eines Vorwands bedarf. Keine Szene, die illustriert wird, keine Geschichte, die unsere Fantasie ersinnt.. 

Saros Farbigkeit ist in ihrem Aufbau gleichermaßen verhalten wie spektakulär. Aus Farbe und Gegenfarbe, heftigem und ruhigem Auftrag der Farbe – pastos oder lasiert – erwächst das Gemälde, dessen Vollendung im rechten Moment erkannt werden muss. Die Setzung eines Tons, sein Schweben und Abklingen gehören zusammen. 

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Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Zoom Squares
Gianni Colombo

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Zoom Squares

Gianni Colombo

1967/68
400 × 700 × 700 cm
5 Diaprojektoren
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Im Moment des Betretens des Raumkunstwerks Zoom Squares begeben sich die Besucher:innen in eine die körperliche, räumliche und visuelle Wahrnehmung verunsichernde Situation. Indem verschiedene Sinne angesprochen werden, wird eine Art der ästhetischen Erfahrung eröffnet, die für den Werkbestand der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität und den durch Max Imdahl geprägten Zugang zu Kunst exemplarisch ist. Zudem zeichnen sich die Kunstsammlungen durch die dauerhafte Installation von Raumkunstwerken aus, von denen Zoom Squares eines ist.

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

R 74-8
Jan Schoonhoven

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

R 74-8

Jan Schoonhoven

1974
113,5 × 132 × 7,5 cm
Papiermaché auf Holzplatte
Schenkung durch Albert Schulze Vellinghausen, 1967
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Schoonhovens Reliefs sind aus Wellpappe, Pappmaché und weißer Farbe gefertigt. Geometrische Form, Serialität und Wiederholung spielen dabei eine wichtige Rolle, sie machen aus den Reliefs einfach strukturierte Objekte. Je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen entwickeln sich jedoch immer anders geartete Licht- und Schattenspiele auf der Oberfläche des Werks, die die Erscheinung des Reliefs immer wieder verändern. So erklärt sich auch die ausschließliche Verwendung der Farbe Weiß, denn als Farbe des Lichts lenkt sie die Aufmerksamkeit auf nichts weiter als die Wahrnehmungseindrücke, die durch das Zusammenspiel von Form und Licht erlebbar werden.

Gran Canaria
Andreas Gursky

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Gran Canaria

Andreas Gursky

1980er Jahre
19,4 × 29,4 cm
Silbergelatineabzug
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

In der motivisch sehr reduzierten Fotografie erscheint die massentouristische Urlaubsinsel Gran Canaria wie eine nahezu unendliche und fast menschenleere Dünenlandschaft. Zwei Personen, Fußspuren im Sand und die die Horizontlinie markierende Hotelanlage im Hintergrund geben Auskunft über menschliche Anwesenheit und erinnern an den landschaftsverändernden Tourismus, der nicht nur auf Gran Canaria, sondern auch in Kochel, dem Ankerwerk für diese Fotografie, das Leben vor Ort stark beeinflusste.

ohne Titel (4 Textscheiben)
Ferdinand Kriwet

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

ohne Titel (4 Textscheiben)

Ferdinand Kriwet

1971
2,55 × 2 × 0,24 cm
Plexiglas, Leuchtstoffröhren, Stahlrahmen
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Ferdinand Kriwets Werk verbindet Sprache mit bildender Kunst. Er entwickelte in den 1960er-Jahren „Seh-Texte“, die sich mit der Frage nach der visuellen Gestaltung von Texten befassten, nicht selten so, dass die Lesbarkeit und das Textverständnis dem visuell-gestalterischen Eindruck der Buchstaben unterliegen. Die Mensa der Ruhr-Universität beherbergt gleich mehrere solcher Sehtexte, die durch grelle Farbigkeit und Neonlicht auf sich aufmerksam machen. Wortschlangen und Überblendungen hinterfragen die den Worten zugewiesene Bedeutung und damit auch ihre automatisierte Wahrnehmung.

Verstummelung 70/32 (Kubus)
Ingeborg Lüscher

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Verstummelung 70/32 (Kubus)

Ingeborg Lüscher

1970
32 × 32 × 32 cm
Zigarettenstummel, Klebstoff, Nitrolack (schwarz), Blech
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Auf allen Seiten eines Blechkubus sind je 15 mal 15 schwarz lackierte Zigarettenstummel in regelmäßigen Reihen aufgeklebt. Für ihre sogenannten ‚Verstummelungen‘ arbeitet Ingeborg Lüscher mit Zigarettenstummeln, die sie sammelt, trocknet und auf Objekte klebt. Dabei interessieren sie vor allem die den Kippen durch den Atem der Rauchenden eingeschriebene Lebendigkeit und die kurze Zeitspanne bis zum Verglimmen der Zigarettenglut. Ein von ihr gesammeltes und sortiertes Abfallprodukt wird so zu einem fragilen Erinnerungsträger transformiert, der in dieser Arbeit dennoch in der Lage ist, den Kubus zu tragen.

Juni 83/3
Hans-Jürgen Schlieker

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Juni 83/3

Hans-Jürgen Schlieker

1983
Undatierte Schenkung an die Ruhr-Universität, 1980er Jahre
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Mit Schliekers malerischen Gesten sind seine Bilder als Ausdruck von Stimmung, Licht und Farbe oft eine abstrahierende Übertragung von Landschaftserfahrung auf die Leinwand. Der Künstler zählt zu den Vertretern der Malerei des Informel, die sich der Veranschaulichung des Malvorgangs widmet und den Prozess der Entstehung eines Bildes nachvollziehbar macht. Das Zusammenspiel von Farbe und Gestik spielt hier eine wichtige Rolle. In diesem Bild von Schlieker wird der Geste ein besonderer Stellenwert eingeräumt, indem die vehemente, dunkel-gezackte Linie zwei der drei Bildtafeln dominiert. Ihr Fehlen im rechten Bildteil stellt auf das Gesamtbild bezogen nochmals die Bedeutung der Gebärde heraus.

ohne Titel (aus der Serie „Schaufenster“)
Dietmar Riemann

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

ohne Titel (aus der Serie „Schaufenster“)

Dietmar Riemann

1986-89
Fotografie
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Riemann hat in einer seiner Fotoserien Schaufenster in der damaligen DDR und im Westen Deutschlands fotografiert. Wird in den Fotos aus DDR-Zeiten oft die Trostlosigkeit der Gesamtsituation in den kargen Auslagen der Schaufenster sichtbar, zeigt sich die Schaufensterpuppe in der Auslage eines sogenannten Exquisitgeschäfts in diesem Bild modisch bis ins Detail ausgestattet. Die Drapierung der lebensecht wirkenden Puppe auf einem Spiegelwürfel führt zu dem Eindruck, sie habe drei Beine. Wie auch in anderen Fotografien der Serie Schaufenster zu beobachten, zeichnet sich das Bild durch einen humorvollen und aufmerksamen Blick für Skurrilitäten des Konsums aus.

Schnee-Graphik, Garmisch-Patenkirchen
Anton Stankowski

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Schnee-Graphik, Garmisch-Patenkirchen

Anton Stankowski

1936
23,9 × 18 cm
Silbergelatineabzug
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Die von den Autoreifen hinterlassenen Spuren im Schnee werden zu Grafiken, so illustriert es uns auch der Titel. Stankowski ist neben der Fotografie der Grafik nachgegangen und hat so viele Logos verschiedener Unternehmen gestaltet. Sowohl Sailstorfer als auch Stankowski erheben den Autoreifen zum Motiv, wenn er auch bei Stankowksi nur noch in Form seiner Spuren sichtbar ist. Die grafische Struktur, die die Reifen kontraststark in den Schnee gezeichnet haben, erzählen uns die Geschichte ihrer vorherigen Anwesenheit und ihrer Bewegung.

Karstadt Münsterring Interskick Berlin
Rudolf Holtappel

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Karstadt Münsterring Interskick Berlin

Rudolf Holtappel

1975
26,4 × 39,8 cm
Silbergelatineabzug
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Auf etlichen Absatzschuhen liegt nicht nur das Hauptaugenmerk der Betrachtenden vor der Fotografie, sondern auch derer, die im meterlangen Konferenzsaal auf sie blicken. Die hier sitzenden, primär männlich erscheinenden Personen, beäugen die ähnlich aussehenden und etwas achtlos platzierten Schuhe leicht desinteressiert, die sich wohl später in den Schuhregalen auf der Verkaufsfläche der Karstadt-Filialen stapeln. Holtappel war viele Jahre als Auftragsfotograf für dieses Unternehmen tätig, in welchem Kontext auch diese Fotografie zu verorten ist.

WW II Germany in Ruins
Margarete Bourke-White

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

WW II Germany in Ruins

Margarete Bourke-White

1945
34,3 × 27 cm
Vintage, Silbergelatineabzug
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Aus ungewöhnlicher Höhe hält die US-amerikanische Fotoreporterin Margaret Bourke-White einen kleinen Ausschnitt der zerstörten Stadt Mainz im Zweiten Weltkrieg fest. Die Aufnahme entstand während einer Mission der US-Luftwaffe, die Bourke-White als erste Kriegsberichterstatterin der US-Streitkräfte begleitete. Aus der Vogelperspektive fotografiert wirkt das Bild nahezu abstrakt, bei näherem Hinsehen offenbart sich die Zerstörung der Stadt in den Überresten der Gebäudefassaden. Sie werfen lange schwarze Schatten auf das verwüstete Gelände.

Abendstimmung über rheinischer Landschaft
Lesser Ury

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Abendstimmung über rheinischer Landschaft

Lesser Ury

um 1924
63,5 × 95,5 cm
Öl auf Leinwand
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Im Gegensatz zu Lesser Urys bekannteren Werken zeigt Abendstimmung über rheinischer Landschaft nicht etwa die lebhaften Straßen Berlins, sondern einen Naturpfad bei Sonnenuntergang. Das alleinstehende Haus am rechten Bildrand fügt sich so passend in den harmonischen Hintergrund ein, dass die Farbe des Daches dem Horizont zum Verwechseln ähnlich scheint. Durch das Grün der Bäume, welches sich stark vom rot-gelb gefärbten Himmel abhebt, entsteht diese kontrastreiche Idylle jenseits der Großstadt.

Piece LXVIII
Anthony Caro

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Piece LXVIII

Anthony Caro

1968
84,5 × 121 × 63 cm
Eisen bemalt
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Gleichgewicht – dies ist eines der Themen, das in den Objekten des britischen Künstlers Caro durchgespielt wird. Dabei beschäftigt er sich mit den traditionellen Elementen der Skulptur: Oberfläche, Form und Material. Caro verwendet Stahl, oft Schrott und andere Zufallsfunde für seine Werke, teils in leuchtende Farben getaucht. Die unterschiedlichen Formen – schmal, breit, massiv, hohl, flach, gebogen – fügt Caro so zusammen, dass ein oft nur so gerade eben ausbalanciertes Gleichgewicht entsteht.

Le chasseur et son chien Camargue
Auguste Chabaud

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Le chasseur et son chien Camargue

Auguste Chabaud

1908
53 × 75 cm
Öl auf Karton
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Auguste Chabauds Le chasseur et son chien en Camargue besticht durch ein Spiel von Licht und Schatten. Die Farben Braun und Beige sind so angeordnet, dass eine Sumpflandschaft sichtbar wird, in der ein Jäger mit Gewehr und seinem Hund unterwegs ist. Am linken Bildrand sieht man in Höhe des Horizonts einen kleinen Vogelschwarm fliegen. Ansonsten teilen sich Himmel und Landschaft etwa zu gleichen Teilen die Bildfläche und lassen durch das Spiel mit den reduzierten Farben Schattierungen entstehen.

Bronze und Gold III
Otto Piene

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Bronze und Gold III

Otto Piene

1959
80,3 × 101 cm
Goldbronze und Ölfarbe auf Leinwand
Schenkung durch Albert Schulze Vellinghausen, 1967
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Als Mitglied der Künstlergruppe ZERO befasste sich Otto Piene in der Nachkriegszeit damit, Farbe und Licht als solche zur Anschauung zu bringen. Anstelle eines traditionell künstlerisch erzeugten Tiefenraumes im Bild wird das Kunstwerk zu einem Erfahrungsraum für die Betrachtenden. Wie die plastisch hervortretenden Punkte zeigen, trug Piene die Farbe mit einem Rastersieb auf. So entstanden nicht nur Farbabstufungen, sondern in der Wechselwirkung mit dem Licht des Raumes auch Schattierungen, die das Bild optisch vibrieren lassen. Die Dynamik wird durch die Kreisform in der Mitte bestärkt, die immer wieder aufs Neue zur visuellen Erforschung einlädt.

Grüne Akzente
Günther Fruhtrunk

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Grüne Akzente

Günther Fruhtrunk

1969
191 × 189 cm
Acryl auf Leinwand
Ankauf durch die Ruhr-Universität Bochum 1972
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Die Bilder von Günther Fruhtrunk zeichnen sich durch farbige, schwarze und weiße Linien und Streifen aus, die keine direkten Bezüge zur Außenwelt herstellen. Lässt man sich auf die rhythmisierten Bilder ein, die aus der Ferne die reine Perfektion zu sein scheinen, aus der Nähe jedoch ihre von Hand gefertigte Herstellung offenbaren, so wird das Sehen in seiner Stabilität herausgefordert. Dynamik, Unruhe und Verunsicherung werden hier zum Ausdruck gebracht. Fruhtrunk bedient sich dabei der konkreten Formensprache, die in ihrer universellen Lesbarkeit auch in der Optical Art eine wichtige Rolle gespielt hat und die die reine Farbe zum größtmöglichen Leuchten bringen soll.

Stillleben
Giorgio Morandi

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Stillleben

Giorgio Morandi

ohne Jahr
23,7 × 33 cm
Bleistift auf Zeichenkarton
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Morandis Stillleben zeugen von einer lang anhaltenden Auseinandersetzung mit Gegenständen des Alltags: Flaschen, Schalen, Krüge, Vasen – kurzum, vom Menschen erzeugte Dinge, die er täglich in die Hand nimmt und benutzt. Diese Objekte setzt er in den Bildern zueinander in Beziehung, lässt sie in ihren Formen und Schattierungen aufeinander reagieren. Dabei spielt die Linie eine wichtige Rolle, denn sie umreißt die Formen der Gegenstände und grenzt sie zum umgebenden Bildraum ab. Da die Objekte jedoch nicht dreidimensional dargestellt sind, verbinden sie sich in ihrer Flächigkeit mit dem zweidimensionalen Zeichengrund.

Blau II
Emil Schumacher

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Blau II

Emil Schumacher

1960
100 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung durch Albert Schulze Vellinghausen, 1967
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Farbe als Material und formbare Masse: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sucht Schumacher – wie viele andere Künstler der Abstraktion in den 1950er und 1960er-Jahren – nach einer neuen, geschichtlich unbelasteten Ausdrucksform. So trägt er dann Farbe in dicken Schichten auf den Malgrund auf, bearbeitet sie mit Pinselstilen und Messern, zerstört die aufgetragene Farboberfläche und verleiht ihr so Form. Schumacher bildet keine Objekte, Landschaften oder Personen ab, sondern fragt, wie mit dem Malmittel der Farbe Formen geschaffen werden können, deren Beschaffenheit auch den Zufall als formende Kraft einbezieht.

Pesto Cotonese
Ingeborg Lüscher

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Pesto Cotonese

Ingeborg Lüscher

1989
Maße variabel
Flusen aus dem Trockner
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Flusen, über Jahre aus dem Trocknersieb gesammelt, sind in Form verschiedener Kleidungsstücke ausgelegt, so wie früher Wäsche zum Trocknen auf der Wiese ausgebreitet wurde. Die Flusen verweisen auf das Waschen als Teil der Hausarbeit, aber auch auf die während unterschiedlichster Tätigkeiten getragenen Kleidungsstücke, die hier in Form der Flusen ihre individuelle Materialität und Gestaltung verlieren und als homogene Masse nur noch auf Kleidung als solche anspielen. Lüscher nutzt ein Abfallprodukt und steht damit in der Tradition der arte povera, einer Kunstrichtung der 1960er-Jahre, die alltägliches Material nutzte, um Kritik an der Konsumgesellschaft und den Konventionen der Kunstwelt zu üben.

Stop Bush
Richard Serra

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Stop Bush

Richard Serra

2004
160 × 130 cm
Lithografie auf braunem Papier
Standort: Situation Kunst (für Max Imdahl)

Im Jahr 2004 deckte eine Reihe von Fotografien die menschenrechtsverletzende Ausübung von gewaltvoller Folter durch das US-Militär an den Insassen des Militärgefängnisses im irakischen Abu Ghraib auf. Serras Probedruck mit dem Titel Stop Bush ist eine grafische Übersetzung eines dieser Fotos. Sie zeigt nur die Form einer Figur. Aber die mit Intention versehenen, verwischten Druckspuren verdeutlichen die Spuren von Angst und Gewalt aus dem Vorbild. Die wie zitternd wirkenden Großbuchstaben STOP BUSH verdeutlichen politische Kritik. Ein überdimensionales Original war an einer Plakatwand im New Yorker Stadtteil Chelsea angebracht.

Pittura-Giallo
Antonio Calderara

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Pittura-Giallo

Antonio Calderara

1963/64
36 × 72 cm
Öl auf Holz
Schenkung durch Albert Schulze Vellinghausen, 1967
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Der italienische Maler Antonio Calderara beschäftigt sich in seinen Bildern insbesondere mit der Wirkung von Farbe und Licht. Das Werk Pittura Giallo, also Gelbes Bild, zeigt drei Abstufungen gelber Farbe in geometrischen Formen. Calderara hat die gelbe Ölfarbe in einer Vielzahl hauchdünner Schichten auf den Holzuntergrund aufgetragen, so dass die drei Farbstufen zugleich voneinander abgegrenzt sind, aber auch ineinander aufzugehen scheinen. Hier wird ein unendlich wirkender Raum eröffnet, einzig durch gelbe Rechtecke.

Kissenbild blau
Gotthard Graubner

Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum / Situation Kunst

Kissenbild blau

Gotthard Graubner

1965
110 × 86 × 6 cm
Öl auf Leinwand auf Schaumstoff
Schenkung durch Albert Schulze Vellinghausen, 1967
Standort: Kunstsammlungen Ruhr-Universität, Campus

Die kleinformatige Arbeit Kissenbild blau erscheint auf den ersten Blick in der Grundfarbe Blau. Während man das Bild betrachtet, kommen weitere Farben, wie Lila oder Gelb, zum Vorschein. Der Auftrag der Farbe schafft eine illusionistische Wirkung: Es entsteht das Gefühl, in das Bild eintauchen zu können. Die Farben vermischen sich nicht miteinander, sondern lagern in Schichten übereinander, wodurch die Tiefe des Bildes entsteht. Die über Synthetikwatte gespannte Leinwand ist konvex gewölbt und greift somit in den Raum ein. Dafür führte Graubner den Begriff Farbraumkörper ein.

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Kunstmuseum Bochum

Der Traum
František Kupka

Kunstmuseum Bochum

Der Traum

František Kupka

1909
31,5 × 32 cm
Öl auf Karton

Das kleinformatige Ölbild des tschechisch-französischen Malers Kupka gilt als Schlüsselwerk seiner künstlerischen Entwicklung. Auf dem Weg in die Abstraktion sind in der figürlichen Komposition noch seine Wurzeln im zentraleuropäischen Jugendstil und Symbolismus spürbar. Modernste technische Entdeckungen verschmelzen mit esoterischen Theorien. Das aus Privatbesitz erworbene Werk ist das international am häufigsten angefragte der Bochumer Sammlung, es repräsentiert deren ost- und mitteleuropäischen Schwerpunkt.

Kunstmuseum Bochum

Tier und Mensch
Karel Appel

Kunstmuseum Bochum

Tier und Mensch

Karel Appel

1958
97 × 195 cm
Öl auf Leinwand

Karel Appel war Mitbegründer der CoBrA-Bewegung (1948–1951), die alle traditionellen Regeln der Malerei über Bord warf. Für viele symbolisiert Appels Werk diese Bewegung, die farbenfrohe, spontane Kunst mit Fantasiewesen hervorbrachte. Etwa ab 1954 begann Appels Auseinandersetzung mit der Farbe selbst eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Die Farbe wird mit großen, ausdrucksstarken Gesten auf die Leinwand aufgetragen. Zunächst stark von Pablo Picasso und Henri Matisse geprägt, lässt sich Appel auch von der Art Brut, insbesondere Jean Dubuffet, inspirieren und malt schlichte menschliche Figuren. Dargestelltes ist nur noch rudimentär erkennbar, wie auch im Werk Mensch und Tier, bei dem sich die Figuren nur noch erahnen lassen. In Schuhmachers Pinatubo ist ein ähnlicher Farbauftrag mit angedeuteten Darstellungen zu sehen.

Blick durchs Fenster
Josef Sudek

Kunstmuseum Bochum

Blick durchs Fenster

Josef Sudek

2011
16,8 × 12 cm
Fotografie s/w

Blick durch verhängtes Fenster zeigt den Innenhof aus dem beschlagenen Atelierfenster des Künstlers Josef Sudek. Die malerisch wirkende Fotografie entstand während des Zweiten Weltkrieges. Zu dieser Zeit war der Künstler an seine Wohnung in Prag gebunden und fotografierte von innen aus seine Außenwelt. Sein künstlerisches Schaffen zeichnet sich durch Bildserien aus, die sich auf einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Genre oder einen bestimmten Themenbereich konzentrieren. Kurt Schwitters Landschaftsgemälde entstand während seiner langen Hochzeitsreise im westfälischen Opherdicke, wo er sich in das Genre der Landschaftsmalerei vertiefte. Ähnlich wie bei Sudeks Werk, liegt auch hier der Fokus auf einem bestimmten Ort und Genre, denen sich der Künstler widmet.

A la lisière
Toyen

Kunstmuseum Bochum

A la lisière

Toyen

1945
107 × 71 cm
Öl auf Leinwand

Die Künstlerin Toyen (geb. Marie Čermínová), die mit ihrem selbst gewählten, geschlechtsneutralen Künstlernamen durchs Leben ging, befasste sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit Fragen nach Freiheit sowie politischer, sexueller und künstlerischer Identität. Sie wagte den Versuch, gesellschaftlich vorgegebene Grenzen zu überwinden. Das Gemälde A la lisière entstand unmittelbar nach dem Kriegsende und reflektiert die Gräueltaten des Krieges. Ähnlich wie bei Gilles Nach der Bombennacht, zeigt Toyens Werk eine Landschaft, die durch die Schrecken des Krieges zerstört wurde. Zu sehen sind ein brennender Waldboden und entlaubte Bäume. In einem der Bäume hängen zwei Galgen ähnliche Schlingen, die Gefahr und Tod erahnen lassen.

 

Royal Winds III
Louise Nevelson

Kunstmuseum Bochum

Royal Winds III

Louise Nevelson

1960
Höhe: 138 cm
Assemblage

Nach anfänglich hauptsächlich keramischen Werken, findet die Künstlerin das Material für ihre Kunst auf der Straße. Ihr Werkstoff besteht aus weggeworfenen Alltagsgegenständen. Stuhl- und Tischbeine, Obstkisten, Holzreste, Toilettensitze oder Maschienenteile, die einst im alltäglichen Gebrauch waren, finden bei Nevelson ein neues Leben. Neu arrangiert und farblich gefasst – oft in Gold – werden Abfälle ästhetisiert, bekommen eine Art Altarcharakter – wie Günther Ueckers TV. Die goldene Arbeit steht in sich selbst im Widerspruch zu dem einst weggeworfenen, scheinbar wert- und nutzlosen Material, aus dem sie gefertigt ist. Nevelsons Blick fürs Detail im Zusammenspiel von Formen wurde wahrscheinlich durch ihre Erfahrungen in der Holzwerkstatt ihrer Eltern beeinflusst, eine wichtige biografische Gegebenheit, die oft nicht erwähnt wird.

Komposition
Georges Mathieu

Kunstmuseum Bochum

Komposition

Georges Mathieu

1956
81 × 130 cm
Mischtechnik auf Lwd.

Schnelligkeit, Spontanität, und Zufall sind die wichtigsten Bestandteile der Gemälde Jonction II von Karl Otto Götz und Komposition von Georges Mathieu. Laut Mathieu ist die Schnelligkeit des Schöpfungsaktes eine der wichtigsten Voraussetzungen für seine Malerei. Denn nur so kann sich der Geist ohne die Zurückhaltung durch rationale Überlegungen und Interventionen frei entfalten. In sehr schneller Bewegung, dabei die Kontrolle über das entstehende Bild fast verlierend, schleudert der von Kalligraphie und dem Gedankengut des Zen-Buddhismus inspirierte Künstler Farben und Material auf die Bildfläche.

Dornberg im Herbst
Peter August Böckstiegel

Kunstmuseum Bochum

Dornberg im Herbst

Peter August Böckstiegel

1925
95 × 140 cm
Öl auf Leinwand

Peter August Böckstiegel ist ein wichtiger Vertreter der zweiten Generation der Expressionisten in Deutschland. Seine Werke sind geprägt von einem expressiven und farbstarken Malstil. Das Landschaftsbild Dornberg im Herbst entstand in den 1920er-Jahren. Zu dieser Zeit lebte der Künstler in seiner westfälischen Heimat und fand seine Motive vor allem in der Landschaft und in der ländlichen Lebenswelt Westfalens vor. Fernab der Metropolen, suchte er im bäuerlichen Milieu nach einer Aussöhnung von Mensch und Natur. Das Gemälde zeigt dieses heimatlich-westfälische Ideal in warmen und strahlenden Farben. Wilhelm Morgners Gemälde Der Mann auf dem Hügel greift auf ähnliche Weise die Themen von Heimat sowie Mensch und Natur auf.

Kreisscheibe V
Diethelm Koch

Kunstmuseum Bochum

Kreisscheibe V

Diethelm Koch

1992
30 × 90 × 90 cm
Buchenholz, Stahl

Diethelm Koch und Peter Schwickerath gehören zu den Vertreter:innen der Konkreten Kunst in Nordrhein-Westfalen. Ihre Werke basieren alle auf einfachen geometrischen Formen wie Kreis, Kugel, Quadrat, Rechteck, Würfel oder Zylinder. Diethelm Kochs Skulptur Kreisscheibe V gehört zu einer mehrteiligen Serie. Zu sehen ist ein Halbkreis aus Stahl mit einem senkrecht darauf abgesetzten Halbkreis aus Buchenholz. Dabei fügt sich das Stahlelement in eine Aussparung des Holzes und bildet so eine Einheit mit ihrer Form. Auch die Farbe des Holzes und des oxidierten Stahls bilden eine weitgehende optische Einheit. Das Zerschneiden eines Basiskörpers, hier eines Kreises, öffnet die Möglichkeit weitere geometrische Formen zu bilden. Die Skulptur ist ein Beispiel für die Vielfalt der Formen und des Materials in Kochs Werken.

Querläufer 3
Horst Linn

Kunstmuseum Bochum

Querläufer 3

Horst Linn

1994
140 × 280 cm
Stahlblech, Acrylfarbe

Horst Linn ist Bildhauer; er denkt und arbeitet in drei Dimensionen. Er zeichnet und formt räumliche Gebilde, die er mit Werkzeugen erschafft oder maschinell herstellen lässt. Kindheitserinnerungen beziehen sich auf die bildhauerische Tätigkeit seines Vaters. Allerdings konnte er dessen Material Stein nichts abgewinnen und bevorzugt Metall. Serielle Faltungen, die maschinell hergestellt sind, ziehen sich durch Horst Linns Querläufer. Das Prinzip der Faltung führt stets zur Veränderung des Flächenvolumens. Wie auch Helmut Bettenhausens Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196, ist Linns Querläufer unmittelbar sinnlich zu erleben, ohne Vorwissen. Seine Werke stellen nichts dar und verweisen auf nichts. Farben, Formen, Linien und Material stehen im Mittelpunkt. Herstellungsprozess, Arbeitsmethode und Subjektivität kreieren das Kunstwerk.

Passage I
K.H. Hödicke

Kunstmuseum Bochum

Passage I

K.H. Hödicke

1964
150 × 96 cm
Öl auf Leinwand

Hödicke gilt als ein Pionier der Heftigen Malerei und der Neuen Figuration. Zu Beginn der 1960er-Jahre gehörte er zum so genannten kapitalistischen Realismus. Seine Bilder sind eine Reaktion auf das Großstadtleben, auf Schnelllebigkeit und Flüchtigkeit. Im Jahr 1964 entstand die fünfteilige Bildserie der Passagen. Sie zeigt Stadtsituationen, welche sich ähnlich wie in August Mackes Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen in Schaufenstern spiegeln. Der Künstler schafft im Bild ein verwirrendes Zusammenspiel von Realitätsebenen, Spiegelungen und Überlagerungen. Diese erzeugen ein irritierendes Raumgefüge und erschweren es, sich im Bild zu verorten.

Partition 130
Christiane Feser

Kunstmuseum Bochum

Partition 130

Christiane Feser

2019
140 × 200 cm
Foto-Objekt

Christiane Feser baut Objekte aus Papier, fotografiert diese und nimmt die Fotografien unterschiedlicher Stadien, welche stets auf die Fläche reduziert sind, wiederum als Ausgangspunkt für weitere dreidimensionale Interventionen. Partition 130 ist auf den ersten Blick ein dreidimensionales Objekt, das bei näherer Betrachtung je nach Blickpunkt der betrachtenden Person ein Eigenleben entwickelt. Das Fotoobjekt besteht aus dem Grundmotiv Quadrat in unterschiedlichem Lichteinfall fotografisch festgehalten und von Hand mit der Schere oder Ähnlichem bearbeitet. Ein Sehen stets im Wandel und geometrische Formen finden wir auch bei László Moholy-Nagys Komposition A 17. Beide Künstler:innen verwenden einen Begriff aus dem Bereich der Musik für ihre Werktitel.

Klangobjekt (Klangrad)
Edmund Kieselbach

Kunstmuseum Bochum

Klangobjekt (Klangrad)

Edmund Kieselbach

1970er Jahre
Metall

Eine wichtige Erfahrung für Edmund Kieselbach war es, Materialklänge als Töne zu verstehen. In seinen Arbeiten interessierte ihn besonders das Verhältnis von Klang und Bewegung. Das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Die in der Form reduzierten, auf je einem stereometrischen System beruhenden Werke sind ohne menschlichen Einfluss nicht vollständig erfahrbar. Die Verbindung von Form und Klang und der enge Bezug zu Instrumenten offenbart sich erst, wenn eine Person Kieselbachs Klangobjekt bewegt und die Kugeln in den Röhren zum Klingen bringt. Bei Sailstorfer spielt ebenso die Verbindung von Form und Klang – vor allem aber die „Benutzung“ des Kunstwerks eine wichtige Rolle.

Vibration rot, blau, violet
Kuno Gonschior

Kunstmuseum Bochum

Vibration rot, blau, violet

Kuno Gonschior

1967
70 × 70 cm
Öl auf Leinwand

Im Bild Vibration rot, blau, violett verdichten sich Punkte unterschiedlicher Größe zu einer Ballung auf leuchtend rotem Hintergrund und erzeugen so die Vibration. Die Punkte scheinen sich vom Malgrund zu lösen und zu schweben. Unsere Seherfahrung wird irritiert. Man glaubt Farben zu sehen, die real nicht vorkommen. Der Künstler, der sich in seinem Oeuvre vor allem mit der Wirkkraft von Farbe beschäftigte, bezieht sich mit seiner Punkt- beziehungsweise fleckenartigen Malerei auf den sogenannten Pointillismus. Dieser ist eine Strömung der Malerei des 19. Jahrhunderts. Auch knüpft er an das Color Field Painting der Nachkriegszeit an, bei der es sich ebenfalls um gegenstandslose Malerei handelt. Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang entstand während seiner spätimpressionistischen Phase, in er sich mit dem Pointillismus befasste.

Ohne Titel
Anton Heyboer

Kunstmuseum Bochum

Ohne Titel

Anton Heyboer

1961
101,5 × 64,5 cm
Radierung

In diesem Werk sind zwei menschliche Figuren mit der Zahl 2 – die bei Heyboer für den Vater, die Autorität, steht – und zwei auf das Auge deutenden Zeichnungen zusammen mit drei Textabschnitten zu sehen, die sich auf Logik, Gott, Psychologie und Mythologie beziehen. Bild und Text sind in den Werken von Anton Heyboer eng miteinander verwoben. Heyboer, der vom Krieg schwer traumatisiert war – er überlebte ein Arbeitslager in Deutschland – entschied 1960 aus Amsterdam wegzugehen und sich einen ruhigeren Ort auf dem Land zu suchen. Seine frühen Arbeiten sind klare Beispiele dafür, wie Heyboer mit seinen Radierungen und Zeichnungen Systeme schafft, um seine Dämonen in den Griff zu bekommen. Ebenso übt Ai Weiwei Kritik am bestehenden System in China, indem er in einem nahezu vandalistischen Akt die antiken Vasen mit Farbe überschüttet.

Moultonville IV
Frank Stella

Kunstmuseum Bochum

Moultonville IV

Frank Stella

1966
Acryllack auf Leinwand
310 × 215 cm

Moultonville IV gehört zu einer Serie namens Eccentric Polygons, bestehend aus Gemälden und Siebdrucken des Künstlers. Wie auch im vorliegenden Werk, sind verschiedenste Vielecke in unterschiedlichsten Farben dargestellt, die sich wie Puzzleteile ineinanderfügen. Sie scheinen sich gegenseitig zu stützen oder zu verdrängen – als stünden sie in Konkurrenz zueinander. Es handelt sich um ein abstraktes Gemälde der Farbmalerei, das nicht versucht etwas Gegenständliches darzustellen. Trotzdem bezieht sich der Titel der Arbeit auf etwas Konkretes: Es ist der Name eines kleinen Ortes in New Hampshire, in welchem der Künstler in seiner Jugend mit seinem Vater angeln war. Josef Albers konzentriert sich bei seinem Werk Oscillating (A) ebenfalls auf die Farbe und ihre Wirkung und reflektiert damit die Umgebung Mexikos auf seine eigene Weise.

Nächste Station 5
Catalina Pabón

Kunstmuseum Bochum

Nächste Station 5

Catalina Pabón

2009
200 × 180 cm
Pastell auf Leinwand

Catalina Pabón befasst sich mit neuen Wegen in der Landschaftsdarstellung, die auch einen bedeutenden Platz in Gabriele Münters Schaffen hatten, und überträgt diese ins Heute. Die großformatige, fotorealistische Arbeit Nächste Station 5 ist charakteristisch für Pabón. Die Künstlerin, die zumeist in Serien oder Werkgruppen arbeitet, spielt mit der Perspektive und bewirkt so bei Betrachtenden den Anschein, sich in das Bild hineinzubewegen. Zu sehen ist eine von tiefschwarzem Horizont geprägte menschenleere Oberfläche mit einer lebensfeindlichen Atmosphäre. Das in ihrer Arbeit wiederkehrende Motiv finsterer und fremd wirkender Landschaften bewegt sich im Grenzbereich, sowohl im Medium (Malerei und Fotografie) als auch in der Darstellung (real versus fiktiv). Reale und fiktive Welt sind häufig nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden.

Carioca
Allen Jones

Kunstmuseum Bochum

Carioca

Allen Jones

1976
183 × 183 cm
Öl auf Leinwand

Schuhe gehören in der Pop Art zu den häufig benutzten, meist klischeehaft oder stereotyp dargestellten Motiven. So auch bei den Pop-Art-Künstlern Heiner Meyer und Allen Jones. Allen Jones ist ein britischer Vertreter der Pop Art. Seine Werke thematisieren sexuelle und erotisch aufgeladene Motive, die er mit abstrakten Oberflächen kombiniert. Dabei gehört das Motiv der weiblichen Figur, insbesondere der Beine, zu den favorisierten Darstellungen des Künstlers. Beine haben für Allen Jones einen archetypischen Symbolcharakter. Sie stehen für die Sinnlichkeit und das Verlangen zwischen Mann und Frau. So auch das Werk Carioca, in dem die Beine einer Person in Stöckelschuhen zu sehen sind, die von Händen eines anderen berührt werden. Es deutet auf ein Begehren des weiblichen Körpers hin.

Wer erobert die Welt
Zofia Kulik

Kunstmuseum Bochum

Wer erobert die Welt

Zofia Kulik

1994
302,5 × 656,5 cm
mehrteilige Fotoarbeit

Wer erobert die Welt? Eine rhetorische Frage mit der sich Zofia Kulik in ihrer detaillierten Fotokomposition auseinandersetzt. Die Antwort liegt ganz klar in den am Bildrand angeordneten Stapeln von Maschinengewehrmunition und den vielen männlichen Figuren im Hintergrund. Über allem steht die Künstlerin selbst in der Pose einer ruhigen Wache, die ihre Hände in Form eines Dreiecks hält. Das Dreieck ist ein weiblich konnotiertes Symbol. Es soll die Gewalt der männlichen Symbole verbannen und diese in ein harmonisches Stillleben transformieren. Die aus kleinen Fotoelementen zusammengesetzte Ornamentik in Kuliks Arbeit verhandelt die Neuordnung einer patriarchalen Welt und dem Bild der Frau. Letztere wird auch in Wilhelm Lehmbrucks Frauendarstellungen verhandelt, wie auch bei der Skulptur Große Sinnende.

EXIT Materialien zum Dachau-Projekt
Jochen Gerz

Kunstmuseum Bochum

EXIT Materialien zum Dachau-Projekt

Jochen Gerz

1972
variable Maße
Holztische, Stühle, Groß-Foto, Lampen, Bücher, Klangcollage aus metallische-harte Anschläge von mehreren elektischen Schreibmaschinen Klänge, pulsiernde organisch-menschliche Geräusche)

Die Aufnahmen zu Jochen Gerz‘ Dachau Projekt sind 1972 in der heutigen KZ-Gedenkstätte mit Museum entstanden. Aufgenommen wurden schriftliche Hinweise und Vorschriften, die das Museum und dessen Nutzung betreffen. Das Lager und das „Lager als Museum“ sind also ineinander verschachtelte Systeme. In der Installation wurde ein weiteres System hinzugefügt, nämlich das Studium der Informationen durch geordnete, mit Lampen beleuchtete Tische. Jochen Gerz Projekt befasst sich daher hauptsächlich mit Systemen: Informationen, Verbote und Beschilderungen, um die Tatsachen und Darstellungen derer ‚neutral’ zu bündeln, die schließlich vernichtet wurden. Auch Anatols Aktion Drama Stahltisch verweist auf eine Geschichte hinter den Dingen. Ebenso findet sich eine Reglementierung der nutzenden Personen – hier durch farbige Lämpchen statt Schilder.

Die reine Vernunft
Nam June Paik

Kunstmuseum Bochum

Die reine Vernunft

Nam June Paik

1975
50 × 64 cm
TV

In der Grafik TV – die reine Vernunft findet sich das Hauptmedium des „Vaters der Videokunst“ wieder: der Fernseher. Ein weißer Ausschnitt auf schwarzem Grund zeigt den Bildschirm eines Fernsehgeräts. Anstatt eine Filmszene zu präsentieren, bliebt der Monitor leer. Bei längerer Betrachtung kann man fast meditativ in dem Bild versinken. Der Rückbezug auf die Betrachtenden und deren (Selbst-) Erfahrung steht so im Mittelpunkt des Werks. Es erscheint auf das Motiv des Quadrats und das Hell-Dunkel-Spektrum begrenzt. Auch bei Gianni Colombos Zoom Squares steht die (Kunst-) Erfahrung von konkreten, einfachen Formen im Zentrum.

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