Kunsthalle Recklinghausen
Zeit ist keine Autobahn
Michael Sailstorfer
2011
80 × 95 × 65 cm
Reifen, Eisen, Elektromotor, Strom, Wand
Erworben 2011
Michael Sailstorfers Zeit ist keine Autobahn steht stellvertretend für die Sammelpraxis des Hauses: seit 1948 werden Gewinnende und Teilnehmende des Kunstpreises junger westen – dem ältesten, kommunal vergebenen Kunstpreis in Deutschland – in die Sammlung der Kunsthalle Recklinghausen aufgenommen. Sailstorfers Arbeit referiert materiell auf die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets. Die Abnutzung des wandgebundenen Reifens versinnbildlicht den fortlaufenden Strukturwandel der Region, deren kulturelles Gedächtnis in der Vergangenheit verankert bleibt. Gattungsübergreifend vereint die Installation Aspekte kinetischer, performativer und akustischer Werke, Schwerpunkte, die sich in der Sammlung wiederfinden.
Kunsthalle Recklinghausen
Hommage a Broadway
Günther Uecker
1965
175 × 175 cm
Nägel und Holz auf Leinwand mit Elektroantrieb
Seit 1967 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Die Kunstwerke Homage à Broadway von Günther Uecker und Konstruktive Struktur Schwarz mit Rot 2196 von Helmut Bettenhausen weisen in ihrer Ausgestaltung interessante Parallelen auf. Ueckers Werk aus dem Jahr 1965 ist ein Zeugnis der ZERO-Bewegung, welche mit neuen Ausdrucksformen experimentierte. Die Nägel entwerfen eine dreidimensionale Struktur, die durch den Einsatz von Licht rhythmisiert wird. Der Name des Werkes leitet sich im übertragenen Sinne aus dieser dynamischen Wirkung ab und erzeugt Assoziationen zum pulsierenden Leben am New Yorker Broadway. Auch Bettenhausen widmet sich der Harmonie von Struktur und Form, verzichtet dabei allerdings auf Dynamik, wie wir sie im Werk von Uecker antreffen
Kunsthalle Recklinghausen
Warm Breath I, II, VI
Angelika J. Trojnarski
2022
44 × 33 cm / 44 × 46 cm
Papier Collage, sandgestrahlte Inkjet-Prints, Tinte, Ruß, Feuer
Seit 2022 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Gabriele Münters Schneelandschaft bei Kochel und Angelika J. Trojnarskis Warm Breath haben auf den ersten Blick nicht allzu viel gemeinsam. Münters Gemälde aus dem 20. Jahrhundert zeigt eine verschneite Landschaft, die sich durch ihre expressive Farbgebung und prägnante Pinselführung auszeichnet, dennoch aber die Ruhe und Abgeschiedenheit der Landschaft vermittelt.
Trojnarskis zeitgenössische Collagen hingegen zeigen die Kollision aus glühenden Wolken und einer eisigen Landschaft. Sie verweisen auf Naturereignisse, geprägt vom Klimawandel. Ihre intensive Farbgebung verbindet beide Arbeiten, ebenso wie die Lenkung des Blicks auf das Zusammenspiel von Natur und Mensch. Die Betrachtenden werden zur Wertschätzung der sie umgebenden Natur aufgerufen und gleichzeitig aktiviert, die eigene Co-Existenz zu hinterfragen.
Kunsthalle Recklinghausen
A work of light and heat for a wall with light and heat
Ayse Erkmen
1991
Länge: 1790 cm
geschnitzte Elektrodenkohle, Leuchtstoffröhren, Heizstrahler
Seit 1991 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Tunnel of Tears von Keith Sonnier und A Work of Light and Heat for a Wall with Light and Heat von Ayşe Erkmen fokussieren die transformative Kraft von Licht im Raum. Sonnier erschafft mittels Licht eine immersive Erfahrung, die die Betrachtenden durch einen beleuchteten Tunnel führt. Die roten und blauen Lichteffekte folgen aufeinander, erzeugen verschiedene Stimmungen und laden zur Reflexion über Emotionen und Raum ein. Ähnlich nutzt Erkmens Werk Licht und Wärme, um eine emotionale Resonanz im Raum zu erzeugen. Abwechselnd installiert sie Neonröhren mit Wärmestrahlern und geschnitzter Elektrodenkohle, welche mit Worten versehen ist. Das Licht ist plötzlich nicht nur visuell erkennbar, sondern auch spürbar, in Form von ausgestrahlter Wärme, die die textuelle Nachricht auf eine weitere Ebene erhebt.
Kunsthalle Recklinghausen
Kosmas und Damian
Unbekannte(r) Künstler:in
16. Jhd
24,0 x 19,5 cm
Eitempera auf Holz
Seit 2019 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Anatol Herzfelds Arbeit Stahltisch aus dem Jahr 1969 suggeriert bereits durch ihre Materialität Tendenzen zu Härte und Gewalt. Diese werden durch die am Tisch angebrachten Handfesseln bekräftigt. Die Gegenüberstellung mit der Cosmas und Damian abbildenden Ikone hat rein künstlerisch zunächst keinerlei offensichtliche Bezugspunkte zu Herzfelds Stahltisch. Beide Arbeiten unterscheiden in der Wahl ihres Materials maßgeblich. Inhaltlich knüpft die Ikone allerdings an die von Anatol Herzfeld vorausgeschickten Assoziationen an. Cosmas und Damian gelten als Heilige des frühen Christentums, auch sie sind den Märtyrertod gestorben und verbinden damit ihr eigenes Schicksal mit der suggerierten Folter in Herzfelds Arbeit.
Kunsthalle Recklinghausen
Landschaftsepiphanien
Timm Ulrichs
1972/87
40 × 50 cm
Fotografie
Seit 1992 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Kurt Schwitters Landschaft und Hof Opherdicke entstand in einer Schlüsselperiode der Entwicklung der modernen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Die Wahl des Motivs zeigt Schwitters‘ Interesse an der Darstellung realer Orte, die er durch fragmentierte Formen und geometrische Abstraktionen verändert und damit die Betrachtenden herausfordert, ihre Perspektive auf die Landschaft zu überdenken.
Ulrichs hingegen, Vertreter der Konzeptkunst und des Neo-Dadaismus, repräsentiert mit seinem zeitgenössischen Ansatz die Verschmelzung von Kunst und Leben. Er nutzt den Begriff der Epiphanie für eine Wahrnehmungserweiterung hin zu einer neuen Bedeutung von Landschaft jenseits ihrer physischen Erscheinung. Für die Betrachtung besonders interessant ist, dass er dabei keine real existierende Landschaft, sondern Filmstreifen ablichtet, die durch ihre waagerechte Bildaufteilung wie Horizonte erscheinen.
Kunsthalle Recklinghausen
3-er Sitz
Stefan Kern
1995
45 × 199 × 58 cm
Holz, Lack
Seit 1996 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Heiner Meyers Skulptur Red Heels aus dem Jahr 2020/2021 bedient sich alltäglichen Gegenständen – High Heels – und abstrahiert sie in ihrer Anordnung zu einer überlebensgroßen Plastik. Stefan Kerns 3er Sitz aus dem Jahr 1995 verbindet nicht nur die rote Farbe mit Meyers Arbeit, sondern auch der ihr anhaftende leicht abstrahierende Charakter der Bank. Auf den ersten Blick erscheint sie wie ein eigenwilliges Designer-Stück. Schaut man genauer hin – oder setzt man sich tatsächlich darauf – fällt auf, dass sie in einer Höhe angebracht ist, die den Vorgang des Hinsetzens oder einer Ruhepause schwer bis unmöglich macht. Damit wird sie zu Teilen ihrer eigentlichen Funktion entledigt und auf gleicher Ebene als Kunstwerk begriffen.
Kunsthalle Recklinghausen
Fallendes Rot
Fritz Winter
1953
53,3 × 63 cm
Öl auf Leinwand
Seit 1955 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
In der direkten Konfrontation der Arbeit Nach der Bombennacht von Werner Gilles mit Fallendes Rot von Fritz Winter ergeben sich beide Bilder überspannende Assoziationen. Dies liegt vor allem an den Titeln, erwägen sie im Zusammenspiel Verknüpfungen zur Bombardierung während des Krieges. Auffällig ist auch die Konzentration des Sujets auf eine bestimmte Fläche, während diese jeweils von einem farbig gefassten Grund umgeben ist. Die Farbe Rot nimmt in beiden Arbeiten einen charakteristischen Anteil ein und konnotiert die durch die Titel vorgeschickten Assoziationen ebenfalls mit Begrifflichkeiten des Krieges. Im Kontext der Nachkriegsabstraktion gilt das Werk des ehemaligen Bauhaus-Schülers Fritz Winter als wegweisend – auch wenn er sich nie ganz dem Gegenstandslosen zuwandte.
Kunsthalle Recklinghausen
Sleepwalker
Otto Piene
1966/67
Ø 68 cm
Aluminium, elektrisches Licht und Elektromotor
Seit 1969 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Günther Uecker und Otto Piene gehörten neben Heinz Mack zur legendären Künstlergruppe ZERO aus Düsseldorf. Bekanntheit erlangten sie zuerst durch ihren Ausruf der Stunde Null in der Kunst zu Beginn der 1960er Jahre. Damit forderten sie eine Abkehr von der bis dahin dominierenden gegenstandslosen Kunst und damit verbunden die Befreiung der Farbe. Licht, Bewegung, Rauch, Feuer, Sand und Nägel bestimmten fortan die Kunstproduktion des Kollektivs. Otto Pienes Sleepwalker steht exemplarisch für diese Zeit. Die Arbeit spielt mit der Wahrnehmung der Betrachtenden, indem sie Bewegung und Licht vereint und sphärisch anmutend den sie umgebenden Raum definiert, erschließt und filigrane Zeichnungen mit Licht an die Wände projiziert.
Kunsthalle Recklinghausen
Magnifiy BWS 1224 (Woman with a Spyglass)
Morgaine Schäfer
2021
80 × 60 cm
Seit 2021 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Wilhelm Lehmbrucks Große Sinnende und Morgaine Schäfers Magnify erforschen auf unterschiedliche Weise die Abbildung der menschlichen Existenz. Die expressionistische Skulptur Lehmbrucks aus dem frühen 20. Jahrhundert vermittelt Melancholie und Reflexion. Schäfers zeitgenössische Fotografie hingegen verbindet analoge Bildträger und Motive aus der Vergangenheit mit dem digitalen Zeitalter und unterstreicht damit den individuellen Ausdruck des Menschen. Beide Künstler:innen stellen den Mensch in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Morgaine Schäfer geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter, in dem sie den Menschen in Verbindung mit seinen Möglichkeiten der Abbildung setzt und damit die Ebene der Vergänglichkeit sichtbar macht.
Kunsthalle Recklinghausen
Zur Meditation
Karl Prantl
1976
72 × 26 × 16 cm
Mühldorfer Marmor
Seit 1977 im Besitz der Kunsthalle Recklinghausen
Karl Otto Götz‘ Junction aus dem Jahr 1991 versetzt die Besuchenden mit seinem scheinbar linear ablesbaren Sujet und seinem zutiefst informellen Charakter in einen Zustand jenseits jeglicher Flüchtigkeit. Eine Art Meditation die von Prantl nicht nur im Titel seiner Arbeit aufgegriffen wird, sondern auch auf sein gesamtes Œuvre übertragbar ist. Als ausgebildeter Maler näherte er sich autodidaktisch der Bildhauerei an und fand seine Berufung in der Steinbildhauerei. Die Arbeit Zur Meditation beschreibt einen Steinquader mit abgerundeten Kanten. Die scheinbare Härte des Materials wird durch diesen kleinen Eingriff deutlich verringert und fügt sich so dem meditativen Charakter. Die natürliche Struktur des Steins lässt Bezüge zu Götz‘ Arbeit zu; wirkt auch sie ganz im Geiste des Informels intuitiv und naturgegeben.