Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Wilhelm Morgner

Wilhelm Morgner

Wilhelm Morgner (1891–1917) galt als ein Ausnahmetalent. Schon mit Anfang 20 beteiligte sich der Künstler an Ausstellungen der Neuen Sezession in Berlin, des Blauen Reiter in München und des Sonderbunds in Köln. Heute gilt er als Hauptfigur des Westfälischen Expressionismus. Sein in nur wenigen Jahren entstandenes malerisches, zeichnerisches und grafisches Werk – jäh beendet durch den Ersten Weltkrieg – bewegt sich zwischen Tradition und Avantgarde sowie Figuration und Abstraktion.

Impressionismus und Expressionismus

Impressionismus und Expressionismus

Ein Hauch Impressionismus schwingt in Morgners Darstellung mit, doch die ausdruckstarken Farben und vereinfachten groben Formen sind deutliche Merkmale des Expressionismus. Morgner verwendet Komplementärfarben, setzt Grün neben Rot und Gelb neben Blau, um den Ausdruck der Farbe zu steigern. Die geschwungenen Wolken erscheinen wie impulsiv aus dem Handgelenk gemalt. Formen, Farben und Linien wirken gegen- und miteinander.

Formen und Perspektiven

Formen und Perspektiven

Die Bildmotive sind auf markante Formelemente reduziert und flächenhaft gehalten. Auf Plastizität oder die Darstellung von Details verzichtet Morgner. Statt den Regeln der perspektivischen Darstellung zu Folgen, verzerrt er das Motiv. So erscheint das Fachwerk ins Wanken geraten und der davor befindliche rot-grüne Weg in den Abgrund zu stürzen. Hiermit zeigt Morgner seine eigene Wahrnehmung von der Welt und wie er sie erlebt.

Natur und Inspiration

Natur und Inspiration

Wilhelm Morgner lebte die meiste Zeit in seiner Heimatstadt Soest. Häufig machte er sich auf den Weg in die Soester Börde, um dort unter freiem Himmel zu malen. Dabei beschäftigte sich der Künstler intensiv mit der Landschaft vor seinen Augen und verschmolz dabei mit ihr. Sie war für ihn, der sich oft unverstanden fühlte, Inspiration und persönliches Refugium zugleich.

„Die Art und Weise, wie die Farben und Linien gegeben sind, sollen ein Weiterschwingen meines Ichs sein, etwa wie Schall, der von irgendeinem Instrument erzeugt wird und dann die Luft in dieselben Schwingungen versetzt, wie sie das Instrument gegeben hat.“

Melancholie und Einsamkeit

Melancholie und Einsamkeit

Die linke Seite des Bildes wird beherrscht von einer sitzenden Männerfigur im Rechtsprofil. So sitzt kein Bauer auf dem Feld. Der Mann wirkt wie in sich versunken und erinnert an das kunsthistorische Motiv der melanchonischen Figur in der Landschaft, dass sich hier mit dem Topos des reflektierenden Künstlers verbindet. Morgners grüblerische, zu Abkapselung und Einsamkeit neigende Natur unterstützt diese Interpretation des Gemäldes. Auch hier zeigt sich die Nähe zum Expressionismus: In der von Farblinien durchzogenen Komposition drückt der Künstler sein inneres Selbst und seine Stellung in der Welt aus.

Der Mann auf dem Hügel

Wilhelm Morgner

1911
85 × 117 cm
Leimtempera auf Graupappe
Erworben 1929

Das für Wilhelm Morgner typische Gemälde wurde bereits 1929 aus dem Nachlass des Künstlers erworben. Zusammen mit zeitgleich angekauften Werken der Künstler Eberhard Viegener, Max Schulze-Sölde und Peter August Böckstiegel bildet es den historischen Kern der Sammeltätigkeit zum Westfälischen Expressionismus. Mit zahlreichen weiteren Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken nimmt Morgner eine wichtige Rolle innerhalb dieses für das Museum profilbildenden Sammlungsschwerpunkts ein.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Schwärmerei

Hans Werdehausen

um 1958
101 × 80,5 cm
Öl auf Papier
Erworben 2004

Hans Werdehausen, Mitbegründer der Gruppe junger westen setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv für eine gegenstandslose Malerei ein. Hatte Werdehausen sich vor dem Zweiten Weltkrieg noch dem Figürlichen verschrieben, so löste er sich später vom Gegenstand zugunsten einer Malerei der reinen Flächen, Linien und Farben. Die mosaikartige, vibrierende Darstellung Schwärmerei aus schwerflockigen Farbpartikeln mutet wie ein dynamisches Wetterbild an. Als Vertreter des Informel steht Werdehausen in der Tradition der expressionistischen Künstlerin Gabriele Münter. Beide Werke laden die Betrachtenden ein, über die Beziehung zwischen Form, Farbe und Emotion nachzudenken und bieten jeweils einzigartige Wege, diese dynamische Wechselbeziehung zu erkunden.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Achteckige Schale

Entwurf: Werner Gothein / Ausführung: Staatliche Majolika, Karlsruhe

1928
Fayence mit Spritzdekor
Stiftung/ Spende Klubgesellschaft Hamm, 2000

Die von dem Künstler Werner Gothein entworfene achteckige Schale ist in ihrer Geometrie klar definiert. Die geometrisch strenge Form steht dem weichen Farbverlauf, der vom dunklen Rot zum dunklen Blau verläuft, entgegen. Beeinflusst von der Kunst Ernst Ludwig Kirchners begann Gothein seine künstlerische Laufbahn. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt er seinen eigenen Stil und erstellt ab 1924 Entwürfe für Haushaltskeramiken. Trotz ihrer Unterschiede teilt dieses Objekt mit der Installation von Keith Sonnier das Ziel, den Raum neu zu interpretieren und die Beziehung zwischen Objekt und Betrachtenden infrage zu stellen. Während Gotheins Schale eine gewisse statische Ruhe ausstrahlt und den Raum durch ihre Symmetrie ordnet, nutzt Sonnier den Raum, um eine emotionale Reise zu inszenieren.

 

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Gespräch

Willi Geiger

1920
49,0 × 62,5 cm
Radierung
Erworben 1978

Der Titel Gespräch umschreibt recht nüchtern die von Willi Geiger im Kaltnadelradierungsverfahren umgesetzte Szene. Tatsächlich erscheinen insbesondere zwei der männlichen Gesprächsteilnehmer in eine hitzige Diskussion vertieft, die von einem dritten Mann lässig und vielleicht belustigt verfolgt wird. Geigers 1920 entstandene Radierung spiegelt das gesellschaftliche Klima der frühen Weimarer Republik wider, die von politischen Auseinandersetzungen und Diskussionen geprägt war. Bei Anatol wiederum steht das Relikt einer Gesprächssituation am Tisch im Fokus. Als Überbleibsel der inszenierten Performance Die Vernehmung werden hier im Gegensatz zur Radierung von Geiger Repression, Folter und Zensur thematisiert. Freie Meinungsäußerung, die in der von Geiger dargestellten Situation zu herrschen scheint, wird bei Anatol in Frage gestellt.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Kampfpause

Heinz Siggemann

1943
177,5 × 230 cm
Öl auf Leinwand
Schenkung 2018

In die Ruinen eines zerbombten Hauses haben sich sechs junge Männer zurückgezogen. Mit ihren geneigten Köpfen, den geschlossen Augen oder dem in die Ferne schweifenden Blick erscheinen sie melancholisch und in sich versunken. Als Kampfpause hat Heinz Siggemann dieses monumentale Bild betitelt, das vermutlich seine direkten Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg wiedergibt. Interessanterweise sind die Soldaten jedoch nicht als triumphierende Helden dargestellt, sondern menschlich und zerbrechlich. So fügt sich Siggemann nicht dem propagierten Darstellungstypus der Nationalsozialisten. Wie auch Siggemann verarbeitet Werner Gilles die Zerstörung des Zweiten Weltkrieges, allerdings verwendet Gilles, dessen Werke als entartet galten, eine abstrakte Bildsprache.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Kontur

Ulrich Möckel

2011
ca. 197 × 187 × 12 cm
Aluminium

„Meine Skulpturen wachsen im Wald. Es sind die Bäume, an denen sich meine Gedanken reiben. Ihre Wuchsformen sind mir Inspirationsquelle und Arbeitsgrundlage zugleich“, schreibt der 1949 geborene Künstler Ulrich Möckel über seine Arbeiten. Für Kontur hat er die äußere Form eines Baumes abgeformt und in Aluminium gegossen. Im Inneren der fertigen Arbeit entsteht ein Leerraum. Die Arbeit verweist auf etwas Abwesendes, etwas, das einmal dagewesen ist. Wie bei Schwickerath wird die Abwesenheit von Masse zum wesentlichen Bestandteil des Kunstwerks.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Strukturkugelung

Jupp Lückeroth

1961
80 × 60 cm (Rahmenmaße: 82 × 61,5 cm)
Öl-Harz auf Leinen
Schenkung 2003

Lückeroth äußerte gegen Ende seines Lebens über sein Werk: „Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, mit dem Malen kein Abbild, sondern ein Inbild der Natur darzustellen. Das Wesen der Natur ist Wachstum. Wachstum hat Prozesscharakter, ist etwas dynamisches und ist eine fließende Bewegung ohne Grenzen.“ Um dies in seinen Bildern zu manifestieren, wählt Lückeroth als Motiv die Welle, die für ihn die Dimension der Zeit, Dynamik und das Prozesshafte in das statische Medium Gemälde bringt. Mit der dunklen Farbigkeit schließt Lückeroth gut an die monochrome Struktur von Bettenhausen an, doch zeigen sich anhand der Gegenüberstellung auch die unterschiedlichen Pole der gegenstandslosen Kunst: Die geometrische Anordnung der konkreten Kunst bei Bettenhausen auf der einen Seite und der gestische, impulsive Farbauftrag des Informel bei Lückeroth.

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Tischlampe

Theo Hölscher

ca. 1927
38,5 × 23,0 × 16,65 cm
Holz, Metall
Erworben 1991

Die Tischlampe ist ein untypisches Werk für Theo Hölscher, dessen Schwerpunkt auf der Landschaftsmalerei lag. Nur für eine kurze Zeit wandte er sich dem Bauhaus als Inspirationsquelle zu. Es ist ungeklärt, ob er sich der allgemeinen Popularität des Bauhauses annähern wollte oder ihn sein Umzug in eine größere Wohnung und die Bekanntschaft mit Bauhausschüler Fritz Levedag dazu inspirierte, Möbel zu gestalten. Formal greift Hölscher, wie Josef Albers in Oscillating (A), die Vertikale auf. Albers, zunächst Student und später Meister der Werkstatt für Glasmalerei am Bauhaus, trennt die Farbflächen klar voneinander ab. Hölscher wiederum bleibt sich in diesem Punkt treu und wählt erdige, ineinanderfließende Farben.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Horten Wabe

Entwurf: Egon Eiermann


50 × 50 cm

Die Horten Wabe, entworfen vom Architekten Egon Eiermann, ist ein ikonisches Beispiel für die deutsche Nachkriegsarchitektur. Die Wabenstruktur diente als Fassade für die Kaufhäuser der Horten AG und ist Ausdruck der modernistischen Ideale von Funktionalität und formaler Strenge. Sie symbolisiert den Zeitgeist eines sich erneuernden Deutschlands, das nach klaren, zukunftsorientierten Lösungen suchte. Im Gegensatz dazu ist Mackes Werk Modes: Frau mit Sonnenschirm vor Hutladen Ausdruck einer komplett anderen Ära und Ästhetik. Mackes Gemälde, ein Teil des deutschen Expressionismus, spielt mit Farben und Formen, um ein idealisiertes Bild des städtischen Lebens zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Während die Horten Wabe für nüchterne Modernität steht, bietet Mackes Bild Einblick in die emotionaleren Facetten des menschlichen Lebens.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

ohne Titel

Brigitte Dümling

2016
Maße variabel
Keramik, Holzpodeste, Pigmentfarbe, Wandinstallation
Dauerleihgabe der Künstlerin

Kleine Wandkonsolen mit handbemalten Vasen hat Dümling für diese ortsspezifische Installation über die gesamte Wand verteilt. Sie verbindet die Sammlung der Archäologie und der Angewandten Kunst des Gustav-Lübcke-Museums. Gestische Malereien strömen von einem Feuerlöscher als Zentrum über die Wand und visualisieren einen inhaltlichen Brückenschlag zwischen dem archäologischen Fund eines verbrannten Kettenhemds und den zum Teil gebrannten Objekten der Angewandten Kunst. Zudem wertet Dümling die seriell produzierten Vasen durch die individuelle Gestaltung zum Kunstwerk auf. Formal und inhaltlich lässt sich so eine Brücke zu Coloured Vases von Ai Weiwei schlagen, einem Werk, das die chinesische Kulturrevolution und die Missachtung jahrtausendalter traditioneller chinesischer Kultur im Zuge der Industrialisierung aufgreift.

Gustav-Lübcke-Museum Hamm

Bewegung in Rot

Jupp Lückeroth

1957
61,5 × 81,5 cm
Öl und Sand auf Leinwand
Schenkung 2003

Lückeroth geriet als Soldat während des Zweiten Weltkrieges in russische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung wandte er sich nicht wieder dem Studium der Mathematik und Physik, sondern der Malerei zu. „Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, mit dem Malen kein Abbild, sondern ein Inbild der Natur darzustellen. Das Wesen der Natur ist Wachstum. Wachstum hat Prozesscharakter, ist etwas Dynamisches und ist eine fließende Bewegung ohne Grenzen.“, so der Künstler selbst über sein Werk. Um dies in seinen Bildern zu manifestieren, wählt Lückeroth das Motiv der Welle, die für ihn die Dimension der Zeit, Dynamik sowie das Prozesshafte in das statische Medium Gemälde bringt. Wie auch Emil Schumacher versucht Lückeroth auf diese Weise die Grenzen der Malerei auszuweiten.