Test
Märkisches Museum Witten
Schneelandschaft bei Kochel
Gabriele Münter
1909
70 × 53 cm
Öl auf Pappe
Erworben aus der Galerie Otto Stangl, München 1955
Das Märkische Museum Witten als ältestes Museum im Ruhrgebiet, vermittelt durch seinen Sammlungsbestand einen Überblick über die Entwicklungen deutscher Kunst seit 1900. Sein Schwerpunkt ist die deutsche Malerei und Grafik der Nachkriegsjahre mit dem Schwerpunkt des Informel. Besondere Beachtung findet seit einiger Zeit aber unser Bestandssegment des Expressionismus. Von jeher stand aber das Gemälde Schneelandschaft bei Kochel von 1909 der Künstlerin Gabriele Münter im Mittelpunkt des Interesses. Die farbenprächtige, intensive und stimmungsvolle Schilderung der subjektiven Landschaftswahrnehmung der Künstlerin bewirkt bei den Rezipient*innen fast durchweg ein positives Kunst- und Bilderlebnis.
Märkisches Museum Witten
Märkisches Museum Witten
Vibration Grün-Violett-Orange
Kuno Gonschior
1961/63, beendet 1969
100 × 90 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Mutzenbach, Dortmund 1970
Sonniers Werk Tunel of Tears besteht aus farbigen Neonröhren, die in zwei nebeneinander liegenden Räumen angeordnet sind und eine immersive Erfahrung für die/den Betrachtenden schaffen. Die Neonröhren sind zu tränenartigen Gebilden geformt und weisen einen Farbverlauf von Rot, Orange, hin zu Gelb und Blau auf. Zwischen den zwei verbundenen Räumen entsteht so, ein starker kalt-warm Kontrast. Frühe Bekanntheit erlangte Kuno Gonschior in den 60er Jahren mit Leuchtfarbenbildern, deren Farbpunkte und komplementäre Nachbilder das Auge bis an die Schmerzgrenze reizen. In Auseinandersetzung mit den Konzepten der „Interaction of color“ und der Konkreten Kunst untersuchte er unter anderem mit seiner Malerei aus Farbpunkten, das Wesen und die Qualität von Farbe. Beide Werke sind unterschiedliche optische Erfahrung von Farbigkeit, die von jeder/jedem Betrachter:in individuell wahrgenommen und verarbeitet wird.
Märkisches Museum Witten
Schwarze Kräfte
Heinz Trökes
1950
50 × 60 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1966
Das Gemälde zeigt eine Felslandschaft, über die eine Gruppe Fesselballone und ein Raumschiff gleiten. Neben diesen gegenständlichen Bildelementen baut sich eine abstrakte Parallellandschaft auf, bestehend aus schwarzen Linien und Elementen, die sich ebenso schwerelos im Geschehen zu bewegen scheinen. Trökes verbindet surrealistische Inhalte mit dem Moment der Abstraktion und schafft eine eigenwillige, an einen Traum erinnernde Erzählung. Der Bildhauer Michael Sailstorfer bewirkt mit seinen oftmals auch surreal anmutenden Installationen und Objekten Denkanstöße. Verstärkt durch Bewegung und Sound werden viele Arbeiten zu einem eigenartigen sinnlichen Erlebnis.
Märkisches Museum Witten
Der Kardinal
RISSA
1969
200 × 176 cm
Öl auf Leinwand
Erworben von der Künstlerin 1980
Das Märkische Museum hat mit Der Kardinal von RISSA auf Heiner Meyers Red Heels reagiert. In den 1960er-Jahren entwickelt RISSA einen Malstil, in dem Formen in einzelne Farbflächen/Farbsplitter aufgeteilt werden, die hart nebeneinander gesetzt erst aus entfernter Betrachtung eine zusammenhängende räumliche Wirkung ergeben. Der Kardinal sitzt in der Mitte des Bildes auf einem goldenen Thron, auf seinem Schoß ein großer Hecht, flankiert ist der Geistliche von zwei großen Hunden. Dieser Mann präsentiert sich als mächtiger und unnahbarer Mensch. Alte Symbole wie der Hund für Treue und der Fisch als Symbol für das Christentum wurden von RISSA hier modern übersetzt und ironisch dargestellt. Meiers Werk Red Heels besteht aus sieben aufeinander platzierten roten HighHeels. Der Schuh, speziell der Frauenschuh, spielt in der Pop Art von Beginn an eine zentrale Rolle. So eben auch im Werk von Heiner Meyer. Als Fetisch, Schönheitsideal und natürlich Statussymbol ist der Schuh ein unverzichtbares Detail.
Märkisches Museum Witten
Ruinendämonie
Erich Mueller-Kraus
1946
59 × 50 cm
Öl auf Hartfaser
Erwerb 1981
Nach 1945 entstanden viele Kunstwerke aus dem Bedürfnis, zu berichten, zu dokumentieren und zu kommentieren. Die Zerstörung von Städten war eine Tatsache, die die täglichen Lebensbedingungen der Künstler: innen maßgeblich beeinflusste. Gilles und Mueller-Kraus setzten sich beide mit der Zerstörung der Städte auseinander. Während Gilles Werk Nach der Bombenacht strahlende farbige Fragmente beinhaltet, ist Mueller-Kraus‘ Ruinendämonie in dunklen Braun- und Grüntönen gehalten. Auch hier sind Fragmente zu sehen, die an zerstörte Architektur erinnern. Zudem steigen amorphe Figuren empor, die den Betrachtenden an Geister oder tote Seelen erinnern können. Der Begriff der Ruinendämonie entstand schon im 18. Jahrhundert als Reaktion auf die Zerstörungen und Veränderungen, die durch die industrielle Revolution und die Umgestaltung der Landschaften verursacht wurden. Ruinen wurden zu einem Symbol für Vergänglichkeit, Erinnerung und die Unausweichlichkeit des Verfalls.
Märkisches Museum Witten
Werkanlage
Gustav Deppe
1949
26,5 × 47,5 cm
Öl auf Leinen
Erworben vom Künstler, Witten 1949
Ganz besonders beeindruckten Gustav Deppe die technischen Neuerungen und Errungenschaften des Wiederaufbaus nach 1945, und wie sie weithin die Landschaft des Ruhrgebietes veränderten. Brachlandschaften, Hochöfen Hochspannungsmasten, Antennenwälder und Werkgroßanlagen im Ruhrgebiet waren fortan ein Hauptthema seines künstlerischen Schaffens. Hier ging es für Deppe auch um eine besondere Hervorhebung und Ästhetisierung des Funktionalen und Alltäglichen sowie um die Veränderung des Lebensumfeldes und die Darstellung der Dominanz des Fortschritts. Der Künstler Georg Uecker hingegen schlägt Nägel in Gebrauchsgegenstände und alltägliche Objekte, um sie aus ihrer banalen Funktionalität zu befreien und ein Kunstwerk aus ihnen zu machen. In Ueckers Werk steht stets der Nagel im Fokus, der in das Objekt eindringt und es äußerlich verändert.
Märkisches Museum Witten
Sommerabend, aus: Landschaften oberhalb des Gesichtsfeldes (Ruhrstraße in Witten)
Gustav Deppe
1947
42 × 55 cm
Öl auf Papier
Erworben vom Künstler, Witten 1949
Die imposante Stahlarbeit von Peter Schwickerath stellt eine Art Tor oder Rahmung zum dahinterliegenden Landschaftsbereich dar. Es ist eine zweiteilige, begehbare Arbeit; der herausgeschnittene Halbkreis liegt auf dem Boden und kann betreten werden. Von beiden Seiten der Plastik können unterschiedliche Perspektiven fragmentarisch durch den rahmenden Halbkreis auf die Landschaft wahrgenommen werden. Der Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen Gustav Deppe erschuf nach dem Krieg ein stimmungsvolles Werk, das einen Blick gen Himmel an einem sommerlichen Abend festhält. Auch hier ist es lediglich der Ausschnitt, der die Sicht auf provisorische, oberirdische Stromnetzte mit Beleuchtungen, Schornsteinen und Verkehrsschildern freigibt. Die besondere Atmosphäre eines flüchtigen Sehmoments wird hier eindringlich geschildert.
Märkisches Museum Witten
Zwei Mädchen
Karl Hofer
1946
100 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus dem Kunsthandel (Auktion Ketterer, Prov. Stuttgarter Kunstkabinett R.N. Ketterer 1956) 1956
Das Gemälde des westfälischen Expressionisten Wilhelm Morgner zeigt einen Mann, der von einem Hügel auf ein umgepflügtes Feld mit einem Bauernhaus schaut. Der dramatische wolkenbesetzte Himmel dominiert in starkem Gelb und Blau. Ob die dargestellte Person von der Feldarbeit ruht oder Rast während eines Spaziergangs macht, erfahren wir nicht. Der Moment des Alleinseins und Betrachtens, vielleicht auch der Zustand von Einsamkeit könnten hier Thema sein. Die Zwei Mädchen hingegen haben einander und wirken eng miteinander verbunden. Ein Mädchen sitzt mit nacktem Oberkörper auf einem Stein und wird von dem zweiten zärtlich umschlossen. Landschaft und Natur spielen hier, im Gegensatz zu Morgners Werk, eine nebensächliche Rolle. Beide Figuren wirken, als seien sie in eine künstliche Bühnenlandschaft gesetzt worden.
Märkisches Museum Witten
Nervöses in Umbra (Gelbes Bild)
Gerhard Hoehme
1958
90 × 69 cm
Öl auf Leinwand
Erworben vom Künstler, Düsseldorf 1967
Auf Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang reagiert das Märkische Museum Witten mit Gerhard Hoehmes Werk Nervöses in Umbra (Gelbes Bild). Es stammt aus dem ersten Schaffensjahrzehnt Hoehmes. Ein wichtiges Thema seiner Kunst war schon früh die Farbe, deren Entwicklung in den Raum hinein ihn faszinierte und Fläche und Form nur von untergeordneter Bedeutung waren. Der pastose Farbauftrag ist für die*den Betrachtenden sofort erkennbar. Die daraus entstehende Struktur verleiht dem Werk einen visuellen Rhythmus, der wie ein Relief wirkt. Auch in Christian Rohlfs Gemälden ist die Struktur der Oberfläche, die durch einen Rhythmus von Linien, Formen und Texturen entsteht von zentraler Bedeutung.
Märkisches Museum Witten
Komposition Nr. 38
Peter Brüning
1960
110 × 129 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Marianne Hennemann, Bonn 1979
Einem Gemälde der frühen 1990er-Jahre von Emil Schumacher steht ein Werk von Peter Brüning von 1960 gegenüber. Beide Künstler waren wichtige Vertreter des deutschen Informel. Emil Schumacher war Mitbegründer der Künstlergruppe junger westen im Ruhrgebiet und Peter Brünig trat der Gruppe 53 im Rheinland bei. Schumachers Malerei ist sehr dicht und pastos, wobei die unterschiedlichsten Materialien auf die Bildoberfläche aufgebracht wurden. Die Gemälde von Peter Brüning bedurften einer besonderen Vorbereitung. So wurde der Bildinhalt mit einer aquarellhaften, zarten Untermalung festgelegt, die sich im Laufe des Malprozesses verfestigte. Die Komposition wirkt schwebend im Raum und überlässt eine mögliche Deutung den interessierten Betrachter:innen.
Märkisches Museum Witten
OE 267
Rupprecht Geiger
1957
95 × 100 cm
Öl auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Wintersberger, Köln 1976
Beide Werke zeichnen sich durch geometrisch-abstrakte Elemente, die einen dreidimensionalen Raum öffnen aus. László Moholy-Nagy war eine Schlüsselfigur am Bauhaus, die von 1919 bis 1933 in Deutschland bestand und eine bedeutende Rolle in der Entwicklung moderner Kunst und Design spielte. Als Lehrer am Bauhaus betonte Moholy-Nagy die Bedeutung der Verbindung von Kunst, Industrie und Technologie. Seine experimentelle und multidisziplinäre Herangehensweise an Kunst und Design hat das Bauhaus beeinflusst. Obwohl Rupprecht Geiger kein direkter Schüler des Bauhauses war, wurde er von den Ideen und Ansätzen dieser einflussreichen Kunstschule beeinflusst. Geiger entwickelte einen unverwechselbaren Stil, der sich durch klare, geometrische Formen und leuchtende Farben auszeichnete. Seine Werke zeichnen sich oft durch große, einfarbige Flächen aus, die eine starke emotionale Wirkung haben können.
Märkisches Museum Witten
Melkerin
Heinrich Campendonk
1919
61 × 92,5 cm
Öl auf Leinwand
Erwerb aus Privatsammlung (Frau Eversberg, Hagen) 1948
Das Gemälde von August Macke zeigt eine Stadtszene, in der eine elegant gekleidete Dame mit einem Sonnenschirm in das Schaufenster eines Hutgeschäftes blickt. Das städtische Flanieren, Beschauen und Konsumieren der privilegierten urbanen Gesellschaft wird hier geschildert. Die Kuhmelkerin ist keine feine Dame, sondern eine einfache Bäuerin, die ihrer täglichen Arbeit nachgeht. Sie sitzt auf einem Melkschemel inmitten von Kühen auf einer von Holzzäunen eingefassten Wiese, hinter der sich eine Dorf- oder Stadtlandschaft farbenfroh aufbaut. Die dargestellten Frauentypen könnten nicht gegensätzlicher sein. Die inhaltliche und künstlerische Erfassung von gehobenem Stadt- und einfachem Landleben zu dieser Zeit könnte nicht deutlicher vor Augen geführt werden.
Märkisches Museum Witten
Stillleben
Ilse Hanf-Weinholt
1937
79 × 79 cm
Öl auf Pappe
Schenkung aus Nachlass, vermittelt durch das Stadtarchiv Witten 2003
Stillleben zeigt auf einem überdimensionierten karierten Tischtuch unter anderem einen Van Gogh-Bildband und eine mit Blumen gefüllte Vase. Ihre in expressivem und größtenteils sonnigem Gelb gehaltene Malerei erinnert an Werke des niederländischen Malers, der offensichtlich auch das dominierende Bildthema darstellt. Die Vase mit Blumen als Bestandteil eines kultivierten Interieurs und Haushaltes darf in einem sinnlich angelegten Stillleben nicht fehlen. Anders verhält es sich mit der konzeptuellen Vaseninstallation von Ai Weiwei, die zwar ebenso sinnlich ist, sich aber konträr zur Aussage des Stilllebens verhält. Hier verwendet der Künstler antike chinesische Vasen, die er in Industriefarte taucht und somit das traditionelle mit dem heutigen massiv wirtschaftlich orientierten China in Verbindung bringt.
Märkisches Museum Witten
Über den Bach springen
Hann Trier
1955
62 × 126 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus der Galerie Rudolf Zwirner, Köln 1965
Karl Otto Görtz ist wohl der berühmteste Vertreter der deutschen Informellen und abstrakten Kunst. Mit seiner Rakeltechnik, mit der er auf dem Boden liegende Leinwände bearbeitet, erschafft er meist großformatige, sehr kraftvolle Gemälde. Eindeutigkeiten im künstlerischen Ausdruck, aber auch im Interpretationsmodus können definitiv ausgeschlossen werden. Somit geht es hier um die Freiheit der Darstellung und der Deutung. Der Dynamik der druck- und wellenartigen Malerei eines Götz wird ein ungegenständliches landschaftsartiges Querformat eines Hann Trier entgegengesetzt. Der Titel verrät hier bereits den Bildinhalt, der recht nachvollziehbar durch Form, Farbe und Malgestus geschildert wird. Fluss, Landschaft und menschliche Bewegung sind deutlich erfahrbar und wirken andererseits wie ein Farben- und Formenspiel im freien Raum.
Märkisches Museum Witten
Bäuerin mit Kind (oder „Großmutter mit Kind“)
Paula Modersohn-Becker
1902
73,5 × 57 cm
Öl auf Pappe auf Leinwand
Erworben aus Kunsthandel (Stuttgarter Kunstkabinett Ketterer) 1952
Die Große Sinnende ist mit ihrem langen Hals und der ovalen Kopfform ein typisches Werk Wilhelm Lehmbrucks. Der künstlerisch idealisierte weibliche Körper zeigt sich nackt, ihr Kopf ist leicht nach rechts geneigt. Das Märkische Museum setzt dieser Schönheit ein nüchtern wirkendes Antlitz einer Bäuerin, oder Großmutter mit Kind entgegen. Sie beschreibt ein anderes weibliches Dasein. Mit einem Kind, das sie fest umschlungen hält, befindet sie ich in einer ländlichen Umgebung. Modersohn-Becker setzt hier die Weiblichkeit und Frausein in einen Kontext sozialer Einordnung und Identität. So befindet sich die Bäuerin in einer strukturellen Abhängigkeit und im Kern von Familie, Arbeit und Überleben. Sie wird gebraucht, um nicht zuletzt die Existenz der Nachkommen zu sichern.
Märkisches Museum Witten
Gespräch (oder: Disputation)
Christian Rohlfs
1921
80 × 54 cm
Mischtechnik auf Leinwand
Erworben aus Kunsthandel (Auktion Ketterer) 1955
Das Gemälde zeigt drei Männer in langen Gewändern, die sich im Gespräch befinden. Die Körperhaltung und dargestellte Situation lassen eine lebhafte, vielleicht kontroverse Unterhaltung vermuten. Die Betrachtenden werden mit offenen Fragen zum Gesprächsinhalt zurückgelassen, aber von der Intensität der körperlichen Dynamik angezogen. Typisch für Christian Rohlfs ist der Verzicht auf klare Konturen zugunsten einer freien, vibrierend dynamischen Malerei, die seine Werke lebendig erscheinen lässt. Anatols Stahltisch steht hier im Gegensatz zur spontanen Zusammenkunft und verbalen Auseinandersetzung unter Menschen. Die Installation wartet darauf, von Protagonisten besetzt zu werden, die an den Tisch gefesselt sind und in Konsequenz unfrei agieren und kommunizieren. Die Freiheit zum Austausch steht hier dem Zwang entgegen.
Märkisches Museum Witten
Ninurta
Willi Baumeister
1948
64 × 80 cm
Mischtechnik auf Hartfaser
Erworben 1951
Dem konkreten Werk von Josef Albers Oscillating (A) wird das frühe, informelle Werk von Baumeister, das wie eine Aufsprengung von verschiedenen Formen und Farben auf der Bildoberfläche anmutet, gegenübergestellt. Es scheint, als würden sich die gemalten und eingeritzten Elemente im freien Raum schwerelos bewegen. Stark inspiriert war der Künstler von steinzeitlicher Höhlenmalerei und deren Symbolik. Willi Baumeister gilt als Vater der informellen Kunst, die sich einer eindeutigen, strukturierten, bildlichen Aussage widersetzt. Die Kraft der Symbolik und das Angebot der freien Assoziation stehen bei ihm im Mittelpunkt. Insofern stellt er sich gegen die klar strukturierte und konkrete Darstellung in Form und Farbe eines Albers. Beide streben jedoch das subjektive Empfinden und die Schärfung der Wahrnehmung der Betrachtenden an.
Märkisches Museum Witten
Orthogonal-Dialog 2/87 (Form und Wahrnehmung)
Rudolf Vombek
1987
175 × 150 cm
Acryl auf Leinwand
Erworben vom Künstler 1991
Im Märkischen Museum Witten befinden sich einige großformatige Gemälde des Künstlers aus den 1980er-Jahren, die in ihrem Ausdruck an die Op-Art erinnern und offensichtlichen Bezug nehmen. Bekannt war er zunächst als Maler des deutschen Informel, dessen künstlerischer Weg immer mehr in die Farb- und Formmalerei führte. Die flirrenden, optisch irritierenden Arbeiten beanspruchen die Wahrnehmung der Betrachtenden und fordern sie heraus. Insofern widersetzen sie sich der formalen und optischen Klarheit der Werke von Robert Mangold und der Licht-Rauminstallation von Gianni Colombo.
Märkisches Museum Witten
Surrealistische Studie
Klaus Jürgen-Fischer
1952
46 × 34 cm
Öl auf Leinwand
Das Ankerwerk von František Kupka La rếve, um 1909 des Kunstmuseums Bochum stellt beispielhaft den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens der symbolischen Abstraktion dar. Das Thema des Traumes spielt im Surrealismus nicht zuletzt aufgrund der wissenschaftlichen psychologischen Erkenntnisse seit Ende des 19. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. In Kupkas Darstellung lösen sich die Träumenden aus ihrem Körper und schweben im farbigen Raum. Klaus Jürgen Fischer hat sich als Maler stets zwischen Abstraktion, konkreten Ansätzen und Gegenständlichkeit bewegt. Besonders interessierte ihn die Analyse und Befragung des Surrealen Phantastischen. In seinem Werk Surrealistische Studie beschreibt er eine menschenlose, futuristisch anmutende Landschaft mit organisch anmutenden Pflanzenwesen.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Tunnel of Tears for Unna
Keith Sonnier
2002
147 Leuchtstoffelemente (Neon & Argon)
Rauminstallation wurde als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2002 entstanden und eröffnet.
In dem Werk äußert sich eine Besonderheit des Museums: Das Zusammenspiel von lichtbasierter Kunst und industrieller Architektur. Sonniers Entscheidung, ein Geflecht von Neonröhren an die Decke des gewölbten Kellerraums zu bringen, war bewusst. Denn durch das dort regelmäßig sichtbar aufsteigende Grundwasser, stellt er nicht nur einen Verweis zu den abstrakt geformten Tränen an der Decke her, die auch im Titel beschrieben werden, auch spiegelt sich die Arbeit auf dem Boden und wird so erweitert.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Zwischen Plus und Minus
Jan Van Munster
2013
Dauerleihgabe des Künstlers seit 2014
Jan van Munster stellt das Thema Energie in den Mittelpunkt. Häufig nutzt van Munster die Gegensätzlichkeit als Stilmittel und baut ein Spannungsverhältnis zwischen zwei Kontrasten auf, um eine energetische Kraft darzustellen.
Betrachtet man die Farbmalerei Oscillating A von Josef Albers, fällt auf, dass die Essenz beider Arbeiten durch Polarität erzeugt wird. Zwei Pole bringen in ihrer Verbindung ein Spannungsverhältnis zum Vorschein. Auch bei Albers ist die Anwesenheit beider Pole notwendig, um die Wirkung zu erzeugen. Hier ist es insbesondere die Farbveränderung der Flächen, durch die bloße Anwesenheit der anderen. Durch den Blickpunktwechsel versucht man, Unterschiede ausfindig zu machen. Beim Betrachten entsteht eine räumliche Dynamik, die sich wie ein Nachbild auf der Netzhaut verhält, welches mit dem Fokus des Auges mitwandert.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Space-Speech-Speed
Mischa Kuball
2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet
Gianni Colombos Zoom Squares und Mischa Kuballs Arbeit gleichen sich: Zwei dunkle Räume, deren einzige Lichtquellen Projektoren sind, die das Licht auf Wände und Decken bringen. Dominieren bei Kuball die runden Formen, sind es bei Colombo die Quadrate. Es gibt keinen alleinigen Fixpunkt, der zur Orientierung dienen könnte. Das Licht verteilt sich jeweils im Raum und dynamisiert ihn. Bei Kuball geschieht dies nicht so geordnet wie bei Colombo – man betritt ein Chaos aus Lichtpunkten, in das eine gedankliche Ordnung gebracht werden muss. Die Arbeit lädt dazu ein, verloren zu gehen. Verfolgt man die konträren Bewegungen der Lichtpunkte, kommt gar das Gefühl auf, in ein schwarzes Loch gesogen zu werden. Ganz gleich auf welchen Teil der Arbeit man sich konzentriert, es bleibt das Gefühl an dieser Nicht-Endlichkeit nichts ändern zu können.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Fenster
Molitor & Kuzmin
2017
0,85 x 1,1 x 0,3 cm
Fenster (Metall), Leuchtstoffröhre, Kabel, Wand
Seit 2020 unbefristete Leihgabe des Künstlerduos
Beide Arbeiten bestehen aus alltäglichen Elementen, die aus dem bekannten Kontext gerissen wurden. Sailstorfers Idee zum Werk Zeit ist keine Autobahn entstand im ewigen Stau von Los Angeles. Sie überträgt den Moment des Stillstands in eine künstlerische Arbeit mittels eines Materials, das wir gewöhnlich der Mobilität zuschreiben. Zwar ist der Faktor „Bewegung“ in die Arbeit integriert, jedoch ist es Bewegung ohne Vorankommen, ohne Fortschritt. Eine ähnliche Herangehensweise zeigen Molitor und Kuzmin mit ihrer Arbeit Fenster. Das Werk besteht aus zwei Elementen: Einem alten Fenster als Fundstück aus einem Kölner Keller und industriell hergestellten Leuchtstoffröhren. Das Fenster erfüllt seine ursprüngliche Funktion, es spendet Licht. Nur scheint kein natürliches Licht durch das Fenster, was den Bruch mit unseren Erwartungen umsetzt.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Theatre d' Ombres (Totentanz II)
Christian Boltanski
2002
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet
Christian Boltanskis Kindheit ist geprägt durch den Holocaust und die Zerstörung in Frankreich. Die Auseinandersetzung mit dem Krieg durchzieht sein gesamtes Werk. In der Arbeit Theatre d`Ombres hat Boltanski Figuren aus Kupfer- und Zinkblechen ausgeschnitten und lässt sie an dünnen Fäden von Metallgestellen baumeln. Die Lichtquellen werfen die Schatten der Figuren groß an die Wände, Ventilatoren erwecken sie zum Leben und lassen uns an dem Tanz der geheimnisvollen Gestalten teilhaben. Die Auswahl als Reaktionswerk zu Werner Gilles Nach der Bombennacht erfolgte aufgrund der thematischen Überschneidung von Boltanskis Schaffen und dem Motiv einer Trümmerlandschaft bei Gilles.
Es ist die durch Krieg und Zerstörung beeinflusste Beschäftigung mit der Vergangenheit, und eine Verbindung beider Werke von materieller und immaterieller Realität.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Mond
Björn Dahlem
2017
Werk 2017 als Leihgabe der Galerie Guido W. Baudach in die Ausstellung „BRIGHT“ integriert. 2017 Schenkung des Werkes durch Künstler
Die Lichtskulptur Mond besteht aus einer recht grob zusammengesetzten Holzstruktur, die einem offenen platonischen Idealkörper – dem Polyeder – entspricht, in dessen Kern zahllose Rundspiegel befestigt sind. Außen wird das hölzerne Vieleck von verspiegelten Glühbirnen gesäumt, sodass der Eindruck eines Runds entsteht, das an Metallseilen wie schwebend von der Decke hängt. Die Leuchtmittel, mit denen Dahlem die Holzstruktur überzogen hat, hinterlassen ein ungewohntes Bild. Vergleichbar mit dem mit Nägeln gespickten Fernsehgerät Ueckers lösen sie Verwunderung aus. Beide Arbeiten spielen mit unserer Vorstellung und Erwartung an Objekte des alltäglichen Lebens. Während Dahlem Einzelgegenstände des Alltags nutzt und kombiniert, um etwas Neues zu schaffen, nutzt Uecker bereits Bestehendes, um es seiner eigentlichen Funktion zu entheben.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
TouchMe
Blendid
2017
Installation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2017 entstanden und eröffnet
Blendids Arbeit TouchMe erweckt den Eindruck eines überdimensionalen Scanners. Ein weißer Streifen bewegt sich von der einen zur anderen Seite der Glasscheibe und nimmt jede Interaktion zwischen Person und Glasoberfläche auf. TouchMe und auch die Große Sinnende entfernen sich von einer realitätsnahen Körperdarstellung. TouchMe lässt es zwar offen, den Körper annähernd wirklichkeitsgetreu als Fotografie darzustellen, die dann lediglich von der trennenden Glasscheibe entfremdet wird – doch ist es gerade die Möglichkeit, eben dies auch nicht zu tun, welche die Arbeit besonders macht. Denn abgelichtet werden jene Körperteile, die der weiße Balken auf der Glasscheibe einfängt. Es ist bietet sich also an, einzelne Körperteile in unterschiedlicher Haltung darzustellen oder – wie es Lehmbrucks Arbeit tut – mit den Proportionen zu spielen.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Fall of the Wall, 09.01.1989
Brigitte Kowanz
2019
Seit 2021 unbefristete Leihgabe des Studios Brigitte Kowanz
Im Werk Fall of the Wall 09.11.1989 nutzt Kowanz den in das Aluminiumgestell eingearbeiteten Morsecode, um sich auf ein historisches Ereignis zu beziehen: den Fall der Berliner Mauer. Die auf dem gläsernen Träger montierten Neon-Systeme in schwunghafter Linienführung reflektieren sich auf dem Spiegel am Trägersystem. Die mehrfache Spiegelung erzeugt ein visuelles Echo und Tiefe selbst an den Wandstellen, wo der Raum in Wirklichkeit seine Begrenzung findet. Auch bei Junction II von K.O. Götz sorgen rhythmische Kreisstrukturen für Dynamik. Die mehrteilige Arbeitsweise mit Pinsel und Rakel lässt Positiv und Pegativ entstehen, die schließlich verknüpft werden. Hierdurch bekommt das Bild eine gewisse Plastizität und erinnert mit den überlappenden runden Strukturen an die Spiegelungen der Neon-Elemente von Kowanz (und umgekehrt).
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Die Signatur des Wortes
Joseph Kosuth
2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet
Das Museum zeigt in einem ehemaligen Eiskeller der Brauerei eine aus Neonröhren geformte Textpassage von Heinrich Heine. Ein leicht abfallender, im oberen Raumdrittel beginnender Steg führt die Besuchenden im Zickzack durch den Raum und ermöglicht es ihnen so, sich inmitten des Kunstwerks zu bewegen. Dabei ist es nicht möglich, den Text in seiner Gesamtheit zu erfassen. Die Betrachtenden müssen aktiv werden und das Werk so komplettieren.
Der Zickzack-Steg war vor der Installation des Werkes schon vorhanden und der Konzeptkünstler Joseph Kosuth hat sich aufgrund des Steges entschlossen, seine Arbeit in diesem Raum zu realisieren. Er ist Teil des Werkes, denn ohne den Steg ginge der konzeptuelle Gedanke Kosuths nicht auf, der die Betrachtenden aktiv in das Werk einbindet. So ist in beiden Fällen die Architektur des Hauses Teil des Kunstwerks.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Third Breath (Camera Obscura & Skyspace)
James Turrell
2009
Gebäude/Werke als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2009 fertiggestellt und eröffnet
Beide Künstler zeigen, wie Formanordnung, Farbe und räumliche Tiefe sich wechselseitig beeinflussen. Betrachtet man die Einzelelemente von Moholy-Nagys Komposition A 17, ist erkennbar, wie sich ihre Erscheinung in Abhängigkeit zueinander verändert. Die weißen, rechteckigen Strukturen wirken grau, wenn sie auf die dunkle Kreisform treffen. Transparenz und Opazität. Eine ähnliche Irritation bietet der Skyspace von James Turrell. Mit dem Sonnenuntergang trifft im zylindrisch gebauten Skyspace künstliches Licht sowohl auf Form als auch auf das natürliche Licht. Fast wirkt es, als wäre unsere Wahrnehmung neu kalibriert worden und der Himmel würde seine wahre Farbe enthüllen. Beide Künstler teilen die Faszination für räumliche Experimente mit Licht und Farbe. Moholy-Nagy bringt sie auf der Leinwand zum Ausdruck, Turrell gewohnt im Raum selbst.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
d’Ecrochage, n°6
François Morellet
2005
Seit 2020 Leihgabe von rhce – regionaal historisch centrum eindhoven.
Beim Betrachten von François Morellets Décrochage n° 6 entsteht eine visuelle Irritation. Betrachtende fügen in ihrer Vorstellung die zwei aus der Ordnung gefallenen Elemente wieder in das System und vervollständigen die unvollständige Form. Auch bei dem Werk Stahlschnitt von Peter Schwickerath ist das Spiel mit Geometrie und Form offensichtlich. Wenngleich sich die Wahl des Materials bei beiden Künstlern unterscheidet, ist beiden gemein, dass sie zu einer konkret-geometrischen Formgebung einladen. Klar definierte Formen prägen das Werk Schwickeraths, jedoch fällt auf, dass in seinen Werken immer wieder auch Verformungen die formale Einfachheit und Strenge aufheben, zumindest aber stören. Diese Eigenschaft des „Störens eines Systems“ teilt er mit Francois Morellet, wenn auch nicht in gleicher Konsequenz.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Schlohweiß und Rabenschwarz
Christina Kubisch
2001
Rauminstallation wurde als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden und eröffnet
In einem Gärkeller der ehemaligen Lindenbrauerei, der jetzt vom Zentrum für Internationale Lichtkunst als Ausstellungsfläche genutzt wird, hat die Künstlerin Christina Kubisch vier tiefe Gärbecken in Schallfelder verwandelt und dabei auf die frühere Funktion des Raumes verwiesen. Nach einer strengen Geometrie installierte sie unterschiedlich große weiße Lautsprecher auf den dunklen Böden, die von Schwarzlicht beleuchtet werden. Das Schwarzlicht legt die Strukturen der alternden Industriearchitektur frei. Die Lautsprecher scheinen zu schweben. Fluoreszierendes Licht strahlt nach oben, während fein abgestimmte Töne aus der Tiefe aufsteigen. Die Geräusche erinnern an ein Brodeln und Gluckern. Die Auswahl als Reaktion erfolgte aufgrund der sich ähnelnden streng-geometrischen Anordnung, der monochromen Erscheinung und des industriellen Bezugs.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
NEVER MOVE FAR FROM COLOR
Maurizio Nannucci
2017 - 2018
Als Leihgabe der Galerie Nikolaus Ruzicska für die Ausstellung „Neon Delight“ 2020 ausgestellt, 2021 Ankauf des Werks vom Künstler
Neonschriftzüge sind leuchtende Statements – sie sind kaum zu übersehen. Außerdem ergibt sich die Chance, oft gelesene, emotional aufgeladene und vielleicht bereits entkräftete Worte neu zu lesen. Nanuccis NEVER MOVE FAR FROM COLOR zeigt, wie die Farbanordnung Strukturen sichtbar machen kann, die sich auch unabhängig vom Zeicheninhalt äußern. Auch Ai Weiweis Arbeit Coloured Vases setzt auf die Vielfarbigkeit. Durch die Farbe wird eine neue Deutungsebene eröffnet. Sie stellt jedoch – konträr zu Nannucci – keine alternative Möglichkeit der Deutung dar, vielmehr schließt sie bewusst jede andere Interpretation aus.
Ai Weiweis Coloured Vases kann zweifelsohne auch als farbenfrohes Statement identifiziert werden, wenngleich das Werk ein weitaus radikaleres und auch umstrittenes Statement ist.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Floater 99
James Turrell
2001
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2001 entstanden. Dauerleihgabe der Firma Zumbtobel.
Vergleicht man Anatols Arbeit mit der von James Turrell, fällt es schwer, Gemeinsamkeiten zu finden: Ein Raum, eingehüllt in ein sanftes, langsames Farbspiel und ein schwarzer Stahltisch mit Handfesseln wirken konträr. Anatols Werk erzeugt Assoziationen von Folter und Unterdrückung, Turrells vermittelt Ruhe und Leichtigkeit.
In der Aktion von Beuys und Anatol, bei der dieser Tisch genutzt wurde, wurden den Partizipierenden die Hände gefesselt und die Köpfe bandagiert – sie waren in Bewegung und Sensorik eingeschränkt. Floater 99 von James Turrell spielt ebenfalls mit der Einschränkung. Turrels Idee der Lichträume zielt auf eine Orientierungslosigkeit ab, erreicht durch eine gleichmäßige, aber diffuse Beleuchtung. Die verminderte Reizaufnahme wirkt nicht nur relaxierend, sondern insbesondere als Foltermethode, auch durchaus negativ.
Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Lotusschatten
Rebecca Horn
2006
Rauminstallation als Beitrag zur Sammlung konzipiert, 2006 entstanden und eröffnet
Kupkas Werk suggeriert durch das Verschichten gleicher Bildelemente eine Dynamik, die auch Horns Arbeit auszeichnet: Nicht nur die Spiegel drehen und neigen sich, das Licht überträgt die Bewegung zusätzlich auf Decken und Wände. Diese Grenzauflösung ist wichtiger Bestandteil beider Werke. Kupka nutzt abstrakte Farbstreifen, um die konkreten Raumgrenzen aufzulösen. Die Pastelltöne in Kupkas Werk erzielen in Kombination mit den Vielschichtungen eine mystische Atmosphäre und Transzendenz. Diesem Eindruck kann man sich auch bei den Lotusschatten von Horn kaum verwehren. Hier sind es nicht nur die Assoziationen mit der Lotusblüte, oder das zentrale, lichtgebende Objekt, welches durch die sanften Bewegungen der Lichtkegel den ganzen Raum in das Werk integriert, sondern auch die Töne, die den Eindruck von Transzendenz verstärken.
Kunsthalle Recklinghausen
Zeit ist keine Autobahn
Michael Sailstorfer
2011
80 × 95 × 65 cm
Reifen, Eisen, Elektromotor, Strom, Wand
Erworben 2011
Michael Sailstorfers Zeit ist keine Autobahn steht stellvertretend für die Sammelpraxis des Hauses: seit 1948 werden Gewinnende und Teilnehmende des Kunstpreises junger westen – dem ältesten, kommunal vergebenen Kunstpreis in Deutschland – in die Sammlung der Kunsthalle Recklinghausen aufgenommen. Sailstorfers Arbeit referiert materiell auf die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets. Die Abnutzung des wandgebundenen Reifens versinnbildlicht den fortlaufenden Strukturwandel der Region, deren kulturelles Gedächtnis in der Vergangenheit verankert bleibt. Gattungsübergreifend vereint die Installation Aspekte kinetischer, performativer und akustischer Werke, Schwerpunkte, die sich in der Sammlung wiederfinden.
Kunsthalle Recklinghausen
Kunsthalle Recklinghausen
Hommage a Broadway
Günther Uecker
1965
175 × 175 cm
Nägel und Holz auf Leinwand mit Elektroantrieb
Seit 1967 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Die Kunstwerke Homage à Broadway von Günther Uecker und Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 von Helmut Bettenhausen weisen in ihrer Ausgestaltung interessante Parallelen auf. Ueckers Werk aus dem Jahr 1965 ist ein Zeugnis der ZERO-Bewegung, welche mit neuen Ausdrucksformen experimentierte. Die Nägel entwerfen eine dreidimensionale Struktur, die durch den Einsatz von Licht rhythmisiert wird. Der Name des Werkes leitet sich im übertragenen Sinne aus dieser dynamischen Wirkung ab und erzeugt Assoziationen zum pulsierenden Leben am New Yorker Broadway. Auch Bettenhausen widmet sich der Harmonie von Struktur und Form, verzichtet dabei allerdings auf Dynamik, wie wir sie im Werk von Uecker antreffen
Kunsthalle Recklinghausen
Warm Breath I, II, VI
Angelika J. Trojnarski
2022
44 × 33 cm / 44 × 46 cm
Papier Collage, sandgestrahlte Inkjet-Prints, Tinte, Ruß, Feuer
Seit 2022 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Gabriele Münters Schneelandschaft bei Kochel und Angelika J. Trojnarskis Warm Breath haben auf den ersten Blick nicht allzu viel gemeinsam. Münters Gemälde aus dem 20. Jahrhundert zeigt eine verschneite Landschaft, die sich durch ihre expressive Farbgebung und prägnante Pinselführung auszeichnet, dennoch aber die Ruhe und Abgeschiedenheit der Landschaft vermittelt.
Trojnarskis zeitgenössische Collagen hingegen zeigen die Kollision aus glühenden Wolken und einer eisigen Landschaft. Sie verweisen auf Naturereignisse, geprägt vom Klimawandel. Ihre intensive Farbgebung verbindet beide Arbeiten, ebenso wie die Lenkung des Blicks auf das Zusammenspiel von Natur und Mensch. Die Betrachtenden werden zur Wertschätzung der sie umgebenden Natur aufgerufen und gleichzeitig aktiviert, die eigene Co-Existenz zu hinterfragen.
Kunsthalle Recklinghausen
A work of light and heat for a wall with light and heat
Ayse Erkmen
1991
Länge: 1790 cm
geschnitzte Elektrodenkohle, Leuchtstoffröhren, Heizstrahler
Seit 1991 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Tunnel of Tears von Keith Sonnier und A Work of Light and Heat for a Wall with Light and Heat von Ayşe Erkmen fokussieren die transformative Kraft von Licht im Raum. Sonnier erschafft mittels Licht eine immersive Erfahrung, die die Betrachtenden durch einen beleuchteten Tunnel führt. Die roten und blauen Lichteffekte folgen aufeinander, erzeugen verschiedene Stimmungen und laden zur Reflexion über Emotionen und Raum ein. Ähnlich nutzt Erkmens Werk Licht und Wärme, um eine emotionale Resonanz im Raum zu erzeugen. Abwechselnd installiert sie Neonröhren mit Wärmestrahlern und geschnitzter Elektrodenkohle, welche mit Worten versehen ist. Das Licht ist plötzlich nicht nur visuell erkennbar, sondern auch spürbar, in Form von ausgestrahlter Wärme, die die textuelle Nachricht auf eine weitere Ebene erhebt.
Kunsthalle Recklinghausen
Kosmas und Damian
Unbekannte(r) Künstler:in
16. Jhd
24,0 x 19,5 cm
Eitempera auf Holz
Seit 2019 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Anatol Herzfelds Arbeit Stahltisch aus dem Jahr 1969 suggeriert bereits durch ihre Materialität Tendenzen zu Härte und Gewalt. Diese werden durch die am Tisch angebrachten Handfesseln bekräftigt. Die Gegenüberstellung mit der Cosmas und Damian abbildenden Ikone hat rein künstlerisch zunächst keinerlei offensichtliche Bezugspunkte zu Herzfelds Stahltisch. Beide Arbeiten unterscheiden in der Wahl ihres Materials maßgeblich. Inhaltlich knüpft die Ikone allerdings an die von Anatol Herzfeld vorausgeschickten Assoziationen an. Cosmas und Damian gelten als Heilige des frühen Christentums, auch sie sind den Märtyrertod gestorben und verbinden damit ihr eigenes Schicksal mit der suggerierten Folter in Herzfelds Arbeit.
Kunsthalle Recklinghausen
Landschaftsepiphanien
Timm Ulrichs
1972/87
40 × 50 cm
Fotografie
Seit 1992 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Kurt Schwitters Landschaft und Hof Opherdicke entstand in einer Schlüsselperiode der Entwicklung der modernen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Die Wahl des Motivs zeigt Schwitters‘ Interesse an der Darstellung realer Orte, die er durch fragmentierte Formen und geometrische Abstraktionen verändert und damit die Betrachtenden herausfordert, ihre Perspektive auf die Landschaft zu überdenken.
Ulrichs hingegen, Vertreter der Konzeptkunst und des Neo-Dadaismus, repräsentiert mit seinem zeitgenössischen Ansatz die Verschmelzung von Kunst und Leben. Er nutzt den Begriff der Epiphanie für eine Wahrnehmungserweiterung hin zu einer neuen Bedeutung von Landschaft jenseits ihrer physischen Erscheinung. Für die Betrachtung besonders interessant ist, dass er dabei keine real existierende Landschaft, sondern Filmstreifen ablichtet, die durch ihre waagerechte Bildaufteilung wie Horizonte erscheinen.
Kunsthalle Recklinghausen
3-er Sitz
Stefan Kern
1995
45 × 199 × 58 cm
Holz, Lack
Seit 1996 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Heiner Meyers Skulptur Red Heels aus dem Jahr 2020/2021 bedient sich alltäglichen Gegenständen – High Heels – und abstrahiert sie in ihrer Anordnung zu einer überlebensgroßen Plastik. Stefan Kerns 3er Sitz aus dem Jahr 1995 verbindet nicht nur die rote Farbe mit Meyers Arbeit, sondern auch der ihr anhaftende leicht abstrahierende Charakter der Bank. Auf den ersten Blick erscheint sie wie ein eigenwilliges Designer-Stück. Schaut man genauer hin – oder setzt man sich tatsächlich darauf – fällt auf, dass sie in einer Höhe angebracht ist, die den Vorgang des Hinsetzens oder einer Ruhepause schwer bis unmöglich macht. Damit wird sie zu Teilen ihrer eigentlichen Funktion entledigt und auf gleicher Ebene als Kunstwerk begriffen.
Kunsthalle Recklinghausen
Fallendes Rot
Fritz Winter
1953
53,3 × 63 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1955 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
In der direkten Konfrontation der Arbeit Nach der Bombennacht von Werner Gilles mit Fallendes Rot von Fritz Winter ergeben sich beide Bilder überspannende Assoziationen. Dies liegt vor allem an den Titeln, erwägen sie im Zusammenspiel Verknüpfungen zur Bombardierung während des Krieges. Auffällig ist auch die Konzentration des Sujets auf eine bestimmte Fläche, während diese jeweils von einem farbig gefassten Grund umgeben ist. Die Farbe Rot nimmt in beiden Arbeiten einen charakteristischen Anteil ein und konnotiert die durch die Titel vorgeschickten Assoziationen ebenfalls mit Begrifflichkeiten des Krieges. Im Kontext der Nachkriegsabstraktion gilt das Werk des ehemaligen Bauhaus-Schülers Fritz Winter als wegweisend – auch wenn er sich nie ganz dem Gegenstandslosen zuwandte.
Kunsthalle Recklinghausen
Sleepwalker
Otto Piene
1966/67
Ø 68 cm
Aluminium, elektrisches Licht und Elektromotor
Seit 1969 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Günther Uecker und Otto Piene gehörten neben Heinz Mack zur legendären Künstlergruppe ZERO aus Düsseldorf. Bekanntheit erlangten sie zuerst durch ihren Ausruf der Stunde Null in der Kunst zu Beginn der 1960er Jahre. Damit forderten sie eine Abkehr von der bis dahin dominierenden gegenstandslosen Kunst und damit verbunden die Befreiung der Farbe. Licht, Bewegung, Rauch, Feuer, Sand und Nägel bestimmten fortan die Kunstproduktion des Kollektivs. Otto Pienes Sleepwalker steht exemplarisch für diese Zeit. Die Arbeit spielt mit der Wahrnehmung der Betrachtenden, indem sie Bewegung und Licht vereint und sphärisch anmutend den sie umgebenden Raum definiert, erschließt und filigrane Zeichnungen mit Licht an die Wände projiziert.
Kunsthalle Recklinghausen
Magnifiy BWS 1224 (Woman with a Spyglass)
Morgaine Schäfer
2021
80 × 60 cm
Seit 2021 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Wilhelm Lehmbrucks Große Sinnende und Morgaine Schäfers Magnify erforschen auf unterschiedliche Weise die Abbildung der menschlichen Existenz. Die expressionistische Skulptur Lehmbrucks aus dem frühen 20. Jahrhundert vermittelt Melancholie und Reflexion. Schäfers zeitgenössische Fotografie hingegen verbindet analoge Bildträger und Motive aus der Vergangenheit mit dem digitalen Zeitalter und unterstreicht damit den individuellen Ausdruck des Menschen. Beide Künstler:innen stellen den Mensch in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Morgaine Schäfer geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter, in dem sie den Menschen in Verbindung mit seinen Möglichkeiten der Abbildung setzt und damit die Ebene der Vergänglichkeit sichtbar macht.
Kunsthalle Recklinghausen
Zur Meditation
Karl Prantl
1976
72 × 26 × 16 cm
Mühldorfer Marmor
Seit 1977 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Karl Otto Götz‘ Junction aus dem Jahr 1991 versetzt die Besuchenden mit seinem scheinbar linear ablesbaren Sujet und seinem zutiefst informellen Charakter in einen Zustand jenseits jeglicher Flüchtigkeit. Eine Art Meditation die von Prantl nicht nur im Titel seiner Arbeit aufgegriffen wird, sondern auch auf sein gesamtes Œuvre übertragbar ist. Als ausgebildeter Maler näherte er sich autodidaktisch der Bildhauerei an und fand seine Berufung in der Steinbildhauerei. Die Arbeit Zur Meditation beschreibt einen Steinquader mit abgerundeten Kanten. Die scheinbare Härte des Materials wird durch diesen kleinen Eingriff deutlich verringert und fügt sich so dem meditativen Charakter. Die natürliche Struktur des Steins lässt Bezüge zu Götz‘ Arbeit zu; wirkt auch sie ganz im Geiste des Informels intuitiv und naturgegeben.
Kunsthalle Recklinghausen
Continuel lumière avec forme en contorsion
Julio Le Parc
1967
152 × 122 × 20 cm
Holz, Aluminium-Folie, elektrisches Licht, Elektromotor
Seit 1968 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Das Werk Le Rêve von Frantisek Kupka ist geprägt von räumlicher Abstraktion und leuchtenden Farben, die eine Traumlandschaft erschaffen und somit Grenzen von Realität und Vorstellungskraft verwischen. So sollen vor allem Emotionen und Gedanken zum Ausdruck kommen. Continuel lumiere avec forme en contorsion von Julio Le Parc aus der Kunsthalle Recklinghausen wird der kinetischen Kunst zugeschrieben, die sich durch ihren Fokus auf Bewegung, Licht und Interaktion auszeichnet. In seinem Werk verbindet Le Parc die einzelnen Gestaltungselemente zu einer visuellen Erfahrung und lädt die Betrachtenden ein, mit dem Werk in Dialog zu treten. Trotz der zeitlichen Distanz der Arbeiten verbindet sie das Streben nach einem neuen interaktiven Verhältnis zwischen Betrachtenden und Kunstwerk.
Kunsthalle Recklinghausen
Nachtkerzen
Friedrich Gerlach
1963
44,5 × 60 cm
Öl auf Hartfaser
Seit 1963 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Der Mann auf dem Hügel von Wilhelm Morgner und Nachtkerzen von Friedrich Gerlach teilen auf unterschiedliche Weise eine faszinierende Verbindung zur Natur. Morgner zeigt eine isolierte Person auf einem Hügel, inmitten einer düsteren Landschaft. Die kantigen Formen spiegeln die Ausdrucksstärke des Expressionismus wider. Das Innenleben der Figur, ihre Verzweiflung und existentielle Suche stehen im Vordergrund. Gegensätzlich dazu – Gerlachs Nachtkerzen, die Detailgenauigkeit der Blumen, einer artifiziell geschaffenen Natur, die im Wechselspiel mit der industriellen Umwelt steht. Der Naiven Malerei zuzuordnen, bewegt sich Gerlach, der selbst Bergman war, in eben diesem Umfeld und beschäftigt sich mit dem Wirken des Menschen in einer von Industrie geprägten Umgebung und der selten zu findenden Einsamkeit in der Natur.
Kunsthalle Recklinghausen
Chronos 7
Nicholas Schöffer
1966
162 × 130 × 45 cm
Stahl, verchromt, Elektromotor
Seit 1969 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Das von László Moholy-Nagy arrangierte Bildgefüge Komposition A17 beschreibt in seiner diktierten Form eine Vorstufe der sich bereits in den 1950er-Jahren etablierenden kinetischen und kybernetischen Kunst. Die Zusammenstellung der geometrischen Formen artikuliert in ihrer Wirkweise das systematische Experimentieren mit Beleuchtung. Chronos 7 von Nicholas Schöffer aus der Kunsthalle Recklinghausen vereint diese frühen zweidimensionalen Experimente in dreidimensionaler Gestalt. Das durch Spiegel und Bewegung transportierte Licht erzeugt dabei eine ganz eigentümliche Symbiose aus Raum und Zeit und macht diese für die Besuchenden in Interaktion mit der Arbeit erfahr- und erlebbar. Die daraus entstehende dynamische Beziehung zwischen Rezipierenden und Kunstwerk ist ein zentrales Merkmal der Kinetischen Kunst.
Kunsthalle Recklinghausen
Lichte Felder
Heinrich Siepmann
1954
90 × 120 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1957 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Heinrich Siepmanns Lichte Felder aus dem Jahr 1954 steht exemplarisch für eine wiederaufkeimende Beschäftigung mit der abstrakten Kunst während der Nachkriegszeit in Westdeutschland. Insbesondere gegen Ende der 1940er-Jahre und einhergehend mit der Gründung der Künstlergruppe junger westen im Jahr 1948, deren Gründungsmitglied Siepmann war, verflüchtigte sich das Bild der figurativen Malerei. Die junge Generation lenkte die Entwicklung wieder in Richtung Abstraktion und letztendlich Gegenstandlosigkeit. Die der Komposition anhaftende akribische Anordnung der geometrischen Formen, sowie ihre dezidierte Farbgebung spiegeln sich in gegenständlicher Abbildung in August Mackes Arbeit aus dem Jahr 1914 wider. Auch hier findet sich ein bedachtes Spiel mit Licht und Schatten, Perspektive und Ordnung.
Kunsthalle Recklinghausen
Ratonneau, aus der Serie „Lapidarium“
Max Leiß
2017
200 × 175 × 40 cm
Gips, Jute, Stahl, Dämmstoff
Seit 2017 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Peter Schwickraths Stahlschnitt steht beispielhaft für sein tonnenschwere Skulpturen umfassendes Oeuvre. Zumeist aus Stahl gefertigt, wirken sie wie Landmarken im Außenraum. Max Leiß, Kunstpreisträger junger westen 2017, ausgezeichnet in der Kategorie „Skulptur, Plastik und Installation“ bewegt sich mit seinen Arbeiten ebenfalls oftmals im Außenraum und verwischt dabei die Grenzen zwischen Architektur, Landschaft und Kunst.
Kunsthalle Recklinghausen
B 15 (Fensterbild)
Heinrich Siepmann
1975
105 × 80 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1976 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Christian Rohlfs Interieur-Abbildung des frühen Museum Folkwang in Hagen dokumentiert nicht nur die Anfänge des die Region bis heute prägenden Folkwang-Gedanken, sondern ist gleichzeitig auch Belegstück der verschiedenen Ausprägungen Bildender Kunst um die Jahrhundertwende. Die neo-impressionistische, pointillistische Darstellungsweise des Innenraumes vermittelt in ihrer Farbwahl eine eigentümliche Darstellung der Lichtverhältnisse im Interieur. Heinrich Siepmanns Arbeit B15 (Fensterbild) steht dieser Darstellung zunächst absolut konträr gegenüber. Klare Kanten, klare Farbfelder. Dennoch ist es die inhaltliche Ebene, die beide Arbeiten verbindet. Der Blick durch ein Fenster – bei Siepmann bleibt das zu Betrachtende verborgen – wird in beiden Arbeiten auf verschiedene Art und Weise in den Vordergrund gerückt.
Kunsthalle Recklinghausen
Strata Tomb
David Nash
1991
125 × 20 × 14 cm
244 gesägte und angebrannte Grubenhölzer, Eiche
Seit 1991 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Für die Kunsthalle Recklinghausen ist der Hagener Künstler Emil Schumacher aufgrund seiner Mitgliedschaft zur Künstlergruppe junger westen von großer Bedeutung. Gemeinsam mit den anderen Gründungsmitgliedern der Gruppe legten sie gemeinsam mit Franz Große-Perdekamp den Grundstein für das Bestehen der Kunsthalle. David Nashs Arbeit Strata Tomb, bestehend aus angesägten und angebrannten Grubenhölzern lässt zum einen Bezüge zur Region und damit auch zu Schumacher und vielen seiner heimatverbundenen Sujets zu, zum anderen bezieht sie sich materiell auf die von Schumacher aufgegriffene Thematik des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen. Nashs Ansammlung von Kohle kann auch als Überbleibsel dieser Naturgewalt gelesen werden – auch wenn die Arbeit in einem anderen Kontext entstanden ist.
Kunsthalle Recklinghausen
Ohne Titel
Susanne Britz
2006
80 × 120 cm
Digital Print
Seit 2009 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Ai Weiweis Coloured Vases und die Arbeit von Susanne Britz teilen eine tiefgreifende Betrachtung kultureller Transformation und Veränderung. In Ai Weiweis Arbeit werden antike chinesische Vasen aus der Han-Dynastie in industrielle Farbe getaucht, wodurch ihre ursprüngliche Identität, die kulturelle sowie die historische Bedeutung radikal verändert werden. Eine Auseinandersetzung mit kultureller Entfremdung und ihrem Umgang in Bezug auf die Vergangenheit wird angeregt. Ähnlich erforschen die Arbeiten von Susanne Britz die Beziehung zwischen Mensch und Gegenständen sowie die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Ihre farbenfrohen und dynamischen Kompositionen schaffen Raum für Interpretation, indem sie die Betrachtenden dazu anregen, Sinn, Gemeinsamkeiten und neue Beziehungen zu erkennen.
Kunsthalle Recklinghausen
Ohne Titel (4-teilig)
Susanne Paesler
1993
58 × 58 cm
Lack auf Aluminium
Seit 1993 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Das Werk Oscillating (A) von Josef Albers ist ein Beispiel für die zeitlose Faszination abstrakter Kunst. Nachdem Albers 1933 in die USA emigrierte, fand er eine neue Inspirationsquelle in der mexikanischen Kultur, welche sein folgendes Werk und vor allem seine Auseinandersetzung mit Farbe und ihre Wahrnehmbarkeit stark beeinflusste. Auch Susanne Paeslers Arbeit setzt sich mit Farbe und Form auseinander und lässt in ihrer Gestaltung Anklänge zu Albers Werk, insbesondere Hommage to the Square erkennen. Unterbrochen wird die streng geometrische Komposition allerdings von dunklen, gitterartigen Strukturen, die den ungestörten Blick auf die Farbe beeinträchtigen und ihn sogar aushebeln.
Kunsthalle Recklinghausen
Atlantik Wall
Magdalena Jetelová
1994-95/2007
124 × 185 cm
Großdia in einem Leuchtkasten
Seit 2007 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Die Werke Zoom Squares von Gianni Colombo und Atlantik Wall von Magdalena Jetelová verkörpern die Verschmelzung von Kunst und Raum. Colombos interaktive Installationen beziehen die Betrachtenden durch ein Spiel von Licht und Bewegung als Teil der Dynamik zwischen Kunstwerk und Raum ein. Jetelovás Atlantik Wall erzeugt eine kontemplative, düstere Atmosphäre, die sich mit der Beziehung von Geschichte, Raum und Macht auseinandersetzt. Sie zeigt die militarisierten Strukturen des Atlantikwalls – heute nichts als machtlose Überbleibsel einer anderen Zeit. Beide Werke regen neue Interpretationen des Raumes und der Wechselwirkungen zwischen Kunst und Umgebung an. Während dies bei Colombo durch Bewegung und Licht passiert, arbeitet Jetelová mit einer historischen Dimension des Raumes.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Red Heels
Heiner Meyer
2021
330 × 550 × 600 cm
Stahl
Erworben 2021
Als Popart 2.0 bezeichnet der international agierende Bielefelder Künstler Heiner Meyer sein Schaffen. Auch für seine Skulptur, die im März 2021 vor der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen aufgestellt worden ist, wählt er ein in der Popart bekanntes Thema: den Schuh! In der Art eines Scherenschnitts angelegt, winden sich die High Heels zu einer 6m hohen Schuhpyramide empor. In ihrer signalroten Farbigkeit nehmen sie zum einen das rosa Schloss ins Farbkonzept mit auf und setzen sich zum anderen als Komplementärkontrast zu dem umgebenden Grün ab.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Das lasse ich mir…
Laas Abendroth
2008-2014
je 120 × 100 cm (als Triptychon)
Öl auf Leinwand
Erworben 2021
Laas Abendroths Triptychon hinterfragt die Künstler-Rolle in der Gesellschaft und Museumslandschaft. Seine Werke sind tief ironisch. Der Satz „Das lasse ich mir von einem Kurator nicht denken“ stellt die kuratorische Arbeit im musealen Kontext infrage. Genauso kritisch beleuchtet er seine eigene Arbeit, indem er auf den Konzeptkünstler verweist, der durch einen Bretterverschlag dem Kunstwerk selbst das Wort verbietet. Sehr passend wirkt hier das Werk von Beuys‘ Schüler Anatol. Der Stahltisch wurde im Rahmen einer Performance genutzt, bei der es um die Hinterfragung von Regeln des demokratischen Rederechts und Selbstermächtigung ging. Den drei am Stahltisch fixierten „Sprechern“ wurde immer wieder durch Lichtsignale das Wort erteilt oder verboten. Hierdurch wird auch die Steuerung von menschlicher Interaktion durch Technik reflektiert.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Mutter und Tochter
Gerhard Richter
1965
180 × 110 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1974
Richters Gemälde basiert auf einer Fotografie, die er in seinem Atlas-Konvolut, einer Sammlung von Fotografien, Zeitungsausschnitten und Skizzen, seit Mitte der 1960er-Jahre zusammentrug. Mutter und Tochter, das sind die zu dieser Zeit in den Medien omnipräsente Schauspielerin und Filmikone Brigitte Bardot und ihre Mutter, die hier Arm in Arm auf den Betrachtenden zuschreiten. Obwohl die Werke von Richter und Uecker, die zusammen an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert haben, verschiedener nicht sein könnten, setzen sie sich beide mit der Medienkultur auseinander. Mit dem Medialen, genauer gesagt mit der Allgegenwärtigkeit des TVs, beschäftigt sich nämlich auch Günther Ueckers gleichnamiges Werk von 1963. Durch die Bearbeitung des Objekts mit einer Vielzahl von Nägeln wird es seiner Funktion als nutzbarem Einrichtungsgegenstand beraubt und zu einem Kunstobjekt transformiert.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Komposition
Ernst Wilhelm Nay
1955
36 × 52,6 cm
Farblithografie
Erworben 1959
Ernst Wilhelm Nays farbenfrohe Komposition von 1955 reiht sich in seine Schaffensperiode der „Scheibenbilder“ ein. Wie an diesem Werk deutlich wird, nehmen die Scheiben, rund anmutende Formen, die allein durch das bloße Aufsetzen des Pinsels entstehen und so erweitert werden können, einen Großteil der Bildfläche ein. Freie Formen, die Größenverhältnisse der flächigen Bildelemente untereinander und auch der Einsatz von gestischen Pinselstrichen verleihen dem Werk eine innere Dynamik. Auch im Werk von Karl Otto Götz vernimmt man eine innere Spannung. In reduzierter Farbpalette wird die Eigendynamik des Farbauftrags in streichenden und schwungvollen Bewegungen deutlich. Während sich eine Vielzahl der Formen in Nays Werk in der Mitte bündeln, zeigt Götz‘ Gemälde durch Format und Formgestaltung eher eine Bewegungsabfolge von links nach rechts.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Poem print bl.u.weiß
Ferdinand Kriwet
um 1969
125 × 125 cm
Siebdruck auf Leinwand
Erworben 1969
Immer größer werdende Kreise aus blauen Worten schließen einander mal mehr und mal weniger durchlässig ein. Die Buchtstaben überschneiden und überlagern sich in Ferdinand Kriwets Werk, als wäre die Druckerpresse von Zeit zu Zeit ein wenig verrückt worden. Die Mitte dieser Kreise ist eine runde, weiße Fläche, die ähnlich wie das Auge eines Sturms, völlig frei von Worten ist. Das Werk stellt eine Symbiose von künstlerischer Darstellung und Poesie dar. Die Rhythmik und Ordnung der Poesie wird jedoch durch Lücken zwischen den Buchstaben und Worten immer wieder in Frage gestellt.
Um das freie und gleichsam begrenzte Spiel mit geometrischen Formen geht es auch in László Moholy-Nagys Komposition A 17. Gemeinsamkeiten sind hier die dominierende Kreisform, sowie der Bruch mit Symmetrie und Einheitlichkeit.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Apple Store 1 + 2
Gudrun Kemsa
2013
je 69 × 98,5 cm
Pigmentdruck
Erworben 2017
Die hohen Glasfronten des Apple Stores, die hier in Szene gesetzt werden, spiegeln ihre verzerrte, urbane Umgebung wider. Durch die Spiegelungen entstehen Fragen von Perspektive, Schein und Wirklichkeit. Weder das Innere des Stores noch das berühmte Logo sind zu sehen. Die Menschen der Stadt stehen vor den Scheiben oder gehen am Gebäude vorbei. Trotz ihrer Passivität treten sie durch die Spiegelungen in direkte Interaktion mit der transparenten Architektur.
Viel aufmerksamer scheint da die Betrachterin in August Mackes Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen an der präsentierten Ware interessiert. Bei beiden Werken findet ein Spiel zwischen innen und außen auch mit den Betrachtenden statt.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Das Vordringen der Quadrate
Franz Radziwill
1956
72 × 77 cm
Öl auf Sperrholz
Erworben 1963
Franz Radziwills Das Vordingen der Quadrate widmet sich dem Spiel mit Räumlichkeit und Wirklichkeit. Naturalistische Bildelemente stehen unwirklichen Architekturen und fliegenden Fantasiewesen gegenüber, während die Farbfläche über dem Horizont zur Hälfte himmelblau erscheint und zur anderen Hälfte aus roten, blauen und braunen Quadraten besteht. Die dadurch entstehenden Raster greifen in einen realistisch erscheinenden Bildraum hinein.
Der Stahlschnitt von Peter Schwickerath überträgt die Idee des Vordringens geometrischer Formen ins Dreidimensionale und nutzt damit die Möglichkeit von Kunst im öffentlichen Raum, eine Beziehung mit der Umgebung einzugehen.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Wrapping Paper
Sylvie Fleury
1993
100 × 70 cm
Offsetdruck
Erworben 2021
Das Geschenkpapier der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury zeigt kleine Darstellungen verschiedener Luxusprodukte der Marke Chanel, die sich in einer gleichsamen Reihenfolge wiederholen. Neben Parfümflakon, Handtasche und Damenschuh reiht sich auch das Logo der Luxusmarke ein: das in sich verschlungene doppelte C. Durch die gleichmäßige Wiederholung der kleinen Piktogramme, auch Rapport genannt, wird eine ordentliche, gemusterte Fläche konstruiert.
Auch bei Helmut Bettenhausen geht es um die rhythmische und sich wiederholende Struktur der gestalteten Oberfläche. Dabei ähneln sich sowohl die Formate der Werke als auch die Abstände zwischen den einzelnen repetitiven Bildelementen, die sich tapetenartig über die Bildfläche spannen.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Macht Geschenke
Christin Lahr
2009 - 2011
je 10,5 × 15 cm
Postkarten
Erworben 2017
Mit den sechs Postkarten belegt Christin Lahr ihre systemkritische Aktion Macht Geschenke, die am 25. Mai 2009 beginnt. Seit diesem Tag überweist die Künstlerin täglich einen Cent an das Bundeministerium für Finanzen, wobei sie in den Verwendungszweck jeweils 108 Zeichen aus Das Kapital – Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx schreibt. Nach etwa 43 Jahren wird der gesamte Text des Werkes übermittelt sein. Die Aktion soll einen Impuls zur kritischen Refelexion der politischen Ökonomie Deutschlands geben. In Ai Weiweis Coloured Vases geht es ebenfalls um die Hinterfragung des Gesellschaftssystems. Historische chinesische Vasen wurden in einer sozialkritischen Aktion mit industriell gefertigter Farbe übermalt. Thematisiert werden die fehlende Wertschätzung historischer Handwerkskünste in China und die verheerenden Auswirkungen der Kulturrevolution.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Detlef, aus der Reihe: Männerbeine kämmen
Billie Erlenkamp
60 × 40 cm
Farbfotografie
Erworben 2014
Für eine Aktion im Frauenmuseum Bonn kämmte die Künstlerin Billie Erlenkamp die Beinbehaarung von Männern. Es entstanden feine weibliche Akte. Die sinnlichen Frauenkörper stehen im Kontrast zu dem gesellschaftlichen Konstrukt der Männlichkeit, das auch über Beinbehaarung ausgedrückt wird. Obwohl diese bei Frauen in unserer Gesellschaft momentan nicht akzeptiert wird, erobert der weibliche Körper hier ein „männliches“ Attribut für sich zurück, ein Vorgehen, das auch die Body-Positivity-Bewegung unterstützt.
Wilhelm Lehmbruck, der den weiblichen und männlichen Körper in ihrer Schönheit und Reinheit schätzte, schuf mit seiner Großen Sinnenden ebenfalls eine aufrecht stehende Figur. In skulpturaler Form arbeitete er eine eher geometrische und starre Figur aus, bei der es ihm besonders um Gleichgewicht und Körpervolumen ging.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Wie monochrom ist Monochrom?, gelb
Hartwig Kompa
2012
166 × 86 × 2 cm
Aluminium, farbiges Glasmehl
Erworben 2021
Die Auseinandersetzung mit Farbe und ihrer Materialität ist der Kern des künstlerischen Werks von Hartwig Kompa. In serieller Ausführung befasst Kompa sich mit rein monochromer Farbigkeit. Die hier gezeigte Beschäftigung mit der Farbe Gelb bedient sich des geschichteten Auftrags von Glasmehl, das dem Werk eine ganz besondere Tiefe und Struktur verleiht. Es geht um den Ausdruck, die Vorstellungen und Assoziationen, die durch die Betrachtung des Darstellungsgegenstandes „Farbe“ evoziert werden können. Ebenfalls ganz der Wirkung von Farbe und Raum verschrieben war der Bottroper Künstler Josef Albers. In seinem Werk Oscillating (A) finden sich verschiedene Farben und rechteckige Formen wieder. Ihm geht es um die subjektive, kognitive und teils illusionistische Wirkung von verschiedenen Kombinationen von Formen und Farben.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
18C - Erinnerung an eine verflüchtigte Landschaft (Visualisierung)
Helga Griffiths
2018
Durchmesser Flakon 11 cm
Mixed Media
Erworben 2018
Das Parfüm 18C trägt in seinem Geruch die „Essenz“ der Kohle . Die Auseinandersetzung mit dem Rohstoff betreibt Helga Griffith auch in anderen Medien. Neben dieser experimentellen Duftnote zeigt ihr mehrteiliges Werk 18C – Erinnerung an eine verflüchtigte Landschaft außerdem eine Videoarbeit zur Destillation eines Kohlestückes bis hin zur Kreation eines Diamanten. So wird die Steinkohle selbst zur „Essenz“ des Juwels. Das grundlegende Wesen von Dingen – aber auch des Menschen – versucht Griffiths immer wieder in multimedialen Installationen und Videoarbeiten herauszuarbeiten. Außerdem spielt die Künstlerin mit multisensorischen Darstellungsformen, um zu zeigen, dass Kunst ganzheitlich auf den Betrachtenden wirken kann. Wo sie mit dem Geruchssinn arbeitet, nutzt Gianni Colombo die Wirkung von Licht und Raum in Zoom Squares und fordert so den visuellen Sinn der Betrachter:innen heraus.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
(Schneelandschaft bei) Gelsenkirchen
Rudolf Holtappel
1962
17,4 × 23,2 cm
Silbergelatine Abzug
Erworben 2017
In Rudolf Holtappels fotografischem Werk sind Darstellungen des Ruhrgebiets stark vertreten. Sein Nachlass, der seit 2017 in der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen verwahrt wird, birgt zahlreiche Fotografien von Leben und Arbeit in Großstädten. In der hier gezeigten Schneelandschaft dient Gelsenkirchen als Motiv. Am Rand der Straße gehen zwei Menschen, Schienen und Stromnetz folgend, tiefer in den Bildraum hinein, an dessen Horizont zwei große Kühltürme Rauch in den Himmel steigen lassen. Solche Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens der Menschen im Ruhrgebiet waren besonders interessant für Holtappel. Während seine städtische Ansicht in den Fotografien stark durch die Industrie geprägt wurde, deren Darstellung hier auch im Fokus steht, vermittelt Gabriele Münter ihrerseits durch dynamische Farbigkeit und Formensprache eine ländliche Winteridylle.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
o. T. (Werkgruppe: Transparente Leinwandarbeiten)
Dirk Hupe
2006/2007
50 × 36,5 × 4,6 cm
Mischtechnik
Erworben 2019
Die Beschäftigung mit der Schrift ist ein zentrales Merkmal der künstlerischen Arbeit von Dirk Hupe. Die hier gezeigte Werkgruppe besteht aus drei transparenten Leinwänden, die mit schwarzer Schrift und verdünnter, blauer Farbe bearbeitet wurden. Während die Buchstaben der maschinellen Schrift einer Schreibmaschine ähneln, wurde die blaue Farbe schwungvoll aufgetragen. Hier wird der gestische und dynamische Prozess des Malens selbst betont. Ähnlich schwungvoll muten die Formen im Tunnel of Tears von Keith Sonnier an. Auf einen ersten Blick könnte man meinen, sie wären direkt mit Licht in die Luft gezeichnet worden. Die gestenhafte Gestaltung der Neon-Röhren lässt Gemeinsamkeiten zu den schriftlichen Qualitäten herstellen, die in Hupes Werk reflektiert werden.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof
Conrad Felixmüller
1921
81 × 87 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1982
Harte körperliche Arbeit und der Einfluss des Bergbaus auf den Menschen sind die Hauptthemen von Conrad Felixmüllers Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof. In der Dunkelheit des Zechenhofs schieben die Arbeiter schwere Loren auf den Gleisen, die tief in das Innere der Zeche führen. Die gequälten Gesichtszüge eines Arbeiters werden durch einen scharfen Lichteinfall von links betont. Etwa 50 Jahre nach der Kohlekrise in Deutschland beschäftigt sich Michael Sailstorfer mit einem anderen deutschen Wirtschaftsmotor, der Automobilindustrie. Ein durch Motorkraft angetriebener Reifen nutzt sich selbst an einer Museumswand ab und symbolisiert eine vergebliche und nie endende Arbeit. Das industriell gefertigte Objekt steht hier analog zum Verbrauch der Ressource Mensch.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Anti War
E. R. Nele
1967
60 × 41,5 × 5 cm
Porzellan
Erworben 1968
R. Neles Werk Anti War zeigt ein kreisförmiges Gebilde aus geometrischen Formen, das über den Himmel fliegt, unter dem sich figürlich bzw. gegenständlich anmutende Konfigurationen am unteren Bildrand angesammelt haben. Durch feine, hervorgehobene Linien im Porzellan entstehen Energie und Bewegung im Bild. Sie wählt ein ungewöhnliches Material für diese abstrahierende Kritik am Kriegsgeschehen.
Auch bei Werner Gilles Nach der Bombennacht geht es um die Darstellung eines Kriegsgeschehens, wobei von der direkten Visualisierung von Tod und Leid abgesehen wird. Neles feiner und reduzierter Formensprache wird die Dynamik von Form und ausdrucksstarker Farbe bei Gilles entgegengesetzt.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Ein Haushalt
Monika Lioba Lang
1999
14 × 12 × 12 cm
Spülschwamm, 3 Wäscheklammern
Erworben 2012
Auf kreative Art und Weise bedient sich die Künstlerin Monika Lioba Lang in ihrem Werk Ein Haushalt der künstlerischen Manipulation ganz gewöhnlicher Haushaltsgegenstände. Ein Spülschwamm transformiert sich durch einen simplen Knick und drei aufgesteckte Wäscheklammern zu einem gelben Haus mit grünem Dach. So schlägt sie eine Brücke zwischen dem Konzept des „Haushalts“ und den tatsächlichen Gegenständen und Werkzeugen, die genutzt werden, damit ein solcher Haushalt überhaupt funktionieren kann. Hinzu kommt das Wortspiel, dass es nur ein Haus ist: „Ein Haus halt“. Diese intime und praktische Darstellung eines Hauses wird der Landschaft von Kurt Schwitters entgegengestellt, die eine distanzierte und wesentlich romantischere Ansicht eines Heims präsentiert. Womöglich schwingt hier neben dem Kontrast der Entstehungszeiten der Kunstwerke auch der vermeintliche Blick von Mann und Frau auf das Haus mit.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Heimat
Manfred Vollmer
2012
30 × 44 cm
Farbfotografie
Erworben 2012
Worum es Manfred Vollmer in der hier gewählten Farbfotografie geht, könnte kaum deutlicher sein. Sowohl der Titel als auch das Straßenschild selbst, welches als Hauptmotiv genutzt wird, stellen das Wort Heimat an zentrale Stelle. Das Moos, das sich auf der Oberfläche des Schildes gebildet hat, weckt ein Gefühl von Melancholie, vielleicht auch Sehnsucht nach etwas Beständigem, Überdauerndem. So schafft es Manfred Vollmers Fotografie durch vertraute Formen und Materialien Erinnerungen und ein Gefühl von Heimat zu schaffen. Der Themenkomplex (neue) Heimat und Migration bildet einen Schwerpunkt in der fotografischen Arbeit von Manfred Vollmer.
Wilhelm Morgners Der Mann auf dem Hügel zeigt, auf welch unterschiedliche Weise das Gefühl von Heimat in den Betrachtenden hervorgerufen werden kann und wie individuell unser Zugang zu diesem Thema ist.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Zellentür Nr. 7
Ben Willikens
1973
180 × 130 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1975
Ben Willikens Zellentür Nr. 7 gibt sich auf zweierlei Weise der Suggestion eines Raumes hin. Einerseits erschafft der Malstil des Leipziger Künstlers durch einen weichen Farbauftrag, raffinierte Details und starke Schlagschatten eine täuschend echte Raumillusion einer in den Bildraum hineinragenden Türversenkung. Andererseits spielt die Tür selbst durch ihre naturalistische Darstellung mit dem Gefühl eines sich hinter ihr verbergenden Raums. Der Blick wird den Betrachtenden verwehrt. Trotz der in Grisaille gehaltenen Farbwahl, wird so Spannung erzeugt.
Mit Räumlichkeit und architektonischer Rahmung befasst sich auch Christian Rohlfs Interieur des Museum Folkwang, wenn auch in ganz anderer malerischer Manier.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Public Enemy
HA Schult
1979
100 × 100 × 20 cm
Mixed Media
Erworben 1980
HA Schults Werk Public Enemy zählt zu den Picture Boxes. Diese beleuchten als Mixed-Media-Schaukästen die exzessive Konsumkultur der westlichen Gesellschaft kritisch. Verdreckt, verbrannt und wie zusammengeworfen mutet der Inhalt an. Die Müllproduktion der Menschen ist ein großes Thema in der Objekt- und Aktionskunst von HA Schult. Werbebilder und -slogans in englischer Sprache, sowie die Freiheitsstatue in der Mitte, verweisen in besonderem Maße auf die USA. Diese spielt eine große Rolle in der Herstellung von Konsumgütern. Doch auch die Natur kann zerstörerische Kräfte entwickeln. So reflektiert Emil Schumacher in seinem gleichnamigen Ölgemälde den Ausbruch des Vulkans Pinatubo. Die Betrachtung beider Werke regt zu Überlegungen an, welche Auswirkungen der Umgang des Menschen mit der Erde auf das Auftreten von Naturkatastrophen hat.
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Schein und sein, Andrea und Anita
Herlinde Koelbl
2007
60 × 60 cm
Fotografie, Lamda-Print
Erworben 2015
Andrea und Anita aus der gleichnamigen Fotografie von Herlinde Koelbl schauen frontal aus dem Bild. Das intensive Paar-Porträt steht sinnbildlich für Koelbls differenzierte Auseinandersetzung mit den vielfältigen Menschen unserer Gesellschaft. Neben politischen Figuren und ethnologischen Sozialstudien widmet Koelbl sich Körperkunde und Sexualität. Das Paar aus der Serie Schein und Sein zeigt die Verwischung der Grenzen von Weiblichkeit und Männlichkeitt. Andrea und Anita diente der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen im Jahr 2015 als Titelwerk der Ausstellung rund um das fotografische Werk Herlinde Koelbls. Auch in Frantisek Kupkas Le rêve geht es um die Darstellung eines Paares. Nebeneinander auf dem Boden liegend, erscheinen über ihnen zwei schwebende, ineinander verschlungene Körper, die einen traumartigen Zustand symbolisieren könnten.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Trümmerlandschaft / Baumstumpf
Von den Nationalsozialisten verfemt, gehörte Werner Gilles zu den ersten modernen Künstlern, die nach 1945 wieder ausgestellt wurden. In einem Prozess der Reflexion und Aufarbeitung setzt er sich in seinem Gemälde Nach der Bombennacht mit dem Krieg, seinen Folgen und der Situation zur sogenannten „Stunde null“ auseinander. Wir erkennen eine Trümmerlandschaft mit Architekturfragmenten und einem Baumstumpf aus geometrischen Formen und Farbflächen.
Damit bewegt sich Werner Gilles im Spannungsfeld zwischen figurativer und gegenstandsloser Kunst und steht für den Aufbruch der Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg.
Kopf
Zentral ins Bild gesetzt schwebt der abgeschlagene Kopf des tragischen Helden Orpheus, der mit seinem Gesang verzaubern, den Tod überwinden und (irdische) Grenzen überschreiten kann. Direkt hinter dem Kopf verbirgt sich der versteckte Eingang in die Unterwelt.
Gilles setzte sich intensiv mit dem Mythos auseinander, was ihn als „Maler des Orpheus“ bekannt machte. Für ihn spielte die antike Erzählung inmitten der Felsen und Schluchten der italienischen Insel Ischia, die seine Malerei maßgeblich prägte. Orpheus wurde zu Gilles‘ Identifikationsfigur. Bereits 1930 äußerte er sich hierzu:
„Dann kommt der Wunsch, der ganz vermessene, über einen, Orpheus zu werden, das Lied alles Kreatürlichen zu singen.“
Horizont
Auch wenn die Komposition durch über- und nebeneinander gestaffelte Flächen zusammengesetzt ist, orientiert sich Werner Gilles am klassischen Bildaufbau von Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Dieses Schema ist einer Theaterbühne nachempfunden. So markiert eine klare Horizontlinie die Bühne, auf der die Protagonisten agieren und weitere Bildelemente wie Kulissen und Requisiten verteilt sind.
Muster/Tüpfel
Werner Gilles studierte in der Zeit von 1919 bis 1923 am Bauhaus in Weimar. Die Muster, Ornamente und Tüpfel in seinem Werk sind ein Hinweis auf seinen Lehrer Paul Klee.
„Klee ließ im Vorkurs […] Strukturen studieren:
Regen auf Stein (wie die Chinesen). Hartes und Weiches, das Polare der ganzen Welt. Das Licht überwindet die Materie. Durch die Farbtüpfel ist die Kraft der einzelnen Farbe gesteigert. Voraussetzung ist die impressionistische Technik. Die Impressionisten haben mehr mit der Farbmaterie gearbeitet, nicht das Durchscheinen erreicht. […] Beim Tüpfeln unterscheidet ein harter Punkt oder ein weicher Punkt aus dem Pinsel die Materie der dargestellten Objekte“,
so erinnert sich Werner Gilles an seine Bauhaus-Zeit.
Haus
Bereits in frühen Werken von Werner Gilles zeigen sich Einflüsse der Avantgardemalerei: So orientierte er sich an der Formensprache von Pablo Picasso und verwendete Elemente des Kubismus. Sicherlich gibt es einen Bezug zu dessen Anti-Kriegsbild „Guernica“ von 1937.
Hinsichtlich der kräftigen und kontrastreichen Farbigkeit ließ sich Gilles von den Fauves, einer Gruppe französischer Maler um Henri Matisse, inspirieren.
Nach der Bombennacht
Werner Gilles
1950
67 × 95 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1965 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Nachlass des Künstlers
Im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr nimmt das Werk von Werner Gilles einen besonderen Stellenwert ein. Als eines der wenigen Museen Deutschlands verfügt es über einen umfangreichen Bestand. Der Maler und Grafiker, der in Mülheim seine Kindheit und Jugend verbrachte, zählt zusammen mit Otto Pankok und Arthur Kaufmann hier zu den Künstlern der ersten Stunde: Als in den 1920er-Jahre die Professionalisierung der 1909 begründeten Mülheimer Sammlung zu einem Kunstmuseum begann, wurden bereits erste Ankäufe getätigt und Ausstellung mit den jungen regionalen Künstlern organisiert. Heute umfasst der Gilles-Bestand 90 Werke, darunter Ölbilder, Aquarelle, Tuschezeichnungen sowie das nahezu vollständige druckgrafische Œuvre des Künstlers. 2024 erfolgte eine Übernahme von weiteren rund 120 Werken als Dauerleihgaben aus dem Nachlass Werner Gilles.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
SELBSTPORTRÄT, aus der Serie „REAL INJURIES“
Julian Reiser
2019
40 × 30 cm
Acryl auf Leinwand
Schenkung des Künstlers 2020
Emil Schumacher gilt als wichtiger Vertreter des deutschen Informel. Charakteristisch für seine Werke ist der pastose, spröde Farbauftrag in erdigen, dunklen Nuancen mit kräftig-leuchtenden Farbakzenten. Das intensive Rot und die schwarzen gestischen Striche seines Gemäldes Pinatubo korrespondieren mit dem SELBSTPORTRÄT von Julian Reiser. In seinen Arbeiten experimentiert der 1988 in Hamburg geborene Künstler mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren und reflektiert mit Motiven aus der klassischen Malerei den Wandel des Kunstbegriffs und der Kunstproduktion über die Epochen. In seiner Serie Real Injuries – deren Titel ein Anagramm seines Namens ist – hat er im Siebdruckverfahren auf rotgrundierte Leinwände Szenen aufgebracht, die an Darstellungen von Hölle und Unterwelt eines Hieronymus Bosch oder Jan Brueghel d. Ä. erinnern.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Landschaft
Johannes Förster-Plauen
1947
43 × 57 cm
Aquarell auf Papier
Schenkung vom Auktionshaus an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr, 2014
Der schneebedeckten Berglandschaft von Gabriele Münter ist ein Aquarell von Johannes Förster-Plauen gegenübergestellt. Es zeigt eine Landschaft mit hintereinander gestaffelten Hügeln, die sich wahrscheinlich auch im süddeutschen Raum verorten lässt. Die Konturen der Bergkämme, die Tannen im Vordergrund und der atmosphärische Himmel sind in einem dunklen Blau-Grün gehalten. Das Bild spiegelt die Melancholie der ersten Nachkriegsjahre wider. Außer seinem Namen ist über den Urheber nichts bekannt.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Feuerblume
Otto Piene
1970
37,9 × 26,8 cm
Siebdruck
Erworben 1969 aus der Galerie Thomas, München
Die energetische Strahlkraft, welche die Lichtinstallation Tunnel of Tears von Keith Sonnier vermittelt, zeigt sich auch in dem Siebdruck von Otto Piene: Mit dem Ziel, Naturvorgänge und ihre Schöpfungskraft sichtbar zu machen, entstanden durch das Anbrennen und Löschen von Fixativ und Pigmenten auf dem Bildträger Rußflecken mit Blasen und Verkrustungen in Form einer Feuerblume vor einem leuchtend-roten Hintergrund. In verschiedenen Werkphasen experimentierte der ZERO-Künstler nicht nur mit Farbe und Feuer auf Papier und Leinwänden, sondern auch in multimedialen Installationen, Performances oder mit dem Medium der Druckgrafik. Mit seiner Verbindung von Kunst, Wissenschaft, Natur und Technik war der ZERO-Künstler wegweisend und befasste sich vor allem mit den Phänomenen des Lichts, der Wirkung der Elemente und der Bewegung im Raum.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Holiday
Werner Nöfer
1970
83,5 × 59 cm
Serigrafie
Schenkung des Künstlers 2016
An der Essener Folkwangschule ausgebildet, zählt Werner Nöfer zu den Vertreter:innen der deutschen Pop Art. Im Sinne einer Demokratisierung der Kunst wurde er mit großflächigen Wallpaintings sowie Grafikeditionen bekannt, die preisgünstig ein breites Publikum ansprachen: Kunst für alle! Seine schematischen Darstellungen einer überformten Landschaft erinnern mit den starken Konturlinien und in ihrer plakativen Farbigkeit an Comiczeichnungen und Trickfilme, für die er ebenfalls mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Mit Motiven wie Radar-, Vermessungsgeräten, Schalttafeln, Bullaugen, Okularen, Zielscheiben oder wie hier – Parkuhr und Tacho-Anzeige – nimmt Nöfer Themen wie Technisierung, Mobilität und Verkehr in den Fokus und knüpft an den sich an der Wand abreibenden Autoreifen von Michael Sailstorfer an.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Große Rote
Hermann Richter
1968
180 × 33 × 34 cm
Kunststoff, Polyester
Erworben 1969 vom Künstler
Zwischen Formanalogie und Verfremdung präsentiert sich die Große Rote von Hermann EsRichter als eine Art Stuhl, der allerdings funktionslos ist. Das verwendete weiche Polyester für die Rückenlehne hat etwas Körperhaftes, andererseits erinnert es eher an eine aufrechtgestellte Luftmatratze. Die vorderen schwarzen Plastikbeine geben der bizarren Skulptur des Oberhausener Künstlers, der typisch für die 1960er-Jahre mit synthetisch hergestellten Werkstoffen experimentierte, einen gewissen Halt.
Besonders die Studienzeichnung zu der imposanten Metallplastik von Heiner Meyer gab den Impuls für diese Paarung:
Die zugewiesene Farbigkeit in der Signalfarbe Rot, die vertikale Ausrichtung und die seitlich hinzugefügte schwarze Figur, die als Referenz Größenverhältnisse veranschaulichen soll, weisen formale Ähnlichkeiten mit Richters Kunstobjekt auf.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
B.A.S.H. (Blue Grey)
Eduardo Paolozzi
1971
85 × 70 cm
Siebdruck (farbig)
Schenkung aus Privatbesitz 2013
Bekannt wurde der schottische Grafiker und Bildhauer Eduardo Paolozzi vor allem mit Werken, die von industriellen Technologien, Naturwissenschaften, Populärkultur und Massenmedien inspiriert sind. Seine Serie B.A.S.H. spiegelt dieses Themenspektrum und den Zeitgeist der 1970er-Jahre collagenartig wider: Motive aus Zeitungen und Illustrierten mit prominenten Persönlichkeiten wie John F. Kennedy und Marilyn Monroe und Fernsehbilder von der ersten Mondlandung werden mit technischen Darstellungen und Farbschemata kombiniert.
Als Mitglied der Independent Group prägte Paolozzi die britische Pop Art maßgeblich. Gängige künstlerische Konventionen wurden infrage gestellt, Alltagsgegenstände und Inhalte der Medienwelt für Kunstwerke genutzt oder verfremdet – so wie auch Günther Uecker 1963 einen Fernsehapparat zum Nagelobjekt umgestaltet hat.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Landscape 2
Roy Lichtenstein
1967
30,5 × 46 cm
Siebdruck in Schwarz auf Karton mit transparenter Moiré-Folie (Rowlux) überdeckt
Erworben 1971 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus der Galerie Thomas, München
In beiden gegenübergestellten Werken dominiert die markante Horizontlinie: Während es sich bei Schwitters um eine impressionistische Ansicht der Umgebung um den Hof Opherdicke handelt, ist Roy Lichtensteins Landschaftsdarstellung auf zwei Flächen, die Oben (Himmel) und Unten (Erde/Meer) definieren, und einen schwarzen Trennstrich dazwischen reduziert.
Durch die Kombination von Siebdruck, Farbfotografie und der Kunststofffolie Rowlux überschreitet der Pop-Art-Künstler in seiner Serie Ten Landscapes die Grenzen des Mediums der Druckgrafik: Für seine Werke nutzte Lichtenstein industrielle Werkstoffe und die technischen Möglichkeiten von Offset- und Siebdruckverfahren. Mit Rasterpunkten, Moiré-Effekten und irisierenden Oberflächen gelingt ihm eine radikale Neuformulierung des klassischen Genres der Landschaft.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
In der Industrie
Heinrich Siepmann
1957
44,3 × 61,5 cm
Gouache auf Papier
Erworben 1957 vom Künstler
Sowohl inhaltliche als auch formal-ästhetische Aspekte stellen bei diesen beiden Werken die Verbindung dar:
Peter Schwickerath hat in seiner großformatigen Plastik mit dem für das Ruhrgebiet so wichtigen Produkt Stahl gearbeitet, ein Rechteck halbkreisförmig geschnitten und die beiden Teilstücke auf dem Brachfeld vor den Flottmann-Hallen in Herne spannungsvoll im Dialog zueinander positioniert.
Auch Heinrich Siepmann nutzt in seinen abstrakten Gemälden ein geometrisch-konstruktives Formenvokabular und setzt sich mit Fragen der Bildarchitektur und Flächenteilung auseinander. Seine gitterartig angelegten Bildgefüge verweisen über Werktitel und auch in ihrer Farbwahl, die an metallhaltige Erde und oxidiertem Corten-Stahl erinnert, auf die industriell geprägte Region.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
ohne Titel
Arno Fassbender
1989
100 × 100 cm
Collage, Acryl auf Sperrholz
Erworben 1990 vom Förderkreis für das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr e. V.
Ausgestanzte Kreissegmente, in linearen Reihen auf eine Trägerplatte aufgeleimt und mit Schultafellack übermalt, geben auf der schwarzen Fläche einen bestimmten Rhythmus wieder. In diesem seriellen Werkzyklus von Helmut Bettenhausen tauchen als Irritation verdichtete Partien, Auslassungen und malerische Spuren auf, welche die zunächst geordnete Konstruktive Struktur aufbrechen.
In der Assemblage von Arno Fassbender geht es auch um Bildarchitektur, Struktur und Ordnung, doch zeigt sich dies als ein Raster aus Quadraten. Über die collagierten Flächen, die reliefartig hervorstehen, hat der lange Jahre im Ruhrländischen Künstlerbund aktive Maler die Oberfläche ebenfalls mit einer monochromen Lasur überzogen.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Landschaft in Südfrankreich
Otto Pankok
undatiert
116 × 98 cm
Kohle auf Papier
Schenkung von Arthur Kaufmann, New York, 1970
Als „Schwelgen in Kohle“ bezeichnete Otto Pankok das Zeichnen in seiner bevorzugten Technik, mit der er spontan, aber präzise auf seinen Reisen in die Niederlande, Spanien oder Südfrankreich das Gesehene auf großformatigem Papier erfasste. Er ist ein bedeutender Vertreter eines Expressiven Realismus und orientierte sich in Stilfindung und Wahl seiner Sujets etwa an Rembrandt von Rijn, Jean-François Millet und Vincent van Gogh. Fasziniert von der Weite der Landschaft, suchte Pankok die Abgeschiedenheit von der Zivilisation. Besonders die bewegten Wolkenformationen sowie die einzelne Figur im Vordergrund der beiden Landschaftsdarstellungen zeigen eine ähnliche künstlerische Auseinandersetzung von Mensch und Natur bei Wilhelm Morgner und Otto Pankok. Beide sind expressiv, der eine in Anlehnung an die Lokalfarbe, der andere in Schwarz-Weiß.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Herbstsonniger Ort
Paul Klee
1921
44 × 35 cm
Öl auf Papier, mit Aquarell und Feder
Dauerleihgabe der Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Erworben 2004 von der Stiftung Sammlung Ziegler aus der Galerie Thomas, München
In Christian Rohlfs lichter Interieurszene fluchten die Linien hin zu einem geöffneten Fenster. Das Bild ist im pointillistischen Stil aus Punkten zusammengesetzt, wodurch eine flirrende Atmosphäre entsteht. Paul Klees Gemälde Herbstsonniger Ort gewährt ebenfalls einen Ausblick: Inspiriert durch die Fenster-Bilder von Robert Delaunay schlüsselt der Bauhaus-Maler die durch ein Fenster gesehene Stadtlandschaft in geometrische Formen auf, wobei Vorder- und Hintergrund verschwimmen. Rechtecke, Trapeze und Dreiecke lassen sich als gestaffelte Häuser und Bäume lesen. Die Farbpalette aus Goldgelb, Rotbraun und Dunkelgrün mutet herbstlich an. 1902 notierte Klee in seinem Tagebuch, dass er „überall nur Architektur, Linienrhythmen, Flächenrhythmen“ sehe. Fortan beschritt er den Weg hin zu einer architektonischen Gliederung des Sichtbaren.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Gegengewichte
Wassily Kandinsky
1926
49,5 × 49,5 cm
Öl auf Pappe
Erworben 1973 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und Drittmitteln aus der Galerie Wilhelm Großhennig, Düsseldorf
1922 wurde Wassily Kandinsky von Walter Gropius an das Staatliche Bauhaus nach Weimar gerufen, ein Jahr darauf folgte auch László Moholy-Nagy. Beide zählten zu den bedeutendsten Bauhaus-Meister:innen, übernahmen Vorkurse, leiteten Werkstätten und veröffentlichten Schriften: Kandinsky unterrichtete „Abstrakte Formelemente“, „Analytisches Zeichnen“ und „Freie Malerei“; Moholy-Nagy, zudem Assistent von Gropius, beschäftigte sich mit typografischen Entwürfen und Fotografie.
Wie sich in der Gegenüberstellung zeigt, loten beide in ihren abstrakten Kompositionen das Gleichgewicht der Formen und Farbflächen zueinander aus. Durch gezielte Setzungen und Zuordnungen der Bildelemente schaffen sie zugleich Spannung wie Balance. Kreise und Zirkelschläge reagieren auf Quadrate, Rechtecke und Winkel, große auf kleine Formen, helle Farbfelder auf dunkle.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Tillya ou Jeune fille à l'éventail
Marie Laurencin
um 1925
50,1 × 43,2 cm
Öl auf Leinwand
Dauerleihgabe der Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Erworben 1960 von Karl und Maria Ziegler, Mülheim an der Ruhr, aus dem Stuttgarter Kunstkabinett, Roman Norbert Ketterer | Städtisches Museum/Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr 1981 | Stiftung Sammlung Ziegler 2002
Eine Dame mit Hut steht jeweils im Fokus dieser beiden Werke: Im Gemälde des rheinischen Expressionisten August Macke bestaunt die Frau mit Sonnenschirm vor einem Hutladen in seitlicher Perspektive die Schaufensterauslage mit elegantem Kopfschmuck. Im Gegensatz hierzu porträtierte die Malerin Marie Laurencin, die zum Künstlerkreis des Atelierhauses Bateau-Lavoir um André Derain, Raoul Dufy und Pablo Picasso gehörte, die geheimnisvolle Tillya frontal, den Betrachtenden zugewandt.
Ihre pastell-zarten Frauenbildnisse erscheinen mit blassen, konturlosen Gesichtern auf den ersten Blick ätherisch und ambivalent in der Rolle zwischen Mädchen und Dame. Die dunklen Augenhöhlen von Tillya mit Fächer und Hut aus der Sammlung Ziegler suggerieren jedoch eine Tiefgründigkeit, die sich ebenso in Marie Laurencins Lyrik zeigt.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Komposition in Rot
Ernst Wilhelm Nay
1962
41,5 × 59,7 cm
Aquarell
Erworben 1964 aus dem Kunsthaus Lempertz, Köln
Die Anordnung der Coloured Vases von Ai Weiwei erfolgte intuitiv, gewiss aber mit Systematik.
Ernst Wilhelm Nays Komposition in Rot entstand ähnlich: Seit Mitte der 1950er-Jahre entwickelte der Künstler in seinen „Scheiben-Bildern“ eine Art Choreografie der Fläche, indem er Farbkreise scheinbar willkürlich, jedoch bewusst nebeneinandersetzte.
Diesen Prozess beschreibt Nay 1958 in seinen Regesten zu Leben und Werk: „Machte ich nun einen farbigen Punkt auf eine leere Fläche, so entstanden im gleichen Augenblick eine erstaunliche Anzahl von Spannungen […] Breitete ich den Punkt aus, verstärkten sich die Spannungen. Eine zweite solche Scheibe, eine dritte, eine vierte – alle gleich groß, ergaben schon eine höchst komplizierte Formrelation. […]wenn ich jeder Scheibe eine andere Farbe gab, das konnte als chromatische Reihe angesehen werden.“
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Fo'Faux Rocks 4
Katharina Grosse
2007
100 × 68 cm
Lithografie (farbig)
Erworben 2011 aus dem Kunsthaus Binhold, Köln
Seit Ende der 1990er-Jahre verwandelt Katharina Grosse mittels Sprühtechnik und Spritzpistole verschiedenste Oberflächen, Wände, Decken und Böden in (begehbare) Farblandschaften und überschreitet die Grenzen der traditionellen Malerei in den Raum. Mit diesem All-over an Farbe erzeugt sie Illusionen. Zudem erforscht die Künstlerin die psychologische Wirkung von Farbtönen und Texturen.
Neben diesen architekturgebundenen Sprayarbeiten experimentiert Grosse mit den Möglichkeiten der Grafik und erweitert durch den Einsatz von Airbrush und hochpigmentierten, fluoreszierenden Farben auch dieses Medium. Als Pendent zu dem Rakelbild von Karl Otto Götz präsentiert sich eine großformatige Lithografie ihrer Serie Fo´Faux Rocks mit ebenfalls schwungvoll auf das Blatt gesetzten, intensiv-leuchtenden Farbspuren und ihren Verläufen.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Badende im Bergbach
Ernst Ludwig Kirchner
1921
90 × 78,5 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1966 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Kunsthaus Lempertz, Köln
Das Thema Aktdarstellung war für diese Gegenüberstellung impulsgebend:
Beeinflusst von der Lebensreformbewegung, thematisiert Ernst Ludwig Kirchner in diesem, in Davos entstandenem Gemälde die Nacktheit im Freien als sinnliche Erfahrung und als Loslösung von prüden Moralvorstellungen. Zwischen hohen Tannen und zerklüfteten Felsen erfrischen sich die Badenden im Bergbach – seine Lebensgefährtin Erna Schilling, deren Schwester Gerda und die Ausdruckstänzerin Nina Hardt – ungezwungen und hüllenlos im kühlen Quellwasser. Als Kulisse erheben sich dunkle Tannen, während die Figuren im Zentrum des Bildes durch eine expressive Farbigkeit bestechen. Akzente aus Violett und Gelb treten hervor und bilden einen starken Komplementärkontrast. Die andere Seite des Gemäldes aus Kirchners Brücke-Zeit zeigt eine Atelierszene mit zwei weiblichen Akten.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Venezia Vive
HA Schult
1976
je Blatt 30,5 × 40,5 cm
Kassette mit 19 Serigrafien nach Fotografien
Erworben 1977 aus der Edition Elke Koska, München
Wie in einem Versuchsfeld bedeckte HA Schult in der Nacht vom 10. auf den 11. März 1976 mit 60 Helfern den Markusplatz in Venedig mit 350.000 Exemplaren der Tageszeitung Il Gazzettino. Durch den Wind bewegten sich die Zeitungsblätter über den 15.000 m² großen Platz und blieben bis zum Morgen liegen, bevor ein Kehrwagen das Altpapier wegräumte. Stündlich dokumentierte HA Schult mit seiner Kamera die Veränderungen des Platzes bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Es entstand eine Mappe mit 19 Serigrafien.
Rückblickend formulierte der Beuys-Schüler: „In die stillstehende Zeit einer anderen Epoche wurde die Gegenwart gekippt.“ Schult verwies auf die Müllproblematik unserer Zeit und hinterfragte zudem die Aktualität und den substanziellen Gehalt der Medien, die mit ihren gedruckten Nachrichten täglich Tonnen von Abfall produzieren.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
C Y 03, Hommage an Yves Klein
Heinrich Siepmann
1999
70 × 50 cm
Collage auf Zeichenkarton
Erworben 1999 vom Förderkreis für das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr e. V.
Nach gegenständlichen Anfängen setzte sich der an der Folkwangschule ausgebildete Maler Heinrich Siepmann mit der Abstraktion auseinander und fand in der Nachkriegszeit zu einer klaren, konstruktivistischen Formensprache. Seine Gemälde, Zeichnungen, Collagen und Druckgrafiken folgen in ihrem strengen Bildaufbau einer „kombinatorischen Ordnung“: Durch Reduktion und Konzentration auf grundsätzliche Elemente erreicht Siepmann in seinen Kompositionen ein ausbalanciertes Spannungsverhältnis der Formen und Farben. Er orientiert sich an Künstlern wie Kasimir Malewitsch und Piet Mondrian oder auch Yves Klein, dem er mit seiner Collage aus vertikalen Rechtecken eine Hommage widmete. Die Parallele zwischen Heinrich Siepmann und dem Bauhaus-Künstler Josef Albers ist ihre Auseinandersetzung mit den Grundfragen von Fläche, Proportion und Raum.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Le baiser de Chloé (Chloés Kuss), Blatt 9 aus der Serie „Daphnis und Chloé“
Marc Chagall
1959/1962
42,3 × 32,5 cm
Lithografie (farbig)
Erworben 1964 aus der Galerie Dr. Luise Krohn, Badenweiler
Zu den bekanntesten druckgrafischen Werken der Kunstgeschichte zählt der Zyklus Daphnis und Chloé von Marc Chagall. Die 42 farbenprächtigen Lithografien seiner Interpretation des antiken Hirtenromans von Longus spiegeln ein paradiesisches Arkadien wider, in dem das Schicksal die beiden Protagonist:innen zueinander führt: Nach ihrer Geburt von den Eltern ausgesetzt, gelangen sie in die Obhut von Hirtenfamilien. Sie wachsen in Freundschaft auf und aus Schwärmerei entwickelt sich Liebe. Durch Intrigen voneinander getrennt, finden Daphnis und Chloé mit Hilfe der Götter und Nymphen wieder zueinander. Gleichsam wie in dem Gemälde von Frantisek Kupka, zeigt das Blatt Chloés Kuss die innige Verbundenheit des Paares. Ihre Silhouetten überlagen sich, die Köpfe sind janusartig miteinander verwachsen und sie heben in einen traumhaften Schwebezustand ab.
Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
ohne Titel (Spiegelobjekt)
Heinz Mack
1997
50,4 × 43,5 cm
Multiple, Siebdruck (farbig), Spiegel
Schenkung von Almuth und Dr. Otto-Albrecht Neumüller, Mülheim an der Ruhr, 2014
Im Jahr 1958 gründeten Heinz Mack und Otto Piene die Künstlergruppe ZERO in Düsseldorf und bildeten ein weitreichendes internationales Netzwerk mit anderen Bewegungen, die sich etwa zeitglich formierten – wie die gruppo t um Gianni Colombo in Mailand. Auf der Suche nach neuen Gestaltungsprinzipien experimentierten sie mit industriell gefertigten Materialien und technischen Apparaturen, schufen kinetische Objekte, reflektierten Licht durch Spiegel und Metallfolien und brachten durch elektrische Motoren Bewegung in das Spiel.
Die Immaterialität des Lichts und seine Aufsplitterung in Spektralfarben war ebenso ein Thema wie die dynamische Wirkung ihrer Werke im Raum und die Interaktion mit den Betrachtenden. Macks Spiegelobjekt mit geometrischen Farbflächen sowie Colombos Projektion von Quadraten im Raum stehen hierfür exemplarisch.
Skulpturenmuseum Marl
TV & TV-Kiss
Günther Uecker
1963 & 2013/14
118×104×104 cm & 40×100×70 cm
Die Skulptur TV von 1963 zählt zu den markanten Nagelobjekten von Günther Uecker und befindet sich seit 1990 in der Sammlung des Skulpturenmuseums. 2014 schuf Uecker für die Werkschau Fernseh-Objekte anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Grimme-Instituts das Werk TV-Kiss aus Kindermatratzen und einem benagelten Flachbildschirm und übersetzte damit seine medienkritische Auseinandersetzung mit Unterhaltungs- und Massenmedien in die Gegenwart. Beide Werke verdeutlichen die inhaltliche Bandbreite des Ausstellungs- und Sammlungsschwerpunkts von Skulptur und Medienkunst im Skulpturenmuseum Marl.
Skulpturenmuseum Marl
Skulpturenmuseum Marl
Airbourne Language
Katja Davar
2019
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl
Video 05;32
In Airbourne Language studiert Katja Davar, wie sich ein bemaltes Tuch in der Luft verhält. Die Ultra-Slow-Motion-Aufnahme macht die Bewegungsmuster des textilen Objekts nachvollziehbar und veranschaulicht das Verhältnis von Zeichnung und Film. Wenn die schwarzen Tuschelinien auf dem weißen Tuch mit dem Stoff immer wieder neue Strukturen bilden, überträgt sich der zeichnerische Gestus von der zweidimensionalen Fläche in den filmischen Raum.
Karl Otto Götz arbeitet mit Pinsel und Rakel, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. In seinem Gemälde treffen schwarz-blaue Flächen und Kreisstrukturen aufeinander. Geladenen Atomen vergleichbar, stoßen sie sich ab oder verschmelzen. Jonction II entstand im Kontext der deutschen Wiedervereinigung und lässt sich dementsprechend mit einem besonders bewegenden Moment aus der Geschichte verbinden.
Skulpturenmuseum Marl
STEP ON THE SUN
Janet Biggs
2012
variabel
9:22 Loop, 4 Kanal Videoinstallation
Seit 2013 im Skulpturenmuseum Marl
Die amerikanische Künstlerin Janet Biggs ist eine Spezialistin für Extremlandschaften. In dem Video A Step on the Sun porträtiert sie den Ijen-Vulkan auf der indonesischen Insel Java. Die Berglandschaft mit dem türkisfarbenen See ist jedoch nur ein vermeintliches Idyll: Die aufsteigenden Gase und das Wasser sind schwefelhaltig – und damit schädlich für die Arbeiter:innen, die unter hoher körperlicher Anstrengung und mit wenig Schutzausrüstung Schwefel-Brocken abtragen. Die expressionistische Malerin Gabriele Münter ist ebenfalls von Gebirgen und Seen fasziniert. In ihrem Gemälde Schneelandschaft bei Kochel zeigt sie Berge in den bayrischen Voralpen bei winterlichen Temperaturen. Die kühlen Farbtöne der menschenleeren Szene lassen sich als Verweis darauf lesen, dass auch der Sehnsuchtsort Gebirge eine kalte, gefährliche Seite hat.
Skulpturenmuseum Marl
Larron, le maudit momifié
Horst-Egon Kalinowski
1973
92 × 162 × 77 cm
Holz, Leder, Seil u. Stock in/auf Stahlsockel
Horst-Egon Kalinowski und Emil Schumacher waren nicht nur Kollegen an der Kunstakademie Karlsruhe, sondern teilten auch das Interesse am Material. Kalinowski setzte sich in Larron, Le Maudit, Momifié mit Leder auseinander. Das organische Material diente dem Künstler zur Bespannung eines rechteckigen Kubus, bildet auf dessen Oberseite aber auch ein Relief heraus. Von einem Seil zusammengeschnürt, evozieren die braunen Lederwülste düstere Momente – eine Figur mit Strick um den Hals, Gewalt oder Mumifizierung, wie der Titel andeutet. Zugleich lassen sie sich als ein Experiment über das Zusammenspiel zweier Materialien verstehen, das die haptische Wahrnehmung der Betrachtenden anregt. Auch in Schumachers Arbeit spielt Taktilität eine wichtige Rolle. Für das Gemälde Pinatubo trug der Künstler die Farbe pastos auf, um deren Konsistenz und Wirkung sichtbar zu machen. Die vielfach bearbeitete, immer wieder neu aufgerissene Oberfläche erinnert in ihrer Struktur an das abgeschabte Leder, das Kalinowski in seiner Skulptur inszeniert.
Skulpturenmuseum Marl
Ginsberg
Nam June Paik
1988
ca. 254 × 232 × 10 cm
Öl auf Leinwand, Watchman, Ventilator, bedrucktes Tuch
Mit seiner Multimedia-Collage erinnert Nam June Paik an den gleichnamigen Autor aus der US-amerikanischen Beat Generation Allen Ginsberg. Der Ventilator, der den Siebdruck mit Ginsbergs Gesicht in Bewegung setzt, deutet an, wie wichtig Prozessualität und Aktion für die Kunst und Literatur der 1960er- und 70er-Jahre waren. Der unbetitelte Stahltisch von Anatol ist ein Relikt von einer Aktion, die vom gleichen Zeitgeist geprägt war. Anatol kooperierte für die Arbeit mit Jochen Duckwitz, Ulrich Meister, Johannes Stüttgen und Joseph Beuys, Veranstaltungsort war das Düsseldorfer Szenelokal Cream Cheese. Die am Tisch festgeschnallten Personen sollten auf Anweisung sprechen oder schweigen – eine Vorgabe, die auf die Bedeutung von Klang und Stille in Performances dieser Zeit, aber auch im Werk von Literat:innen wie Ginsberg hinweist.
Skulpturenmuseum Marl
Miniaturrelief
Benno Werth
Mitte 1960er-Jahre
9,5 × 3 × 0,5 cm
Bronze, Kieselgur
Seit 2015 im Skulpturenmuseum Marl
Benno Werths und Kurt Schwitters Arbeiten teilen das kleine Format. Werth nutzte die Miniatur für eine abstrakte Komposition aus Bronze, die den Eindruck von einer Stadt- oder Dorflandschaft mit Häusern, Türmen oder Bäumen vermittelt. Schwitters zeigt mit dem Gutshof Opherdicke und dessen ländlicher Umgebung ein ähnliches Szenario. Das Gemälde gehört zu einer Reihe von Werken aus der Zeit um 1916/17, in denen der für Collagen und Installationen bekannte Dada-Künstler die westfälische Gemeinde Opherdicke festhielt. Der blau-violette Himmel taucht das aus der Ferne gesehene Häuserensemble in eine vorabendliche Stimmung. Auch Werths Relief erscheint aufgrund seiner Patina und den abgerundeten Kanten sehr atmosphärisch. Die räumliche Binnengliederung mit Wandelementen und Türmen ist typisch für die Metallarbeiten des Künstlers.
Skulpturenmuseum Marl
Two right feet for Sebastian
Dennis Oppenheim
1974
variabel
Motoren, Stiefel, Metallrohre, Sound, Maße variabe
Seit 1996 im Skulpturenmuseum Marl
Die Red Heels von Heiner Meyer sind von Weitem sichtbar. Knallrot und überdimensional groß, ziehen die zum Turm gestapelten Stilettos alle Blicke auf sich. Der deutsche Pop-Art-Künstler spielt in der Skulptur mit dem Begehren, dass die extravaganten Schuhe als Modeaccessoire, Konsumgegenstand und Statussymbol auszulösen vermögen. In Two right feet for Sebastian kommt mit motorbetriebenen Stiefeln ebenfalls Schuhwerk vor. Im Fokus von Dennis Oppenheims Arbeit steht aber weniger die alltags- und populärkulturelle Bedeutung des Objekts ‚Schuh‘ als die Möglichkeit und Form der (Fort-)Bewegung. Als Grundlage für die Installation diente eine Performance, in der der Land- und Body-Art-Künstler einem Mann mit amputiertem Bein ein Bleirohr als Prothese anhaftete. Die gegen die Wand tretenden Stiefel thematisieren die Funktion von ‚Ersatzteilen‘, lassen sich aber auch als Verweis auf Affekte lesen, die mit der Einschränkung der Gehfähigkeit verbunden sind – etwa Wut, Trauer oder Frust.
Skulpturenmuseum Marl
ohne Titel
Chargesheimer
1947
66 × 59 × 35 cm
Draht, Eisen, Kupfer, z.T. lackiert
Das Gemälde Nach der Bombenacht von Werner Gilles wirkt auf den ersten Blick überraschend farbenfroh. So irritieren die schwungvollen, kräftigen Linien und eine optimistisch scheinende Helligkeit im Bild des ehemaligen Bauhausschülers. Zeitgleich erscheint die abgebildete Landschaft chaotisch und wüst und der blutrote Grund sowie die ungewöhnlich diffuse, rotbräunlich eingefärbte Himmelpartie deuten den Schrecken und die Zerstörung an, auf die Gilles verweist. Ähnlich dynamisch ist auch die 1947 und somit nur wenige Jahre zuvor entstandene Skulptur o.T. des Künstlers Chargesheimer. Jener, vorrangig bekannt als Fotograf, erlebt und dokumentiert die Zerstörung und den Wiederaufbau seiner Heimatstadt Köln. Sein filigranes Objekt zeichnet bekannte Formen nach, bevor sie in ihren Umrissen nahezu fließend ineinander übergehen, etwas Neues formen oder deplatziert in der Schwebe zu verschwinden drohen. Beide Arbeiten verbindet die Abstraktion, welche das Erlebte und Gefühlte versucht zu verstehen, abzubilden und zu konservieren.
Skulpturenmuseum Marl
11/18
Melanie Manchot
2015
18 min Loop, Maße variabel
9 Monitore, 7 Sockel, 9 Kanal Videoinstallation
Seit 2018 im Skulpturenmuseum Marl
Vom Mädchen zur jungen Frau: Für die Videoinstallation 11/18 begleitete Melanie Manchot ihre Tochter Billie beim Aufwachsen. Von ihrem elften bis zum achtzehnten Lebensjahr trat Billie einmal im Monat vor die Kamera. Entstanden sind einminütige Videoporträts. Die Aufnahmen zeigen, wie sich Identität, Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung in der Pubertät verändern. Über die Person Billies, die mal mehr, mal weniger verhalten, aber immer bewusst vor der Kamera posiert, sagt die Arbeit nicht viel aus. Die Große Sinnende von Wilhelm Lehmbruck verrät ebenfalls wenig über das Modell. Die weibliche Aktfigur trägt keine individuellen Züge, ihr Blick scheint mehr nach innen gerichtet. Macht Manchot die Entwicklung einer konkreten jungen Frau als Prozess sichtbar, so verdichtet Lehmbruck geistige Vorgänge in einem abstrakten Frauenbildnis.
Skulpturenmuseum Marl
Prismatischer Raum II
Ingrid Dahn
2005
ca. 75 × Ø 20 cm
Acryl, Aluminium
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl
Ein schmaler Körper schwebt in der transparenten Plastik aus Acrylglas und Aluminium der deutschen Bildhauerin Ingrid Dahn. Je nach Perspektive und Lichteinfall scheint sie nahezu plastisch empor zu schweben, obgleich sie in ihrem gläsernen Umfeld gefangen wirken kann. Optische Spiegelungen und bunte Lichtreflexionen lassen das Gefühl entstehen, kleine Bewegungen der Figur mitzuerleben. Dabei scheint sie nah und gleichwohl fern zu sein. Ähnlich verhält es sich auch in dem Werk Le Rêve von František Kupka, das beinahe ein ganzes Jahrhundert vor Dahns Werk entstand. Unter dem Titel Traum steigen zwei umschlungene Körper in die Höhe, verlassen ihre Leiber und bewegen sich glühend zum Bildrand. Beide Werke vereint die Verbildlichung von Dynamik, welche zwar künstlerisch angedeutet wird, jedoch nur im Kopf der Betrachtenden tatsächlich entsteht.
Skulpturenmuseum Marl
Sparstrumpf (1000 D-Mark)
Victor Bonato
ca. 1995
75 × 13 × 16 cm
Strumpfbein, geschredderte Geldsteine
Seit 2003 im Skulpturenmuseum Marl
Victor Bonatos Sparstrumpf ist mit geschredderten Tausend-DM-Scheinen gefüllt – Hinweis auf unermüdliche Arbeit und langgehegte Wünsche. Die Kultur des Sparens ist jedoch nicht ohne die Versuchung des Konsums zu denken. In das Bein einer Schaufensterpuppe gepresst, evozieren die Geldscheine Güter, wie sie in August Mackes ‚Hutladen‘ zu erwerben sind. Die Frau in dem Gemälde ruft das ‚Windowshopping‘ ins Gedächtnis. Auch Bonato stellt einen Zusammenhang zwischen Frauen, Konsum und Begehren her. Sein Sparstrumpf erinnert nicht nur an die problematische Vorstellung von der Frau als ‚Ware‘, sondern auch an das Klischee der ‚sparsamen Hausfrau‘. Wenngleich sich Ökonomie wie Konsum als selbst- und fremdbestimmt, Kunst und Schwäche denken lässt, spannen beide Künstler ein Bezugsfeld auf, das auf stereotype Geschlechterrollen befragt werden muss.
Skulpturenmuseum Marl
Modell Baumskulptur 1
Rudolf Wachter
ca. 1994
32,5 × 22 × 12 cm
Holz teilweise farbig gefasst
Seit 1994 im Skulpturenmuseum Marl
Rudolf Wachter arbeitete ausschließlich mit Holz. Mit der Kettensäge schuf er zahlreiche Skulpturen, in denen die Materialität des natürlichen Werkstoffs besonders zur Geltung kommt. Für das Modell der Baumskulptur aus der Marler Innenstadt schnitt er aus dem oberen Teil eines Holzzylinders einen dreieckigen Körper aus und versetzte diesen so weit nach unten, dass er den Boden berührt. Durch dieses Vorgehen wird nicht nur die leicht geneigte Skulptur stabilisiert, sondern auch der Schaffensprozess nachvollziehbar gemacht. Dem Stahlschnitt von Peter Schwickerath liegt ein ähnliches Prinzip zugrunde. Der für seine Stahlskulpturen bekannte Bildhauer schnitt aus einer Stahlplatte ein Kreissegment aus, das lediglich an einer Stelle von einem herausragenden Viereck unterbrochen wird. Die ausgeschnittene Form liegt quer unter der aufgestellten Platte. Wie in Wachters Werk stehen sich Negativ und Positiv gegenüber; Körper, Masse und Volumen werden anhand eines spezifischen Materials räumlich erfahrbar gemacht.
Skulpturenmuseum Marl
Magnet-Objekt
Friedrich Gräsel
1972
35,5 x 35,5 x 6,5 cm
gravierte Metallplatte auf Holz, 16 Magnetbausteine
Friedrich Gräsel und Helmut Bettenhausen kannten sich aus der Künstlergruppe B1. Die Mitglieder der informellen Vereinigung setzten sich in Skulpturen, Gemälden, Grafiken, Räumen und Projekten mit der Industrielandschaft des Ruhrgebiets auseinander. Bettenhausen ließ sich insbesondere von den Oberflächenstrukturen industriell gefertigter Objekte inspirieren. Die Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 ist eine von mehreren Arbeiten des Künstlers, die aufgrund ihrer Rasterung und grau-schwarzen Farbe an Metallplatten mit Noppenprägung erinnern. Auch Friedrich Gräsels Magnet-Objekt spielt mit der Ästhetik der Industrie. Die grauen Rohrstücke, die horizontal und vertikal an der magnetischen Platte kleben, evozieren Betonelemente aus dem Hoch- und Tiefbau. Die Zusammensetzung einzelner Objekte zu größeren Körpern lässt sich mit der in den 1960er- und 70er-Jahren beliebten Modulbauweise, aber auch dem Prinzip der Montage verbinden.
Skulpturenmuseum Marl
Objekt I+II
Tomitaro Nachi
1967
Ø 58 × 2 cm + 50 × 50 × 2 cm
Aluminium
Seit 1967 im Skulpturenmuseum Marl
Im Jahr 1933 geht der in Bottrop geborene Josef Albers mit seiner Frau Anni Albers ins Exil in die Vereinigten Staaten. Hier macht sich der vorherige Bauhaus-Lehrer schnell vertraut mit den für ihn noch unbekannten Kulturen. Ein besonderer Einfluss seines malerischen Werkes, das in Deutschland durch strenge geometrische Formen und eine monochrome Farbwahl geprägt ist, kommt aus Mexiko. Albers bricht erstmals mit seinem bekannten Quadrat, was in Oscillation A aus dem Jahr 1940 besonders auffällig ist. Das für Albers Oeuvre weiterhin charakteristische Quadrat greift Tomitaro Nachi in seiner zweigeteilten Installation Objekt 1 + 2 in der Grundform deutlich auf. In der Hängung jedoch transformieren sich die kinetischen Mobiles in zwei neue Körper im Raum. Sie bewegen sich ineinander, reagieren auf leichte Bewegungen in ihrer Umgebung und scheinen so in ihrer organischen Dynamik nahezu poetisch.
Skulpturenmuseum Marl
2 Millionen
Alexander Basile
2019
Video 30:11
„Was fasziniert dich eigentlich so am Licht?“ fragt eine Figur in 2 Millionen. „Es ist einfach da, will nichts von einem. Es kostet nichts, und es macht alle Dinge schön“, antwortet eine andere. In dem Schwarz-Weiß-Film von Alexander Basile dreht sich alles um Licht – um das Gesehen werden und im Dunkeln Verschwinden, um Scheinwerfer und Rampenlicht. Vor die Kamera treten Wohnblocks und Filmteams, architektonische Utopien und die Sehnsüchte derer, die in ihnen zu Hause sind. Bei der Bildgestaltung wird die Rolle des Lichts fokussiert. Auch Wilhelm Morgner arbeitet mit Leuchtkraft, um Stimmung zu erzeugen. Seine Landschaftsszene unterscheidet sich durch ihre intensive Farbigkeit von Basiles monochromem Film, zeugt aber gleichfalls davon, wie Figur und Raum durch Licht und Schatten, inneres und äußeres Strahlen geformt werden.
Skulpturenmuseum Marl
Rosa
Erika Hock
2020
ca. 320 × 100 × 60 cm
Stahl lackiert, Fadenvorhang, Glühbirne
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl
Licht, Raum, Dekor: Erika Hock interessiert sich für Phänomene, die in Christian Rohlfs Interieurbild eine zentrale Rolle spielen. Zeigt der Maler einen Iichtdurchfluteten Innenraum, so präsentiert die Künstlerin eine Skulptur, die als Lichtquelle für ihre Umgebung fungiert. Rosa besteht aus einem runden Fadenvorhang, hinter dem eine Glühbirne auf einem Gerüst strahlt. Das Licht bricht sich an den Fäden, die Erscheinung von Raum und Skulptur verändernd. Rohlfs erzeugt mit seinem pointillistischen Malstil einen ähnlichen Effekt. Die Vorhänge in seinem Bild lassen die Sonne zugleich eindringen und abprallen, dienen aber auch als dekoratives Element. Hocks Arbeit erinnert an extravagante Einrichtungsgegenstände der 1960er- und 70er-Jahre – und stellt damit ebenfalls die Frage nach nützlichen und dekorativen Objekten, Funktion und Autonomie.
Skulpturenmuseum Marl
Mantel Paratroopers Last Jump - Goodbye Uncle Buddy
Cork Marcheschi
1992
57,5 × 57,5 × 9 cm
Leuchtstoffröhren, Farbe, Draht
Weiße Quadrate wandern in Gianni Colombos Zoom Squares durch den dunklen Raum. Der starke Kontrast verstärkt die Bewegungen, die trotz der geometrischen Formen fast sanft wirken. Ähnlich auch nimmt das Werk Mantel Paratroopers Last Jump – Goodbye Uncle Buddy des amerikanischen Künstlers Cork Marcheschi den Raum ein und beeinflusst dessen Wahrnehmung. Die quadratische Form, die sich aus zwei gegenüberliegenden und in gegensätzliche Richtung leuchtenden Leuchtstoffröhren ergibt, scheint zu schweben. Je nach Blickwinkel und Lichtintensität deutet sich eine leichte Bewegung des Quadrats an – es wächst und pulsiert. Die harten Kanten der geometrischen Form verschwimmen. Die ständige Veränderung der Grundform, die sich im Kontrast zu Colombos Arbeit erst auf den zweiten Blick einstellt, wirkt dabei ebenfalls direkt auf die Wahrnehmung im Raum.
Skulpturenmuseum Marl
Chamber Piece
Mischa Kuball
2014
200 × 50 × 50 cm
Video, Stellage, Drehteller, Sound
Seit 2014 im Skulpturenmuseum Marl
Chamber Piece ist eine Hommage an László Moholy-Nagy. Für die Video-Installation hat Mischa Kuball ein Hauptwerk des ungarischen Avantgarde-Künstlers mit dem Handy abgefilmt. Ein Beamer auf einem rotierenden Gestell projiziert die unbearbeiteten Aufnahmen in den abgedunkelten Ausstellungsraum. Während die Videoprojektion über die Wände wandert und den Raum erhellt, ertönen ratternde Geräusche. Moholy-Nagy vergleichbar, experimentiert Kuball mit neuen Technologien, um das Zusammenspiel von Licht, Bewegung und Raum zu ergründen. Komposition A 17 lässt sich als eine Versuchsanordnung verstehen, mit der im zweidimensionalen Raum Bewegung erzeugt werden soll. Moholy-Nagy kombiniert Farben und geometrische Formen, sodass Spannung entsteht – etwa durch die roten und weißen Balken, die den schwarzen Kreis in der linken Bildhälfte überlagern.
Skulpturenmuseum Marl
Vasen
Antonio Recalcati
1990
ca. 30 – 50 cm hoch
Terrakotta, Glasur
Seit 1993 im Skulpturenmuseum Marl
In den frühen 1990er-Jahren stellte Antonio Recalcati in einer italienischen Keramikmanufaktur Hunderte von Vasen her. Die skulpturalen Objekte sind individuell gestaltet, gleichen sich aber in ihrer mangelnden Funktionalität und Perfektion. Dellen, Löcher und verschlossene Öffnungen machen die Vasen unbrauchbar, zeugen aber vom kreativen Potenzial der Zerstörung. Demoliert Recalcati seine Vasen im Schaffensprozess, so fokussiert sich Ai Weiweis Destruktionskraft auf existierende Gefäße. Der Künstler hat eine Reihe chinesischer Vasen aus der prähistorischen Zeit erworben und mit bunter Latexfarbe überzogen. Nicht die Funktion, sondern das historische Artefakt wird hier vernichtet – Weiwei provoziert Fragen um den Wert von Autorschaft, Authentizität und Handwerk und kommentiert den kulturellen Vandalismus der chinesischen Kulturrevolution.
Skulpturenmuseum Marl
Spazio Curvo
Gianni Colombo
1992
Ø ca. 500 cm
fluoreszierender Kunststoffring, Schwarzlicht, Motor
Keith Sonniers Tunnel of Tears erweckt das Gefühl, sich in einem hybriden Raum zwischen Analogem und Digitalem aufzuhalten. Sie erinnern an Kritzeleien auf Papier oder digitale Strichzeichnungen und wandern als unter der Raumdecke frei hängende „Tropfen“ förmlich durch den Tunnel. Dabei ändert sich ihre Farbigkeit von Rot über Violett zu Blau. Durch die starken Kontraste zur Dunkelheit des Raumes irritieren sie das Auge und lassen ein leichtes Flirren entstehen. So auch Gianni Colombos Spazio Curvo. Anders als bei Sonnier entsteht die optische Irritation jedoch nicht durch die starre Betrachtung durch das Publikum. Vielmehr befindet sich Colombos Werk in einer beständigen Bewegung, schwirrt förmlich auf der Stelle und zeichnet die Spuren der eigenen Dynamik im dunklen Raum nach. So eint beide Werke nicht nur die evozierte körperliche Erfahrung, sondern auch die damit in Verbindung stehende neue Wahrnehmung des umliegenden Raumes.
Skulpturenmuseum Marl
autovision 2/3
Martin Kaltwasser
2017
ca. 80 × 250 × 400 cm
Fiesta Chassis und zwei daraus gebaute Fahrräder
Seit 2018 im Skulpturenmuseum Marl
Mit autovision 2/3 demontiert Martin Kaltwasser einen Mythos: das Auto. Der Künstler hat einen Ford Fiesta buchstäblich auseinandergenommen. Aus den Bestandteilen sind zwei Fahrräder entstanden – die umweltfreundliche Alternative zu dem benzinbetriebenen Fahrzeug, das mit Freiheit und Mobilität assoziiert wird. Während Kaltwasser zu Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und umweltbewusster Raumnutzung aufruft, thematisiert Michael Sailstorfer die Absurdität unendlicher Fortbewegung. Seine Installation Zeit ist keine Autobahn besteht aus einem motorbetriebenen Reifen, der sich um sich selbst dreht, die eigene Substanz an der Wand zerreibend. Den vergeblichen Mühen des Sisyphos vergleichbar, zahlt sich die Investition von Energie nicht aus. Das Reiseziel wird niemals erreicht, die Vorstellung von der zielgerichteten Autofahrt gebrochen.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Ohne Titel (Landschaft und Hof Opherdicke)
Kurt Schwitters
1916
14 x 24 cm
Öl auf Holz
Kunstbesitz Kreis Unna
Erworben 2002
Das Frühwerk von Kurt Schwitters repräsentiert die Verschollene Generation – von den Nationalsozialisten verfemte Künstler*innen – mit der sich Museum Haus Opherdicke profiliert hat. Avantgardistische Kunst zu präsentieren und den historisch gesellschaftlichen Kontext zu vergegenwärtigen sind konzeptuell unser museales Anliegen, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite zeigt das kleine Gemälde des später berühmten Künstlers das Gebäude des heutigen Museums in seinem damaligen Zustand.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Am Ammersee
Herbert Rolf Schlegel
um 1950
90 x 100 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Emil Schumachers Pinatubo zeigt mit dem Vulkan im übertragenen Sinne die Kraft der Natur – das Feuer, das aus dem Berg kommt, als farbliche und nicht darstellende Komposition. Auf der Bildebene lodert auch Herbert Rolf Schlegels (1889-1972) Wald in der neusachlichen Darstellung eines Pfades entlang eines kleinen Baches, der in den Ammersee führt. Feuer und Wasser, rote und blaue Farbigkeit steigert Schlegel mit dem Primärkontrast. Das von Gelb über Braun bis ins Rötliche verfärbte Laub hat dabei eine eigene malerische Qualität, nicht darstellend, sondern gestisch lodernd, stellt es eine Verbindung zur informellen Darstellung der Naturgewalten her.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Abend am Ammersee mit drei Mädchen am Ufer
Herbert Rolf Schlegel
1925
65 x 70 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Die Schneelandschaft von Gabriele Münter leuchtet in den expressiven Farben des Abendrots. Den weißen Flächen setzt die Malerin das rötlich schimmernde Bergmassiv entgegen. Bei Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) laufen die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund wie ein Band durch das Gemälde. Rückenfiguren führen die Betrachtenden in das Bild hinein, lassen den Blick vom Ufer über die spiegelnde Fläche des Ammersees bis zu den Alpen wandern. Für die Wahrnehmung der expressiven, farblichen Romantik Münters setzt Schlegel androgyne Protagonist*innen ein, als Personifikation des Blickes. Die Anwesenheit von Menschen in der Landschaft erinnert zudem an romantische Darstellungen der Kunstgeschichte.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Figurative Komposition
Hans Schröers
1968
100 x 100 cm
Öl auf Leinwand
Keith Sonniers Installation setzt sich aus zwei in kontrastierenden Farben ausgeführten Neonröhren zusammen, die wie leuchtende Pinselstriche im Raum schweben. Diese gestischen Kürzel verbinden ihn mit der informellen Malerei. Hans Schröers (1903-1969) studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde 1930 Mitglied der Rheinischen Sezession. Aus seinen expressionistischen Landschaftsmalereien, Stadtansichten und Stillleben heraus entwickelte er einen eigenen abstrakten Stil. In der Figurative Komposition tauchen Personen als Chiffren auf, werden nur zeichnerisch angedeutet. Ansonsten entsteht die farbliche Spannung aus dem Kontrast von Rot und Blau, der Assoziation von Wärme und Kälte.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Stilleben
Luc Gerbier
1976
114 x 87 cm
Öl auf Leinwand
Das Werden und Vergehen wird in Gianni Colombos Zoom Squares durch das Wachsen und Schrumpfen der leuchtenden Quadrate versinnbildlicht. Diese Dynamik des Lebens greift Luc Gerbier (*1940) mit den vertrocknenden Blumen in dem momento mori als Sinnbild der Vergänglichkeit auf, indem er seine Farbpalette stark auf den Kontrast von Schwarz und Weiß reduziert. Auch ist es das Helle und Dunkle, der Gegensatz von Licht und Schatten, der auf einer existenzialistischen Ebene die italienische Arte povera mit dem französischen Nachfauvismus des Künstlers verbindet. Die Köpfe der Pflanze hängen nach unten, sogar an der Vase hinab bis auf die angedeutete dunkle, quadratische Tischplatte. Nur spärlich setzten die bläulichen Farbakzente und die Tonigkeit den kühlen Gesamteindruck der Melancholie um.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Stillleben mit Stöckelschuhen und Halskette
Herbert Rolf Schlegel
um 1934
50,5 x 60 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Der hochhackige Pumps wird attributiv meist einem weiblichen Schönheitsideal zugesprochen. Heiner Meyers Stahlskulptur greift das modische Accessoire der Popkultur als Silhouette auf und stapelt mehrere dieser Schuhe zu einer Komposition. Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) dagegen präsentiert ein einzelnes, offenbar ausgewähltes Paar auf einem blauen Kissen. Daneben finden sich Schmuck sowie Spitze und Seide im Hintergrund der Präsentation. Diese besonderen Schuhe scheinen fast wie ein Fetisch dargestellt zu werden, allerdings wird die Doppelbödigkeit der Darstellung übersehen, denn der Maler changiert zwischen tradierten männlichen und weiblichen Rollenzuschreibungen. So wurde er zuletzt manchmal in seinem Heimatdorf am Ammersee bei einem Spaziergang in vermeintlichen Damenschuhen gesehen.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Der Paravent
Edgar Ende
1957
70,2 x 98,8 x 0,4 cm
Öl auf Hartfaserplatte
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Werner Gilles stellt die erschreckenden Ruinen nach einer Bombardierung im Zweiten Weltkrieg ein paar Jahre später in fröhlichen Farben dar, was dem Grauen eine bizarre Leichtigkeit verleiht. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs waren auch für Edgar Ende eine einschneidende Erfahrung, die seine archaische Bilderwelt beeinflusste. Ebenfalls in einer Landschaft, nicht jedoch in der Stadt mit den zusammengewürfelten Formen, sondern von einer Mauer mit verschlossenem Tor begrenzt, sind Bruchstücke von Architektur zu sehen. Von einem Paravent gegen die Umgebung abgeschirmt, steht eine Skulptur auf einem mit einer Tischdecke dekorierten Sockel. Diese wirkt jedoch durch ihre unscharfen Konturen beinahe geisterhaft verklärt und entzieht sich der Identifikation.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Unruhe
Hubert Berke
1960
90 x 120 cm
Öl auf Leinwand
Sammlung Axel Hinrich Murken
Das verbindende Element der Malerei von Karl Otto Götz und Hubert Berke (1908-1979) ist der handwerklich schwungvolle Auftrag der Farbe auf die Leinwand. Götz arbeitet mit singulären Gesten, die er in chiffrenartigen Pinselschwüngen als Komposition stehen lässt. Unruhe verbreiten die kleinteiligen Farbspritzer im Vordergrund, die sich von den freien und breiten horizontalen Pinselzügen des Hintergrundes absetzen. Die Farbigkeit des lyrischen Informel des in der Nachkriegszeit hauptsächlich im Rheinland arbeitenden, letzten Schülers von Paul Klee an der Kunstakademie Düsseldorf, ist sehr zurückgenommen. Bis auf wenige blaue und rote Einsprenkelungen ist die Malerei auf Schwarz und Weiß sowie die Leinwand reduziert, ähnlich wie bei dem bekanntesten Protagonisten des Informel.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Landschaft
Rolf-Dietrich Ratzmann
1964
130.5 x 180.5 x 2.2 cm
Öl auf Leinwand
Der Name des Künstler Rolf-Dietrich Ratzmann (1944-1992) ist stark mit der Stadt Lünen verbunden, in der er nach seiner Flucht aus der DDR lebte und arbeitete. Wilhelm Morgner ist ebenso mit dem nahegelegenen Soest verbunden. Die expressiv dargestellte westfälische Landschaft verbindet die beiden Maler miteinander. Auch der breite und dynamisch gesetzte Pinselstrich sowie die aus der Umgebung resultierende Farbigkeit der Malereien bringt die mehr als ein halbes Jahrhundert auseinanderliegenden Werke zusammen. Ratzmann negierte jedoch mit dem Pinseleinsatz die „Kleinlichkeit“ zugunsten der starken Farbigkeit des Ausdrucks eines Neo-Expressionismus. So setzt sich das Gemälde aus gegeneinander gesetzten Farbflächen zusammen, die sich aus den Strukturen der Felder in der Soester Börde herleiten.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Fragmente
Edgar Ende
1936
70.5 x 90.5 x 2 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Der Blick in einen Kastenraum verbindet Christian Rohlfs mit Edgar Endes (1901-1965) Fragmenten. Während der eine, pointillistisch zusammengesetzte Raum präzise in Hagen im weltweit ersten Museum für zeitgenössische Kunst verortet ist, so finden sich in dem anderen keine Fenster- und Türrahmen und vor allem keine Zimmerdecke. Die angedeuteten und durchbrochenen Wände erheben in eine Vorstellungs- und Traumwelt. Protagonist:innen blicken von oben in das Zimmer auf die frei im Raum schwebenden Büsten. Die skulpturalen Oberkörper von Frauen und Männern verkörpern nachdenkliche Posen und fragende Gesten. Der bedeutende surrealistische Maler vererbte seine Bildwelt seinem Sohn Michael Ende, der sich auf literarische Weise der fantastischen und visionären Metaphern annahm.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Blick in die Düsseldorfer Galerie Johanna Ey
Herbert Rolf Schlegel
um 1914
60 x 60 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Während bei August Macke eine Frau die Auslage eines städtischen Hutgeschäfts begutachtet, gewährt Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) Einblick in ein Ladengeschäft in Düsseldorf etwa im gleichen Jahr. Großflächige Pinselstriche setzen das Innere des Ladenlokales aus über Eck stehenden Verkaufstresen, Vitrinen und Regalen mit dem Angebot zusammen. In der spätimpressionistischen Manier seiner Studienjahre zeigt der später neusachlich arbeitende Maler den berühmten Raum, in dem ein Kapitel der Geschichte der modernen Kunst geschrieben wurde. Damals trafen sich die Künstler:innen in der Kaffeestube von Johanna Ey, und die spätere Galerie wurde zum Mittelpunkt der Künstlergruppe Das Junge Rheinland. Otto Dix schuf ein berühmtes Gemälde der befreundeten Mäzenin der jungen Kunst.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Feldarbeiten
Eberhard Viegener
1955
164 x 116 cm
Öl auf Leinwand
Die Werke Feldarbeiten von Eberhard Viegener (1890-1967) und Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 sind durch die Arbeit, die konzeptionell in unterschiedlicher Art hinter den Kunstwerken steckt sowie durch die Landschaftsdarstellung verbunden. Während bei Bettenhausen industrielle Produktion und Umgebung den thematischen Hintergrund bilden, so ist es bei Viegener das bäuerliche, vorindustrielle Milieu. Die neusachliche oder auch realistische Darstellung von Feldarbeiten beinhaltet auch die Armut auf dem Land, im Gegensatz zu den kärglichen Arbeitsverhältnissen in den großen Fabrikationsstätten in und um die Städte herum. Landschaft und rhythmische Komposition bilden in beiden Werken die räumliche Struktur.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Fahrzeug
Fern Mehring
1984
19 x 13 cm
s/w Fotografie
Durchdrehende Reifen klingen nach Geschwindigkeit und waghalsigen Manövern, sie riechen nach Rennen auf der Autobahn. Mit seiner Installation thematisiert Michael Sailstorfer die Hektik des aktuellen Alltags. Automobile und Reisen haben allerdings auch sentimentale Erinnerungen und Bezüge. Vor allem wenn Fern Mehring (*1946) ein Fahrzeug mit der Kamera porträtiert. Der Blick durch eine geöffnete Autotür über die Straße auf die Landschaft, eine kleine ungeteerte Landstraße mit einem großen Stein. Die Fotografie aus den 1980er-Jahren greift den American Way of Life auf, sie erzählt von einem schwarzweißen Roadtrip. Fünfzehn Jahre lang war die Kamera Mehrings wichtigstes Handwerkszeug, welches er 1991 nach all den Schriftsteller:innen-Porträts, mit denen er bekannt wurde, allerdings ins Regal legte.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Stehender Rückenakt auf felsiger Küste (Bornholm)
Herbert Rolf Schlegel
1912
74,5 x 64,5 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Die sinnende Darstellung eines Aktes verbindet die Rundplastik Wilhelm Lehmbrucks mit dem Blick auf den Rücken einer unbekleideten Frau an der dänischen Küste. Der Blick des Stehenden Rückenaktes führt die Betrachtenden in das Bild und weiter bis zum Horizont. Die Freikörperkultur in den frühen Jahren der Bewegung spielt bei Herbert Rolf Schlegel (1889-1972) eine bedeutende Rolle, denn er beschäftigt sich mit den Ideen der Lebensreform. Zur Zeit der Entstehung des Gemäldes lebt er in einer Kolonie auf Bornholm, die sich den Idealen von Vegetarismus, Naturismus und Emanzipation verschrieben hatte. Die Hinterfragung von Geschlechterrollen und Schönheitsidealen wird das Schaffen des Malers in den folgenden Jahrzehnten auszeichnen.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Die Taube
Edgar Ende
1955
70 x 49,6 cm
Gouache
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Anatols Stahltisch beinhaltet performativ den physischen Schmerz der Betrachtenden. Die Wundmale auf den Flügeln der Taube bei Edgar Ende (1901-1965) hingegen symbolisieren verallgemeinert den Schmerz. Statt mit Schwingen fliegen die Tauben mit Händen, die als Körperteile auch bei Anatol eine haptische Rolle spielen. Einer der Vögel zeigt den Betrachtenden blutige Wunden – ein Motiv, das auf die christliche Ikonografie bis hin zum gekreuzigten Christus als Schmerzensmann verweist. Früh hatte Edgar Ende gelernt, sich in einen meditativen Zustand zu versetzen, um in die Wirklichkeit einer geistigen Welt hinter der Schwelle der sinnlichen Wahrnehmung zu gelangen. Diese Fähigkeit zeichnet ihn als wichtigsten deutschen Vertreter des Surrealismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus und prägte auch seinen Sohn Michael Ende (1929-1995).
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Montserat
Peter Gallhaus
1955
41 x 40 cm
Öl auf Hartfaser
Peter Gallhaus` (1914-1971) Malerei setzt ein paar Jahre später als das Werk von Josef Albers auf die Wirkung der Farbe. Auch der Umgang mit den abstrakten Grundelementen von Linie und Fläche verbindet die beiden Kunstwerke, zeigt aber gleichzeitig den Unterschied zwischen monochromer und gemalter Farbfläche auf. Während Oscillating A zwischen zwei sehr ähnlichen Formen eine Spannung aufbaut, so bilden die gestisch gesetzten Pinselstriche bei der Darstellung des spanischen Berges mit seiner Felsstruktur einen Rhythmus, der einer abstrakten Partitur ähnelt. Diese Eigendynamik wird von der Umgebung der Bildfläche aufgegriffen und schwingt in der eigenen Klangfarbe mit. So wird Montserrat nicht figürlich abgebildet, sondern findet eine abstrakte sinnliche Entsprechung.
Museum Haus Opherdicke, Holzwickede
Interieur (Bewaffnete Liebe)
Edgar Ende
1963
120 x 89,7 cm
Öl auf Leinwand
Kunstbesitz Kreis Unna, Sammlung Axel Hinrich Murken
Eine besondere Paarbeziehung – die übernatürliche Darstellung der verschmelzenden Seelen von Frantisek Kupka und seiner Frau – findet ihre surreale Entsprechung gut ein halbes Jahrhundert später bei Edgar Ende (1901-1965). Das Interieur (Bewaffnete Liebe), zeigt ein Paar auf einer sich ablösenden Papierbahn, auf der die enthüllte Frau von dem hinter ihr stehenden Partner beschützt wird. Aus dem Papier streckt der herauskommende Arm des Adler-Menschen eine Art Speer, der an gedrechselte Pfosten erinnert, und sich parallel gegen die auf der anderen Seite des Raumes aus der Wand herausgreifende Waffe richtet. Auch das Hündchen, das auf die Treue verweist, unterstreicht die beiden Liebenden. Der moderne surrealistische Maler greift die archaische Bildwelt auf, die ihm in seinen Sitzungen in der Dunkelkammer begegnete.
Flottmann-Hallen Herne
Stahlschnitt
Peter Schwickerath
2004
240 × 480 × 430 cm
Stahl
Peter Schwickeraths Stahlschnitt steht exemplarisch für den SkulpturenPark Flottmann. Im Jahr 2004 war es unter anderem diese Arbeit, die den Auftakt für Ausstellungsaktivitäten unter freiem Himmel bedeutete. Unter dem Titel Stahlskulptur außen wurde erstmals nicht nur die Kunsthalle, sondern auch der Platz vor den Hallen bespielt. Die Skulptur blieb stehen und war der Anfang von dem, was im Kulturhauptstadtjahr 2010 offiziell der SkulpturenPark wurde. Mittlerweile stehen drei Werke Schwickeraths auf dem Gelände.
Flottmann-Hallen Herne
Flottmann-Hallen Herne
Schöpfer
Sandro Antal
1995
140 × 90 × 63 cm
Stahl
Wie Anatol Herzfeld war der zwölf Jahre jüngere Sandro Antal Student an der Düsseldorfer Kunstakademie. Beide blieben ihrer Alma Mater als Lehrbeauftragte verbunden und auch künstlerisch stehen beide in der Tradition des Erweiterten Kunstbegriffs des damaligen Direktors Joseph Beuys. Alltägliche Gegenstände – hier in beiden Fällen ein Tisch, außerdem bei Anatol die Stühle und bei Antal die Schöpfkelle – werden in bildhauerischer Bearbeitung nachgeahmt und finden Einzug in die Material- und Formensprache künstlerischen Schaffens. Auch die besonders ausgeprägte politische Dimension ist beiden Werken ähnlich: Innerhalb einer Performance wurde am Stahltisch Anatols eine Vernehmungssituation simuliert, die für die Zensur der freien Rede steht. Mit seinem Schöpfer spielt Sandro Antal derweil auf globale Hungerkatastrophen an.
Flottmann-Hallen Herne
Boden-Wand-Objekt
Peter Schwickerath
2020
150 × 45 × 30 cm
Doppel - T- Träger 12 cm rot pulverbeschichtet
Neben der Farbigkeit und der Verwendung des Materials Stahl, lassen sich auf den ersten Blick wenig Bezüge zwischen Heiner Meyers Red Heels und Peter Schwickeraths Boden-Wandobjekt herstellen. Bei Betrachtung der Herstellung der für das Schloss Oberhausen entwickelten Skulptur zeigen sich viele Gemeinsamkeiten. Die Verwendung von Stahl in der zeitgenössischen Bildhauerei ist ab einer gewissen Dimensionierung eine Teamarbeit unterschiedlicher Gewerke. Bisweilen sind Ingenieur:innen und Statiker:innen am Werk, es wird lasergeschnitten, abkantgepresst oder pulverbeschichtet, Fundamente werden gegossen und Kräne bestellt. Dass diese Prozesse jedoch für das Publikum nicht ersichtlich sind, ermöglicht den unverstellten Blick auf die ausdrucksstarken Arbeiten beider Künstler. Es ist auch die Kunst, schwierige Dinge einfach aussehen zu lassen.
Flottmann-Hallen Herne
Konturenwolke
Ulrich Möckel
2018/23
Hartschaum nach Baumkonturen, Motor, Zeitschaltung
Ulrich Möckels Werk fokussiert den Baum, für ihn ein Sinnbild des Lebens. Dabei geht es ihm seltener um das Material Holz, sondern um eine formale Auseinandersetzung: seine Konturen aus Umrisslinien verschiedener heimischer Baumarten stehen exemplarisch für sein Werk. Sie tauchen in vielen Ausführungen in seinen Arbeiten auf: in Bronze oder Beton gegossen, als Skulpturen im öffentlichen Raum sowohl in Hamm als auch in Herne und aus schwerem Corten-Stahl oder als Neon-Röhren, schwebend aufgehängt. Der Baumstamm steht dabei symbolisch als verbindendes Element zwischen Himmel und Erde, das in der schwebenden Konturenwolke eine besondere Betonung erfährt. Die Wolken, die Möckel mithilfe unzähliger Konturen aus Hartschaum erzeugt, ähneln im besonderen Maße denen, die Wilhelm Morgners expressionistische Landschaft zeigt.
Flottmann-Hallen Herne
Kartonobjekt
Peter Schwickerath
2000
Doppelausschnitt konvex/konkav
Der Bildhauer Peter Schwickerath ist vor allem für seine großformatigen Stahlskulpturen bekannt, die in manchen Innenstädten zu finden sind. Die kleinformatigen Arbeiten des Düsseldorfers sind häufig Vorstudien, denn für ihn gilt: „Alles was im Kleinen funktioniert, gelingt eingeschränkt auch im Großen.“ In beiden Ausführungsformen finden sich die Aspekte Schwickeraths konkreter Kunst wieder: alltägliches Material und geometrische Formen. Auch die Methoden – hier das Ausschneiden und Falten – sind wiederkehrende Elemente. Die Arbeiten sind präzise, rational und unabhängig von Subjektivität auf die Komposition ausgelegt. Doch ähnlich wie bei Moholy-Nagys malerischen Farbkompositionen ergibt sich aus der gegenstandslosen, auf geometrische Formen reduzierten Arbeitsweise ein spielerisches Potential der unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten.
Flottmann-Hallen Herne
ohne Titel
Reiner Seliger
2016
Glas und Stahl
Ein künstlerisches Thema Reiner Seligers ist es, für sein verwendetes Material – oft nur eines pro Werk – einen ästhetischen Rhythmus zu finden. So entstehen Plastiken aus geschichtetem Ziegelstein oder Rauminstallationen aus Styropor und Wandarbeiten aus Kreide oder Glas. Gebrauchsmaterial wird in Seligers Arbeiten zum Strukturelement und eröffnet unendliche gestalterische Möglichkeiten im Abstrakten.
So wie Josef Albers‘ Gemälde Oscillating (A) in der Wechselwirkung der Farben zueinander eine räumliche Dynamik erzeugt, wird die Raumwirkung in Seligers Glasrelief durch das Material beeinflusst. Bei wechselnder Perspektive ändern sich Lichteinfall und Schatten, Reflexionen und Farbeindruck. Beide Arbeiten spielen mit der Wahrnehmung und vereinen somit gleichzeitig eine durchdachte Komposition mit nicht steuerbarer Zufälligkeit.
Flottmann-Hallen Herne
Pulverschnee
Reiner Seliger
2023
80 × 75 cm
Kreidepulverschüttung in Acrylvitrine
Reiner Seligers Arbeiten sind häufig monochrom und spielen mit Strukturen und Rhythmen des eingesetzten Materials. Lange arbeitet er mit Schulkreideresten, die er für Reliefs stapelt und schichtet. Die Wiederverwendung oder das Recycling von Materialabfällen ist ein wichtiges Thema. Seligers Landschaften aus Kreidestaubschüttungen entstehen durch unterschiedliche Verdichtungen, die topographisch anmutende Strukturen hinterlassen. Der Kreidestaub ist dem Schnee dabei nicht ganz unähnlich, so dass die Assoziation mit verschneiten Hügeln und Tälern dem Künstler vor Augen stand. Spannend ist die Gegenüberstellung dieses leisen, fast minimalistischen Werkes mit der expressionistischen Schneelandschaft bei Kochel von Gabriele Münter. Ist die Farbe das Vehikel, mit dem Münter ihre Landschaft ausbuchstabiert, ist es bei Seliger das Material.
Flottmann-Hallen Herne
Wasserlauf
Ulrich Möckel
2010/2019
Ø ca. 300 cm
Zinkkontur nach Pflaumenbaum, Wasser, Umwälzpumpe, Lampen, Piezo-Elemente, Lautsprecher, Zeitschaltuhr
Der Baum ist ein zentrales Thema in Ulrich Möckels Schaffen, meist in abstrakter Form. Wiederkehrend dienen Baumkonturen, deren Umrisse er zumeist weit unten am Stamm abnimmt, als Ausgangsform für seine Arbeiten. Die vergrößerte Kontur eines Pflaumenbaums hat Möckel aus Zink zu einem Wasserlauf geformt, der sich durch Umwälzpumpen per Zeitschaltuhr in Bewegung setzt. Umgekehrt zum Tunnel of Tears von Keith Sonnier entsteht durch die Beleuchtung eine Reflexion der Wasseroberfläche an der Decke über der Installation. Der Baum steht in Möckels Werk symbolisch für das Sinnbild des Lebens und als verbindendes Element zwischen Himmel und Erde. Die immateriellen Spiegelungen, die vom Wasserlauf erzeugt werden, verleihen der Arbeit dabei eine besondere Symbolkraft und Poesie, die auch dem Tunnel of Tears innewohnt.
Flottmann-Hallen Herne
FREE FLOW
Max Scholz
2019
ca. 100 × 100 cm
Wandarbeit (Edition), 3-teilig, Metall, Acrylgals, Meschanik, Elektromotor
Viele der kinetischen Arbeiten von Max Scholz sind elektrisch betrieben und beschreiben einen unentwegten Kreislauf der Bewegung. So auch die Figur, die unerlässlich eine Rolltreppe hinauffährt. Oben am Scheitelpunkt angelangt fehlt das Geschoss, auf der Unterseite geht es kopfüber wieder hinab: Free Flow.
Die Idee der ewigen, vergeblich erscheinenden Bewegung wird ebenso von Michael Sailstorfers Zeit ist keine Autobahn aufgenommen. Die Motorengeräusche und bei Sailstorfer auch der Geruch des Reifenabriebes werden zum Bestandteil der Arbeiten. Nicht nur durch die Verwendung industrieller Komponenten und den Antrieb durch Motoren wohnt beiden Werken etwas sehr Zeitgeistiges inne. Sie sind Hamsterräder innerhalb einer modernen Gesellschaft, in der das Fortkommen zur Normalität wurde, jedoch das Ziel nicht immer klar ist.
Flottmann-Hallen Herne
Siedlung Sehnsucht
Max Scholz
seit 2011
Einzelobjekt: 40 × 65 × 88 cm
Aluminium, LED-Displays
Kurt Schwitters zeigt Gut Opherdicke inmitten grüner Wiesen. Dort hatte er während der Kriegsjahre Zeit verbracht, und auch seine Hochzeitsreise führte ihn dorthin. Für ihn vermeintlich ein Ort glücklicher Erinnerungen, gar ein Sehnsuchtsort, den er idyllisch darstellt. Max Scholz‘ Siedlung Sehnsucht greift die tradierte Form eines Hauses auf, das skulptural abstrahiert und vereinheitlicht zu einem utopischen Entwurf wird. Die auf dem Dach installierten LED-Felder zeigen verpixelte Videocollagen von Flugzeugen. Ein im Netz der Informationen verwobener Ort der Ortlosigkeit wird zum Sehnsuchtsort. Bei aller formalen Strenge und technikaffinen Umsetzung: Max Scholz‘ Werk fragt immer nach dem Kern menschlichen Seins und thematisiert das tiefe Bedürfnis, in Bewegung zu bleiben, sich die Welt anzueignen und sich einen Lebensraum zu entwerfen.
Flottmann-Hallen Herne
Doppelobjekt
Peter Schwickerath
2016
60 × 90 cm
lasergeschnittenes Schwarzblech
Die Variation von Gestaltungsmustern mithilfe reduzierter Ausdrucksmittel
ist sicherlich eine hervorstechende Eigenschaft der konkreten Kunst. Sie findet sich im Werk Helmut Bettenhausens wie auch Peter Schwickeraths wieder, die beide – wenn auch in unterschiedlichen Studiengängen – in den 1960er-Jahren an der Folkwang Universität studierten. Ein Thema im Werk Schwickeraths ist das Öffnen von geschlossenen Körpern durch Einschnitte, im Fall des Doppelobjekts in ein unlegiertes Stahlblech, das durch Oxidation nachdunkelt. Bettenhausens Konstruktive Struktur entstand durch das Aufbringen von Pappnoppen. Die lebendig, fast metallen anmutende Oberfläche ergibt sich aus einem Farbauftrag aus Tafellack und Talkum und sind ein Rückbezug auf seinen Lehrberuf des Metalllackierers.
Flottmann-Hallen Herne
Sesto
Reiner Seliger
2016
70 × 25 cm
recycelter Ziegelbruch
Recycelter Bruch von rotem Ziegel findet in Reiner Seligers Plastiken häufig Verwendung. Stein für Stein kreiert er geschlossene Körper, die der Statik zu trotzen scheinen. Sie wirken fremd und vertraut zugleich: Eine Assoziation mit architektonischen Strukturen ist durchaus beabsichtigt; Seliger selbst versteht sich als „Erbauer seiner Kunst“.
Durch die Schichtung des Materials erhalten die Plastiken eine gleichwohl unregelmäßig zerklüftete, dennoch rhythmische Außenhaut, die im Spiel von Licht und Schatten, von Räumen und Zwischenräumen, lebendig wird. Die sinnliche Erfahrung ist Bestandteil des Werkes, ähnlich wie im spätimpressionistischen Interieur des Museum Folkwang von Christian Rohlfs. Mit regelmäßigen warmen und kalten Farbtupfen, die im Auge zu einer besonderen Lichtstimmung verschmelzen, greift er die Museumsarchitektur auf.
Flottmann-Hallen Herne
Rumpelstilzchen
Andreas Bee
2005
300 × 300 × 45 cm
Keramik, weiß glasiert, gebrannt
Andreas Bees Rumpelstilzchen besteht aus einer seriellen Gruppe von Keramik-Objekten auf einer Bodenplatte. Durch die bauchigen Körper und das verwendete Material könnte es sich um Vasen handeln, vielleicht sogar um Artefakte, so wie Ai Weiwei sie für Coloured Vases nutzte. In Bees Arbeit irritieren die auskragenden Öffnungen, die die „Gefäße“ für den Transport von Flüssigkeiten ungeeignet machen. Vielmehr verleihen sie die Anmutung, etwas Anderes zu sein: Technische Gerätschaften mit ihren Anschlüssen oder stilisierte Herzen mit Venen und Aorten? Wie im gleichnamigen Märchen weiß niemand, wie die Objekte heißen oder was sie sind.
Während Ai Weiwei seine Gefäße mit den Farben einer modernen Konsumwelt maskiert, ist es bei Andreas Bee die formale Ausarbeitung, die vertraut Scheinendes in eine fremde und doch sinnliche Ästhetik überführt.
Flottmann-Hallen Herne
drawing #1
Herbert Hofer
2010
215 × 430 × 108 cm
16 mm Bewehrungsstahl
Herbert Hofers Skulptur drawing #1 besteht aus 370 durchgängigen Metern Bewehrungsstahl, die sich zu einer „verräumlichten Zeichnung“ winden. Die vollständige formale Abstraktion, die Karl Otto Götz für die Jonction-Serie bereits vor dem eigentlichen Malprozess planerisch erdachte, entspinnt sich bei Hofers Arbeit während der Betrachtung. Zunächst der Grundform eines Quaders von über vier Metern Tiefe folgend, verflüchtigt sich die Form der Skulptur mit wechselnder Perspektive und je mehr der Blick nach innen gezogen wird. Hofers Arbeit ist eine beabsichtigte Gegenüberstellung von sich scheinbar widersprechenden Konzepten: Abstrakte, durchdachte Formalisierung und emotional aufgeladene Deformation. Es entsteht eine Spannung zwischen Emotionalität und Rationalität, die auch vielen Arbeiten von Karl Otto Götz innewohnt.
Flottmann-Hallen Herne
JUVAL
Heinrich Brockmeier
2010
223 × 37 × 40 cm
Aluminium, Eisen, patiniert
Seit über 50 Jahren ist Heinrich Brockmeier als Bildhauer im Ruhrgebiet tätig. In dieser Zeit entwickelte er sein Werk stetig weiter. Immer wieder und in unterschiedlicher Ausprägung überschneidet sich dabei Brockmeiers künstlerisches Vokabular mit dem Wilhelm Lehmbrucks. Auch wenn er die Arbeit Juval in ausgesprochen expressionistischem Duktus darstellt, sodass das verarbeitete Aluminium beinahe den Anschein einer Holzskulptur erweckt, finden sich bei beiden Arbeiten Gemeinsamkeiten. Wie Lehmbrucks Sinnende zeichnet sich Brockmeiers Juval durch den besonders gestreckten Körper aus. Die Betonung des Vertikalen durch Überlebensgröße. Überdies eint beide Figuren ein in sich gekehrtes, melancholisches Moment: die Sinnende durch ihren zurückgenommenen Ausdruck, Juval durch das unvollständig formulierte Antlitz.
Flottmann-Hallen Herne
Ausschnittfaltung (Varianten I-III)
Peter Schwickerath
2020
je 60 × 75 cm
3 Reliefs, Stahlblech, pulverbeschichtet
Durch das Herauslösen und Umbiegen unterschiedlicher Formen aus quadratischen Stahlblechen, erschafft Peter Schwickerath Ausschnittfaltungen mit starker Raumwirkung. Der Schattenwurf der nicht plan an der Wand anliegenden Arbeiten verstärkt den Effekt der Tiefenwirkung. Die stehenbleibenden schwarzen „Rahmen“ erwecken den Eindruck einer Konstanten, die durch die variierten Ausschnitte gleichzeitig eine Dynamik erhalten.
Trotz Ähnlichkeiten im Vokabular – der quadratischen Grundform, dem Hell-Dunkel-Kontrast, der Gegenüberstellung von statischen und dynamischen Momenten – erzeugen Schwickerath und Gianni Colombo völlig unterschiedliche Werke, die auf die Wahrnehmung des Publikums abzielen. Während die Projektion Colombos besonders durch ihre Immaterialität auffällt, ist das Spiel mit dem Material Stahl dem Werk Schwickeraths eigen.
Flottmann-Hallen Herne
double sceptical me
Herbert Hofer
2013/2016
60 × 60 cm
Analoger C-Print von zwei Mittelformataufnahmen
Double sceptical me zählt zu einer fotografischen Werkgruppe, die der Wiener Herbert Hofer als Positiv-Negativ-Belichtungen bezeichnet. Der Künstler verklebt ein farbpositives Dia und ein Fotonegativ und belichtet beides gleichzeitig auf Fotopapier. Mit dieser Technik provoziert Hofer unvorhersehbare Strukturen und nicht steuerbare Effekte aus Überlagerungen und Transparenzen. Die menschliche Wahrnehmung – ein großes Thema in Hofers Arbeiten – entlarvt sich im Werk als höchst subjektives und grundsätzlich instabiles Konstrukt. Wie in František Kupkas Der Traum entsteht der Eindruck einer Zwischenwelt, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht gehorcht und wo Licht und Schatten sich in abstrakten Farbfeldern auflösen.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Konstruktive Struktur, Schwarz mit Rot 2196
Helmut Bettenhausen
1996
185 × 110 cm
Holz, Pappe, Schultafellack, Schwarz mit Talkum und Rot
Ankauf vom Künstler über Galerie Wurm am 08.12.1999
In der Sammlung des Emschertal-Museums sind hauptsächlich Werke lokaler Künstler:innen vertreten. Für die regionale Kunstszene und darüber hinaus von Bedeutung sind die Arbeiten der Künstlergruppe B1, zu der auch Helmut Bettenhausen, einer der bedeutendsten Herner Künstler:innen, gehörte. Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 ist eine von vielen reliefhaften Bildtafeln, auf welcher Noppenformen unterschiedlich angeordnet sind. Diese wechselnden Strukturen zeigen Bezüge zur industriellen Arbeitswelt mit Nieten und Schraubenköpfen im Ruhrgebiet.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Bauernhof Weusthoff
Gerhard Ullmann
1945
17 × 25 cm
Aquarell auf Papier
Seit 1986 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Gerhard Ullmann hat in zahlreichen Arbeiten die Umgebung der Stadt Herne festgehalten.
Der historische Hof Weusthoff wurde im Jahr 1705 von dem Bauern Johann Hendrich Weusthoff erbaut. Er steht heute noch abgeschieden von der Zivilisation an seinem ursprünglichen Platz.
Der Hof mit dem Teich strahlt eine idyllische Ruhe ohne Großstadtlärm aus. Diese Atmosphäre greift Ullmann auf. Das Aquarell zeigt den Bauernhof mit einer Scheune, die von weiteren Gebäuden gerahmt wird. Die von Menschen erbaute Scheune in der linken Bildhälfte steht der Natur, dargestellt durch die Baumstämme auf der rechten Bildseite, entgegen. Es entsteht eine Symbiose von Mensch und Natur.
In lockerer Strichführung hält Gerhard Ullmann die idyllischen, in den späten 1940er Jahren von der Landwirtschaft geprägten Ränder einer typischen Industriestadt im Ruhrgebiet fest.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
2x Multiple (konvex-konkav)
Ewerdt Hilgemann
1969
je 50 × 50 cm
Plastik, Relief
Ewerdt Hilgemann gehört zu den Künstler:innen, die in den 1960er-Jahren an konstruktivistische Tendenzen des frühen 20. Jahrhunderts anknüpften, um sich von den vorherrschenden Tendenzen der informellen Malerei abzusetzen.
Beide Arbeiten bestehen aus Reihen von unterschiedlich hohen Zylindern, so angeordnet, dass sie eine Bewegung nach außen oder innen darstellen.
Die Höhen der weißen Zylinder auf dem linken Bild nehmen von den Seiten ausgehend zur Mitte hin ab. Sie treffen sich fast ebenerdig auf der mittleren Linie. Hier sind sie in Rot gehalten, sodass sie sich dem Hintergrund anpassen. In den Reihen darüber und darunter brechen einzelne rote Röhren aus der farbigen Struktur aus. Auf dem rechten Werk verläuft die Bewegung andersherum.
Die Abfolge der Zylinder vermittelt den Eindruck einer Bewegung, die einen neuen Raum erschafft.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Herner Schaufenster um 1900 im Schloss Strünkede
Matthias Beckmann
2011
29,7 × 21 cm
Zeichnung, Bleistift auf Papier, aus der 11-teiligen Serie "Gänse, Ritter, Mausefallen"
Seit 2011 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Die Serie Gänse, Ritter und Mausefallen wurde von Matthias Beckmann für das Emschertal-Museum angefertigt. Der Künstler fertigte viele solcher Serien zu Institutionen oder Gebäuden an. Seine Zeichnungen entstehen vor den jeweiligen Motiven vor Ort. Dabei geht es ihm nicht primär um die Inhalte und Situationen, sondern um den Vorgang des Sehens, mit dessen Hilfe er seine Serien erschafft.
Auf dem Werk ist eine Schaufensterinszenierung im Schloss zu sehen. Es zeigt ein Damenkleid sowie Hüte, Stiefel, Bilder und andere Alltagsgegenstände. Die Objekte sind auf ihr Wesentliches reduziert, ihre Konturen treten klar hervor. Hier wird die unmittelbare Wahrnehmung des Künstlers wiedergegeben, ohne nachträgliche Bearbeitung.
Mit einfachen, präzisen Strichen schafft es Matthias Beckmann, eine Szenerie wiederzugeben, die keinerlei Farbe benötigt.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Winterlandschaft im Sauerland
Heinrich Rudolph
1961
74 × 43 cm
Ölmalerei auf Holz
Heinrich Rudolph gehört zu den regionalen Künstler:innen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Neuanfang der bildenden Kunst der Region mitbegründeten. Künstlerisch knüpfte er an die Klassische Moderne mit ihren abstrahierenden Formen an.
Seine Winterlandschaft zeigt eine bergige Szenerie mit in die Tiefe gestaffelten Bergen und Wäldern. Ein Weg führt in das Bild hinein. An ihm reihen sich stilisierte Häuser auf. Im rechten Vordergrund befinden sich Menschen, die sich scheinbar auf einer Eisfläche vergnügen. Sie sind mit eher flüchtigen Pinselstrichen dargestellt.
Heinrich Rudolph konturiert die Landschaftsformen in seinem Bild mit dunklen Linien, wobei die entstehenden Schichten eher flächig ausgemalt sind.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Ohne Titel
Günther Dohr
1969
90 × 90 × 26 cm
Objekt, Acrylglaskasten, Leuchtstoffröhren
Seit 1986 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Günther Dohr gehörte zu den jungen Künstler:innen der 1960er-Jahre, die industrielle Materialien und Technologien neu entdeckten und in ihre Kunst einbezogen. Er begann mit Licht zu experimentieren. Zunächst entstanden unbewegte Lichtobjekte mit dem neuen Material Leuchtstoffröhre. Aus ihnen entwickelte er Leuchtkästen mit rotierenden Zylindern.
Im beleuchteten Zustand besteht der Hintergrund der Arbeit aus einem regelmäßigen Muster aus schräg angeordneten kleinen Leuchtstoffröhren, die auf der Spitze stehende Quadrate bilden. Davor sind mittig drei zylindrische Röhren gelegt, in denen sich das Licht spiegelt und bricht, sodass das regelmäße Muster aufgelöst wird.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Herner Stadtgrenzen
Ferdinand Ullrich
1985, 2017 neu aufgelegt
30 × 30 cm
Fotografie, Serie aus 40 Fotografien
Seit 2017 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Straßenverkehr war nach 1945 ein gängiges Kunstmotiv. Ferdinand Ullrich hat in einer Serie von Fotografien die Grenzen der Stadt Herne dokumentiert. Es sind Momentaufnahmen von Randgebieten, in denen eine Stadt fließend in die andere übergeht oder sich Reste der landwirtschaftlichen Nutzung zeigen.
Das Bild zeigt eine Kurve vor einer geschlossenen Ortschaft. Während die Straße und der Himmel jeweils einen großen Teil des Bildes einnehmen, scheinen die kahlen Bäume und menschenleeren Häuser fast bedeutungslos. Diese befinden sich genau auf der horizontalen mittleren Linie und fungieren wie eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Das Auto verlässt eine Stadt und fährt in eine andere Stadt hinein. Dieser Übergang wird von dem kleinen Ortsschild, welches zentral in der Mitte des Bildes steht und die Häuser in seiner Höhe einrahmt, markiert.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Froschkönig und Schuh
Rainer Henrichs
1972/75
62,5 × 44 cm
Druckgrafik, Siebdruck auf Papier
Seit 2001 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Das Motiv des Schuhs wird vor allem in der Pop Art der 1960er-Jahre aufgegriffen.
Rainer Henrichs zeigt zwei Schuhe, die er auf Umrisslinien reduziert. Sie stehen sich im rechten Winkel horizontal und vertikal gegenüber. Bei einem sind Schattenwürfe angedeutet, die ihn plastischer erscheinen lassen. Die beiden Schuhe sind in eine konstruktive Zeichnung eingebettet, welche aus horizontalen und vertikalen sowie einer diagonal verlaufenden Linie besteht. In der Mitte des kleineren Quadrates findet sich eine Dose mit Schuhcreme einer bekannten Marke, deren Deckel diagonal geteilt ist. Die eine Seite zeigt das Logo der Marke, die andere lässt eine Holzmaserung erkennen. Während der Bildtitel und das Logo der Dose auf das Märchen vom Froschkönig hinweisen, könnte die Holzmaserung einen Hinweis auf das Material der dargestellten Schuhe liefern.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Stehender Jüngling
Gerhard Marcks
1960
Höhe: 55 cm
Bronze
Gerhard Marcks gehörte zu den Bildhauer:innen, die in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er-Jahre trotz der vorherrschenden gegenstandslosen Tendenzen weiter an neuen Formen der figürlichen Kunst arbeiteten.
Sein Stehender Jüngling zeigt eine schlanke Figur, die ihre Arme ausgestreckt vor der Brust verschränkt hat, wobei eine Handfläche nach außen weist. Er steht fest auf beiden Beinen. Die Körperformen sind stark vereinfacht, die Muskelpartien oft nur linear angedeutet. Das wird vor allem bei dem Kopf mit seinen punktförmigen Augen und dem haubenartigen Haarschopf deutlich.
Marcks nimmt mit seiner Figur Tendenzen der expressionistischen Skulptur des frühen 20. Jahrhunderts auf.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Ohne Titel
Otto Piene
1962
52 × 79 cm
Beitze auf Papier
Seit 1993 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Wie Günther Uecker war auch Otto Piene Mitglied der Künstlergruppe Zero, die Ende der 1950er-Jahre gegründet wurde. Sie proklamierte einen Neuanfang der Künste, indem sie neue technische Mittel wie Licht und Bewegung in ihre Arbeiten miteinbezieht.
Otto Piene begann in den 1960er-Jahren mit Feuer zu experimentieren. Er verbrannte Pigmente, wobei die zufälligen Spuren des Brandes das Bild erschaffen.
Hier nimmt er die zufällig entstehenden Gebilde auf. Die blumenartige Gestalt wird aus rundlichen und geraden Formen gebildet. An und in ihr sind deutliche Spuren von Pigmenten und dem Verlauf der Farbe sichtbar, welcher sich mittig nach unten richtet.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Cube Cracks
HD Schrader
1995
je 29,7 × 21 cm
Zeichnung, Kreide und Buntstift auf Millimeterpapier, 12-teilige Serie
Seit 2005 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Die Ausstellung Cube Cracks war eine Veranstaltung der Städtischen Galerie und der Flottmann-Hallen in Herne im Jahr 1995. Der Weg zwischen beiden Kunstorten wurde zum Ausstellungsort von sechs Cube Cracks an den U-Bahn-Stationen. Die bis zu 7,50 m großen Skulpturen bilden eine Einheit, da sie aus derselben Grundform von drei Quadern gearbeitet sind. Sie blieben nach der Ausstellung dauerhaft im Herner Stadtraum stehen. Die anderen sechs Cube Cracks fanden zur Zeit der Ausstellung ihren vorübergehenden Platz in den Flottmann-Hallen selbst.
HD Schraders Zeichnungen zeigen die konstruktive Idee, die hinter den Plastiken steht. 12 verschiedene Cube Cracks entstehen aus einem Quader. Die Skulpturen sind jeweils im Raum des Quaders angeordnet. Aus den vorhandenen plastischen Kuben ließe sich schließlich die Form des Quaders wieder zusammensetzen.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Winterlandschaft
Max Schulze-Soelde
1952
35 × 55 cm
Ölgemälde
Max Schulze-Soelde gehörte zu den in der jungen Bundesrepublik ein wenig in Vergessenheit geratenen Künstler:innen der Klassischen Moderne aus Westfalen.
In seiner Winterlandschaft führt ein zentralperspektivisch angelegter Weg in die Bildtiefe direkt auf eine kleine Häusergruppe zu. Die Häuser werden mit flüchtig angelegten Farbflächen angedeutet, wobei ihr roter Farbton einen deutlichen Akzent setzt. Der Weg wird von einer Baumgruppe rechts sowie einem einzelnen Strauch und Baum links gerahmt. Im Hintergrund ist eine Bergkette angedeutet, die sich in hellen Blautönen auflöst.
Das Bild lebt aus dem Kontrast zwischen pastos aufgetragener heller Farbe und den eher flüchtigen linearen Baumstrukturen. In ihm verbinden sich expressive mit impressionistischen Tendenzen.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
G-62/1987
Emil Schumacher
1987
60 × 58 cm
Gouache
Seit 1994 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Emil Schumacher gehört zu den wichtigsten Vertreter:innen der informellen Malerei in der jungen Bundesrepublik, die sich mit ihrer gestischen und spontanen Kunst von der figürlichen Kunst des Nationalsozialismus absetzten. Neben den großen Tafelbildern arbeitete Emil Schumacher auch auf kleineren Papierformaten. Auf dem dunklen Papier treffen sich gestisch gesetzte Linien und Flächen, wobei diese teilweise von dunklen Linien umrahmt und an anderer Stelle durchschnitten werden. Bei der Farbigkeit dominiert das fast pastos wirkende Weiß neben den roten und braunen Flächen
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Kugel IV
Diethelm Koch
1982
30 × 38 × 30 cm
Objekt, Spanplatte lasiert
Seit 1997 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Diethelm Koch nahm in den späten 1960er-Jahren die Ideen der Konstruktivisten des frühen 20. Jahrhunderts wieder auf. In Abgrenzung zu der Informellen Malerei der 1940/50er-Jahre mit ihrer Spontanität und malerischen Gestik, entstanden Werke, die sich auf mathematische Grundlagen beziehen.
Diethelm Koch plant seine Werke mit geometrisch exakten Skizzen.
Er setzt eine Kugel aus mehreren Schichten Spanplatte zusammen und schleift sie glatt ab, wobei die einzelnen Schichten und die Struktur der Platte sichtbar bleiben. Aus dieser Kugel wird optisch eine Form gelöst, die schräg in die entstehende Hohlform gekippt ist. Die ursprüngliche Kugelform bleibt sichtbar, erhält aber durch die herausgelöste Form eine neue Dynamik.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Ayi
Ibrahim Mahama
2014
97,5 × 65 cm
C-Print auf Alu Dibond
Seit 2018 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Ibrahim Mahama hat im Rahmen der Ausstellungreihe der RuhrKunstMuseen Kunst & Kohle 2018 das barocke Wasserschloss Strünkede in Herne mit aneinandergenähten Jutesäcken verhüllt. Für seine Installationen verwendet er Säcke, die in seiner Heimat Ghana vielfältig genutzt werden.
Seine Fotografie zeigt einen Ausschnitt der Jutesäcke. In ihnen werden sowohl Lebensmittel als auch Kohle für den heimischen und internationalen Markt transportiert. Die sichtbaren Aufschriften verweisen auf ihre Herkunft und ihren Gebrauch. Über die fotografierte Collage der Säcke ragt ein Arm einer unbestimmten Person, auf dem unlesbare Worte stehen.
Mahama verweist mit seinen Arbeiten immer wieder auf die noch heute existenten kolonialen Strukturen des Welthandels.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Ohne Titel
Rolf Cavael
1964
50 × 32 cm
Zeichnung auf Papier
Seit 1988 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Rolf Cavael verkörpert, wie auch Karl Otto Götz, jene Künstlergeneration, die nach Ende des Nationalsozialismus den neuen Kunststil der Zeit prägte. In Abgrenzung zu der figürlichen Kunst der nationalsozialistischen Kunstdiktatoren wurde das Informel zum Synonym der künstlerischen wie politischen Freiheit in der jungen Bundesrepublik.
Rolf Cavael setzt Linien in unterschiedlicher Stärke mit verschiedenen Stiften und Kreiden gestisch auf sein Blatt. Teilweise verdichten sich die Linien zu farbig markierten Zentren, um sich dann wieder aufzulösen. Trotz der Spontanität der Zeichnung werden die Schräge und die Diagonalen betont.
Zeichnungen wie diese dokumentieren den Prozess ihrer Entstehung unter Einschränkung der kompositorischen Planung.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Ohne Titel (Frauenporträt)
Carl Weinhold
1908
51 × 35 cm
Kohlezeichnung auf Papier
Seit 1997 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Carl Weinhold gilt als einer der führenden Gestalter des Jugendstils. Er entwarf nicht nur Möbel und Schmuck, sondern auch das gusseiserne Tor, das bis in die 1980er-Jahre die Flottmann-Werke in Herne und heute den Skulpturen-Park markiert.
Carl Weinhold zeigt eine jüngere Frau, die Haare gemäß der Jahrhundertwende frisiert. Das Gesicht besteht aus wenigen gezielten Strichen, wobei Augen, Nase und Mund detailliert hervorgehoben sind. Die Schatten am Hals sowie Teile der Haare sind eher flüchtig wiedergegeben.
Im Laufe der Jahre schuf Weinhold zahlreiche Porträts. Diese Art der Porträtaufnahme legt besonderes Augenmerk auf das Gesicht, während alles Weitere in den Hintergrund rückt.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Olympia Serie
Wolf Vostell
1972
49 × 69 cm
Serigraphie, Blatt aus einer 3-teiligen Serie
Seit 2006 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Wolf Vostell steht für neue Kunstformen, die sich von den informellen Tendenzen der 1950er und frühen 1960er-Jahre abheben. In Tradition von Fluxus und Happening bezieht er mit seinen Werken Stellung zu aktuellen politischen Themen.
Seine Olympia Serie kritisiert die Euphorie in der Bundesrepublik, die 1972 zunächst mit den in München stattfindenden Olympischen Spielen einsetzt. Seine Kritik bezieht sich ebenfalls auf die verbreitete Ignoranz gegenüber dem Vietnam-Krieg.
Wolf Vostell nutzt Zeitungsfotos von toten oder verwundeten Vietnamesen. Die gerasterte Struktur der ursprünglichen Vorlage bezieht er mit ein und stellt die Körper frei, indem er den Hintergrund bedeckt, sodass nichts von der Person ablenkt. Gewisse Körperteile werden mit einem gezeichneten geometrischen Körper verdeckt, möglicherweise um Verletzungen zu verbergen.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Farbraum OEK-127
Brigitte Wiegmann
2005
60 x 50 cm
Ölkreide auf Büttenpapier
Seit 2005 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Brigitte Wiegmann setzt sich immer wieder mit den Werken der Bauhaus-Künstler:innen wie Josef Albers auseinander. Ihre Farbfeldmalerei schafft Kompositionen, die auf bestimmten Farbordnungen basieren.
Ein System von Streifen zieht sich horizontal über die Bildfläche. Zwei gleich große rote Felder schließen die Komposition nach oben und unten hin ab. Zentral in der Mitte verläuft ein pinkfarbener Streifen. Die über und unter ihm liegenden rosafarbenen Streifen werden von gelben Bändern unterbrochen. Da die drei Farben Rot, Pink und Rosa der gleichen Farbfamilie angehören, rücken die großen, eigentlich dominanten Felder zugunsten der kleinen, auffallend gelben Farbflächen in den Hintergrund.
Die Künstlerin schafft einen unbestimmten Eindruck von Raum, der aus der linearen Anordnung von unterschiedlich großen Farbfeldern besteht.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
ohne Titel
Kuno Gonschior
1978
64 × 64 cm
Acrylgemälde
Seit 1982 in der Städtischen Kunstsammlung Herne
Kuno Gonschior gehörte in den späten 1960er-Jahren zu den jungen Künstler:innen im Ruhrgebiet, die an die Konkrete Kunst der 1920er-Jahre anknüpften. In Abgrenzung zu der Informellen Malerei der 1940/1950er-Jahre mit ihrer Spontanität und malerischen Gestik, entstanden Werke, die sich auf geometrische Grundlagen beziehen.
Auf einer quadratischen, grauen Grundfläche verteilen sich kleine graue Farbtupfer in willkürlicher Abfolge. Die optische Wirkung der monochromen Farbgebung erzeugt, besonders im Zusammenspiel der beiden Ebenen, einen illusionistischen Bildraum.
Emschertal-Museum Herne, Städtische Galerie
Blauer und violetter Traum
Jacques de Jong
1975
39 × 46 cm
Pastellzeichnung auf Papier
Jacques de Jong nimmt in seinen Werken eine an den Jugendstil erinnernde Farbigkeit auf.
Er setzt einen rechteckigen Korpus in den unteren Teil, welcher im oberen Bereich in eine geschwungene Form ausläuft. Rechts und links bricht die sonst geschlossene Form auf. Innerhalb dieses formalen Rahmens sind farbige Flächen optisch vor- und hintereinander gesetzt, die im Bildhintergrund von einer hellblauen Fläche gefasst werden. Auf der vordersten befinden sich weiße Linien und Schraffuren.
Jacques de Jong erzeugt mittels seiner poetischen Farbigkeit einen illusionistischen Raum, der sich ausschließlich innerhalb seiner vorgegebenen Form bewegt.
Gustav-Lübcke-Museum Hamm
Wilhelm Morgner
Wilhelm Morgner (1891–1917) galt als ein Ausnahmetalent. Schon mit Anfang 20 beteiligte sich der Künstler an Ausstellungen der Neuen Sezession in Berlin, des Blauen Reiter in München und des Sonderbunds in Köln. Heute gilt er als Hauptfigur des Westfälischen Expressionismus