MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg
Actionpainting bei Götz
Die Leinwand wurde bei Karl Otto Götz, ebenso wie bei anderen Künstlerinnen und Künstlern seiner Zeit, zu einer Aktionsfläche. Auf ihr wurde ein impulsiver, intensiver und oft schneller Malakt ausgelebt. In den 1940er-Jahren wurde das sogenannte Actionpainting in den USA durch Jackson Pollock begründet, der 1946 sein erstes Drip Painting (Tropfgemälde) malte. Pollock schleuderte und tropfte verdünnte Farbe über am Boden liegende Leinwände, so dass Farbkleckse, -schlieren und -lachen entstanden. Auf dem Bild Jonction II von Götz sehen wir an dieser Stelle ebenfalls Farbtropfen, die Götz auf das Bild sprenkelte. Sein Malprozess war im Vergleich zu Pollock jedoch immer verbunden mit meditativen Pausen. Der Körper stand nicht im Vordergrund, vielmehr sollten die Bewegungen während des Malens Götz helfen, den Formen eine Dimension zu verleihen, die über das Bekannte und Natürliche hinausgehen.
Götz' Gestische Malerei
In diesem Teil des Bildes sehen wir eine große geschwungene Form, die Karl Otto Götz mit einem breiten Pinsel auf die Leinwand malte. Man kann sich bildlich vorstellen, welche Bewegung Götz für diese Form ausgeführt haben muss. Mit einer großen schwungvollen Armbewegung wurde der Pinsel von Götz über die Leinwand bewegt, sodass die halbrunde, nach rechts zum Bildrand zackig auslaufende Form entstanden ist.
Götz' Rakeltechnik
Karl Otto Götz stieß 1952 eher zufällig auf die Maltechnik mit einer Rakel, die er von da an weiterentwickelte. Auf liegende, mit Kleister präparierte Malgründe wurden in drei Phasen mit Pinsel und Rakeln Farbstrukturen aufgetragen, weggeschoben und geschleudert, teils in hoher Geschwindigkeit. Götz prägte diese Technik auch für jüngere Künstlerinnen und Künstler, wie Gerhard Richter, der einige abstrakte Werke mit dem Einsatz von Rakeln schuf. An dieser Stelle des Bildes sehen wir, wie Götz in die nasse Farbe zackige Spuren zog, die von großen und kleinen Armbewegungen zeugen. Durch das Wegschleudern der Farbe mit einem Rakel entstehen bei Einsatz von schwarzer Farbe weiße Kontrastspuren, die Götz als Positiv-Negativ-Verflechtungen beschrieb. Diese Verflechtungen nennt Götz auch Fakturen, die ein sichtbares Ergebnis des bewegten Malprozesses zeigen.
Entstehung von Jonction
Karl Otto Götz zur
Entstehung von Jonction
Das Werk Jonction II bezieht sich auf das frühere Werk Jonction I, beide thematisieren die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland am 3. Oktober 1990. Den Entstehungsprozess von Jonction I beschrieb Karl Otto Götz wie folgt:
„Am Tag der Wiedervereinigung, dem 3. Oktober 1990, war ich alleine (…) Im Atelier lagen wohl zwei grundierte, geschliffene und gehärtete Leinwände im Format 200 x 260 cm. Aber malen wollte ich eigentlich nicht. Ich rannte zwischen Fernseher und Atelier hin und her; denn ich war sehr erregt über das, was sich in Berlin tat. (…) Nun da ich alleine war, dachte ich, jetzt könntest du ein Bild in einem Zug malen, ungestört, als Erinnerung an diesen Tag. Ich malte also das schwarz-weiße Bild und nannte es Jonction. Ich schrieb das Wort vorne aufs Bild, was ich sonst nie mache und dazu das Datum 3.
Einige Wochen später bat ich einen unserer Fahrer ins Atelier zu kommen, um seine Reaktion zu testen vor dem Wiedervereinigungs-Bild. Der Fahrer, etwas über 50 Jahre alt, (…) hatte keine Ahnung von moderner Kunst und interessierte sich auch nicht dafür. Als er vor meinem Bild stand sage ich ihm, dass dies auf abstrakte Weise die Wiedervereinigung darstellen soll. Der Fahrer sah sich die schwarzen Rhythmen sehr genau an, trat weiter zurück und sagte: ,Ja klar, da links ist das Volk, es will sich befreien. Daneben der Wirbel, das ist die Befreiung. Ja, und diese schwarze stürzende Form in der Mitte, ja, das ist der Sturz des Kommunismus, klar.‘ Dann schaute er auf den Teil ganz unten rechts im Bild und meinte etwas verlegen: ,Na ja, das ist das Durcheinander, was jetzt da drüben herrscht.‘“
Aus: Götz, K. O: Erinnerung IV 1985-1999, Aachen 1999, S 87-88.
Götz während seines Malprozesses
Auf dieser Fotografie sieht man Karl Otto Götz bei der Arbeit mit großem Pinsel. Götz zieht sein Werkzeug in großen kraftvollen Zügen über die auf dem Boden liegende Leinwand. Die Farbtropfen am Boden bezeugen das ungezügelte Tempo seiner leidenschaftlichen Arbeit.
Jonction II
Karl Otto Götz
1991
200 × 520 cm, zweiteilig
Mischtechnik auf Leinwand
In der Sammlung Ströher nimmt das Werk von K. O. Götz einen besonderen Raum ein. Seine Werke strahlen Dynamik, Freiheit und undurchdringliche Tiefe aus. Ihre zeitlose Aktualität ist kennzeichnend für den Charakter der Kunst, die im Museum Küppersmühle präsentiert wird. „Abstrakt ist schöner“, lautet das Credo von K. O. Götz, und seine Malerei verkörpert das beispielhaft. Jonction II ist eines seiner Hauptwerke. Es wurde inspiriert von der gewaltfreien, revolutionären Wiedervereinigung Deutschlands.