Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Trümmerlandschaft / Baumstumpf

Trümmerlandschaft / Baumstumpf

Von den Nationalsozialisten verfemt, gehörte Werner Gilles zu den ersten modernen Künstlern, die nach 1945 wieder ausgestellt wurden. In einem Prozess der Reflexion und Aufarbeitung setzt er sich in seinem Gemälde Nach der Bombennacht mit dem Krieg, seinen Folgen und der Situation zur sogenannten „Stunde null“ auseinander. Wir erkennen eine Trümmerlandschaft mit Architekturfragmenten und einem Baumstumpf aus geometrischen Formen und Farbflächen.

Damit bewegt sich Werner Gilles im Spannungsfeld zwischen figurativer und gegenstandsloser Kunst und steht für den Aufbruch der Malerei nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kopf

Kopf

Zentral ins Bild gesetzt schwebt der abgeschlagene Kopf des tragischen Helden Orpheus, der mit seinem Gesang verzaubern, den Tod überwinden und (irdische) Grenzen überschreiten kann. Direkt hinter dem Kopf verbirgt sich der versteckte Eingang in die Unterwelt.
Gilles setzte sich intensiv mit dem Mythos auseinander, was ihn als „Maler des Orpheus“ bekannt machte. Für ihn spielte die antike Erzählung inmitten der Felsen und Schluchten der italienischen Insel Ischia, die seine Malerei maßgeblich prägte. Orpheus wurde zu Gilles‘ Identifikationsfigur. Bereits 1930 äußerte er sich hierzu:

„Dann kommt der Wunsch, der ganz vermessene, über einen, Orpheus zu werden, das Lied alles Kreatürlichen zu singen.“

Horizont

Horizont

Auch wenn die Komposition durch über- und nebeneinander gestaffelte Flächen zusammengesetzt ist, orientiert sich Werner Gilles am klassischen Bildaufbau von Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Dieses Schema ist einer Theaterbühne nachempfunden. So markiert eine klare Horizontlinie die Bühne, auf der die Protagonisten agieren und weitere Bildelemente wie Kulissen und Requisiten verteilt sind.

Muster/Tüpfel

Muster/Tüpfel

Werner Gilles studierte in der Zeit von 1919 bis 1923 am Bauhaus in Weimar. Die Muster, Ornamente und Tüpfel in seinem Werk sind ein Hinweis auf seinen Lehrer Paul Klee.

„Klee ließ im Vorkurs […] Strukturen studieren:
Regen auf Stein (wie die Chinesen). Hartes und Weiches, das Polare der ganzen Welt. Das Licht überwindet die Materie. Durch die Farbtüpfel ist die Kraft der einzelnen Farbe gesteigert. Voraussetzung ist die impressionistische Technik. Die Impressionisten haben mehr mit der Farbmaterie gearbeitet, nicht das Durchscheinen erreicht. […] Beim Tüpfeln unterscheidet ein harter Punkt oder ein weicher Punkt aus dem Pinsel die Materie der dargestellten Objekte“,

so erinnert sich Werner Gilles an seine Bauhaus-Zeit.

Haus

Haus

Bereits in frühen Werken von Werner Gilles zeigen sich Einflüsse der Avantgardemalerei: So orientierte er sich an der Formensprache von Pablo Picasso und verwendete Elemente des Kubismus. Sicherlich gibt es einen Bezug zu dessen Anti-Kriegsbild „Guernica“ von 1937.

Hinsichtlich der kräftigen und kontrastreichen Farbigkeit ließ sich Gilles von den Fauves, einer Gruppe französischer Maler um Henri Matisse, inspirieren.

Nach der Bombennacht

Werner Gilles

1950
67 × 95 cm
Öl auf Leinwand
Erworben 1965 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Nachlass des Künstlers

Im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr nimmt das Werk von Werner Gilles einen besonderen Stellenwert ein. Als eines der wenigen Museen Deutschlands verfügt es über einen umfangreichen Bestand. Der Maler und Grafiker, der in Mülheim seine Kindheit und Jugend verbrachte, zählt zusammen mit Otto Pankok und Arthur Kaufmann hier zu den Künstlern der ersten Stunde: Als in den 1920er-Jahre die Professionalisierung der 1909 begründeten Mülheimer Sammlung zu einem Kunstmuseum begann, wurden bereits erste Ankäufe getätigt und Ausstellung mit den jungen regionalen Künstlern organisiert. Heute umfasst der Gilles-Bestand 90 Werke, darunter Ölbilder, Aquarelle, Tuschezeichnungen sowie das nahezu vollständige druckgrafische Œuvre des Künstlers. 2024 erfolgte eine Übernahme von weiteren rund 120 Werken als Dauerleihgaben aus dem Nachlass Werner Gilles.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

SELBSTPORTRÄT, aus der Serie „REAL INJURIES“

Julian Reiser

2019
40 × 30 cm
Acryl auf Leinwand
Schenkung des Künstlers 2020

Emil Schumacher gilt als wichtiger Vertreter des deutschen Informel. Charakteristisch für seine Werke ist der pastose, spröde Farbauftrag in erdigen, dunklen Nuancen mit kräftig-leuchtenden Farbakzenten. Das intensive Rot und die schwarzen gestischen Striche seines Gemäldes Pinatubo korrespondieren mit dem SELBSTPORTRÄT von Julian Reiser. In seinen Arbeiten experimentiert der 1988 in Hamburg geborene Künstler mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren und reflektiert mit Motiven aus der klassischen Malerei den Wandel des Kunstbegriffs und der Kunstproduktion über die Epochen. In seiner Serie Real Injuries – deren Titel ein Anagramm seines Namens ist – hat er im Siebdruckverfahren auf rotgrundierte Leinwände Szenen aufgebracht, die an Darstellungen von Hölle und Unterwelt eines Hieronymus Bosch oder Jan Brueghel d. Ä. erinnern.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landschaft

Johannes Förster-Plauen

1947
43 × 57 cm
Aquarell auf Papier
Schenkung vom Auktionshaus an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr, 2014

Der schneebedeckten Berglandschaft von Gabriele Münter ist ein Aquarell von Johannes Förster-Plauen gegenübergestellt. Es zeigt eine Landschaft mit hintereinander gestaffelten Hügeln, die sich wahrscheinlich auch im süddeutschen Raum verorten lässt. Die Konturen der Bergkämme, die Tannen im Vordergrund und der atmosphärische Himmel sind in einem dunklen Blau-Grün gehalten. Das Bild spiegelt die Melancholie der ersten Nachkriegsjahre wider. Außer seinem Namen ist über den Urheber nichts bekannt.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Feuerblume

Otto Piene

1970
37,9 × 26,8 cm
Siebdruck
Erworben 1969 aus der Galerie Thomas, München

Die energetische Strahlkraft, welche die Lichtinstallation Tunnel of Tears von Keith Sonnier vermittelt, zeigt sich auch in dem Siebdruck von Otto Piene: Mit dem Ziel, Naturvorgänge und ihre Schöpfungskraft sichtbar zu machen, entstanden durch das Anbrennen und Löschen von Fixativ und Pigmenten auf dem Bildträger Rußflecken mit Blasen und Verkrustungen in Form einer Feuerblume vor einem leuchtend-roten Hintergrund. In verschiedenen Werkphasen experimentierte der ZERO-Künstler nicht nur mit Farbe und Feuer auf Papier und Leinwänden, sondern auch in multimedialen Installationen, Performances oder mit dem Medium der Druckgrafik. Mit seiner Verbindung von Kunst, Wissenschaft, Natur und Technik war der ZERO-Künstler wegweisend und befasste sich vor allem mit den Phänomenen des Lichts, der Wirkung der Elemente und der Bewegung im Raum.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Holiday

Werner Nöfer

1970
83,5 × 59 cm
Serigrafie
Schenkung des Künstlers 2016

An der Essener Folkwangschule ausgebildet, zählt Werner Nöfer zu den Vertreter:innen der deutschen Pop Art. Im Sinne einer Demokratisierung der Kunst wurde er mit großflächigen Wallpaintings sowie Grafikeditionen bekannt, die preisgünstig ein breites Publikum ansprachen: Kunst für alle! Seine schematischen Darstellungen einer überformten Landschaft erinnern mit den starken Konturlinien und in ihrer plakativen Farbigkeit an Comiczeichnungen und Trickfilme, für die er ebenfalls mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde. Mit Motiven wie Radar-, Vermessungsgeräten, Schalttafeln, Bullaugen, Okularen, Zielscheiben oder wie hier – Parkuhr und Tacho-Anzeige – nimmt Nöfer Themen wie Technisierung, Mobilität und Verkehr in den Fokus und knüpft an den sich an der Wand abreibenden Autoreifen von Michael Sailstorfer an.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Große Rote

Hermann Richter

1968
180 × 33 × 34 cm
Kunststoff, Polyester
Erworben 1969 vom Künstler

Zwischen Formanalogie und Verfremdung präsentiert sich die Große Rote von Hermann EsRichter als eine Art Stuhl, der allerdings funktionslos ist. Das verwendete weiche Polyester für die Rückenlehne hat etwas Körperhaftes, andererseits erinnert es eher an eine aufrechtgestellte Luftmatratze. Die vorderen schwarzen Plastikbeine geben der bizarren Skulptur des Oberhausener Künstlers, der typisch für die 1960er-Jahre mit synthetisch hergestellten Werkstoffen experimentierte, einen gewissen Halt.

Besonders die Studienzeichnung zu der imposanten Metallplastik von Heiner Meyer gab den Impuls für diese Paarung:

Die zugewiesene Farbigkeit in der Signalfarbe Rot, die vertikale Ausrichtung und die seitlich hinzugefügte schwarze Figur, die als Referenz Größenverhältnisse veranschaulichen soll, weisen formale Ähnlichkeiten mit Richters Kunstobjekt auf.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

B.A.S.H. (Blue Grey)

Eduardo Paolozzi

1971
85 × 70 cm
Siebdruck (farbig)
Schenkung aus Privatbesitz 2013

Bekannt wurde der schottische Grafiker und Bildhauer Eduardo Paolozzi vor allem mit Werken, die von industriellen Technologien, Naturwissenschaften, Populärkultur und Massenmedien inspiriert sind. Seine Serie B.A.S.H. spiegelt dieses Themenspektrum und den Zeitgeist der 1970er-Jahre collagenartig wider: Motive aus Zeitungen und Illustrierten mit prominenten Persönlichkeiten wie John F. Kennedy und Marilyn Monroe und Fernsehbilder von der ersten Mondlandung werden mit technischen Darstellungen und Farbschemata kombiniert.

Als Mitglied der Independent Group prägte Paolozzi die britische Pop Art maßgeblich. Gängige künstlerische Konventionen wurden infrage gestellt, Alltagsgegenstände und Inhalte der Medienwelt für Kunstwerke genutzt oder verfremdet – so wie auch Günther Uecker 1963 einen Fernsehapparat zum Nagelobjekt umgestaltet hat.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landscape 2

Roy Lichtenstein

1967
30,5 × 46 cm
Siebdruck in Schwarz auf Karton mit transparenter Moiré-Folie (Rowlux) überdeckt
Erworben 1971 mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen aus der Galerie Thomas, München

In beiden gegenübergestellten Werken dominiert die markante Horizontlinie: Während es sich bei Schwitters um eine impressionistische Ansicht der Umgebung um den Hof Opherdicke handelt, ist Roy Lichtensteins Landschaftsdarstellung auf zwei Flächen, die Oben (Himmel) und Unten (Erde/Meer) definieren, und einen schwarzen Trennstrich dazwischen reduziert.

Durch die Kombination von Siebdruck, Farbfotografie und der Kunststofffolie Rowlux überschreitet der Pop-Art-Künstler in seiner Serie Ten Landscapes die Grenzen des Mediums der Druckgrafik: Für seine Werke nutzte Lichtenstein industrielle Werkstoffe und die technischen Möglichkeiten von Offset- und Siebdruckverfahren. Mit Rasterpunkten, Moiré-Effekten und irisierenden Oberflächen gelingt ihm eine radikale Neuformulierung des klassischen Genres der Landschaft.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

In der Industrie

Heinrich Siepmann

1957
44,3 × 61,5 cm
Gouache auf Papier
Erworben 1957 vom Künstler

Sowohl inhaltliche als auch formal-ästhetische Aspekte stellen bei diesen beiden Werken die Verbindung dar:

Peter Schwickerath hat in seiner großformatigen Plastik mit dem für das Ruhrgebiet so wichtigen Produkt Stahl gearbeitet, ein Rechteck halbkreisförmig geschnitten und die beiden Teilstücke auf dem Brachfeld vor den Flottmann-Hallen in Herne spannungsvoll im Dialog zueinander positioniert.

Auch Heinrich Siepmann nutzt in seinen abstrakten Gemälden ein geometrisch-konstruktives Formenvokabular und setzt sich mit Fragen der Bildarchitektur und Flächenteilung auseinander. Seine gitterartig angelegten Bildgefüge verweisen über Werktitel und auch in ihrer Farbwahl, die an metallhaltige Erde und oxidiertem Corten-Stahl erinnert, auf die industriell geprägte Region.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

ohne Titel

Arno Fassbender

1989
100 × 100 cm
Collage, Acryl auf Sperrholz
Erworben 1990 vom Förderkreis für das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr e. V.

Ausgestanzte Kreissegmente, in linearen Reihen auf eine Trägerplatte aufgeleimt und mit Schultafellack übermalt, geben auf der schwarzen Fläche einen bestimmten Rhythmus wieder. In diesem seriellen Werkzyklus von Helmut Bettenhausen tauchen als Irritation verdichtete Partien, Auslassungen und malerische Spuren auf, welche die zunächst geordnete Konstruktive Struktur aufbrechen.

In der Assemblage von Arno Fassbender geht es auch um Bildarchitektur, Struktur und Ordnung, doch zeigt sich dies als ein Raster aus Quadraten. Über die collagierten Flächen, die reliefartig hervorstehen, hat der lange Jahre im Ruhrländischen Künstlerbund aktive Maler die Oberfläche ebenfalls mit einer monochromen Lasur überzogen.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr

Landschaft in Südfrankreich

Otto Pankok

undatiert
116 × 98 cm
Kohle auf Papier
Schenkung von Arthur Kaufmann, New York, 1970

Als „Schwelgen in Kohle“ bezeichnete Otto Pankok das Zeichnen in seiner bevorzugten Technik, mit der er spontan, aber präzise auf seinen Reisen in die Niederlande, Spanien oder Südfrankreich das Gesehene auf großformatigem Papier erfasste. Er ist ein bedeutender Vertreter eines Expressiven Realismus und orientierte sich in Stilfindung und Wahl seiner Sujets etwa an Rembrandt von Rijn, Jean-François Millet und Vincent van Gogh. Fasziniert von der Weite der Landschaft, suchte Pankok die Abgeschiedenheit von der Zivilisation. Besonders die bewegten Wolkenformationen sowie die einzelne Figur im Vordergrund der beiden Landschaftsdarstellungen zeigen eine ähnliche künstlerische Auseinandersetzung von Mensch und Natur bei Wilhelm Morgner und Otto Pankok. Beide sind expressiv, der eine in Anlehnung an die Lokalfarbe, der andere in Schwarz-Weiß.