Skulpturenmuseum Marl

TV & TV-Kiss

Günther Uecker

1963 & 2013/14
118×104×104 cm & 40×100×70 cm

Die Skulptur TV von 1963 zählt zu den markanten Nagelobjekten von Günther Uecker und befindet sich seit 1990 in der Sammlung des Skulpturenmuseums. 2014 schuf Uecker für die Werkschau Fernseh-Objekte anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Grimme-Instituts das Werk TV-Kiss aus Kindermatratzen und einem benagelten Flachbildschirm und übersetzte damit seine medienkritische Auseinandersetzung mit Unterhaltungs- und Massenmedien in die Gegenwart. Beide Werke verdeutlichen die inhaltliche Bandbreite des Ausstellungs- und Sammlungsschwerpunkts von Skulptur und Medienkunst im Skulpturenmuseum Marl.

Skulpturenmuseum Marl

Airbourne Language

Katja Davar

2019
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl
Video 05;32

In Airbourne Language studiert Katja Davar, wie sich ein bemaltes Tuch in der Luft verhält. Die Ultra-Slow-Motion-Aufnahme macht die Bewegungsmuster des textilen Objekts nachvollziehbar und veranschaulicht das Verhältnis von Zeichnung und Film. Wenn die schwarzen Tuschelinien auf dem weißen Tuch mit dem Stoff immer wieder neue Strukturen bilden, überträgt sich der zeichnerische Gestus von der zweidimensionalen Fläche in den filmischen Raum.

Karl Otto Götz arbeitet mit Pinsel und Rakel, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. In seinem Gemälde treffen schwarz-blaue Flächen und Kreisstrukturen aufeinander. Geladenen Atomen vergleichbar, stoßen sie sich ab oder verschmelzen. Jonction II entstand im Kontext der deutschen Wiedervereinigung und lässt sich dementsprechend mit einem besonders bewegenden Moment aus der Geschichte verbinden.

Skulpturenmuseum Marl

STEP ON THE SUN

Janet Biggs

2012
variabel
9:22 Loop, 4 Kanal Videoinstallation
Seit 2013 im Skulpturenmuseum Marl

Die amerikanische Künstlerin Janet Biggs ist eine Spezialistin für Extremlandschaften. In dem Video A Step on the Sun porträtiert sie den Ijen-Vulkan auf der indonesischen Insel Java. Die Berglandschaft mit dem türkisfarbenen See ist jedoch nur ein vermeintliches Idyll: Die aufsteigenden Gase und das Wasser sind schwefelhaltig – und damit schädlich für die Arbeiter:innen, die unter hoher körperlicher Anstrengung und mit wenig Schutzausrüstung Schwefel-Brocken abtragen. Die expressionistische Malerin Gabriele Münter ist ebenfalls von Gebirgen und Seen fasziniert. In ihrem Gemälde Schneelandschaft bei Kochel zeigt sie Berge in den bayrischen Voralpen bei winterlichen Temperaturen. Die kühlen Farbtöne der menschenleeren Szene lassen sich als Verweis darauf lesen, dass auch der Sehnsuchtsort Gebirge eine kalte, gefährliche Seite hat.

Skulpturenmuseum Marl

Larron, le maudit momifié

Horst-Egon Kalinowski

1973
92 × 162 × 77 cm
Holz, Leder, Seil u. Stock in/auf Stahlsockel

Horst-Egon Kalinowski und Emil Schumacher waren nicht nur Kollegen an der Kunstakademie Karlsruhe, sondern teilten auch das Interesse am Material. Kalinowski setzte sich in Larron, Le Maudit, Momifié mit Leder auseinander. Das organische Material diente dem Künstler zur Bespannung eines rechteckigen Kubus, bildet auf dessen Oberseite aber auch ein Relief heraus. Von einem Seil zusammengeschnürt, evozieren die braunen Lederwülste düstere Momente – eine Figur mit Strick um den Hals, Gewalt oder Mumifizierung, wie der Titel andeutet. Zugleich lassen sie sich als ein Experiment über das Zusammenspiel zweier Materialien verstehen, das die haptische Wahrnehmung der Betrachtenden anregt. Auch in Schumachers Arbeit spielt Taktilität eine wichtige Rolle. Für das Gemälde Pinatubo trug der Künstler die Farbe pastos auf, um deren Konsistenz und Wirkung sichtbar zu machen. Die vielfach bearbeitete, immer wieder neu aufgerissene Oberfläche erinnert in ihrer Struktur an das abgeschabte Leder, das Kalinowski in seiner Skulptur inszeniert.

Skulpturenmuseum Marl

Ginsberg

Nam June Paik

1988
ca. 254 × 232 × 10 cm
Öl auf Leinwand, Watchman, Ventilator, bedrucktes Tuch

Mit seiner Multimedia-Collage erinnert Nam June Paik an den gleichnamigen Autor aus der US-amerikanischen Beat Generation Allen Ginsberg. Der Ventilator, der den Siebdruck mit Ginsbergs Gesicht in Bewegung setzt, deutet an, wie wichtig Prozessualität und Aktion für die Kunst und Literatur der 1960er- und 70er-Jahre waren. Der unbetitelte Stahltisch von Anatol ist ein Relikt von einer Aktion, die vom gleichen Zeitgeist geprägt war. Anatol kooperierte für die Arbeit mit Jochen Duckwitz, Ulrich Meister, Johannes Stüttgen und Joseph Beuys, Veranstaltungsort war das Düsseldorfer Szenelokal Cream Cheese. Die am Tisch festgeschnallten Personen sollten auf Anweisung sprechen oder schweigen – eine Vorgabe, die auf die Bedeutung von Klang und Stille in Performances dieser Zeit, aber auch im Werk von Literat:innen wie Ginsberg hinweist.

Skulpturenmuseum Marl

Miniaturrelief

Benno Werth

Mitte 1960er-Jahre
9,5 × 3 × 0,5 cm
Bronze, Kieselgur
Seit 2015 im Skulpturenmuseum Marl

Benno Werths und Kurt Schwitters Arbeiten teilen das kleine Format. Werth nutzte die Miniatur für eine abstrakte Komposition aus Bronze, die den Eindruck von einer Stadt- oder Dorflandschaft mit Häusern, Türmen oder Bäumen vermittelt. Schwitters zeigt mit dem Gutshof Opherdicke und dessen ländlicher Umgebung ein ähnliches Szenario. Das Gemälde gehört zu einer Reihe von Werken aus der Zeit um 1916/17, in denen der für Collagen und Installationen bekannte Dada-Künstler die westfälische Gemeinde Opherdicke festhielt. Der blau-violette Himmel taucht das aus der Ferne gesehene Häuserensemble in eine vorabendliche Stimmung. Auch Werths Relief erscheint aufgrund seiner Patina und den abgerundeten Kanten sehr atmosphärisch. Die räumliche Binnengliederung mit Wandelementen und Türmen ist typisch für die Metallarbeiten des Künstlers.

Skulpturenmuseum Marl

Two right feet for Sebastian

Dennis Oppenheim

1974
variabel
Motoren, Stiefel, Metallrohre, Sound, Maße variabe
Seit 1996 im Skulpturenmuseum Marl

Die Red Heels von Heiner Meyer sind von Weitem sichtbar. Knallrot und überdimensional groß, ziehen die zum Turm gestapelten Stilettos alle Blicke auf sich. Der deutsche Pop-Art-Künstler spielt in der Skulptur mit dem Begehren, dass die extravaganten Schuhe als Modeaccessoire, Konsumgegenstand und Statussymbol auszulösen vermögen. In Two right feet for Sebastian kommt mit motorbetriebenen Stiefeln ebenfalls Schuhwerk vor. Im Fokus von Dennis Oppenheims Arbeit steht aber weniger die alltags- und populärkulturelle Bedeutung des Objekts ‚Schuh‘ als die Möglichkeit und Form der (Fort-)Bewegung. Als Grundlage für die Installation diente eine Performance, in der der Land- und Body-Art-Künstler einem Mann mit amputiertem Bein ein Bleirohr als Prothese anhaftete. Die gegen die Wand tretenden Stiefel thematisieren die Funktion von ‚Ersatzteilen‘, lassen sich aber auch als Verweis auf Affekte lesen, die mit der Einschränkung der Gehfähigkeit verbunden sind – etwa Wut, Trauer oder Frust.

Skulpturenmuseum Marl

ohne Titel

Chargesheimer

1947
66 × 59 × 35 cm
Draht, Eisen, Kupfer, z.T. lackiert

Das Gemälde Nach der Bombenacht von Werner Gilles wirkt auf den ersten Blick überraschend farbenfroh. So irritieren die schwungvollen, kräftigen Linien und eine optimistisch scheinende Helligkeit im Bild des ehemaligen Bauhausschülers. Zeitgleich erscheint die abgebildete Landschaft chaotisch und wüst und der blutrote Grund sowie die ungewöhnlich diffuse, rotbräunlich eingefärbte Himmelpartie deuten den Schrecken und die Zerstörung an, auf die Gilles verweist. Ähnlich dynamisch ist auch die 1947 und somit nur wenige Jahre zuvor entstandene Skulptur o.T. des Künstlers Chargesheimer. Jener, vorrangig bekannt als Fotograf, erlebt und dokumentiert die Zerstörung und den Wiederaufbau seiner Heimatstadt Köln. Sein filigranes Objekt zeichnet bekannte Formen nach, bevor sie in ihren Umrissen nahezu fließend ineinander übergehen, etwas Neues formen oder deplatziert in der Schwebe zu verschwinden drohen. Beide Arbeiten verbindet die Abstraktion, welche das Erlebte und Gefühlte versucht zu verstehen, abzubilden und zu konservieren.

Skulpturenmuseum Marl

11/18

Melanie Manchot

2015
18 min Loop, Maße variabel
9 Monitore, 7 Sockel, 9 Kanal Videoinstallation
Seit 2018 im Skulpturenmuseum Marl

Vom Mädchen zur jungen Frau: Für die Videoinstallation 11/18 begleitete Melanie Manchot ihre Tochter Billie beim Aufwachsen. Von ihrem elften bis zum achtzehnten Lebensjahr trat Billie einmal im Monat vor die Kamera. Entstanden sind einminütige Videoporträts. Die Aufnahmen zeigen, wie sich Identität, Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung in der Pubertät verändern. Über die Person Billies, die mal mehr, mal weniger verhalten, aber immer bewusst vor der Kamera posiert, sagt die Arbeit nicht viel aus. Die Große Sinnende von Wilhelm Lehmbruck verrät ebenfalls wenig über das Modell. Die weibliche Aktfigur trägt keine individuellen Züge, ihr Blick scheint mehr nach innen gerichtet. Macht Manchot die Entwicklung einer konkreten jungen Frau als Prozess sichtbar, so verdichtet Lehmbruck geistige Vorgänge in einem abstrakten Frauenbildnis.

Skulpturenmuseum Marl

Prismatischer Raum II

Ingrid Dahn

2005
ca. 75 × Ø 20 cm
Acryl, Aluminium
Seit 2020 im Skulpturenmuseum Marl

Ein schmaler Körper schwebt in der transparenten Plastik aus Acrylglas und Aluminium der deutschen Bildhauerin Ingrid Dahn. Je nach Perspektive und Lichteinfall scheint sie nahezu plastisch empor zu schweben, obgleich sie in ihrem gläsernen Umfeld gefangen wirken kann. Optische Spiegelungen und bunte Lichtreflexionen lassen das Gefühl entstehen, kleine Bewegungen der Figur mitzuerleben. Dabei scheint sie nah und gleichwohl fern zu sein. Ähnlich verhält es sich auch in dem Werk Le Rêve von František Kupka, das beinahe ein ganzes Jahrhundert vor Dahns Werk entstand. Unter dem Titel Traum steigen zwei umschlungene Körper in die Höhe, verlassen ihre Leiber und bewegen sich glühend zum Bildrand. Beide Werke vereint die Verbildlichung von Dynamik, welche zwar künstlerisch angedeutet wird, jedoch nur im Kopf der Betrachtenden tatsächlich entsteht.

Skulpturenmuseum Marl

Sparstrumpf (1000 D-Mark)

Victor Bonato

ca. 1995
75 × 13 × 16 cm
Strumpfbein, geschredderte Geldsteine
Seit 2003 im Skulpturenmuseum Marl

Victor Bonatos Sparstrumpf ist mit geschredderten Tausend-DM-Scheinen gefüllt – Hinweis auf unermüdliche Arbeit und langgehegte Wünsche. Die Kultur des Sparens ist jedoch nicht ohne die Versuchung des Konsums zu denken. In das Bein einer Schaufensterpuppe gepresst, evozieren die Geldscheine Güter, wie sie in August Mackes ‚Hutladen‘ zu erwerben sind. Die Frau in dem Gemälde ruft das ‚Windowshopping‘ ins Gedächtnis. Auch Bonato stellt einen Zusammenhang zwischen Frauen, Konsum und Begehren her. Sein Sparstrumpf erinnert nicht nur an die problematische Vorstellung von der Frau als ‚Ware‘, sondern auch an das Klischee der ‚sparsamen Hausfrau‘. Wenngleich sich Ökonomie wie Konsum als selbst- und fremdbestimmt, Kunst und Schwäche denken lässt, spannen beide Künstler ein Bezugsfeld auf, das auf stereotype Geschlechterrollen befragt werden muss.